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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: B 7b AS 2/06 R
Rechtsgebiete: SGB X


Vorschriften:

SGB X §§ 53 ff
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 29. März 2007

Az: B 7b AS 2/06 R

Der 7b. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, die Richter Eicher und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Lohre und Dr. Dauber

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 19. Januar 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Revision des Klägers zu 2 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I

Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) II dem Grunde nach für beide Kläger, jedoch in der Höhe insgesamt begrenzt auf 88,76 Euro wöchentlich, (nur noch) für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005.

Die Klägerin zu 1 ist 1945 geboren und mit dem 1935 geborenen Kläger zu 2, mit dem sie zusammenlebt, verheiratet; sie bezog bis 25. Mai 2004 Alg und anschließend auf Grund entsprechenden Bewilligungsbescheids bis 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe (Alhi), letztere in Höhe von 88,76 Euro wöchentlich. Bereits im September 2003 hatte sie eine Erklärung unterzeichnet, wonach sie Alg und Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen gemäß § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) beanspruche, dass sie nicht mehr arbeitsbereit sei. Der Kläger zu 2 bezog nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) im Jahre 2004 eine Betriebsrente in Höhe von 183,35 Euro monatlich, eine Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung in Höhe von 618,71 Euro monatlich und eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.149,50 Euro monatlich. In einem gerichtlichen Vergleich vom 31. Januar 2001 war vereinbart, dass der Kläger zu 2 seiner früheren Ehefrau monatlich 741,37 Euro Unterhalt zu zahlen habe. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin zu 1 auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Anschluss an den Alhi-Bezug ab, weil Hilfebedürftigkeit wegen zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers zu 2 nicht vorliege (Bescheid vom 23. November 2004; Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2005).

Die hiergegen von der Klägerin zu 1 mit dem Ziel der Zahlung von Alg II in Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 gezahlten Alhi erhobene Klage blieb erstinstanzlich erfolglos (Urteil des Sozialgerichts <SG> vom 26. September 2005). Auf die von der Klägerin zu 1 eingelegte Berufung hat das LSG nach entsprechender Anhörung der Beteiligten und auf ausdrücklichen Antrag der Klägerin zu 1 den Kläger zu 2 als weiteren Kläger in das Verfahren einbezogen, die "Berufung" der Kläger gegen das Urteil des SG jedoch zurückgewiesen (Urteil vom 19. Januar 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Kläger hätten nach der verfassungsrechtlich zulässigen Aufhebung der Vorschriften über die Alhi im SGB III mit Wirkung ab 1. Januar 2005 keinen Anspruch auf Alg II nach dem SGB II in Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 gezahlten Alhi. Insoweit könnten sie sich weder auf die von der Klägerin zu 1 unterzeichnete Erklärung zum Bezug der Alhi unter erleichterten Voraussetzungen nach § 428 Abs 1 SGB III noch auf Vertrauensschutz berufen.

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung der Vorschriften der §§ 53 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), weil die Klägerin zu 1 mit der Beklagten einen wirksamen Vertrag über Leistungen bei Arbeitslosigkeit unter erleichterten Voraussetzungen geschlossen habe. Im Übrigen sei Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) verletzt, weil die Regelungen des SGB II über die Höhe des Alg II unter Berücksichtigung der Einkommensanrechnung den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz verletzten. Die Beklagte habe das "Modell § 428 SGB III" für ältere Arbeitnehmer massiv bei dem betroffenen Personenkreis beworben und die Arbeitslosen geradezu gedrängt, die Erklärung zu § 428 SGB III zu unterschreiben.

Die Kläger beantragen,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 dem Grunde nach Alg II, begrenzt auf einen Gesamtbetrag von wöchentlich 88,76 Euro, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das LSG habe richtig entschieden.

II

Die Revision des Klägers zu 2 ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), die der Klägerin zu 1 iS der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet, soweit dessen Urteil die Klägerin zu 1 betrifft. Nach der Zurückverweisung wird das LSG mithin nur noch über den Anspruch der Klägerin zu 1 zu befinden haben.

Streitgegenstand ist vorliegend nach den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2007 nur noch die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005. Für diesen Zeitraum verlangen die Kläger an Stelle der früheren, jedoch mit Wirkung ab 1. Januar 2005 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise durch das Alg II ersetzten Alhi (vgl dazu die Entscheidungen des 11b-Senats vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, B 11b AS 17/06 R, B 11b AS 3/06 B und B 11b AS 25/06 R - sowie vom 21. März 2007 - B 11a AL 43/06 R) die Zahlung von Alg-II-Leistungen an beide Kläger (Grundurteil iS des § 130 SGG), allerdings in der Gesamthöhe begrenzt auf den Betrag der früher gezahlten Alhi. Damit greifen die Kläger zwar letztlich auch die Rechtmäßigkeit der vom SGB II gewählten Leistungssystematik (§§ 19 ff) und Leistungszuständigkeit (§ 6) an, weil das SGB II in den §§ 19 ff nicht von einer einheitlichen Leistung, sondern von unterschiedlichen Einzelbedarfen und Ansprüchen ausgeht (vgl das Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 20), die wegen der geteilten Leistungszuständigkeit (§ 6 Abs 1 Satz 1 SGB II in der Normfassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 - BGBl I 2014) hier nicht alleine von der Beklagten, sondern auch vom kommunalen Träger zu erfüllen wären. Letztlich ist dies jedoch nicht entscheidungserheblich, weil - wie noch auszuführen sein wird - ohnedies "Gesamtleistungen" in Höhe der früher gezahlten Alhi nicht zu gewähren sind.

Vorliegend war der kommunale Leistungsträger, obwohl es bei Ablehnung einer "Gesamtleistung" in Höhe der früher gezahlten Alhi inzident um alle Leistungen nach dem SGB II geht, nicht notwendig iS des § 75 Abs 2 1. Alternative SGG (echte notwendige Beiladung) beizuladen. Zwar wäre für Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) der kommunale Leistungsträger nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II zuständig, und bei der Ablehnung der von den Klägern begehrten "Gesamtleistung" in Höhe der Alhi entspricht es zumindest hilfsweise dem Klagebegehren der Kläger, alle denkbaren anderen Leistungen nach dem SGB II zu erhalten; jedoch bilden die Leistungen für Unterkunft und Heizung mit den sonstigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts keine rechtliche Einheit in dem Sinne, dass nur gemeinsam darüber entschieden werden könnte und dürfte (Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 20). Andererseits sind die Voraussetzungen des § 75 Abs 2 2. Alternative SGG (analoge Anwendung; dazu Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - RdNr 12) für eine unechte notwendige Beiladung vorliegend zu bejahen, weil an Stelle der Beklagten für die Leistungen der Unterkunft und Heizung der kommunale Leistungsträger als leistungspflichtig in Betracht kommt. Dass das LSG eine entsprechende Beiladung nicht vorgenommen hat, hat indes keine Auswirkungen auf das Revisionsverfahren, weil das Unterlassen einer unechten notwendigen Beiladung durch das LSG von einem der Beteiligten hätte gerügt werden müssen (vgl nur Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - RdNr 15 mwN). Nach der Zurückverweisung der Sache aus anderen Gründen wird das LSG, soweit es den Anspruch der Klägerin zu 1 betrifft, ohnedies die unterbliebene Beiladung nachzuholen haben.

Die Revision des Klägers zu 2 hat bereits aus prozessualen Gründen sachlich keinen Erfolg. Der Kläger zu 2 bildet zwar mit seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1, trotz des Bezugs von Altersrente eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 1 und Nr 3 Buchst a SGB II (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 15; Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - RdNr 13); weil er selbst Altersrentenempfänger ist, kann er aber gemäß § 7 Abs 4 SGB II keine Leistungen nach dem SGB II - auch kein Sozialgeld (§ 28 SGB II) - erhalten. Der Kläger zu 2 unterfiele somit bei Bedürftigkeit dem Leistungssystem des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Deshalb besteht auch keine Veranlassung, die von einer Person der Bedarfsgemeinschaft, der Klägerin zu 1, eingelegten Rechtbehelfe bzw das Urteil des SG erweiternd dahin auszulegen (§ 38 SGB II, §§ 73 Abs 2 Satz 2, 123 SGG), dass alle Personen der Bedarfsgemeinschaft sowohl von den entsprechenden prozessualen Anträgen als auch dem SG-Urteil erfasst wurden (BSG aaO). Das LSG hätte aus diesem Grund eine "Einbeziehung" des Klägers zu 2 in das Verfahren nicht anregen dürfen, weil das Urteil des SG, das sich ausschließlich mit einem Anspruch der Klägerin zu 1 befasst hat, nicht erweiternd auszulegen war. Der beim LSG von der Klägerin zu 1 für den Kläger zu 2 gemäß § 73 Abs 2 Satz 2 SGG in vermuteter Vertretung gestellte Antrag war somit als Berufung mangels Beschwer unzulässig. Sähe man in der vom LSG angeregten prozessualen Erweiterung des Verfahrens auf zwei Personen, soweit es den Kläger zu 2 betrifft, eine neue Klage in der Gestalt einer Klageänderung (§ 99 Abs 1 und 2 SGG), wäre diese ebenfalls unzulässig, weil es an einer vorausgegangenen ablehnenden Entscheidung der Beklagten mangelt (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Die Klägerin zu 1 hat jedenfalls bis zur "Einbeziehung" des Klägers zu 2 in das Verfahren durch das LSG verfahrensrechtlich und prozessual zu Recht Leistungen nur an sich selbst geltend gemacht, weil die Beklagte nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht über Ansprüche des Klägers zu 2 eine Verfügung (§ 31 SGB X) getroffen hat.

Dass Leistungen nach dem SGB II nicht - losgelöst von der Systematik des SGB II - in Höhe der früheren Alhi wegen der von der Klägerin zu 1 unterschriebenen Erklärung zur Zahlung von Alhi unter erleichterten Voraussetzungen (§ 428 Abs 1 SGB III) zu zahlen sind, hat der 11b-Senat in vier Urteilen vom 23. November 2006 und einem weiteren Urteil vom 21. März 2007 überzeugend dargelegt (vgl dazu die Entscheidungen vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R, B 11b AS 17/06 R, B 11b AS 3/06 R und B 11b AS 25/06 R - sowie die Entscheidung vom 21. März 2007 - B 11a AL 43/06 R). Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, weil sich die von der Klägerin zu 1 unterzeichnete Erklärung allein darauf beschränkt, dass auf die Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft für die Gewährung von Alhi verzichtet wird, ohne dass daraus die Beklagte als Gegenleistung zur Zahlung von Leistungen in Höhe der Alhi für die Zeit ab 1. Januar 2005 verpflichtet wäre (BSG aaO). Abgesehen davon ist nach Ansicht des erkennenden Senats ohnedies zwischen der Klägerin zu 1 und der Beklagten kein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden. Ebenso wenig ergibt sich ein Anspruch der Klägerin zu 1 auf Zahlung von Alg-II-Leistungen in Höhe der früher gezahlten Alhi aus einer Zusicherung bzw aus verfassungsrechtlichen Gründen des Vertrauensschutzes; dies hat der 11b-Senat bereits überzeugend dargelegt (BSG aaO). Insbesondere bedurfte es keiner über § 65 Abs 4 SGB II hinausgehenden Übergangsregelung - die allerdings nach der Systematik des SGB II anders als § 428 SBG III bei der Alhi keine Bedeutung für die Anspruchsvoraussetzungen des Alg II, sondern für die Absenkung (§ 31 SGB II) gewinnt -, weil die Klägerin zu 1 nicht auf den Fortbestand der früheren, günstigeren Alhi-Regelungen vertrauen konnte (BSG aaO). Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte das "Modell § 428 SGB III" massiv beworben hat.

Ob die Klägerin zu 1 jedoch Ansprüche auf Alg II nach Maßgabe der Vorschriften des SGB II besitzt, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilt werden. Im Revisionsverfahren könnte wegen der Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II sachlich lediglich über die Leistungen nach §§ 19 bis 21, 23 Abs 1 und 2, 24 bis 28 SGB II entschieden werden; nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG kommen insoweit allenfalls die Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II und der befristete Zuschlag nach Bezug von Alg gemäß § 24 SGB II in Betracht. Letzterer wäre schon dann nicht zu gewähren, wenn kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iS des § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II bestünde; denn der Zuschlag ist nach der gesetzlichen Regelung ausschließlich als Zuschlag zum ansonsten zu zahlenden Alg II vorgesehen (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - RdNr 25). Vorrangig sind deshalb die Voraussetzungen der §§ 20, 22 SGB II zu beurteilen. Denkbare Ansprüche aus § 22 SGB II bestünden nicht gegen die Beklagte.

Leistungen nach §§ 20, 24 SGB II erhalten gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (hier in der Normfassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 - BGBl I 2014) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Abgesehen davon, dass es an ausdrücklichen Feststellungen des LSG zur Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu 1 fehlt, kann auch deren Hilfebedürftigkeit iS der Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II (hier in der Normfassung des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 - BGBl I 2954) nicht beurteilt werden. Nach § 9 Abs 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die einer Bedarfsgemeinschaft angehören, ua das Einkommen des Partners zu berücksichtigen.

Zu dem im streitigen Zeitraum zu berücksichtigenden Einkommen enthält das LSG-Urteil keine Feststellungen. Vielmehr hat das LSG lediglich zu Unrecht die Einkommensverhältnisse des Klägers zu 2 im Jahre 2004 - selbst diese teilweise unzutreffend - erläutert und seiner Berechnung für die von den Klägern begehrten Leistungen zu Grunde gelegt, ohne Feststellungen dazu zu treffen, ob bzw dass sich die dem Kläger zu 2 im Jahre 2004 gezahlten Renten im Jahre 2005 nicht verändert haben. Nach Aktenlage ist jedoch erkennbar, dass insoweit erhebliche Änderungen eingetreten sind. Dem Senat ist es indes als Revisionsinstanz verwehrt, hierzu eigene Feststellungen zu treffen, um diese für eine rechtliche Bewertung zu nutzen. Das LSG wird deshalb die Prüfung der Hilfebedürftigkeit nachzuholen haben. Bei dieser Sachlage bedarf es keines näheren Eingehens darauf, dass die Regelungen über die Regelsätze des § 20 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG nicht verfassungswidrig sind (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R).

Bei seiner Entscheidung wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass der für die Kläger als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II) zu ermittelnde Grundsicherungsbedarf - einschließlich des Unterkunftsbedarfs, der allerdings nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - den einschlägigen Regelungen der §§ 19 ff SGB II zu entnehmen ist, und zwar auch dann, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R - RdNr 24). Vor Abklärung der genauen Einkommenssituation der Kläger im streitigen Zeitraum bedarf es keiner endgültigen Entscheidung darüber, ob es verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen würde, den Kläger zu 2 auf Grund der Regelung über die Berücksichtigung von Einkommen nach dem SGB II im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft mangels eigener Ansprüche nach dem SGB II auf Leistungsansprüche nach dem SGB XII zu verweisen nach Maßgabe der dortigen Bedarfsberechnung, wenn das ihm selbst zur Verfügung stehende Einkommen für seinen eigenen Bedarf ausreichen würde (vgl zu diesem Gedanken das Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 15 mwN).

Der Bedarf für die Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sich im vorliegenden Fall nach § 20 Abs 3 Satz 1 SGB II (hier in der Normfassung des Kommunalen Optionsgesetzes). Nach dieser Vorschrift beträgt die Regelleistung jeweils 90 vH der Regelleistung nach Abs 2, weil beide Kläger das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die monatliche Regelleistung errechnet sich damit für die Klägerin zu 1 unter Berücksichtigung der Rundungsvorschrift in § 41 Abs 2 SGB II auf 311,00 Euro. Diesem Bedarf ist nach § 19 Satz 2 SGB II (in der Fassung des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt) das zu berücksichtigende Einkommen des Klägers zu 2 gegenüberzustellen, das vorrangig die Geldleistungen der Beklagten mindert und erst danach die Geldleistungen des kommunalen Trägers, also die Leistungen für Unterkunft und Heizung, über die offenbar kein Bescheid des kommunalen Trägers ergangen ist. Inwieweit Einkommen der Klägerin zu 1 und Vermögen der Kläger zu berücksichtigen ist, mag das LSG entscheiden. Ausdrückliche Feststellungen hierzu fehlen.

Dass die Beklagte den kommunalen Leistungsträger zur Abklärung einer - wenn auch nicht rechtlich, so doch logisch notwendigerweise - einheitlichen Entscheidung über die Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1 gemäß § 12 Abs 2 Satz 1 SGB X iVm § 86 SGB X an ihrem Verwaltungsverfahren hätte beteiligen müssen (Ermessensreduzierung auf "Null"), ist für die Entscheidung des Senats ohne rechtliche Bedeutung. Denn diese Beteiligung ist nach der Zurückverweisung der Sache an das LSG noch nachholbar (§ 41 Abs 1 Nr 5 iVm Abs 2 SGB X) und wird insbesondere durch die bereits angesprochene unechte notwendige Beiladung ersetzt. Ohnedies führt ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 12 SGB X nicht dazu, dass der Klägerin zu 1 alleine deshalb Alg-II-Leistungen zuzugestehen wären; lediglich die Ablehnungsentscheidung als solche wäre formal rechtswidrig.

Anders als bei Beurteilung der Erwerbsfähigkeit (vgl dazu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - RdNr 20) ist die Beklagte auch nicht nach Sinn und Zweck der Regelung des § 44a Satz 3 SGB II (hier in der Normfassung des Kommunalen Optionsgesetzes) verpflichtet, von einer Hilfebedürftigkeit auszugehen, solange sie den kommunalen Träger nicht kontaktiert hat. Abgesehen davon, dass Streit auch über den Umfang der Hilfebedürftigkeit entstehen kann und somit ohnedies die Fiktion einer umfassenden Hilfebedürftigkeit bis zur Entscheidung der Einigungsstelle nicht gerechtfertigt wäre, ist § 44a Satz 3 SGB II dahin auszulegen, dass der jeweils zuständige Leistungsträger seine Leistungen ohne Bindung an die Entscheidung des anderen zu erbringen hat (Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 44a RdNr 27). Anders als in Fällen der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bzw des Streites über eine Erwerbsfähigkeit gerät der Leistungsempfänger nämlich durch eine unterschiedliche Beurteilung der Hilfebedürftigkeit bei gespaltener Leistungsträgerschaft nicht "zwischen zwei Stühle". Während durch die Fiktion der Erwerbsfähigkeit in Anwendung des § 44a Satz 3 SGB II (Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - RdNr 20) und die Anrufung der Einigungsstelle gesichert werden muss, dass zumindest einer der Leistungsträger eine Leistung erbringt und sich nicht jeder Leistungsträger auf die Zuständigkeit des anderen beruft, geht es bei der Anrufung der Einigungsstelle in Fällen unterschiedlicher Beurteilung der Hilfebedürftigkeit zwischen den Leistungsträgern (nur) bei gespaltener Trägerschaft (vgl dazu Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 44a RdNr 4 ff) allein um eine Einheitlichkeit der Entscheidungen der jeweils zuständigen Leistungsträger; die Gerichte sind ohnedies an die Beurteilung der Einigungsstelle nicht gebunden. Diese Zielsetzung verlangt aber keine Fiktion der Hilfebedürftigkeit mit Wirkung für beide Leistungsträger (vgl Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 44a RdNr 27).

Bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1 unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 2 wird das LSG ggf zu entscheiden haben, ob die Verletztenrente, weil sie gemäß §§ 104 ff Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Unfallversicherung - (SGB VII) zum Verlust von Schmerzensgeldansprüchen führen kann, teilweise als privilegiertes Einkommen anzusehen ist (so etwa Hänlein in Gagel, SGB III mit SGB II, § 11 RdNr 62, Stand Juni 2006). Allerdings kannte und kennt das Sozialhilferecht bzw das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende anders als § 2 Nr 2 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung 2002 für das Alhi-Recht keine ausdrückliche Privilegierung der Verletztenrente. Zum Sozialhilferecht hat hierzu unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) der 2. Senat des BSG ausgeführt, dass die Verletztenrenten in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen sind (BSGE 90, 172 ff = SozR 3-5910 § 76 Nr 4). Danach besteht für eine analoge Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II über die Privilegierung der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bzw für eine analoge Anwendung des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II (Normfasung des Kommunalen Optionsgesetzes) über das Schmerzensgeld wie unter Geltung des BSHG (bis 31. Dezember 2004) mangels unbewusster planwidriger Gesetzeslücke kein Raum (vgl dazu BSG aaO). Der Gesetzgeber dürfte sich bewusst gegen eine Übernahme der im Alhi-Recht geltenden Privilegierung der Verletztenrente entschieden und die im früheren Sozialhilferecht des BSHG getroffene Regelung für beide Rechtsgebiete übernommen haben. Insoweit hat der 2. Senat des BSG auch überzeugend dargelegt, dass diese Regelung jedenfalls nicht verfassungswidrig wäre (BSG aaO). Selbst wenn man dem nicht folgen würde, wäre eine Privilegierung allenfalls als teilweise zweckgebundene Einnahme (§ 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II) in Höhe der nach dem BVG zu zahlenden Grundrente gerechtfertigt (so Hänlein, aaO), die bei einer MdE von 30 %, wie offenbar beim Kläger zu 2, 118,00 Euro betragen würde.

Ob das LSG darüber hinaus die Frage zu beantworten haben wird, ob die vom Kläger zu 2 an seine frühere Ehefrau zu erbringenden Unterhaltszahlungen als nicht zur Verfügung stehende Einkünfte einkommensmindernd zu berücksichtigen sind (vgl dazu Hänlein, aaO, § 11 SGB II RdNr 50 ff; siehe auch die gesetzliche Neuregelung in § 11 Abs 2 Nr 7 SGB II mit Wirkung ab 1. August 2006 durch das SGB II-Fortentwicklungsgesetz vom 20. Juli 2006 - BGBl I 1706), entzieht sich mangels Feststellung der maßgeblichen Tatsachen einer abschließenden Beurteilung. Das LSG wird aber insbesondere zu beachten haben, dass sich die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 2 für das Jahr 2005 gegenüber dem gerichtlichen Vergleich vom 31. Januar 2001 als tituliertem Anspruch verändert haben könnten. Selbst wenn der Titel als solcher im streitigen Zeitraum noch Bestand gehabt haben sollte, müsste, falls man überhaupt vor der gesetzlichen Neuregelung zum 1. August 2006 die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 2 einkommensmindernd berücksichtigt, beachtet werden, dass jedenfalls eine solche Minderung dann nicht gerechtfertigt ist, wenn tatsächlich Unterhalt nicht gezahlt worden ist.

Schließlich wird das LSG, wenn sich Ansprüche der Klägerin zu 1 auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und/oder der Kosten für Unterkunft und Heizung ergeben sollten, über die Kosten des Revisionsverfahrens beider Kläger und die Kosten des ersten Berufungsverfahrens betreffend den Kläger zu 2 zu befinden haben (§ 193 SGG). Dabei kann dahinstehen, ob der Senat wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (dazu etwa Knittel in Hennig, SGG, § 193 Rz 35, Stand September 2002) ohnedies daran gehindert wäre, über die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2 bereits jetzt zu befinden. Jedenfalls hält es der Senat für angebracht, dass die Kostenentscheidung, soweit sie den Kläger zu 2 betrifft, trotz des Misserfolgs seiner Klage vom Ausgang des die Klägerin zu 1 betreffenden Klageverfahrens abhängig gemacht wird. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid können bei einem unbefangenen Leser den Eindruck erwecken, dass die Beklagte auch über einen Leistungsanspruch des Klägers zu 2 entschieden hat. Angesichts der im Zusammenhang mit verfahrensrechtlichen und prozessualen Fragen der Bedarfsgemeinschaft entstandenen Irritationen bei den Leistungsempfängern (vgl hierzu das Senatsurteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R) hat die Beklagte auf diese Weise mit dazu beigetragen, dass der Kläger zu 2 in das Berufungsverfahren "einbezogen" worden ist. Für die Berechnung von Anwaltskosten sei jedoch darauf hingewiesen, dass hier die Vertretungsvermutung des § 73 Abs 2 Satz 2 SGG (dazu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - RdNr 24) nicht zur Anwendung kommt.

Ende der Entscheidung

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