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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 31.07.2001
Aktenzeichen: 1 BvL 13/99
Rechtsgebiete: BVerfGG, SGB XI, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 81 a Satz 1
BVerfGG § 80 Abs. 2 Satz 1
SGB XI § 112 Abs. 1 Nr. 1
SGB XI § 23 Abs. 1 Satz 2
SGB XI § 112 Abs. 2
SGB XI § 23 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 100 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvL 13/99 -

In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung,

ob § 112 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1014) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit sich danach selbstständig Erwerbstätige, die gegen das Risiko der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen, wenn sie nicht einen Versicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit abschließen,

- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Obernburg, Zweigstelle Miltenberg, vom 12. April 1999 (OWi 100 Js 16774/98) -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 81 a Satz 1 BVerfGG am 31. Juli 2001 einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe:

I.

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig seiner Verpflichtung zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI nicht nachkommt und deshalb mit einer Geldbuße nach § 112 Abs. 2 SGB XI belangt werden kann.

1. § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI lautet:

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig

1. der Verpflichtung zum Abschluss oder zur Aufrechterhaltung des privaten Pflegeversicherungsvertrages nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 ... nicht nachkommt,

2. bis 6. ...

§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XI lautet:

(1) Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten...

(2) Der Vertrag nach Absatz 1 kann auch bei einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden. ..

(3) bis (6)

2. Der Betroffene des Ausgangsverfahrens ist von Beruf selbständiger Makler. Er ist gegen das Risiko der Krankheit bei einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung krankenversichert. Nach dem In-Kraft-Treten des SGB XI schloss er weder bei diesem noch bei einem anderen Versicherungsunternehmen einen Pflegeversicherungsvertrag ab. Das Landratsamt Miltenberg erließ nach Anhörung am 14. Oktober 1998 einen Bußgeldbescheid, gegen den der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch einlegte.

3. Das Amtsgericht hat das gerichtliche Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar sei, weil diese Vorschrift gegen den Gleichheitsgrundsatz beziehungsweise gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße.

4. Mit Schreiben des Berichterstatters vom 5. April und 3. Juli 2001 wurde das vorlegende Gericht um Prüfung gebeten, ob sich die Vorlagefrage auf Grund der zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 (1 BvR 1681/94 u.a.) beantworten lasse. Das Amtgericht teilte hierauf jeweils durch Verfügung mit, der Vorlagebeschluss werde aufrechterhalten.

II.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Die Begründung eines Vorlagebeschlusses muss gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG angeben, inwiefern es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt. Es muss sich dabei mit nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinander setzen und die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 79, 245 <249>). Dies gilt in besonderer Weise, wenn sich das Bundesverfassungsgericht bereits mit dem in Frage stehenden Regelungskomplex befasst hat (vgl. BVerfGE 79, 240 <244 f.>).

Ist die Begründung eines Vorlagebeschlusses zu ergänzen, ist ein Ergänzungsbeschluss erforderlich (vgl. BVerfGE 75, 329 <339>; 82, 156 <158>). Es gilt dasselbe Verfahren wie für den ursprünglichen Vorlagebeschluss.

2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht.

a) Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage genügt nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Es wird nicht deutlich, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis gelangen würde, als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 83, 111 <116>). Es ist nicht ausgeführt, wie das Amtsgericht bei Anwendung der zur Prüfung gestellten Norm entscheiden würde. Es wird insbesondere nicht festgestellt, ob der Betroffene den Tatbestand des § 112 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI objektiv und subjektiv verwirklicht hat und welche Beweismittel diese Überzeugung gegebenenfalls tragen (vgl. BVerfGE 35, 303 <306>).

b) Auch die zwischenzeitlich ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts hat das vorlegende Gericht, obwohl ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde, nicht ergänzend in die Begründung einbezogen (vgl. BVerfGE 82, 156 <158>). Dies wäre aber erforderlich gewesen, nachdem die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm damit begründet worden war, die Abschlusspflicht eines privat krankenversicherten Selbständigen nach § 23 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XI verletze den Gleichheitssatz, da Personen ohne Krankenversicherungsschutz nicht der Abschlusspflicht unterlägen. Das Bundesverfassungsgericht hat aber entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI, der den Personenkreis der privat Krankenversicherten, zu dem auch selbständig Erwerbstätige gehören können, zum Abschluss eines privaten Pflegeversicherungsvertrages verpflichtet, verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. April 2001, 1 BvR 1681/94 u.a., Umdruck S. 27 f.; Urteil vom 3. April 2001, 1 BvR 81/98, Umdruck S. 17 f.). Das vorlegende Gericht hätte sich im Hinblick auf die Begründung seines Vorlagebeschlusses mit diesen Entscheidungen auseinander setzen müssen.

c) Die insoweit erforderliche Ergänzung des Vorlagebeschlusses konnte auch nicht - wie geschehen - durch Gerichtsverfügung vorgenommen werden (vgl. auch BVerfGE 75, 329 <339>; Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 80 Rn. 323 <Stand: Oktober 1985>).

Ende der Entscheidung

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