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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 30.04.2000
Aktenzeichen: 1 BvQ 11/00
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 32 Abs. 1
BVerfGG § 93 d Abs. 2
GG Art. 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvQ 11/00 -

In dem Verfahren

über

den Antrag,

unter Aufhebung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. April 2000 - VG 1 A 135.00 - und des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 29. April 2000 - OVG 1 SN 38.00 - im Weg der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 26. April 2000 gegen die in der Verfügung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 19. April 2000 - LKA 5 - enthaltenen Auflagen wieder herzustellen, soweit dies nicht bereits durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts geschehen ist,

Antragsteller: Herr K. ,

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Benjamin Raabe, Fehrbelliner Straße 42 A, Berlin -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Kühling, Steiner gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993

(BGBl I S. 1473) am 30. April 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe:

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier nicht vor.

Die vom Bundesverfassungsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig vorzunehmende Folgenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Bliebe die sofortige Vollziehbarkeit der umstrittenen Auflagen bestehen, hätte eine Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, so wäre der Antragsteller zwar um die Möglichkeit, von dem ihm zustehenden Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der gewünschten Weise Gebrauch zu machen, gebracht worden. Allerdings wäre die grundrechtliche Beeinträchtigung nicht intensiv. Die geplante Versammlung ist nicht verboten, sondern nur von der Erfüllung bestimmter Auflagen abhängig gemacht worden. Die Auflagen selber, namentlich die auferlegte Routenänderung, berühren zwar den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG, weil das Grundrecht das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung gewährleistet (vgl. BVerfGE 69, 315 <343>). Gleichwohl wiegen die Auflagen - bis auf die Routenänderung - nicht besonders schwer. Zur Routenänderung hat der Antragsteller allerdings weder im Ausgangsverfahren noch in seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung substantiiert darzulegen vermocht, dass sein Demonstrationsanliegen gerade von der von ihm gewählten Streckenführung abhinge. Auch in Bezug auf die übrigen Auflagen ist es nicht ersichtlich, dass von ihnen im vorliegenden Fall eine besonders gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigung ausginge.

Auf der anderen Seite rechnet der Polizeipräsident in Berlin mit erheblichen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Diese Annahme basiert auf einer vertretbaren Gefahrenprognose. Sie beruht auf konkreten polizeilichen Erkenntnissen über den Antragsteller und die Versammlungsteilnehmer, insbesondere die "Antifaschistische Aktion Berlin (AAB)" als Mitveranstalterin der Demonstration, auf entsprechenden Erfahrungen früherer Demonstrationen am 1. Mai, an denen auch die AAB teilgenommen hat, sowie auf dem "Motto" der Demonstration ("Imperialistische Zentren angreifen! Soziale Revolution weltweit!") und der besonderen Gefährdung bestimmter Objekte in Berlin-Mitte. Außerdem hat der Polizeipräsident hinsichtlich der einzelnen Auflagen jeweils konkrete Ausführungen zu deren Verhältnismäßigkeit gemacht, die der Antragsteller nicht überzeugend entkräftet hat.

Unter Zugrundelegung der Folgen, die nach der behördlichen Gefahrenprognose eintreten könnten, wenn die geplante Versammlung ohne die Auflagen stattfände, und der vergleichsweise nur geringen Beeinträchtigung des Grundrechts, wenn die Versammlung unter Beachtung der Auflagen stattfindet, kann die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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