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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.03.2001
Aktenzeichen: 1 BvQ 13/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 32 Abs. 1
GG Art. 8
GG Art. 5 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvQ 13/01 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren

über

den Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. März 2001 gegen die Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten Aachen vom 12. März 2001 - VL 1.2 - 231-10/2001 - wieder herzustellen,

Antragsteller: Herr M. ,

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Markus Beisicht und Koll., Gartenstraße 3, 51379 Leverkusen -

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Papier und die Richter Steiner, Hoffmann-Riem gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 24. März 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten Aachen vom 12. März 2001 wird mit folgenden Maßgaben wieder hergestellt:

a) Untersagt ist die Benutzung von Trommeln und Fahnen - außer der Bundesflagge und den Fahnen der deutschen Bundesländer - und von Transparenten strafbaren Inhalts, die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung.

b) Möglichen weiteren von der Versammlungsbehörde für erforderlich gehaltenen Auflagen über die Streckenführung ist Folge zu leisten.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Antragsteller zwei Drittel der notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft ein für sofort vollziehbar erklärtes Versammlungsverbot. Die Kammer hat die Begründung ihrer Entscheidung gemäß § 32 Abs. 5 in Verbindung mit § 93 d Abs. 2 BVerfGG nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich abgefasst.

I.

1. a) Der Antragsteller meldete unter dem 2. März 2001 bei der Versammlungsbehörde für den 24. März 2001 eine Kundgebung mit Aufzug unter dem Thema "Gegen die Kriminalisierung nationaler Deutscher und Niederländer - Gemeinsamer Protestmarsch -" an. Nach einer Auftaktkundgebung in Herzogenrath sollte der Aufzug auf niederländischem Gebiet weitergeführt werden und in die Stadt Kerkrade führen. Anschließend sollte sich der Aufzug zurück nach Herzogenrath bewegen, wo auch die Abschlusskundgebung stattfinden sollte. Als aktuellen Bezug für den Aufzug nannte der Antragsteller Wahlkampfbehinderung in Kerkrade und im Raum Aachen. Er führte an, als Hilfsmittel der Versammlung Landsknechtstrommeln, schwarze Fahnen, Transparente, Trageschilder, bis zu sechs Handlautsprecher sowie einen Lautsprecherwagen benutzen zu wollen.

b) Mit Bescheid vom 12. März 2001 sprach die Versammlungsbehörde gemäß § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes (VersG) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein Verbot dieser Veranstaltung aus. Zur Begründung machte sie geltend, die von ihr angestellte Gefahrenprognose ergebe, dass bei Durchführung der angemeldeten Veranstaltung die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet wären.

Die jüngste Vergangenheit habe gezeigt, dass es bei der Durchführung von Versammlungen der rechten Szene immer wieder zu Straftaten gemäß den §§ 86 a, 126, 130 StGB, § 3 in Verbindung mit § 28 VersG sowie zu Körperverletzungsdelikten komme. Der Antragsteller sei bei mehreren Versammlungen, in denen es zu solchen Delikten gekommen sei, als Ordner aufgetreten. Darüber hinaus sei der Antragsteller selbst mehrfach polizeilich und strafrechtlich - unter anderem wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot - in Erscheinung getreten.

Darüber hinaus verstoße die geplante Veranstaltung gegen die öffentliche Ordnung. Die Art und Weise der geplanten Versammlung sei in höchstem Maße symbolträchtig. Ein Aufzug von Herzogenrath aus auf holländisches Staatsgebiet werde viele Bürger im grenznahen Bereich an den Einmarsch der Deutschen Wehrmacht im Jahr 1940 erinnern. Dass mit schwarzen Fahnen (der Leibfarbe der SS) aufmarschiert werden solle, lasse nur den Schluss zu, dass der Aufmarsch einer Verherrlichung des Nationalsozialismus dienen solle. Auch die Deutschen würden es als unerträglich empfinden, wenn der Einmarsch in die Niederlande nach nunmehr 60 Jahren symbolhaft noch einmal nachvollzogen würde. Der Aufzug würde darüber hinaus die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland stören und das Ansehen der Bundesrepublik nachhaltig schädigen. Auch das für die Demonstration gewählte Datum, der 24. März 2001, sei offensichtlich nicht zufällig gewählt. Da am 24. März 1939 die Ermächtigungsgesetze erlassen worden seien, stelle dieses Datum die eigentliche Machtergreifung Adolf Hitlers dar. Zusammen mit dem geplanten äußeren Erscheinungsbild der Demonstration (schwarze Fahnen und Trommeln) solle eine Glorifizierung des Nationalsozialismus stattfinden. Bestrebungen, die die nationalsozialistische Diktatur verharmlosten oder ihre führenden Vertreter oder Symbole verherrlichten, seien ein gravierender Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Die Art des Aufmarsches begründe auch unabhängig vom Datum eine unmittelbare Verbindung zum Einmarsch deutscher Truppen in die Niederlande im Jahr 1940. Ein Demonstrationszug über die deutsch-niederländische Grenze, der zumindest den äußeren Anschein erwecke, hier solle der Einmarsch deutscher Truppen im Zweiten Weltkrieg nachvollzogen werden, schädige in ganz besonderer Weise das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.

Die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung könne auch nicht durch ein milderes Mittel - zum Beispiel Auflagen - begegnet werden. Insbesondere könne durch das bloße Verbot von Fahnen und Trommeln nicht sichergestellt werden, dass sich unbefangenen Dritten bei Abhaltung des Aufmarsches nicht der Eindruck der Verherrlichung des Nationalsozialismus aufdränge. Die für den 24. März 2001 angemeldete Veranstaltung und eventuelle Ersatzveranstaltungen seien demnach zu verbieten; die Verbotsgründe umfassten aber auch jeden anderen Tag. Außerdem könnte sich in diesem Fall ein polizeilicher Notstand ergeben. Es könne zurzeit - unter anderem wegen der Entsendung von geschlossenen Einheiten nach Gorleben - nicht überblickt werden, ob an dem Veranstaltungstag genügend Polizeikräfte zur Bewältigung des Einsatzes zur Verfügung stünden.

c) Der Antragsteller legte gegen die Verfügung der Versammlungsbehörde Widerspruch ein und stellte darüber hinaus beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Zur Begründung wies er unter anderem darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Versammlungsbehörde die Art und Weise der Versammlung nicht im höchsten Maße symbolträchtig sei. Hierbei sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller selber dann von einem Versammlungszug in die Niederlande abzusehen bereit sei, wenn die niederländischen Behörden ein rechtmäßiges Verbot aussprechen würden.

d) Der Eilantrag wurde vom Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. März 2001 mit der Begründung abgelehnt, dass die Versammlungsbehörde zu Recht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung angenommen habe. Die Menschenwürde und die grundrechtlichen Freiheiten seien ebenso wie die verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien des Art. 20 GG konstituierende Bestandteile der öffentlichen Ordnung. Diese würden durch Bestrebungen gefährdet, die die nationalsozialistische Diktatur verharmlosten oder ihre führenden Vertreter und Symbolfiguren verherrlichten, auch wenn damit die Schwelle der Strafbarkeit im Einzelfall noch nicht erreicht sein möge. Vorliegend habe jedoch die von dem Antragsteller angemeldete Versammlung das Gepräge eines Bekenntnisses zum Nationalsozialismus. Dies folge aus der Art der Durchführung der Veranstaltung und aus ihrem Zeitpunkt. Zu dieser Einschätzung trage im Übrigen auch bei, dass ein Zusammenhang der geplanten Demonstration mit dem Kommunalwahlkampf in den Niederlanden nur schwer nachzuvollziehen sei. Es fehle sowohl ein nachvollziehbarer zeitlicher Zusammenhang als auch an einer Darlegung der vermeintlichen Wahlkampfbehinderungen. Der Antragsteller habe sich lediglich auf eine Festnahme in Kerkrade am 3. Februar 2001 und auf einen Aufruf im Internet berufen. Die Verhängung von Auflagen als milderes Mittel gegenüber einem Versammlungsverbot scheide im vorliegenden Fall aus. Solche Auflagen müssten derart weit gehen, dass sie letztlich den Charakter der Versammlung verändern würden, so dass sie nicht mehr als milderes Mittel, sondern als die Genehmigung einer ganz anderen, bislang nicht beantragten Versammlung anzusehen seien.

e) Den Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen diesen Beschluss lehnte das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 23. März 2001 ab. Von der beantragten Versammlung des Antragstellers gehe eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung aus; die erlassene Verbotsverfügung sei gerechtfertigt.

Eine Ideologie, die auf Rassismus, Kollektivismus und dem Prinzip von Führung und unbedingtem Gehorsam aufbaue, lasse sich unter dem Grundgesetz nicht - auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts - legitimieren. Durch Art. 79 Abs. 3 GG und das in Art. 20 Abs. 4 GG fixierte Widerstandsrecht sei einer wie auch immer gearteten Durchsetzung solchen Gedankenguts im demokratischen, der Menschenwürde und dem Friedensgebot verpflichteten Rechtsstaat des Grundgesetzes verfassungsrechtlich auf Dauer der Boden entzogen. Diesen verfassungsimmanenten Beschränkungen demonstrativer Äußerungen nazistischer Meinungsinhalte müsse daher bei der Auslegung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 GG und der dortigen Grundrechtsschranken von Verfassungs wegen Rechnung getragen werden. Dies lege den Schluss nahe, dass Versammlungen, die den dargelegten Maßstäben zuwider liefen, schon kraft verfassungsimmanenter Schranken vom Schutzbereich der Demonstrationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 GG ausgenommen seien. Jedenfalls müsse der auf die Abwehr nationalsozialistischer Bestrebungen gerichteten grundgesetzlichen Werteordnung zumindest bei der Auslegung und bei der Definition des Anwendungsbereichs der öffentlichen Ordnung im Sinne des § 15 VersG die verfassungsrechtlich gebotene Geltung verschafft werden.

Vorliegend habe die angemeldete Versammlung ein nationalsozialistisches Gepräge in diesem Sinne. Zum einen beschränke sich der potentielle Teilnehmerkreis auf das rechtsextreme, neonazistische Spektrum. Auch die Art und Weise, in der die Versammlung durchgeführt werden solle, lasse bei lebensnaher Betrachtung nur den Schluss darauf zu, dass mit dieser Versammlung ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus abgelegt werden solle. Um diesem Eindruck wirksam zu begegnen, käme - wenn überhaupt - als milderes Mittel allenfalls die Zulassung einer Versammlung außerhalb der deutsch-niederländischen Grenzregion in Betracht. Damit würden sich die Auflagen aber letztlich gegen den auf einen Grenzübertritt gerichteten kommunikativen Inhalt der Veranstaltung richten, so dass dieser auf einen dann zwar erlaubten, aber letztlich kommunikationslosen "Gruppenspaziergang" reduziert würde, den Art. 8 Abs. 1 GG gerade nicht vor Augen habe. Auflagen, die den Charakter einer Versammlung in ihrem Inhalt und ihrem Wesen - bis hin zur völligen Inhaltslosigkeit - veränderten, könnten weder dem Grundrechtsträger noch den Versammlungsbehörden angesonnen werden. Eine abweichende Bewertung ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, derzufolge die Gefährdung der öffentlichen Ordnung angesichts des hohen Stellenwerts, den das grundgesetzlich garantierte Recht auf Versammlungsfreiheit genieße, für das Verbot einer Versammlung im Regelfall nicht ausreiche. Dieser Ansatz könne jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn mit der Versammlung elementare Verfassungsgüter - wie hier - unmittelbar gefährdet würden. Jede andere Entscheidung würde das grundgesetzlich geschützte Wertesystem selbst in Frage stellen.

2. In seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG beanstandet der Antragsteller, dass sich die Behörde bei ihrer Annahme einer Tarnung einer den Nationalsozialismus verherrlichenden Versammlung mit den Gegenindizien nicht ernsthaft auseinander gesetzt habe. Bei dem Antragsteller handele es sich in keiner Weise um eine Person, welche neonazistisches Gedankengut heute noch vertrete. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie das Oberverwaltungsgericht zu seiner Annahme komme, der Antragsteller habe nicht geleugnet, dass er und der potentielle Teilnehmerkreis der Versammlung nationalsozialistisch geprägt seien. Auch die Art und Weise, in der die Versammlung durchgeführt werden solle, lasse bei lebensnaher Betrachtung einen Schluss auf die Durchführung einer den Nationalsozialismus verherrlichenden Demonstration nicht zu. Gerade die Diskussion in den Niederlanden sowie die Aufhebung des Verbots der angemeldeten Kundgebung in Kerkrade durch die niederländischen Gerichte sprächen eindeutig dagegen, dass durch die geplante Versammlung Assoziationen zum Einmarsch deutscher Truppen in die Niederlande im Mai 1940 und die nachfolgende dortige Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Besatzungsregimes geweckt würden. Im Übrigen wäre der angeblich von der Versammlung ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch ein milderes Mittel zu begegnen gewesen. Der Antragsteller habe zu jeder Zeit, insbesondere auch gegenüber dem Verwaltungsgericht, seine Bereitschaft erklärt, Auflagen gegenüber offen zu sein.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat im Wesentlichen Erfolg.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist. Bei - wie hier - offenem Ausgang eines noch möglichen Verfassungsbeschwerdeverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 88, 185 <186>; 91, 252 <257 f.>; stRspr).

2. Vorliegend führt die Abwägung zu einem Überwiegen derjenigen Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen, mit der die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs begrenzt wieder hergestellt wird.

a) Bliebe die sofortige Vollziehbarkeit des Versammlungsverbots bestehen, hätte eine Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg, wäre der Antragsteller um die Möglichkeit gebracht worden, von dem ihm zustehenden Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in der gewünschten Weise Gebrauch zu machen. Da die Versammlungsbehörde in der Verbotsverfügung darauf hingewiesen hat, dass die Verbotsgründe "auch jeden anderen Tag" umfassten, hat dies eine darüber hinausgehende Bedeutung; es ist zu erwarten, dass dem Antragsteller vergleichbare Demonstrationen in dem Zuständigkeitsbereich der Versammlungsbehörde auch in Zukunft verboten werden. Könnte die Versammlung wie geplant stattfinden, erwiese sich eine Verfassungsbeschwerde später aber als unbegründet, so wäre die Versammlung durchgeführt worden, obwohl von ihr nach der Einschätzung der Versammlungsbehörde erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit (Begehung von Straftaten) und Ordnung (Verherrlichung des Nationalsozialismus) verbunden wären.

b) Im Zuge der anzustellenden Abwägung der Folgen einer möglichen Entscheidung ist es in Verfahren der vorliegenden Art für das Bundesverfassungsgericht regelmäßig ausgeschlossen, in eine eigenständige Ermittlung und Würdigung des dem Eilrechtsschutzbegehren zu Grunde liegenden Sachverhalts einzutreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es - wie auch im vorliegenden Verfahren - bereits aus Zeitgründen ausscheidet, behördliche und fachgerichtliche Akten heranzuziehen sowie Stellungnahmen sämtlicher Beteiligter einzuholen und diese auszuwerten. In Fällen dieser Art hat das Bundesverfassungsgericht seiner Abwägung in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde zu legen (vgl. hierzu etwa BVerfGE 34, 211 <216>; 36, 37 <40>). Angesichts der Zeitgebundenheit der meisten Versammlungen muss Grundrechtsschutz aber auch im Eilverfahren gewährt werden. Das Gericht kann sich daher nicht allein auf die angegriffene Entscheidung stützen, wenn offensichtlich ist, dass zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellungen fehlsam sind oder die angestellte Tatsachenwürdigung unter Berücksichtigung des Schutzgehalts der betroffenen Grundrechtsnorm nicht tragfähig ist. Einstweiliger Rechtsschutz ist insbesondere zu gewähren, wenn die Gefahrenprognose auf Umstände gestützt wird, deren Berücksichtigung dem Schutzgehalt des Art. 8 GG offensichtlich widerspricht oder wenn das für eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit herangezogene Schutzgut und die angewandten Normen in rechtlicher Hinsicht die Einschränkung offensichtlich nicht tragen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -).

3. Die Argumentation der Versammlungsbehörde und der Gerichte ist anhand der Maßstäbe zur Überprüfung im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht tragfähig.

a) Dies gilt in tatsächlicher Hinsicht zunächst für die Prognose der Versammlungsbehörde, im Rahmen der Versammlung werde es zu Straftaten unter anderem gemäß §§ 86 a, 126, 130 StGB sowie zu Körperverletzungsdelikten und damit zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß § 15 Abs. 1 VersG kommen. Soweit in der behördlichen Untersagungsverfügung in allgemeiner Form darauf hingewiesen wird, bei der Durchführung von Versammlungen der rechten Szene komme es, wie die Erfahrung zeige, immer wieder zu solchen Straftaten, mangelt es an einem hinreichend konkreten Bezug zu der von dem Antragsteller geplanten Veranstaltung. Darüber hinaus kann auch aus dem Umstand, dass es im Rahmen von Demonstrationen, bei denen der Antragsteller die Funktion eines Ordners wahrgenommen hat, zu Straftaten gekommen ist, nicht automatisch auf Gleiches in dieser Versammlung geschlossen werden. Ein einzelner Ordner kann regelmäßig nicht derart auf eine Versammlung einwirken, dass ihm zuzurechnen ist, wenn Straftaten begangen werden. Eine rund sechs Jahre zurückliegende Verurteilung des Antragstellers wegen eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot ist als Grundlage für die Prognose von Straftaten ebenfalls nicht hinreichend.

b) An tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten fehlt es auch insoweit, als dem Antragsteller vorgeworfen wird, er beabsichtige, nicht die angemeldete Versammlung, sondern eine Versammlung anderen Inhalts durchzuführen, die der Verherrlichung des Nationalsozialismus diene. Der Antragsteller bestreitet, neonazistisches Gedankengut zu vertreten, bestätigt aber, in der NVU, einer weit rechts stehenden Organisation, Mitglied zu sein, bei der es sich aber keinesfalls um eine neofaschistische oder dem Nationalsozialismus anhängende Organisation handele. Für die Folgenbeurteilung ist entscheidend, ob nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Täuschung über den geplanten Inhalt bestehen. Bei der Beurteilung des Inhalts und Gegenstandes einer Versammlung ist zunächst vom Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Art und Inhalt der Versammlung auszugehen (vgl. BVerfGE 69, 315 <343>). Die Angaben des Veranstalters scheiden als Grundlage für die von der Behörde vorzunehmende Gefahrenprognose allerdings aus, wenn tatsächliche Anhaltspunkte - etwa der Hinweis auf frühere Täuschungen des Antragstellers (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. August 2000 - 1 BvQ 23/00 -) - darauf hindeuten, dass der Veranstalter in Wahrheit eine Versammlung anderen Inhalts plant, die eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bewirkt. Die Beweislast für die Tarnung eines das Verbot rechtfertigenden Inhalts und damit eine täuschende Anmeldung liegt bei der Verwaltung. Dies verkennt das Verwaltungsgericht, wenn es beanstandet, dass ein Zusammenhang der geplanten Demonstration mit dem Kommunalwahlkampf nur schwer nachzuvollziehen sei, und den Hinweis des Antragstellers auf Wahlkampfbehinderungen durch eine Festnahme am 3. Februar 2001 als unbeachtlich wertet. Der Sache nach läuft die Argumentation des Verwaltungsgerichts auf die Begründung einer mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht zu vereinbarenden Obliegenheit eines Veranstalters hinaus, sich von gegen ihn ohne besonderen Anhaltspunkt erhobenen Vorwürfen zu entlasten.

c) Der Rückgriff auf die Gefährdung der öffentlichen Ordnung scheidet als Rechtsgrundlage der Verbotsverfügung aus, so dass die Folgenbeurteilung nicht darauf gestützt werden kann. Die zur Rechtfertigung des Verbots nach § 15 Abs. 1 VersG vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkte und rechtlichen Ausführungen tragen das Verbot offensichtlich nicht.

aa) Ein Verbot lässt sich nicht allein mit der Erwartung der Behörde und der Gerichte begründen, der Veranstalter und die voraussichtlichen Teilnehmer würden nationalsozialistisches oder jedenfalls rechtsextremes Gedankengut verbreiten. Insofern fehlen schon in tatsächlicher Hinsicht nähere Angaben und eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Antragstellers.

In rechtlicher Hinsicht ist bedeutsam, dass der Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die den Inhalt von Meinungsäußerungen beschränken, sich aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit ergibt, nicht aus dem der Versammlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 90, 241 <246>). Eine Äußerung, die nach Art. 5 Abs. 2 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht Anlass für versammlungsbeschränkende Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 2 GG sein.

Die Meinungsfreiheit ist für die freiheitlich demokratische Ordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend. Es gilt die Vermutung zugunsten freier Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>; stRspr). Die Bürger sind rechtlich nicht gehalten, die Wertsetzungen der Verfassung persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Die Bürger sind daher auch frei, grundlegende Wertungen der Verfassung in Frage zu stellen, solange sie dadurch Rechtsgüter anderer nicht gefährden. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes vertraut auf die Fähigkeit der Gesamtheit der Bürger, sich mit Kritik an der Verfassung auseinander zu setzen und sie dadurch abzuwehren. Unter der Voraussetzung einer besonderen Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Ordnung kennen Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2 GG allerdings besondere Vorkehrungen der Gefahrenabwehr als Ausdruck einer wehrhaften und streitbaren Demokratie. Diese Normen dienen auch dem Ziel, ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus zu verhindern.

Eine Grenze der Meinungsäußerung bilden gemäß Art. 5 Abs. 2 GG Strafgesetze, die zum Rechtsgüterschutz ausnahmsweise bestimmte geäußerte Inhalte verbieten, wie allgemein §§ 185 ff. StGB (Beleidigung, Verleumdung) und speziell im Bereich politischer Auseinandersetzungen etwa § 130 StGB (Volksverhetzung), § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) oder §§ 90 a, b StGB (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole oder von Verfassungsorganen). Daneben kommen entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zusätzliche "verfassungsimmanente Grenzen" der Inhalte von Meinungsäußerungen nicht zum Tragen.

Die Behörde und die Gerichte haben - wie unter a) erwähnt - keine hinreichend konkreten Tatsachen für die Prognose vorgetragen, dass der Antragsteller selbst oder die Teilnehmer der geplanten Versammlung durch die geäußerten Inhalte Straftaten begehen werden. Die Gerichte berufen sich in der Folge auf die öffentliche Ordnung als Grenze der Meinungsäußerung auch für den Fall, dass die Schwelle der Strafbarkeit im Einzelfall noch nicht erreicht ist. Dies setzt voraus, dass eine Ermächtigung zum Schutz der öffentlichen Ordnung als allgemeines Gesetz und damit als Schranke der Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG in Betracht kommt. Beschränkungen einer Meinungsäußerung und der für sie gewählten Ausdrucksform unter Einschluss des Gebrauchs von Symbolen sind rechtmäßig, wenn sie dem Schutz eines ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen, dem bei einer Güterabwägung Vorrang vor dem Schutz der Meinungsfreiheit gebührt (vgl. BVerfGE 7, 198 <209 f.>; 71, 108 <114>; stRspr). Ob eine Ermächtigung zum Schutze der öffentlichen Ordnung diese Voraussetzung erfüllen und deshalb zur Beschränkung von Meinungsäußerungen herangezogen werden kann, bedarf hier keiner grundsätzlichen Entscheidung. Denn § 15 VersG ist hinsichtlich des Schutzes der öffentlichen Ordnung insoweit einengend auszulegen, als zur Abwehr von kommunikativen Angriffen auf Schutzgüter der Verfassung besondere Strafrechtsnormen geschaffen worden sind. Die darin vorgesehenen Beschränkungen von Meinungsäußerungen sind jedenfalls im Hinblick auf seit langem bekannte Gefahrensituationen abschließend und verwehren deshalb einen Rückgriff auf die in § 15 Abs. 1 VersG enthaltene Ermächtigung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, soweit kein Straftatbestand erfüllt ist (vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 1998, S. 60). Der Gesetzgeber hat durch die enge Fassung der Straftatbestände zum Ausdruck gebracht, im Übrigen keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber Meinungsäußerungen anzuerkennen.

bb) Der Schutz des Inhalts und der geistigen Wirkung der Äußerung gilt auch dann, wenn Meinungen in gemeinschaftlicher Form in oder durch Versammlungen geäußert werden. Die Beurteilung rechtlicher Grenzen im Hinblick auf Besonderheiten der gemeinschaftlichen Kundgabe und Erörterung erfolgt demgegenüber am Maßstab der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG. Dabei können Umstände bedeutsam werden, die eine besondere Gefährlichkeit auf Grund des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens der Versammlungsteilnehmer bewirken.

(1) § 15 Abs. 1 VersG erkennt auch die öffentliche Ordnung als Schranke der Versammlungsfreiheit im Sinne des Art. 8 Abs. 2 GG an. Unter öffentlicher Ordnung wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird (vgl. BVerfGE 69, 315 <352>). Mehrheitsanschauungen allein reichen zur Bestimmung des Gehalts der öffentlichen Ordnung nicht. Art. 8 GG ist für die Freiheitlichkeit der demokratischen Ordnung besonders wichtig als Minderheitenschutzrecht. Die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG ist daher auch bei der Bestimmung der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist im Rahmen verfassungskonformer Gesetzesanwendung sicherzustellen, dass Verbote von Versammlungen im Wesentlichen nur zur Abwehr von Gefahren für elementare Rechtsgüter in Betracht kommen. Dieser Schutz wird regelmäßig in der positiven Rechtsordnung und damit im Rahmen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit verwirklicht. Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht (vgl. BVerfGE 69, 315 <352 f.>). Es setzt als ultima ratio vielmehr voraus, dass das mildere Mittel der Auflagenerteilung ausgeschöpft ist. Auflagen können zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung vorgesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -). Auch insofern gilt, dass die Gefahrenprognose auf erkennbaren Umständen beruhen muss. Ein bloßer Verdacht und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 69, 315 <353 f.>).

(2) Die Behörde und die Gerichte sehen den Verstoß gegen die öffentliche Ordnung in dem nationalsozialistischen Gepräge der geplanten Versammlung und der damit verbundenen Auswirkung auf die Bürger und das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland. In tatsächlicher Hinsicht stützen sie ihre Einschätzung auf den potentiellen Teilnehmerkreis der Versammlung, der Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken habe, und auf die Erwartung, der Veranstalter und die Teilnehmer der Versammlung würden rechtsextremes Gedankengut verbreiten. Verwiesen wird ferner auf das geplante Mitführen schwarzer Fahnen und auf die durch sie symbolisierte Nähe zur SS, auf den gewählten Termin sowie den geplanten Grenzübergang in die Niederlande. Ferner werden der Einsatz von Trommeln und das Marschieren in Marschordnung aufgeführt.

Es ist nachvollziehbar, wenn die Behörde und die Gerichte annehmen, durch einen von solchen Begleitumständen geprägten symbolhaltigen Marsch könnten Erinnerungen an die nationalsozialistische Zeit und den Einmarsch der Deutschen in die Niederlande geweckt werden. Es ist auch nicht offensichtlich fehlsam, dass sie die Gefahr einer Verletzung der sozialen und ethischen Anschauungen über unerlässliche Voraussetzungen eines geordneten menschlichen Zusammenlebens jedenfalls bei den in dem Gebiet Wohnenden bejahen. Art. 8 Abs. 2 GG schließt unter solchen Umständen nicht zwingend Beschränkungen einer öffentlichen Versammlung aus, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Vorausgesetzt ist, dass von der Art der gemeinschaftlichen Kundgabe eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auszugehen droht, die nicht auf der bloßen Äußerung der Inhalte beruht, sondern auf besonderen, beispielsweise provokativen oder aggressiven, das Zusammenleben der Bürger konkret beeinträchtigenden Begleitumständen. Art. 8 GG schützt Aufzüge, nicht aber Aufmärsche mit paramilitärischen oder sonstwie einschüchternden Begleitumständen. Bei der rechtlichen Beurteilung einer geplanten Versammlung kann bedeutsam werden, dass einzelne je für sich unbedenkliche Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit der Versammlung einen die schutzfähigen Anschauungen über ein friedliches Zusammenleben der Bürger bedrohenden Charakter verschaffen.

Dementsprechend ist es im Rahmen der summarischen Prüfung im Zuge des Eilrechtsschutzes nicht als offensichtlich fehlerhaft zu bewerten, dass die Behörde und die Gerichte eine

Gefahr für die öffentliche Ordnung aus dem Zusammenspiel verschiedener Umstände abgeleitet haben, die zu den von der Behörde und den Gerichten erwarteten, als solchen hinzunehmenden Inhalten der Versammlung hinzutreten, wie das Mitführen von Landsknechtstrommeln und schwarzen Fahnen, das Marschieren in Marschordnung und unter Überschreitung der deutsch-niederländischen Grenze an einem historisch belasteten Ort. Ob diese Umstände auch in einem Hauptsacheverfahren bei einer Überprüfung des Tatbestands einer Gefahr für die öffentliche Ordnung unter Berücksichtigung der Ausstrahlungswirkung der Versammlungsfreiheit auf die Auslegung dieses Begriffs ausreichen, kann im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens nicht mit hinreichender Gründlichkeit geprüft und nicht abschließend beurteilt werden. Auch muss hier dahinstehen, ob alle von der Behörde berücksichtigten Umstände, beispielsweise auch der beabsichtigte Zeitpunkt, herangezogen werden dürfen. Ebenfalls bleibt offen, ob die Verletzung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland eine beschränkende Verfügung rechtfertigen könnte.

(3) Als Grundlage eines Versammlungsverbots kommen die von der Behörde und den Gerichten berücksichtigten Umstände jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die angenommene Gefahr durch mildere Mittel als ein Verbot, insbesondere durch versammlungsrechtliche Auflagen, beseitigt werden kann.

Die Gerichte haben die Rechtmäßigkeit des Verbots mit der Begründung bejaht, die erforderlichen Auflagen würden, weil sie sich gegen den kommunikativen Inhalt der Versammlung richten, den Charakter der Versammlung so verändern, dass der Erlass von Auflagen auf die Durchführung einer ganz anderen, bislang nicht beantragten Versammlung hinauslaufen würde. In der Folge haben sie dem Antragsteller als Veranstalter der Versammlung die Möglichkeit genommen, selbst zu bestimmen, ob er die geplante Versammlung gegebenenfalls mit Auflagen durchführen will. Zur Versammlungsfreiheit gehört das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters bei der Entscheidung über die von ihm angestrebten Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -). Die Versammlungsbehörde und die Gerichte missachten dieses Selbstbestimmungsrecht, wenn sie dem Veranstalter nicht, etwa in einem Kooperationsgespräch, die Möglichkeit einräumen, Vorstellungen zur Verwirklichung seines Versammlungsrechts auch in Anbetracht gegenläufiger Rechtsgüter einzubringen und darzulegen, welche Auflagen nach seiner Beurteilung mit dem verfolgten Versammlungszweck vereinbar sind. Stattdessen lassen sie allein ihre Einschätzung maßgeblich werden oder verneinen gar von vornherein, dass dem Veranstalter hilfsweise auch an einer Versammlung mit beschränkenden Auflagen gelegen ist.

Da der Antragsteller selbst dargelegt hat, "für Auflagen offen zu sein", hat er zum Ausdruck gebracht, an der Durchführung der Versammlung auch mit Auflagen interessiert zu sein. Es hätte daher geprüft werden müssen, welche konkreten Auflagen hätten rechtmäßig sein und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dazu beitragen können, eine Gefahr für die öffentliche Ordnung auszuräumen.

d) Schließlich lässt sich das Versammlungsverbot auch nicht wegen des Risikos von Gegendemonstrationen mit den Grundsätzen polizeilichen Notstands rechtfertigen. Die Versammlungsbehörde hat insoweit ohne nähere Erläuterung darauf hingewiesen, dass "nicht überblickt werden könne", ob an dem Veranstaltungstag genügend Polizeikräfte zur Bewältigung des Einsatzes zur Verfügung stünden, da möglicherweise Einheiten nach Gorleben entsandt werden müssten. Auf polizeilichen Notstand kann eine Maßnahme nur gestützt werden, wenn die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen. Das Gebot, vor der Inanspruchnahme von Nichtstörern eigene Kräfte gegen die Störer einzusetzen, steht zwar unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit solcher Kräfte (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 26. März 2001 - 1 BvQ 15/01 -). Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Nichtstörer käme aber nur dann in Betracht, wenn feststünde, dass die Versammlungsbehörde wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre. Eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht nicht.

4. Das Bundesverfassungsgericht verbindet die Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit den im Tenor aufgeführten inhaltlichen Maßgaben, um mögliche Gefahren, die von der Versammlungsbehörde prognostiziert werden und die im Rahmen der im Eilrechtsschutzverfahren gebotenen Folgenabwägung zu berücksichtigen sind, möglichst gering zu halten. Die Festlegung dieser Maßgaben beansprucht nicht, die versammlungsrechtlichen Möglichkeiten einer Bestimmung von Auflagen auszuschöpfen. Auch ist mit dieser Entscheidung im Verfahren gemäß § 32 BVerfGG eine Aussage zur Rechtmäßigkeit derartiger versammlungsrechtlicher Auflagen nach § 15 Abs. 1 VersG nicht verbunden.

5. Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 3 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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