Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 23.02.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 2246/99
Rechtsgebiete: SGB V, BVerfGG, GG


Vorschriften:

SGB V § 82 Abs. 2
SGB V § 85 Abs. 3
SGB V § 85 Abs. 1
SGB V § 13 Abs. 3
SGB V § 13 Abs. 2 Satz 2
BVerfGG § 93 a Abs. 2
BVerfGG § 93 d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2246/99 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

der Frau M...

gegen Art. 11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl I S. 1311) in der Fassung des Art. 9 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG) vom 19. Dezember 1998 (BGBl I S. 3853) und Antrag auf Erlass einer vorläufigen Regelung

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde

am 23. Februar 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer vorläufigen Regelung.

Gründe:

I.

Die Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Art. 11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl I S. 1311) in der Fassung des Art. 9 des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz - GKV-SolG) vom 19. Dezember 1998 (BGBl I S. 3853). Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Höhe des für das Jahr 1999 für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zur Verfügung stehende Ausgabenvolumen der Krankenkassen.

1. Die Beschwerdeführerin ist Diplom-Psychotherapeutin und zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Mit ihrer am 29. Dezember 1999 erhobenen Verfassungsbeschwerde begehrt sie die Feststellung, dass die angegriffene Vorschrift ganz oder teilweise gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip verstößt und damit nichtig ist. Die Vorschrift ist - auch hinsichtlich der durch das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz eingeführten Änderungen - am 1. Januar 1999 in Kraft getreten (vgl. Art. 15 Abs. 3 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 bzw. Art. 26 Abs. 2 GKV-SolG) und am 31. Dezember 1999 außer Kraft getreten (vgl. Art. 15 Abs. 2 des Gesetzes vom 16. Juni 1998). Sie hatte folgenden Wortlaut:

Artikel 11

Übergangsregelung zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen

(1) Die Vertragsparteien des Gesamtvertrages nach § 82 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbaren für das Jahr 1999 das für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen höchstens zur Verfügung stehende Ausgabenvolumen. Dieses Ausgabenvolumen besteht aus

1. dem für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 1996 aufgewendeten und um die nach § 85 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch für die Jahre 1997 und 1998 vereinbarten sowie der nach Artikel 18 des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes für 1999 bestimmten Veränderungen erhöhten Vergütungsvolumen und

2. einem Ausgabevolumen, das den im Jahr 1997 für psychotherapeutische Leistungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung entrichteten Vergütungen entspricht, höchstens jedoch 1 vom Hundert der nach § 85 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch im Jahr 1997 entrichteten Gesamtvergütungen.

Übersteigen die von einer Krankenkasse im Jahr 1997 für psychotherapeutische Leistungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung entrichteten Vergütungen den in Satz 2 Nr. 2 genannten Anteilswert, ist ein entsprechend erhöhtes Vergütungsvolumen zu vereinbaren; die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde prüft die dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Angaben zur Höhe des Ausgabevolumens.

(2) Soweit der für die Vergütung psychotherapeutischer Leistungen geltende Punktwert den für die Vergütung der Leistungen nach Kapitel B II des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs geltenden durchschnittlichen rechnerischen Punktwert der beteiligten Krankenkassen um mehr als 10 vom Hundert unterschreitet, haben die Vertragsparteien nach Absatz 1 geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Punktwertdifferenz zu treffen.

(3) Das Ausgabenvolumen nach Absatz 1 verringert sich um die Beträge, die von der Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch als Erstattungen für psychotherapeutische Leistungen aufgewendet worden sind. Für die Erstattungen nach Satz 1 gilt § 13 Abs. 2 Satz 2.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität muss die Beschwerdeführerin vorab den Rechtsweg beschreiten. Über die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kann daher nicht entschieden werden.

Setzt die Durchführung einer angegriffenen Vorschrift einen besonderen Vollzugsakt voraus, muss ein Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt. Der Vorrang der Anrufung der Fachgerichte soll eine umfassende Vorprüfung des Beschwerdevorbringens gewährleisten (vgl. BVerfGE 73, 322 <325>; 77, 381 <401>; 90, 128 <136>). Diese Vorklärung ist hier angezeigt.

Die angegriffene gesetzliche Regelung wird durch Honorarbescheide betreffend die Quartale I bis IV/1999 der Kassenärztlichen Vereinigung umgesetzt. Kommt es zu einem Rechtsstreit, so hat das Gericht im Rahmen seiner Überprüfung neben der Gültigkeit des Honorarverteilungsmaßstabs auch die gesetzliche Regelung in der Fassung des Art. 9 GKV-SolG auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Bei der fachgerichtlichen Vorklärung steht die Frage im Vordergrund, ob das Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit in dem vom Bundessozialgericht geforderten Sinne (vgl. BSGE 84, 235) verletzt ist.

Von diesem über die Fachgerichte führenden Weg zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm kann vorliegend nicht abgewichen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde bestünde nur, wenn der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtslage herbeizuführen, nicht erreichbar ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <37 f.>). Das ist jedoch nicht der Fall, zumal vor den Sozialgerichten auch die konkrete Situation der Beschwerdeführerin statt der in der Verfassungsbeschwerde angestellten Modellrechnung zugrunde gelegt werden kann.

Der Beschwerdeführerin entsteht darüber hinaus auch kein schwerer Nachteil, wenn sie auf den Rechtsweg im Hauptsacheverfahren verwiesen wird, weil die angegriffene Vergütungsregel zwischenzeitlich außer Kraft getreten ist und die Vergütung ambulanter psychotherapeutischer Leistungen ab 1. Januar 2000 auf eine völlig neue Grundlage gestellt wurde.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).



Ende der Entscheidung

Zurück