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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 1 BvR 482/07
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 93 a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 482/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Januar 2007 - B 4 RS 10/06 B -,

b) das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. November 2005 - L 5 R 117/05 -,

c) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 5. Januar 2005 - S 2 RA 15/03 -,

d) den Widerspruchsbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 27. November 2002 - 49 201142 K 013 BKZ 2020 -,

e) den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 28. Mai 2002 - 49 201142 K 013 BKZ 2020 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. Juni 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Berücksichtigung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund eines fiktiven Anspruchs auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung.

I.

Dem 1942 geborenen Beschwerdeführer wurde am 29. April 1968 in der Deutschen Demokratischen Republik der akademische Grad eines Diplom-Ingenieurs verliehen. Von April 1968 bis März 1970 war er bei dem volkseigenen Betrieb Buchungsmaschinenwerke Karl-Marx-Stadt, danach bis Dezember 1974 beim volkseigenen Betrieb Robotron und schließlich bis zum 30. Juni 1990 beim Konsum Teigwarenbetrieb Risa tätig. Eine Einbeziehung des Beschwerdeführers in die AVTI ist nicht erfolgt. Mit seinem Begehren einer rückwirkenden Berücksichtigung des Zeitraums von April 1968 bis Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVTI hatte der Beschwerdeführer im fachgerichtlichen Rechtsweg keinen Erfolg. Er sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Betrieb oder einem diesem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen. Zuletzt verwarf das Bundessozialgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers als unzulässig.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die sein Begehren zurückweisenden Gerichtsentscheidungen und macht eine Verletzung seiner Grundrechte geltend.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe gemäß § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat nicht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den Rechtsweg ordnungsgemäß erschöpft, weil die von ihm erhobene Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde. Eine Verfassungsbeschwerde ist in der Regel unzulässig, wenn - wie hier - ein an sich gegebenes Rechtsmittel, durch dessen Gebrauch der behauptete Grundrechtsverstoß ausgeräumt werden könnte, aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt (vgl. BVerfGE 74, 102 <114>; BVerfGK 1, 222 <223>). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Bundessozialgericht an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde überhöhte Anforderungen gestellt hat.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist im Übrigen auch in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg, weil eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 (1 BvR 1921/04 u.a., NZS 2006, S. 314) verwiesen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Fachgerichte hätten willkürlich den Konsum Teigwarenbetrieb, in welchem er am 30. Juni 1990 beschäftigt war, nicht als einen einem volkseigenen Betrieb gleichgestellten Betrieb beurteilt, ist ein entsprechender Verfassungsverstoß weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.

a) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verwaltungspraxis der Deutschen Demokratischen Republik würde die AVTI noch weitere, in der auf Grund der Verordnung über zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl DDR I S. 844; im Folgenden: Verordnung AVTI) erlassenen 2. Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung vom 24. Mai 1951 (GBl DDR I S. 487; im Folgenden: 2. Durchführungsbestimmung) nicht genannte Betriebe erfassen.

Wird - wie vom Beschwerdeführer gerügt - die tatsächliche Verwaltungspraxis der Deutschen Demokratischen Republik bei der Einbeziehung in die AVTI von den Fachgerichten nicht hinreichend berücksichtigt, liegt darin kein Verfassungsverstoß. Wie das Bundesverfassungsgericht im oben erwähnten Beschluss vom 26. Oktober 2005 in Bezug auf Molkereigenossenschaften in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeführt hat, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Fachgerichte bei der Beurteilung der Zugehörigkeit eines Betriebes zum Anwendungsbereich der AVTI Organisationsentscheidungen der Deutschen Demokratischen Republik weder überprüfen noch korrigieren. Im Übrigen ist dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen, dass eine entsprechende ständige Verwaltungspraxis der Deutschen Demokratischen Republik in Bezug auf den hier in Frage stehenden Personenkreis vorgelegen hat. Er stützt sich zwar insoweit auf eine in dem von ihm vorgelegten Gutachten vom 18. Januar 2007 getroffene Aussage. Danach seien etwa 3 bis 5 vom Hundert der in konsumgenossenschaftlichen Produktionsbetrieben beschäftigten Ingenieure im Besitz einer Versorgungszusage gewesen. Unabhängig davon, dass diese Angabe nicht substantiiert belegt ist, lässt sie - ihre Richtigkeit unterstellt - keine Feststellung zu, ob den in das Versorgungssystem AVTI einbezogenen Ingenieuren die Versorgungszusage gerade aufgrund ihrer Tätigkeit in den konsumgenossenschaftlichen Produktionsbetrieben oder aufgrund einer früheren Tätigkeit in einem anderen Betrieb gegeben wurde.

b) Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene fachgerichtliche Auslegung von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung ist nicht willkürlich.

aa) Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird. Von willkürlicher Missachtung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <13 f.>).

bb) Die im vorliegenden Fall erfolgte und zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung durch die Fachgerichte stellt keine krasse Verkennung der Rechtslage dar. Die Fachgerichte haben sich vielmehr ausführlich und nachvollziehbar mit der Rechtslage auseinandergesetzt.

Soweit der Beschwerdeführer demgegenüber meint, es habe in der Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik über die Regelung des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung hinaus noch weitere gleichstellungsfähige Betriebe gegeben, kann er damit einen Verfassungsverstoß nicht begründen. Die Fachgerichte können sich in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise auf Wortlaut und Systematik von § 1 der 2. Durchführungsbestimmung stützen. § 1 Abs. 1 greift den Begriffsgebrauch der Verordnung AVTI auf, spricht von "volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben" und bestimmt den Kreis der Angehörigen der technischen Intelligenz. In Absatz 2 wird dann abschließend festgelegt, welche Betriebe gleichgestellt werden. Der Betrieb, in dem der Beschwerdeführer zum maßgeblichen Zeitpunkt beschäftigt war, ist nicht aufgeführt. Es fehlen im Wortlaut der Vorschrift öffnende Begriffe, wie "beispielsweise" oder "insbesondere". Auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte gutachterliche Äußerung kommt zu dem Ergebnis, dass nach der Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik konsumgenossenschaftliche Betriebe nicht den volkseigenen Betrieben gleichgestellt waren.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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