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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 20.07.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 529/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 529/01 - - 1 BvR 530/01 - - 1 BvR 531/01 -

In den Verfahren über

die Verfassungsbeschwerden

gegen die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27), insbesondere § 12 Abs. 3 Satz 1

- 1 BvR 529/01 -,

gegen die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27), insbesondere § 12 Abs. 3 Satz 1

- 1 BvR 530/01 -,

gegen die Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27), insbesondere § 12 Abs. 3 Satz 1

- 1 BvR 531/01 -

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde

am 20. Juli 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

1. Die Beschwerdeführer wenden sich unmittelbar gegen das Recht des Pächters zur Übernahme von "Milchquoten" nach § 12 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung der Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung; im Folgenden: ZAVO) vom 12. Januar 2000 (BGBl I S. 27).

2. Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Denn die Verfassungsbeschwerden sind unzulässig, weil sie gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verstoßen.

a) Auch eine unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit begründet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht stets die Zulässigkeit der gegen eine Rechtsnorm gerichteten Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 68, 319 <325 f.>; 71, 305 <335 ff.>; 78, 350 <355>). Die Unzulässigkeit einer solchen Verfassungsbeschwerde kann sich daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer, obwohl gegen die Norm selbst kein fachgerichtlicher Rechtsweg eröffnet ist, in zumutbarer Weise einen wirkungsvollen Rechtsschutz zunächst durch Anrufung der Fachgerichte erlangen kann (vgl. BVerfGE 74, 69 <74>). Nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht zwar auch vor Erschöpfung des Rechtswegs entscheiden, wenn die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde. Können jedoch bereits die Fachgerichte bei Normen, die nicht dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts unterliegen, einer Grundrechtsverletzung abhelfen, besteht kein Anlass zu seiner sofortigen Inanspruchnahme (vgl. BVerfGE 68, 319 <325 f.>; vgl. auch BVerfGE 71, 305 <336>). Überdies sind Ausnahmen von der Vorschrift des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eng zu begrenzen, weil die darin zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ein Wesensmerkmal dieses außerordentlichen Rechtsbehelfs ist und der besonderen Funktion des Bundesverfassungsgerichts in dem umfassenden Rechtsschutzsystem des Grundgesetzes entspricht (vgl. BVerfGE 22, 349 <355>; vgl. auch BVerfGE 79, 1 <23 f.>).

b) Danach kommt hier keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohne fachgerichtliche Vorklärung in Betracht. Der Beschwerdeführer zu 1) hat im Mai 2000 die Rückübertragung der streitigen Anlieferungs-Referenzmenge auf sich gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 ZAVO beantragt. Auch die Beschwerdeführer zu 2) und 3) könnten - entsprechend ihrem materiellen Begehren - einen solchen Rückgewährsantrag stellen. Außerdem haben die Beschwerdeführer zu 1) und 2) Widerspruch gegen die Bescheinigung der Übernahme der Referenzmengen durch die Pächter erhoben. Hinsichtlich des Streits über eine Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZAVO wird nach allgemeiner Meinung der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eröffnet (vgl. BVerwGE 81, 49; 84, 140; BVerwG, RdL 1993, S. 298; BVerwG, Agrarrecht 1994, S. 138; BVerwGE 87, 94).

Soweit die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG und einen Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende grundsätzliche Verbot der Rückwirkung belastender Gesetze sowie eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 GG durch die Zusatzabgabenverordnung rügen, besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur BVerfGE 71, 305 <337> m.w.N.). Über derartige Rügen gegen eine Rechtsverordnung des Bundes können die Fachgerichte selbst entscheiden und den Beschwerdeführern Grundrechtsschutz gewähren.

c) Dafür, dass den Beschwerdeführern im Fall der vorherigen Anrufung der Fachgerichte ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, der später nicht mehr korrigiert werden könnte, ist nichts ersichtlich. Die Fachgerichte sind in der Lage, etwaige grundrechtswidrige Normwirkungen der Zusatzabgabenverordnung alsbald - gegebenenfalls zunächst im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - von den Betroffenen abzuwenden und diese so vor möglicherweise drohenden schweren Nachteilen zu bewahren (vgl. BVerfGE 71, 305 <349>). Die "allgemeine Bedeutung" auftretender Fragen im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist stets nur ein Moment der Abwägung für und wider die sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 71, 305 <349> m.w.N.). Im Hinblick auf die grundsätzliche Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber fachgerichtlichem Rechtsschutz fällt diese Abwägung auch gegenüber der "allgemein bedeutsamen" Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Übernahmerechts des Pächters nach § 12 Abs. 3 ZAVO zu Lasten der Beschwerdeführer aus.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).



Ende der Entscheidung

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