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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 1 BvR 623/08
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 623/08 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Kammergerichts vom 15. Februar 2008 - Not 26/07 -,

b) den Beschluss der Notarkammer Berlin vom 31. Oktober 2007 - 2007/024 -,

c) die Ermahnung der Notarkammer Berlin vom 13. September 2007 - 2007/024 -,

2. mittelbar gegen

§ 29 Abs. 3 Satz 1 erste Alternative der Bundesnotarordnung (BNotO) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31. August 1998 (BGBl I S. 2585, ber. BGBl I 1999, S. 194)

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Hohmann-Dennhardt und die Richter Gaier, Kirchhof gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. August 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das an Anwaltsnotare gerichtete Verbot, ihre Amtsbezeichnung als Notar auf einem nicht an ihrer Geschäftsstelle befindlichen Geschäftsschild zu führen. I. 1. Das Werberecht der Notare ist unter anderem in § 29 der Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt, dessen Absatz 3 Satz 1 Alternative 1 durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. März 2005 (BVerfGE 112, 255) für nichtig erklärt wurde. Die hier maßgeblichen Passagen lauten: § 29

(1) Der Notar hat jedes gewerbliche Verhalten, insbesondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung zu unterlassen. (2) ... (3) Ein Anwaltsnotar, der sich nach § 9 Abs. 3 mit nicht an seinem Amtssitz tätigen Personen verbunden oder mit ihnen gemeinsame Geschäftsräume hat, darf seine Amtsbezeichnung als Notar auf Drucksachen und anderen Geschäftspapieren nur angeben, wenn sie von seiner Geschäftsstelle aus versandt werden und auch nur auf demjenigen Amts- oder Namensschild führen, das an seinem Amtssitz auf seine Geschäftsstelle hinweist. In überörtlich verwendeten Verzeichnissen ist der Angabe der Amtsbezeichnung ein Hinweis auf den Amtssitz hinzuzufügen. 2. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin und Notarin und betreibt gemeinsam mit ihrem Ehemann, der den Beruf des Rechtsanwalts ausübt, eine Kanzlei in B. Am 31. Mai 2007 eröffneten sie eine Zweigstelle der Rechtsanwaltskanzlei in dem im benachbarten Bundesland gelegenen Ort L. Am Eingang zu der Zweigstelle brachten sie ein mit "Rechtsanwaltskanzlei" überschriebenes Geschäftsschild an, auf dem es in der auf die Namen der Notarin und ihres Ehemannes folgenden Zeile in derselben Schriftgröße heißt: "Rechtsanwälte und Notarin". Darunter befindet sich die Adresse des Büros in B. 3. Nachdem die Beschwerdeführerin von der zuständigen Notarkammer vergeblich aufgefordert worden war, den Zusatz "Notarin" von dem Geschäftsschild zu entfernen, erteilte diese ihr eine Ermahnung nach § 75 BNotO. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Notarkammer zurück. Auch der daraufhin von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg. Das beanstandete Geschäftsschild stelle eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung im Sinne des § 29 Abs. 1 BNotO dar. Zwar seien die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 BNotO nicht erfüllt, weil sich die Beschwerdeführerin nicht mit einem auswärtig tätigen Rechtsanwalt verbunden habe, sondern die Zweigstelle in L. gemeinsam mit dem auch an ihrem Geschäftssitz tätigen Rechtsanwalt betreibe. Auch bei einer intraurbanen Sozietät sei jedoch die Verwendung der Amtsbezeichnung eines Notars nur auf dem Amts- oder Namensschild seiner Geschäftsstelle im Sinne des § 10 Abs. 3 BNotO gestattet. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, das rechtsuchende Publikum könne auch in den anderen Büros um notarielle Dienstleistungen nachsuchen. Durch den persönlichen Kontakt der Beschwerdeführerin mit den Mandanten vor Ort bestehe die Gefahr, dass diese sich auch in notariellen Belangen an die Notarin an deren Amtssitz in B. wendeten, um deren Dienste in Anspruch zu nehmen, wodurch den ortsansässigen Notaren Urkundsgeschäfte entgingen. Dies gefährde die ausgewogene Versorgung der Bevölkerung mit Notarstellen. 4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Art. 12 Abs. 1 GG als verletzt. Die Zweigstelle sei auf dem beanstandeten Schild eindeutig als eine nur der Rechtsanwaltskanzlei - und nicht auch der Notarin - bezeichnet. Die Führung ihrer Amtsbezeichnung als Notarin sei ihr nicht nur erlaubt, sondern sie sei überall auch dazu verpflichtet. Bislang sei bei niemandem der Eindruck erweckt worden, an der Zweigstelle könne auch um notarielle Dienstleistungen nachgesucht werden. Außerdem könne der Geschäftsschutz der Notare nicht so weit gehen, dass jede wie auch immer geartete Möglichkeit der Rechtsuchenden, in einer anderen Stadt Notare aufzusuchen, unterdrückt werde. 5. Zur Verfassungsbeschwerde haben sich das Bundesministerium der Justiz im Namen der Bundesregierung, der Bundesgerichtshof, die Bundesnotarkammer, der Deutsche Notarverein sowie der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen geäußert. In sämtlichen Stellungnahmen wurden die angegriffenen Entscheidungen verteidigt. Das ihnen zugrunde liegende Verbot, auf einem außerhalb der Geschäftsstelle des Notars angebrachten Geschäftsschild einen Hinweis auf seine Notareigenschaft anzubringen, sei insbesondere gerechtfertigt, um eine Irreführung der Rechtsuchenden sowie eine Verlagerung von Urkundsgeschäften zu vermeiden. II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93b Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen der Reichweite von Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 112, 255 <262>) sind ebenso geklärt wie die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der sie betreffenden Einschränkungen (vgl. BVerfGE 106, 181 <191 f.>; 112, 255 <262 ff.>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. 1. Auch die Beschwerdeführerin, die als Notarin einen staatlich gebundenen Beruf ausübt, kann für ihre berufliche Tätigkeit grundsätzlich den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG beanspruchen (vgl. BVerfGE 7, 377 <398>; 17, 371 <377 ff.>; 73, 280 <292>; 112, 255 <262>). Zu den durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Handlungen gehört die berufliche Außendarstellung einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 112, 255 <262>). Das Verbot, auf Geschäftsschildern die Amtsbezeichnung als Notar zu führen, bedeutet ebenso wie die Ermahnung nach § 75 BNotO, dieses Verbot zu beachten, eine Beschränkung der beruflichen Außendarstellung der Beschwerdeführerin und greift somit in ihre Berufsausübungsfreiheit ein. 2. Soweit § 29 Abs. 1 BNotO eine berufswidrige Werbung verbietet, ist dies als flankierende Maßnahme zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung der Notare gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 112, 255 <263>). a) Zwar können Zweifel an der Unparteilichkeit oder Gewissenhaftigkeit des Notars nicht schon dadurch begründet werden, dass dieser auf einem nicht an dem Ort seiner Geschäftsstelle angebrachten Geschäftsschild auf seine Eigenschaft als Notar hinweist. Insbesondere kann nicht unterstellt werden, diese Art der Information signalisiere die Bereitschaft des Notars, unter Verletzung seiner Amtspflichten Urkundstätigkeiten außerhalb seines Amtsbereichs (§ 10a BNotO) oder außerhalb seines Amtsbezirks (§ 11 BNotO) auszuüben. b) Die ordnungsgemäße Berufsausübung des Notars wird allerdings durch eine irreführende Werbung in Frage gestellt. Diese zu verhindern, stellt ein legitimes Ziel des Gesetzgebers dar (vgl. BVerfGE 112, 255 <263>). Ein außerhalb der Geschäftsstelle des Notars an einer Rechtsanwaltskanzlei angebrachtes Geschäftsschild, das auf das Notaramt eines Rechtsanwalts hinweist, kann eine solche Irreführung der Rechtsuchenden bewirken (vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 29 BNotO, BTDrucks 13/4184, S. 28). Es kann der fälschliche Eindruck entstehen, dass an der derart gekennzeichneten Zweigstelle der Rechtsanwaltskanzlei auch notarielle Dienste angeboten und in Anspruch genommen werden können. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob einer derartigen Irreführung bereits dadurch hinreichend entgegengewirkt werden könnte, dass auf dem Geschäftsschild an der Zweigstelle zugleich ein Hinweis auf den Ort des Amtssitzes des Notars (§ 10 Abs. 1 BNotO) angebracht wird, wie ihn § 29 Abs. 3 Satz 2 BNotO für überörtlich verwendete Verzeichnisse vorsieht. Das Bundesverfassungsgericht hat es in seinem Beschluss vom 8. März 2005 (BVerfGE 112, 255 <264>) zur Zulässigkeit der Angabe der Amtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren einer überörtlichen Sozietät zur Vermeidung einer Irreführung für ausreichend erachtet, wenn die Anwaltsnotare mit ihrem jeweiligen Amtssitz aufgeführt sind. Es liegt nahe, die dort angestellten Erwägungen auch auf die Geschäftsschilder einer Rechtsanwaltskanzlei zu übertragen. Da das beanstandete Schild einen Hinweis auf den Amtssitz der Beschwerdeführerin allerdings nicht enthält, sondern nur für die Beschwerdeführerin und ihren Anwaltssozius auf die Adresse des Hauptsitzes der gemeinsamen Kanzlei hinweist, sind die angefochtenen Entscheidungen zu Recht davon ausgegangen, dass eine Untersagung zur Vermeidung einer Irreführung der Rechtsuchenden gerechtfertigt ist. 3. Ob auch das weitere Anliegen des Gesetzgebers, im Interesse einer geordneten Rechtspflege einer zielgerichteten Verlagerung notarieller Amts- und insbesondere Urkundsgeschäfte entgegenzuwirken (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 29 BNotO, BTDrucks 13/4184, S. 28), das hier angegriffene Verbot und die hierauf gestützte Ermahnung rechtfertigen kann, erscheint zweifelhaft. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits hinsichtlich der Geschäftspapiere von Anwaltsnotaren in § 29 Abs. 3 Satz 1 BNotO eine unverhältnismäßige Regelung gesehen und dies auf das geringe Maß der Eignung des Verbots zur Steuerung notarieller Auftragserteilung gestützt (vgl. BVerfGE 112, 255 <266 ff.>). Ob sich diese Erwägungen auch auf die Gestaltung von Geschäftsschildern übertragen lassen, kann jedoch dahinstehen, weil die im vorliegenden Fall angegriffenen Entscheidungen ihre Rechtfertigung bereits in dem Ziel des Schutzes der Rechtsuchenden vor Irreführung finden. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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