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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.08.2001
Aktenzeichen: 1 BvR 666/00
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 666/00 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

1. unmittelbar gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 15. März 2000 - 17 W 7/00 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Köln vom 20. September 1999 - 5 O 40/84 -,

c) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Juli 1999 - 17 W 171/99 -,

d) den Beschluss des Landgerichts Köln vom 23. Februar 1999 - 5 O 40/84 -,

2. mittelbar gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde

am 1. August 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Höhe der Vergütung für einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für ein gerichtliches Gutachten.

1. Der Beschwerdeführer ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie Mieten und Pachten. Er bezieht seine gesamten beruflichen Einkünfte aus der gerichtlichen und außergerichtlichen Gutachtertätigkeit. Der Beschwerdeführer, Vater von vier Kindern, von denen zwei Kinder noch schulpflichtig sind, verfügt seit 1989 über ein jährliches Nettoeinkommen von rund 70.000 DM.

In einem Rechtsstreit beim Landgericht war der Beschwerdeführer als gerichtlicher Sachverständiger beauftragt worden. Für ein Ergänzungsgutachten verlangte er 1998 einen Stundensatz von 200 DM. Das Landgericht bewilligte dem Beschwerdeführer den gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (im Folgenden: ZSEG) vorgesehenen Stundenhöchstsatz von 150 DM und wies den weiter gehenden Entschädigungsantrag zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb letztlich erfolglos.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und 2 GG. Die Begrenzung der Entschädigung für Sachverständige auf gesetzlich festgelegte Höchstbeträge führe dazu, dass er trotz Mehrarbeit nicht auffangbare laufende finanzielle Verluste in den letzten Jahren erlitten habe. Durch die Stundensatzbegrenzung werde er als Berufssachverständiger diskriminiert und in seine Berufsausübungsfreiheit massiv eingegriffen. Die geltenden Stundensätze erreichten nicht annähernd die übliche Vergütung. Während er 1996 und 1997 für gerichtliche Gutachten einschließlich Aufwendungsersatz gemäß § 8 ZSEG und Mehrwertsteuer pro Stunde 177,48 DM abgerechnet habe, habe er für außergerichtliche Gutachten einen Stundensatz von 220,33 DM bzw. 235,47 DM erhalten. Dass die geltende Entschädigungshöhe zu einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Situation führe, belege auch der Vergleich mit einem Beamten der Besoldungsgruppe A 15. Um das gleiche Jahresbruttoeinkommen zu erhalten, müsse ein Berufssachverständiger einen Bruttobetriebsumsatz von 331.058 DM erzielen. Bei ausschließlicher gerichtlicher Gutachtertätigkeit ließe sich jedoch maximal ein jährlicher Bruttoumsatz von 162.571,68 DM erzielen. Diese Berechnung zeige auch, dass es nicht möglich sei, eine adäquate Alterssicherung aufzubauen.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 12 Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da es an einer substantiierten Begründung mangelt (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

2. Auch im Übrigen kommt der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass Vergütungsregelungen und hierauf gründende Entscheidungen, die auf Einnahmen, welche durch eine berufliche Tätigkeit erzielt werden können, und damit auch auf die Existenzerhaltung von nicht unerheblichem Einfluss sind, in die Freiheit der Berufsausübung eingreifen (vgl. BVerfGE 47, 285 <321>; 101, 331 <346 ff.>). Ferner ist entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige für seine Tätigkeit eine der Höhe nach begrenzte Entschädigung erhält, soweit sie dem Entgelt nahe kommt, welches für ähnliche Leistungen außerhalb des Gerichts gewährt wird (vgl. BVerfGE 33, 240 <244 f.>).

3. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Die angegriffenen Entscheidungen sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

a) Der Beschwerdeführer ist in seiner Berufsausübungsfreiheit betroffen. Die Vergütungsvorschriften und die hierauf gründenden Entscheidungen greifen in seine Berufsausübung ein, da die Vergütung niedriger, als vom Beschwerdeführer beantragt, festgesetzt wurde.

b) Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessen Verhältnis stehen (vgl. BVerfGE 54, 301 <313>; 101, 331 <347>).

c) Diesen Anforderungen genügen § 3 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b ZSEG.

aa) Wie das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 27. Juni 1972 (BVerfGE 33, 240) ausgeführt hat, haben Gründe des Gemeinwohls, nämlich Rechtssicherheit durch Begrenzung und Überschaubarkeit des Kostenrisikos zu gewährleisten und Auseinandersetzungen über die Höhe der üblichen Vergütung zu verhindern, es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl I S. 861 <902>) vom Vergütungs- zum Entschädigungsprinzip übergegangen ist. Dies gilt, solange die Entschädigung im Allgemeinen dem Entgelt nahe kommt, welches für ähnliche Leistungen außerhalb des Gerichts gezahlt wird.

bb) Um die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, ist die Entschädigungsregelung nach wie vor geeignet. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Ziele des Gesetzgebers auf andere Weise verwirklicht werden könnten, die den Beschwerdeführer weniger beeinträchtigten, zugleich aber den Belangen der Rechtspflege in gleicher Weise genügten.

cc) Die Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt ist.

Der Gesetzgeber hat mehrfach die Entschädigung für Sachverständige angehoben, um eine Annäherung an die außergerichtlich gezahlten Vergütungen zu erreichen. Nach der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1972 (BVerfGE 33, 240) wurde zunächst durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 22. November 1976 (BGBl I S. 3221) die Entschädigung pro Stunde auf 20 DM bis 50 DM erhöht. Durch Artikel 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 (BGBl I S. 2326 <2334>) wurde der Entschädigungsrahmen auf 40 DM bis 70 DM angehoben. Damals hat sich der Gesetzgeber als Ausgangsgröße für die Erhöhung an der Entwicklung der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der Angestellten in Industrie und Handel sowie bei Kreditinstituten und im Versicherungsgewerbe orientiert (vgl. BTDrucks 10/5113, S. 19). Schließlich wurde durch Artikel 6 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen vom 24. Juni 1994 (BGBl I S. 1325 <1355>) der Entschädigungsrahmen auf 50 DM bis 100 DM angehoben. Bei dieser Anpassung hat sich der Gesetzgeber auf eine Umfrage zur Vergütungshöhe für Sachverständigengutachten auf dem freien Markt des Deutschen Industrie- und Handelstages über die Industrie- und Handelskammern vom August und September 1992 gestützt, wonach die Spannweite zwischen der Vergütung pro Stunde zwischen unter 50 DM und über 400 DM lag und die mittleren Stundensätze schwerpunktmäßig zwischen 120 DM und 150 DM angegeben wurden. Als weitere Begründung für die Erhöhung der Entschädigung hat der Gesetzgeber als Anhaltswerte die Stundensätze nach der Gebührenverordnung für Steuerberater (im Folgenden: StBGebV) und der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (im Folgenden: HOAI) sowie die für öffentliche Einrichtungen oder Stellen geltenden Kostenverordnungen herangezogen, wonach damals Stundensätze zwischen 60 DM und 155 DM gezahlt wurden (vgl. BTDrucks 12/6962, S. 55). Damit hat der Gesetzgeber einen Entschädigungsrahmen eröffnet, der es einem Berufssachverständigen, der wie der Beschwerdeführer die Erhöhung um 50 vom Hundert gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Buchstabe b ZSEG verlangen kann, erlaubt, eine Entschädigung zu erhalten, die der durchschnittlichen außergerichtlichen Vergütung für Gutachten nahe kommt oder sogar entspricht.

Dass auf der Grundlage der bestehenden Entschädigungsregelung generell eine wirtschaftliche Existenz möglich ist, zeigt auch der Vergleich mit anderen Gebührenordnungen, deren Zeitgebühren nicht wesentlich höher liegen. So sieht etwa § 13 Satz 2 StBGebV in der seit 1998 geltenden Fassung ein Zeithonorar von 37,50 DM bis 90 DM je angefangene halbe Stunde, also 75 DM bis 180 DM pro Stunde, vor. Und nach § 6 Abs. 2 HOAI können für den Auftragnehmer 75 DM bis 160 DM, für Mitarbeiter, die technische oder wirtschaftliche Aufgaben erfüllen, 70 DM bis 115 DM und für Technische Zeichner und sonstige Mitarbeiter mit vergleichbarer Qualifikation 60 DM bis 85 DM jeweils pro Stunde abgerechnet werden.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer in freier Entscheidung als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger tätig ist. Er hat diesen Beruf ergriffen, obwohl ihm bekannt war, dass bei gerichtlichen Gutachten lediglich eine der Höhe nach begrenzte Entschädigung verlangt werden kann. Die von ihm angestellten Durchschnittsberechnungen belegen nicht, dass seine wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre. Die Vergleichsberechnungen sind nicht aussagekräftig, da der Beschwerdeführer abstrakt von einer 38,5 Stundenwoche und von pauschalen Durchschnittsstundensätzen ausgeht. Es wird weder der konkrete Arbeitszeitaufwand für die außergerichtliche Gutachtertätigkeit deutlich noch lassen die erzielten Einnahmen aus gerichtlichen Gutachten Rückschlüsse auf seine Arbeitssituation zu. Das Einkommen Selbständiger wird von vielfältigen Faktoren, wie der Auftragslage, den - beeinflussbaren - Betriebskosten und rationalisierten Betriebsabläufen bestimmt, die im Einzelnen nicht zur Grundlage der verfassungsrechtlichen Kontrolle von Gebührenordnungen gemacht werden können. Der Gesetzgeber wird seiner Aufgabe zur pauschalierten Festlegung einer angemessenen Entschädigung gerecht, wenn er sich in einem Rahmen bewegt, der unter durchschnittlichen Verhältnissen eine auskömmliche Mischkalkulation erlaubt. Diese Annahme ist durch das Rechenwerk des Beschwerdeführers nicht erschüttert.

4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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