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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 1 BvR 97/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 97/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. November 2005 - 6 W 12/05 -

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Präsidenten Papier und die Richter Steiner, Gaier gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 22. März 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob Rechtsanwälte mit dem der Berufsbezeichnung "Rechtsanwälte" angefügten Zusatz "... und Steuerberatung" in das Partnerschaftsregister eingetragen werden können.

1. Die Beschwerdeführer sind Rechtsanwälte und ihre Partnerschaft ist mit dem Namen "J. - K. & Partner Rechtsanwälte" in das Partnerschaftsregister eingetragen. Sie haben die Eintragung der Änderung des Namens in "J. - K. & Partner Rechtsanwälte und Steuerberatung" beantragt.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts wies den Antrag zurück und die Beschwerde blieb vor dem Landgericht erfolglos. Mit der angegriffenen Entscheidung wies das Oberlandesgericht die weitere Beschwerde zurück. Zwar sei nach dem Steuerberatungsgesetz Rechtsanwälten die Angabe "Steuerberatung" nicht untersagt. Der Senat sei aber der Auffassung, bei objektiver Sicht eines in Steuersachen Ratsuchenden sei davon auszugehen, dass die Bezeichnung "Steuerberatung" eine Täuschungsgefahr nicht fernliegend erscheinen lasse; der Bürger setze die Tätigkeitsbeschreibung mit der Berufsausübung eines Steuerberaters gleich. Es stelle keine unzumutbare Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit dar, wenn die Beschwerdeführer die ausgeübte Tätigkeit wegen des Grundsatzes der Firmenwahrheit nicht wie beantragt beschreiben dürften. Sie hätten die Möglichkeit, mit anderen, weniger irreführenden Bezeichnungen auf ihre Tätigkeit hinzuweisen.

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Jeder Rechtsanwalt und jede aus Rechtsanwälten bestehende Partnerschaft sei zur geschäftsmäßigen, unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt. § 43 Abs. 4 Satz 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erlaube Rechtsanwälten die Angabe "Steuerberatung". Eine Einschränkung dieses gesetzlichen Schutzes über § 2 Abs. 2 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes (PartGG), § 18 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) gehe zu Unrecht von einer Irreführung aus und verkenne zudem die materielle Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG. Die angegriffene Entscheidung habe auch nicht erkannt, dass nicht in einer Partnerschaft verbundene Rechtsanwälte eine entsprechende Bezeichnung gemäß § 43 Abs. 4 Satz 3 StBerG verwenden dürfen. Die unterschiedliche Behandlung von Rechtsanwälten je nachdem, ob sie in einer Partnerschaft verbunden seien oder nicht, sei mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht gerechtfertigt.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur beruflichen Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 57, 121 <133 f.>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28>). Den Angehörigen freier Berufe soll für sachgerechte, nicht irreführende Information im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Sämtliche Maßnahmen, die sie dabei beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>). Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen muss (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; 101, 331 <347>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Das Oberlandesgericht geht davon aus, das nach § 2 Abs. 2 Halbsatz 1 PartGG entsprechend geltende Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 HGB verbiete im Namen einer Partnerschaft die nach § 43 Abs. 4 Satz 3 StBerG für Rechtsanwälte grundsätzlich zulässige Verwendung des Zusatzes "Steuerberatung", weil bei objektivierter Sicht eines in Steuersachen Ratsuchenden davon auszugehen sei, dass die Bezeichnung "Steuerberatung" mit der Berufsausübung eines Steuerberaters gleichgesetzt werde.

b) Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

aa) Den Fachgerichten obliegt es, unter Abwägung des Grundrechts auf freie Berufsausübung mit den Zwecken des Verbots irreführender Angaben im Einzelfall die Grenze zu ziehen zwischen zulässigen und unzulässigen anwaltlichen Tätigkeitsbeschreibungen. Die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereiches, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>).

bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze wird die angegriffene Entscheidung dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG gerecht.

Die Freiheit der Berufsausübung kann eingeschränkt werden, wenn der Eingriff durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und wenn er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 95, 173 <183>). Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Rechtsanwälten im Interesse des rechtsuchenden Bürgers insbesondere eine solche Außendarstellung untersagt wird, mit der die Gefahr einer Irreführung des Rechtsuchenden verbunden ist (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2004, S. 2656). Das Oberlandesgericht hat die Gefahr einer Irreführung für den Tätigkeitszusatz "und Steuerberatung" unmittelbar nach der Berufsangabe "Rechtsanwälte" bejaht, weil - ungeachtet der Befugnis von Rechtsanwälten, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten (vgl. § 3 Nr. 1 und Nr. 2 StBerG) - der Eindruck hervorgerufen werde, es handele sich bei der Partnerschaft um einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Steuerberatern, die in besonderer Weise von Berufs wegen für die Steuerberatung qualifiziert seien. Dies lässt eine Verletzung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Beschwerdeführer nicht erkennen.

cc) Auch Art. 3 Abs. 1 GG wird durch die angegriffene Entscheidung nicht verletzt. Den Beschwerdeführern wird nicht verboten, was nicht in einer Partnerschaft zusammengeschlossenen Rechtsanwälten erlaubt wäre. Ungeachtet des wettbewerbsrechtlichen Verbots irreführender Werbung (§§ 3, 5 UWG) wird die von den Beschwerdeführern behauptete Ungleichbehandlung einfachrechtlich bereits durch den Verweis auf das Berufsrecht in § 8 Abs. 3 StBerG ausgeschlossen. Für Rechtsanwälte, die ihren Beruf in einer Sozietät ausüben, hat das Bundesverfassungsgericht bereits ausdrücklich entschieden, dass eine Werbung, die Gefahr läuft, den Rechtsuchenden in die Irre zu führen, verboten werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2004, S. 2656). Aber auch einzeln tätige Rechtsanwälte dürfen ihrer Berufsbezeichnung keine irreführende Tätigkeitsangabe anfügen. Der Zusatz "und Steuerberatung" ist jedenfalls nach der - seit dem 1. März 2006 geltenden - geänderten Fassung des § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) unzulässig. Nach Absatz 2 der neuen Vorschrift darf ein Rechtsanwalt - und nach Absatz 3 gilt dies entsprechend auch für Berufsausübungsgemeinschaften nach § 9 BORA - unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nicht benennen, soweit damit die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften oder eine sonstige Irreführung begründet wird.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

Ende der Entscheidung

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