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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2008
Aktenzeichen: 2 BvM 3/06
Rechtsgebiete: SGB VI, GG


Vorschriften:

SGB VI § 110 Abs. 3
SGB VI § 113 Abs. 3
GG Art. 25
GG Art. 59 Abs. 2 Satz 1
GG Art. 100 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvM 3/06 -

In dem Verfahren

zur verfassungsrechtlichen Prüfung der Frage,

ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, wonach zweiseitige Verträge bei Staatennachfolge (hier: Jugoslawien) im Verhältnis zu den Folgestaaten zunächst fortgelten,

- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 23. Mai 2006 (B 13 RJ 17/05 R) -

hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter Vizepräsident Voßkuhle, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau am 25. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren hat sich mit der Aufhebung des Vorlagebeschlusses erledigt.

Gründe:

I.

1. Mit Beschluss vom 23. Mai 2006 legte das Bundessozialgericht dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG die Frage vor, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, wonach zweiseitige Verträge bei Staatennachfolge im Verhältnis zu den Folgestaaten zunächst fortgelten. Diese Frage stellte sich im Rahmen eines im Jahr 1998 begonnenen Ausgangsverfahrens, in dem der Kläger sich gegen die auf § 113 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) beruhende Kürzung seiner als Auslandsrente bezogenen Altersrente für Berufsunfähige durch die beklagte Rentenversicherungsträgerin wendete. In völkerrechtlicher Hinsicht warf das Verfahren die Frage auf, ob das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969 S. 1438) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975 S. 390) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bosnien und Herzegowina fortgilt; ein solches Abkommen kann nach § 110 Abs. 3 SGB VI als vorrangiges zwischenstaatliches Recht der Rentenkürzung entgegenstehen. Durch Notenwechsel vom 13. November 1992 (BGBl II S. 1196) vereinbarten die Bundesregierung und die Regierung von Bosnien und Herzegowina, die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien geschlossenen Verträge im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bosnien und Herzegowina bis zu einer abweichenden Vereinbarung weiter anzuwenden. In seinem Vorlagebeschluss vertrat das Bundessozialgericht die Auffassung, die Fortgeltung der deutsch-jugoslawischen Altverträge zwischen Deutschland und Bosnien und Herzegowina sei dadurch nicht wirksam festgelegt worden, weil die Vereinbarung zwischen den beiden Regierungen nicht im Verfahren nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht transformiert worden sei. Daher hänge der Ausgang des Verfahrens von der Frage ab, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts zur Staatennachfolge in Verträge existiere.

2. Mit Beschluss vom 26. Juni 2008 hat das Bundessozialgericht seinen Vorlagebeschluss vom 23. Mai 2006 wegen außergerichtlicher Erledigung des Rechtsstreits aufgehoben. Zur Erledigung des Revisionsverfahrens hatten die Rücknahme der Revision der beklagten Rentenversicherungsträgerin und hinsichtlich der Revision des Klägers ein von diesem angenommenes Anerkenntnis der Beklagten geführt.

II.

Das Vorlageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat sich durch die Aufhebung des Vorlagebeschlusses erledigt.

Bei der völkerrechtlichen Normverifikation handelt es sich um ein objektives Zwischenverfahren, das mit dem fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren in wechselseitiger Beziehung steht. Nach Art. 100 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 25 GG sind die Fachgerichte verpflichtet, eine Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, wenn Zweifel daran bestehen, ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung einer Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 2 GG ist die Entscheidungserheblichkeit des Bestehens oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts (vgl. BVerfGE 4, 319 <321>; 15, 25 <30>; 16, 27 <32 f.>; 46, 342 <358>; 117, 357 <358>). Aus der Funktion der völkerrechtlichen Normverifikation als Zwischenverfahren ergibt sich, dass die Verfahrensherrschaft des Bundesverfassungsgerichts insofern beschränkt ist, als das Vorlageverfahren von dem Verlauf des Ausgangsverfahrens abhängig bleibt (BVerfGE 117, 357 <358 f.>). Erledigt sich dieses und hebt das vorlegende Gericht daraufhin den Vorlagebeschluss auf, führt dies auch zur Erledigung des Normverifikationsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, welche durch Beschluss auszusprechen ist (vgl. bereits BVerfGE 117, 357).

Ende der Entscheidung

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