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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 1163/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, BtMG


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BtMG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BtMG § 29 Abs. 5
BtMG § 31 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1163/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 27. April 2006 - 2 Ss 121/05 -,

b) das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 7. Juli 2005 - 3 Ns Ds 112 Js 15640/03 -,

c) das Urteil des Amtsgerichts Obernburg - Zweigstelle Miltenberg vom 21. April 2005 - 1 Ds 112 Js 15640/03 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 11. Juli 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, darüber hinaus unbegründet.

Unzulässig ist sie, soweit sie sich gegen das Urteil des Amtsgerichts richtet. Dieses Urteil ist im Rechtsfolgenausspruch durch die auf neuer Tatsachenverhandlung beruhende Entscheidung des Landgerichts prozessual überholt worden. Den Schuldspruch des amtsgerichtlichen Urteils kann die Verfassungsbeschwerde aus Gründen der Subsidiarität - § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG - nicht mehr angreifen. Der Beschwerdeführer hat es vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts versäumt, gegen diesen Schuldspruch mit den Rechtsmitteln der Strafprozessordnung vorzugehen.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen das Urteil der Berufungskammer und die Revisionsentscheidung des Oberlandesgerichts wendet. Es war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, von einer Verurteilung des Beschwerdeführers zu Strafe abzusehen. Dass der Gesetzgeber den Erwerb von Cannabisprodukten in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG unter Strafe gestellt hat, ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfGE 90, 145 <187>; zuletzt auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1772/02 -, juris = BVerfGK 5, 365 ff.). Grundsätzlich strafbewehrt ist damit auch der Erwerb geringer oder geringster Mengen von Haschisch zum Eigenverbrauch. Allerdings können beim Ankauf geringfügiger Mengen von Betäubungsmitteln Gründe der Verhältnismäßigkeit dafür sprechen, von der Verfolgung der Tat nach § 31 a BtMG oder von der Verhängung von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG abzusehen (vgl. BVerfGE, a.a.O., S. 189).

Für das Landgericht bestand nicht das verfassungsrechtliche Gebot, nach § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung des Beschwerdeführers abzusehen. § 29 Abs. 5 BtMG ist eine materiellrechtliche Strafzumessungsnorm, die - ungeachtet eines etwaigen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung - unter anderem beim Erwerb geringer Mengen von Betäubungsmitteln ein Absehen von Strafe ermöglicht, wenn ein Strafbedürfnis nicht gegeben ist (vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 1640).

Ein solches Strafbedürfnis haben die Fachgerichte hier daraus hergeleitet, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich erheblich vorbelastet ist und zudem die in Rede stehende Erwerbstat begangen hat, während er unter Bewährung aus einer einschlägigen Vorverurteilung stand. Gegen diese Entscheidung der Gerichte ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Wie im allgemeinen Strafrecht geben auch im Betäubungsmittelstrafrecht Vorbelastungen des Angeklagten - insbesondere dann, wenn sie einschlägig sind - den Gerichten im Regelfall Veranlassung, aus Gründen der General- und Spezialprävention auch bei Taten mit geringem Schuldgehalt auf Strafe zu erkennen (vgl. Körner, a.a.O., Rn. 1675). Willkür bei der Rechtsanwendung ist nicht zu erkennen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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