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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 1339/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
GG Art. 16 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 16 Abs. 1 Satz 2
GG Art. 20 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1339/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Mai 2006 - 7 UZ 576/06 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2005 - 5 E 2900/05 (2) -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. Dezember 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Anwendung von § 25 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) auf vor seiner Verkündung gestellte Anträge. § 25 Abs. 1 StAG sieht vor, dass ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgt. Nach der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Gesetzesfassung trat der Verlust nur ein, wenn der Betroffene im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hatte. Diese sogenannte Inlandsklausel hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts gestrichen, nachdem sie von zahlreichen Neubürgern dazu genutzt worden war, die im Zusammenhang mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgegebene frühere Staatsangehörigkeit unmittelbar nach der Einbürgerung ohne Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zurückzuerwerben. Die Änderung, die dieser Praxis die Grundlage entziehen sollte, trat am 1. Januar 2000 in Kraft (vgl. Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes). Von ihr ist eine große Zahl in Deutschland lebender und hier eingebürgerter Personen betroffen (vgl. BTDrucks 16/139, 15/4496; Marx, in: GK-StAR, Stand: Juni 2006, § 25 StAG Rn. 58.5; Engst, ZAR 2005, S. 227 <231> m.w.N.).

1. Der Beschwerdeführer wurde im März 1999 in den deutschen Staatsverband eingebürgert. Seine frühere türkische Staatsangehörigkeit hatte er im Zusammenhang mit dem Einbürgerungsverfahren aufgegeben. Auf seinen Antrag vom 11. Juni 1999 erwarb er am 5. Februar 2001 durch Beschluss des Ministerrates erneut die türkische Staatsangehörigkeit.

Mit Verfügung vom 3. August 2005 zog die Stadt Frankfurt am Main nach Anhörung des Beschwerdeführers auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 Passgesetz (PassG) und § 8 Hessisches Ausführungsgesetz zum Gesetz über Personalausweise (HAGPAuswG) die ihm erteilten deutschen Ausweispapiere ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe durch den am 5. Februar 2001 auf seinen Antrag hin erfolgten Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes (§ 25 StAG) verloren.

2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Klage und machte geltend, § 25 StAG - oder jedenfalls die Anwendung dieser Vorschrift auf seinen Fall - sei verfassungswidrig. Zu dem Zeitpunkt, als er auf Anregung der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin des Generalkonsulats der Republik Türkei den Antrag auf Wiedererteilung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, habe der Grundsatz der Vermeidung von Doppelstaatigkeit noch nicht gegolten: § 25 StAG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sei erst am 1. Januar 2000 in Kraft getreten; das Gesetz sei auch erst am 15. Juli 1999 verabschiedet worden. Er habe den Antrag im Vertrauen auf das seinerzeit geltende Recht gestellt. Der Zeitpunkt der Entscheidung der türkischen Behörden sei seinem Einfluss entzogen gewesen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 2005 ab. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG; denn er habe ohne entsprechende Beibehaltungsgenehmigung (§ 25 Abs. 2 StAG) die türkische Staatsangehörigkeit wieder angenommen und damit kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit wieder verloren (§ 25 Abs. 1 StAG). Die Verlustfolge trete ohne Rücksicht darauf ein, ob der Betroffene dies gewusst oder sich über die Folgen geirrt habe. Dass die Neuregelung des § 25 StAG gegen das Grundgesetz verstoße, sei nicht ersichtlich. Auch nach dem zuvor geltenden Staatsangehörigkeitsrecht sei die Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit Voraussetzung für die Einbürgerung gewesen. Die Wiederannahme einer anderen Staatsangehörigkeit habe auch nach § 25 RuStAG zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt; lediglich für den Fall eines Wohnsitzes im Inland habe eine Ausnahme gegolten.

Eine gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit liege nicht vor. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit trete ausschließlich aufgrund von Handlungen ein, die auf einem freien, selbstverantwortlichen Willensentschluss des Betroffenen gründeten. Auch Art. 3 GG sei nicht verletzt. Ob und wann die türkischen Behörden Wiedereinbürgerungsanträge positiv beschieden, habe nicht die Bundesrepublik Deutschland zu verantworten. Dem Beschwerdeführer stehe schließlich auch kein Vertrauensschutz zu. Jedem Neubürger sei bekannt gewesen, dass in der Bundesrepublik Deutschland der Grundsatz der Vermeidung der Doppelstaatigkeit gelte. Denn Voraussetzung für die Einbürgerung sei es damals - wie heute - gewesen, dass der Betroffene seine alte Staatsangehörigkeit aufgebe. Deshalb sei für jeden, der nach der Einbürgerung gleichwohl seine alte Staatsangehörigkeit wieder angenommen habe, auch zwingend der Schluss zu ziehen gewesen, dass er etwas getan habe, was mit dem deutschen Staatsverständnis unvereinbar sei. Eine Handlung, die erkennbar dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, könne keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Der Beschwerdeführer habe zudem zwischen Verkündung des Gesetzes am 15. Juli 1999 und dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2000 genügend Zeit gehabt, entweder den Antrag auf Wiedereinbürgerung bei den türkischen Behörden zurückzunehmen oder eine Beibehaltungsgenehmigung zu beantragen.

3. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Mai 2006 ab. Die Novellierung des § 25 Abs. 1 StAG, der nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte die Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit an den Zeitpunkt des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit anknüpfe und nicht an den der Antragstellung, entfalte insbesondere keine im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, eine Übergangsregelung zu treffen. Der durch die Neuregelung bewirkte Wegfall der Inlandsklausel greife nicht nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände des Staatsangehörigkeitsrechts ein (sog. echte Rückwirkung).

Ob die Neuregelung eine unechte Rückwirkung oder eine tatbestandliche Rückanknüpfung an Sachverhalte aus der Vergangenheit beinhalte, könne dahinstehen, weil jedenfalls den insoweit zu stellenden rechtlichen Anforderungen, insbesondere dem Gebot des Vertrauensschutzes, genügt sei. Denn der Gesetzgeber habe dem Interesse der betroffenen deutschen Staatsangehörigen, die - wie der Beschwerdeführer - bereits vor dem 15. Juli 1999 den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit beantragt hätten, hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass nach der Veröffentlichung der Neuregelung im Bundesgesetzblatt am 23. Juli 1999 bis zu deren Inkrafttreten am 1. Januar 2000 genügend Zeit zur Verfügung gestanden habe, sich auf die neue Rechtslage einzustellen und entsprechend zu handeln. Es obliege den Bürgern, sich über eine anstehende oder bereits erfolgte Gesetzesänderung in geeigneter Weise zu informieren.

II.

Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 25 Abs. 1 StAG müssten Personen, die wie er den Antrag auf Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit vor dem 15. Juli 1999 und damit noch zur Zeit der Geltung der sogenannten Inlandsklausel gestellt hätten, aber erst nach dem 1. Januar 2000 in dem anderen Staat eingebürgert worden seien, von der Anwendung der Vorschrift ausgenommen werden. Der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Antragstellung auf das seinerzeit geltende Recht vertraut. Darüber, dass der spätere Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit den Verlust seiner deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge haben könne, sei er zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung - anders als inzwischen üblich - weder schriftlich noch mündlich belehrt worden. Wegen der bei Stellung des Wiedereinbürgerungsantrags noch geltenden Inlandsklausel habe er auch keinerlei Anlass gehabt, gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 StAG einen Antrag auf Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit zu stellen. Den Zeitpunkt der Entscheidung über den gestellten Wiedereinbürgerungsantrag zu bestimmen, habe ohne jede Beeinflussungsmöglichkeit seitens des Beschwerdeführers im Ermessen der türkischen Behörden gelegen. Hierdurch sei das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 GG berührt. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung liege schließlich auch darin, dass sich die behördlichen Auskunftsersuchen und sonstige Maßnahmen lediglich gegen Bürger türkischer Herkunft gerichtet hätten.

III.

Die Voraussetzungen, unter denen eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>; 96, 245 <248>). Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen können anhand vorliegender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil des Zweiten Senats vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, S. 807 ff. = EuGRZ 2006, S. 435 ff., sowie die unter 1.b)bb) zitierte Rechtsprechung zur Rückwirkung von Gesetzen) beantwortet werden. Es ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt, die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da schon die Möglichkeit einer Verletzung dieses Grundrechts weder dargelegt noch ersichtlich ist.

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.

Die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegende Annahme, dass der auf einen am 11. Juni 1999 gestellten Antrag hin nach dem 1. Januar 2000 erfolgte Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit bei dem im Inland wohnhaften Beschwerdeführer gemäß § 25 StAG in der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Eine danach verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit ist jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt (vgl. Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, S. 807 <809> = EuGRZ 2006, S. 435 <441>). In der den angegriffenen Entscheidungen zugrunde liegenden Annahme, der Beschwerdeführer habe die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 25 StAG in der derzeit gültigen Fassung verloren, liegt eine solche Beeinträchtigung nicht. Bei dem demgemäß eingetretenen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit handelt es sich insbesondere nicht um eine Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen konnte und die aus diesem Grund als Entziehung einzustufen wäre (vgl. BVerfG, a.a.O.).

a) Eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit an den freiwilligen, antragsgemäßen Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit knüpft, begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar tritt der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ohne hierauf gerichteten Antrag als automatische Rechtsfolge ein, wenn der Betroffene den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht hat und keine Ausnahmen (vgl. § 25 Abs. 2 StAG) gegeben sind.

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist jedoch nicht die Folge eines allein auf dem Willen des Staates zur Wegnahme der deutschen Staatsangehörigkeit beruhenden Aktes, sondern er tritt aufgrund von Handlungen des Betroffenen ein, die auf einem selbstverantwortlichen und freien Willensentschluss gegründet sind. Der Betroffene hat es selbst in der Hand, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten, sei es, dass er auf den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit verzichtet, sei es, dass er nach § 25 Abs. 2 StAG vor Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit eine Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit einholt (vgl. zum früheren § 25 RuStAG Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1990 - 2 BvR 116/90 -, NJW 1990, S. 2193; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2001 - 2 BvR 2101/00 -, NVwZ 2001, S. 1393).

Die nach Lage des geltenden einfachen Rechts beim Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit unter Umständen sich ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, ist auch nicht als solche schon unzumutbar. Sie ist Folge der Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Diese Entscheidung ist ihrerseits, soweit bei der näheren Ausgestaltung Grundrechte der Betroffenen beachtet werden, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 37, 217 <257>). Dementsprechend kann es nicht als schon für sich genommen unzumutbar gelten, dass nach der Grundregel des § 25 Abs. 1 StAG die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit daran geknüpft ist, dass kein Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit stattfindet.

b) Ebensowenig bewirkt die Anwendung des § 25 StAG in der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Fassung auf Inlandsdeutsche, die den Antrag auf Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit bereits vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift gestellt hatten, eine Entziehung der Staatsangehörigkeit.

Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus, die Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisten will, gehört allerdings auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (vgl. Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, S. 807 <809> = EuGRZ 2006, S. 435 <441>). In diesem Zusammenhang ist auch der besondere Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG zu sehen. Er schützt unter anderem das Interesse des einzelnen Staatsbürgers, anhand der Gesetzeslage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen Status verliert (vgl. Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, S. 807 <811> = EuGRZ 2006, S. 435 <443>).

An der verfassungsrechtlich gebotenen Vorhersehbarkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts und der dazu erforderlichen Normenklarheit (vgl. BVerfGE 108, 52 <75>) fehlte es jedoch auch für Fälle wie den vorliegenden nicht.

aa) Der Wortlaut des § 25 Abs. 1 StAG weckt keinen Zweifel daran, dass die Bestimmung in ihrer geltenden Fassung Fälle des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit auch dann erfasst, wenn der zugrunde liegende Antrag schon vor ihrem Inkrafttreten gestellt wurde. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ist nach der gewählten Formulierung ("Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb ... .") an den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit, nicht an die bloße Antragstellung geknüpft. Ein dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit zugrunde liegender Antrag ist nach dem zweiten Halbsatz des § 25 Abs. 1 StAG nur zusätzliche Voraussetzung für den Verlust der Staatsangehörigkeit. Ist aber nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht die Antragstellung, sondern der - auf Antrag erfolgende - Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit der verlustauslösende Tatbestand, so liegt es nicht nahe, anzunehmen, für die Anwendbarkeit der Bestimmung in ihrer seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung komme es auf den Zeitpunkt der Antragstellung und nicht auf den des Erwerbs an.

Weder die Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes vom 15. Juli 1999 noch der aus ihr ersichtliche Sinn und Zweck der Neufassung des Verlusttatbestandes deuten in eine andere Richtung. Die Streichung der Inlandsklausel aus § 25 Abs. 1 RuStAG ist in dem Gesetzentwurf damit begründet worden, dass die bisherige Fassung der Vorschrift "... häufig genutzt (wird), um den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung zu unterlaufen: Die vor der Einbürgerung aufgegebene ausländische Staattsangehörigkeit wird nach der Einbürgerung sanktionslos wiedererworben. Die Aufhebung der 'Inlandsklausel' beseitigt diese Missbrauchsmöglichkeit" (BTDrucks 14/533, S. 15; vgl. auch S. 12). Angesichts dieser deutlich negativen Bewertung der vorgefundenen Ausgangssituation spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber die von ihm als "Missbrauch" und "Umgehung" angesehene Vorgehensweise nicht möglichst rasch und effektiv unterbunden wissen wollte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23. September 2005 - 5 C 05.2108 -, NVwZ-RR 2006, S. 732).

Die Auslegung der Vorschrift führt demnach - ohne dass Anhaltspunkte bestünden oder auch nur Unklarheiten überwunden werden müssten, auf die Betroffene sich für ein entgegengesetztes Vertrauen berufen könnten - zu dem Ergebnis, dass für die Anwendbarkeit der Vorschrift allein der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit nach dem Inkrafttreten, das heißt dem 1. Januar 2000, maßgeblich ist. Ob der darauf gerichtete Antrag vor oder nach diesem Zeitpunkt gestellt wurde, ist dagegen unerheblich. Diese Auslegung entspricht der einhelligen fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. neben den hier angegriffenen Entscheidungen: BayVGH, Beschlüsse vom 23. September 2005 - 5 C 05.2108 -, NVwZ-RR 2006, S. 732, vom 13. Oktober 2005 - 5 C 05.2369 - juris, - 5 C 05.2107 - juris, - 5 C 05.1781 - juris, vom 8. November 2005 - 5 C 05.2289 - juris, vom 6. Dezember 2005 - 5 C 05.2589 - juris, und vom 9. Januar 2006 - 5 C 05.2502 - juris; HessVGH, Beschluss vom 2. Mai 2006 - 12 TP 604/06 - uunveröffentlicht, VG Ansbach, Urteil vom 14. Dezember 2005 - AN 15 K 05.02076 -, juris, sowie Beschlüsse vom 9. Juni 2005 - AN 15 K 05.01403 - juris, und vom 7. September 2005 - AN 15 E 05.02075 - juris; VG Bayreuth, Beschluss vom 16. August 2005 - B 1 E 05.672 - juris; VG Bremen, Beschluss vom 1. September 2005 - 4 V 1405/05 - juris, und vom 16. Dezember 2005 - 4 K 1316/05 -, unveröffentlicht) und wird auch in der Literatur - zum Teil vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bewertung - ganz überwiegend vertreten (vgl. Marx, in: GK-StAR, Stand: Juni 2006, § 25 StAG Rn. 58.1 ff.; Uslucan, ZAR 2005, S. 115 f.; Silagi, StAZ 2006, S. 134 <136>; Renner, www.migrationsrecht.net/gesetzgebung-auslaenderrecht/doppelte-staatsbuergerschaft-tuerken-deutscher-pass-ade.html; Senol, Doppelte Staatsbürgerschaft der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland, www.jurblog.de/2005/05/26; wohl auch Engst, ZAR 2005, S. 227 <231>; a.A. mit verfassungsrechtlichen Gründen Odendahl, IPRax 2005, S. 320 <325>).

bb) Die Anwendbarkeit des § 25 StAG auf Anträge, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift gestellt wurden, läuft auch nicht dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutz zuwider.

(1) Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 GG) umfasst das Gebot des Vertrauensschutzes. Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 63, 215 <223> - stRspr).

Das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben, ist grundsätzlich geschützt (vgl. BVerfGE 63, 215 <223 f.>). Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen derart, dass der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem sie gültig geworden ist (echte Rückwirkung) ist daher, von Ausnahmefällen abgesehen, unzulässig (vgl. BVerfGE 109, 133 <181> - stRspr).

Das Grundgesetz schützt jedoch nicht jede Erwartung, eine einmal bestehende günstige Rechtslage werde erhalten bleiben (vgl. BVerfGE 109, 133 <180 f.> - stRspr). Auch eine tatbestandliche Rückanknüpfung derart, dass die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, der Tatbestand der Norm aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung ins Werk gesetzt worden sind (sogenannte unechte Rückwirkung), ist dem Gesetzgeber nicht grundsätzlich verwehrt. Zwar sind hier Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes mit dem Gewicht, das ihnen nach den jeweiligen Umständen zukommt, abwägend zu berücksichtigen; die tatbestandliche Rückanknüpfung unterliegt aber weniger strengen Beschränkungen als die nachträglich in abgeschlossene Sachverhalte eingreifende Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>; 92, 277 <344>; 97, 67 <79>; 109, 133 <180 f.> - stRspr). Die Grenzen ihrer Zulässigkeit sind - vorbehaltlich spezieller Anforderungen des einschlägigen Grundrechts - erst dann überschritten, wenn die Anknüpfung des Gesetzes an Tatbestände aus der Vergangenheit zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen das vom Gesetzgeber verfolgte Änderungsinteresse überwiegen (vgl. BVerfGE 72, 200 <245>; 92, 277 <344>; 95, 64 <86>; 96, 330 <340>; 101, 239 <263>, sowie zuletzt Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 -, Rn. 103, www.bverfg.de).

Dabei ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (vgl. BVerfGE 105, 17 <37>).

(2) Nach diesen Grundsätzen steht ein verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz der Anwendung des neu gefassten § 25 StAG auch in den Fällen nicht entgegen, in denen, wie hier, der Antrag auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit bereits vor der Verkündung der Neufassung der Vorschrift im Bundesgesetzblatt vom 23. Juli 1999 gestellt worden ist.

Es liegt hier keine Rückbewirkung von Rechtsfolgen, sondern eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor. Denn die Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit trat bei dem in Rede stehenden Personenkreis nicht bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts am 1. Januar 2000, sondern erst von diesem Zeitpunkt an ein, soweit auf einen zuvor gestellten Antrag hin eine ausländische Staatsangehörigkeit nach diesem Zeitpunkt wirksam erworben wurde. Da die Verlustfolge erst an den Erwerb und nicht an die bloße Antragstellung geknüpft ist, greift die Regelung, soweit sie auf Fälle einer schon vor Verkündung oder Inkrafttreten erfolgten Antragstellung angewendet wird, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nachträglich ändernd auf einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt zu.

§ 25 StAG sieht einen gestreckten Verlusttatbestand vor:

In dem Antrag liegt lediglich der Beginn der Tatbestandsverwirklichung; abgeschlossen wird der Tatbestand durch den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit, der den Verlust der deutschen auslöst. Dies ist der typische Fall einer tatbestandlichen Rückanknüpfung - die Rechtsfolgen des Gesetzes treten erst nach Verkündung ein, ein Teil des Tatbestandes wird aber bereits zuvor verwirklicht (vgl. BVerfGE 109, 133 <181>). Im vorliegenden Fall wurde die Neuregelung des § 25 StAG am 23. Juli 1999 verkündet; der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 11. Juni 1999 gestellt und somit deren Erwerb am 5. Februar 2001 bereits vor der Verkündung "ins Werk gesetzt".

(a) Die Erstreckung der Verlustregelung auf vor der Verkündung gestellte Anträge war zur optimalen Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels geeignet und erforderlich. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Neuregelung, einen vielbegangenen Weg zur Erlangung mehrfacher Staatsangehörigkeiten abzuschneiden, dessen Nutzung er als Umgehung der von ihm verfolgten Politik der Begrenzung von Mehrstaatigkeit erachtete (BTDrucks 14/533, S. 12, 15). Es liegt auf der Hand, dass dieser Zweck am besten durch eine Regelung zu erreichen war, die nicht nur die Fälle erfasst, in denen der Antrag auf Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit erst nach Verkündung oder Inkrafttreten gestellt wird.

(b) Bestandsinteressen der Betroffenen führen nicht zur Unzulässigkeit der Rückanknüpfung.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen angenommen, dass Betroffene bereits vom Tag eines Gesetzesbeschlusses an mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen mussten und einen Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der bisherigen Gesetzeslage von da an nicht mehr in Anspruch nehmen konnten (vgl. nur BVerfGE 27, 167 <174>; 72, 200 <257, 261>; 95, 64 <87>; 97, 67 <79>; dagegen Bundesfinanzhof, Vorlagebeschluss vom 2. August 2006 - XI R 34/02 - juris, Rn. 64 ff. m.w.N.). Ginge man von der Anwendbarkeit eines entsprechenden Grundsatzes für den vorliegenden Fall aus, so käme ein Vertrauensschutz, der den Beschwerdeführer vor der in § 25 StAG vorgesehenen Rechtsfolge bewahrt, schon deshalb nicht in Betracht, weil der Bundestag die Neuregelung des § 25 StAG am 7. Mai 1999 beschlossen (vgl. Plenarprotokoll 14/40, S. 3415 <3464>) und der Beschwerdeführer erst danach - am 11. Juni 1999 - seinen Antrag auf Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt hat.

Der Beschwerdeführer kann hier aber auch unabhängig von diesem Gesichtspunkt Vertrauensschutz im Ergebnis nicht beanspruchen. Die Disposition, die der Beschwerdeführer mit seinem vor Verkündung der Neuregelung gestellten Antrag auf Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit getroffen hat, war schon insofern allenfalls eingeschränkt schutzwürdig, als sie noch nach Verkündung und sogar nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 25 StAG - und damit zu einem Zeitpunkt, in dem ein verfassungsrechtlicher Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der bisherigen Regelung jedenfalls nicht mehr bestand - ohne besonderen Aufwand hätte rückgängig gemacht werden können.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer besonderen Anlass hatte, sich über die Rechtsfolgen des von ihm gestellten Antrags auf Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf dem Laufenden zu halten. Das Vorhaben eines deutschen Staatsangehörigen, den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zu beantragen, bietet bereits als solches Veranlassung, sich über etwaige Auswirkungen auf den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit zuverlässig zu informieren (vgl. zur Zumutbarkeit von Informationsobliegenheiten im Staatsangehörigkeitsrecht bereits Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1999 - 2 BvR 729/96 -, NVwZ-RR 1999, S. 403 <404>). Diese Obliegenheit endete unter den hier vorliegenden besonderen Umständen nicht mit der Antragstellung.

Bereits dem früheren § 25 RuStAG ließ sich entnehmen, dass etwaige Folgen für die deutsche Staatsangehörigkeit nicht bereits an die Beantragung, sondern erst an den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit geknüpft sein werden. Von einem mit der Antragstellung abgeschlossenen, gleichsam "aus der Hand gegebenen" Sachverhalt durfte der Beschwerdeführer schon von daher nicht ausgehen. Anlass, die Entwicklung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage bis zum Abschluss des in Gang gesetzten ausländischen Wiedereinbürgerungsverfahrens weiter zu verfolgen, bestand hier aber jedenfalls deshalb, weil der Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit eine Gesetzeslücke zu nutzen beabsichtigte, deren Schließung der Gesetzgeber bereits seit längerer Zeit erwog.

Die einfachgesetzlichen Regelungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts zielen nach wie vor auf weitgehende Vermeidung von Mehrstaatigkeit ab. Im Einbürgerungsrecht kommt diese Zielsetzung darin zum Ausdruck, dass eine Einbürgerung grundsätzlich die Aufgabe der früheren Staatsangehörigkeit voraussetzt (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 12 StAG). Auch mit § 25 RuStAG war stets bezweckt, Mehrstaatigkeit nach Möglichkeit zu verhindern (vgl. BVerwGE 94, 185 <187>). Danach stellte sich das Inlandsprivileg vor seiner Abschaffung bereits als Ausnahme dar. Dieser Ausnahmecharakter wurde noch dadurch verstärkt, dass die Inlandsklausel im Falle des Erwerbs der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats des Mehrstaaterübereinkommens schon seit langem unanwendbar war (Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6. Mai 1963, BGBl II 1969 S. 1954 ff., das für die Bundesrepublik Deutschland am 21. Dezember 2002 außer Kraft getreten ist; vgl. näher Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 25 StAG Rn. 35 und Einl. F Rn. 7).

Die Bedeutung, die das geltende deutsche Staatsangehörigkeitsrecht trotz verschiedener Ausnahmen im Grundsatz bis heute der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zumisst, stand dem Beschwerdeführer, als er den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit stellte, angesichts des eben erst abgeschlossenen Einbürgerungsverfahrens, in dem ihm die Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit abverlangt worden war, deutlich vor Augen. Von daher musste ihm bewusst sein, dass er durch die sofortige Wiederbeantragung der türkischen Staatsangehörigkeit einen Umweg zu der Doppelstaatsangehörigkeit wählte, die ihm der Gesetzgeber mit den geltenden einbürgerungsrechtlichen Bestimmungen gerade verwehren wollte, und dass er sich insofern anschickte, eine Gesetzeslücke zu nutzen. Dies zu tun, stand ihm frei; er konnte aber nicht darauf zählen, dass der Gesetzgeber keine Anstalten treffen würde, diese Absicht zu durchkreuzen. Schon das Vertrauen auf den Fortbestand einer nicht systemkonformen Norm ist nur eingeschränkt schutzwürdig (vgl. BVerfGE 97, 378 <389>). Erst recht kann daher die Erwartung, eine Gesetzeslücke werde erhalten bleiben, nicht unter allen Umständen in der Weise geschützt sein, dass es dem, der von ihr Gebrauch machen will, von Verfassungs wegen erspart bleiben müsste, sich im Zuge seiner diesbezüglichen Bemühungen über anstehende Rechtsänderungen auf dem Laufenden zu halten und sein Verhalten gegebenenfalls rechtzeitig anzupassen.

Das gilt umso mehr, wenn eine Neuregelung seit längerer Zeit im Gespräch war (vgl. BVerfGE 97, 67 <81 f.>). Die Abschaffung des Inlandsprivilegs wurde seit langer Zeit diskutiert. Erste Versuche dazu reichen in das Jahr 1976 zurück (vgl. Art. 4 Nr. 5 des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und zu dem Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit, BTDrucks 8/13, S. 4). Bereits damals war man der Ansicht, dass die Inlandsklausel zu "Mißbräuchen und Rechtsumgehungen" einlade, indem sie es ermögliche, sich nach dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sofort wieder die frühere Staatsangehörigkeit zu verschaffen (vgl. BTDrucks 8/13, S. 10). Das Vorhaben, diese Klausel zu streichen, wurde nur deshalb zunächst fallengelassen, weil Bedenken im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit derjenigen Deutschen aufkamen, die in den - in der Nachkriegszeit zunächst als Inland im Sinne des § 25 Abs. 1 RuStAG betrachteten - ehemaligen deutschen Ostgebieten aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Vermeidung von Diskriminierung eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hatten (vgl. BTDrucks 8/321, S. 5; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, § 25 StAG Rn. 2; näher Arndt, NJW 1977, S. 1564 <1566 f.>). Die verstärkte Inanspruchnahme des Inlandsprivilegs zur Umgehung gesetzlicher Regelungen, die auf die Vermeidung von Mehrstaatigkeit zielen, bewog den Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999, dessen Entwurf bereits am 16. März 1999 vorlag (vgl. BTDrucks 14/533, S. 1), dann endgültig zu seiner Streichung (BTDrucks 14/533, S. 15).

(c) Unter Berücksichtigung des weiteren Umstands, dass das am 23. Juli 1999 verkündete Gesetz erst am 1. Januar 2000 in Kraft trat, ergibt sich, dass der Gesetzgeber auf die Belange der Betroffenen ausreichend Rücksicht genommen hat. Denn in dem Zeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten lag eine ausreichend bemessene Übergangsfrist, innerhalb deren die Betroffenen auf die Rechtsänderung reagieren konnten. Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt wurde die Neuregelung gültig (vgl. BVerfGE 63, 343 <353>); es war nunmehr zuverlässig vorhersehbar, dass ein ab ihrem - auf den 1. Januar 2000 festgesetzten - Inkrafttreten wirksam werdender Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen würde, auch wenn der Antrag bereits früher gestellt worden war. Der Beschwerdeführer hatte daher ausreichend Gelegenheit, sich vor Inkrafttreten der Neuregelung bei der zuständigen türkischen Behörde darüber zu informieren, ob die Wiedereinbürgerung schon erfolgt war (die Einbürgerung, die durch Beschluss des Ministerrats erfolgt, wird den Betroffenen nicht oder jedenfalls nicht regelmäßig individuell bekannt gegeben; vgl. BTDrucks 16/139, S. 4; Marx, GK-StAR, Stand: Juni 2006, § 25 StAG Rn. 58.4; Senol, Doppelte Staatsbürgerschaft der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland, www.jurblog.de/2005/05/26, Nr. 5a; Odendahl, IPRax 2005, S. 320 <325>), und verneinendenfalls den Antrag zurückzunehmen, sofern er eine Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 2 StAG nicht erlangen konnte und den Verlust nicht in Kauf nehmen wollte. Die Inkrafttretensregelung des Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) wirkte demnach als eine Übergangsregelung, die geeignet war, die Auswirkungen der tatbestandlichen Rückanknüpfung wesentlich abzumildern (vgl. etwa BVerfGE 76, 256 <359 f.>).

c) Die tatbestandliche Rückanknüpfung verletzt Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Beeinflussbarkeit des Verlusts. Aus dem vorstehend Ausgeführten folgt, dass der Beschwerdeführer den Verlust der Staatsangehörigkeit - jedenfalls durch Rücknahme des Antrags - zumutbar hätte vermeiden können.

Einer besonderen, gezielten Aufklärung hierüber seitens der deutschen Behörden bedurfte es von Verfassungs wegen nicht. Soweit Betroffene, wie es für seinen Fall der Beschwerdeführer geltend macht, den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf Anregung türkischer Behörden gestellt haben (vgl. auch Marx, GK-StAR, Stand Juni 2006, § 25 StAG Rn. 58.4), sind für eine dadurch möglicherweise begünstigte unangebrachte Sorglosigkeit nicht deutsche Stellen verantwortlich.

Mit den Fallgestaltungen im Rahmen der Optionsregelung des § 29 StAG, für die nach § 29 Abs. 5 StAG eine Hinweispflicht besteht, ist der Fall des Beschwerdeführers nicht vergleichbar. Anders als in § 29 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 StAG für den Fall der Nichterfüllung bestimmter Obliegenheiten hinsichtlich der Wahl zwischen ausländischer und deutscher Staatsangehörigkeit vorgesehen, tritt der Verlust der Staatsangehörigkeit hier nicht als Folge eines bloßen Unterlassens ein, sondern als Folge aktiven Handelns des Betroffenen, nämlich eines Antrags auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit.

2. Darin, dass vor dem 1. Januar 2000 gestellte Anträge auf Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit den Verlust der Staatsangehörigkeit bewirkten, wenn sie nach diesem Zeitpunkt beschieden wurden, nicht aber, wenn das Einbürgerungsverfahren noch vor dem 1. Januar 2000 seinen Abschluss fand, liegt auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist jeder Rechtsänderung eigen, dass nach der Änderung Sachverhalte anders behandelt werden als vergleichbare Sachverhalte zuvor. Es trifft zu, dass der Eintritt oder Nichteintritt eines Verlusts bei vor dem 1. Januar 2000 gestellten Anträgen von der Bearbeitungsdauer durch die ausländischen Behörden abhängt; darin liegt aber keine durch den deutschen Gesetzgeber zu verantwortende willkürliche Ungleichbehandlung. Diejenigen, deren Antrag bis Ende des Jahres 1999 nicht beschieden war, hatten es selbst in der Hand, den drohenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine Rücknahme des Antrags abzuwenden.

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG) liegt schließlich auch nicht deshalb vor, weil der von § 25 StAG nunmehr auch bei Inlandsdeutschen vorgesehene Staatsangehörigkeitsverlust allein Bürger türkischer Herkunft träfe. Rechtlich gilt die Regelung für alle Betroffenen gleich welcher Herkunft. Dass sich die Behörden beim Vollzug der Vorschrift vor allem auf einen Personenkreis konzentriert haben, von dem aus der Presse und aus Angaben türkischer Stellen bekannt war, dass eine beachtliche Anzahl der Gruppenangehörigen nach ihrer Einbürgerung auf Antrag ihre frühere Staatsangehörigkeit wieder angenommen hatten (vgl. BTDrucks 15/4496, S. 1 f.; BTDrucks 15/5006, S. 3), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. März 2006 - 2 BvR 434/06 -, NVwZ 2006, S. 681 <682>).

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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