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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 1761/05
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 23
BVerfGG § 92
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1761/05 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 14. September 2005 - Ws 247/05 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 18. April 2005 - 512 StVK 31/05 gr. -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 19. Januar 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers; denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Der Rügevortrag entspricht teilweise nicht den Mindestanforderungen an eine Begründung nach Maßgabe der § 23, § 92 BVerfGG (vgl. BVerfGE 28, 17 <19>). Der Beschwerdeführer hat die Ausgangsverurteilung aus dem Jahr 1984 nicht übersandt und deren wesentlichen Inhalt auch nicht anderweitig mitgeteilt. Die von den Fachgerichten in Bezug genommene klinische Stellungnahme vom 8. März 2004 wurde nur unvollständig übersandt.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde auch unbegründet.

a) Die Strafvollstreckungskammer hat vor ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten gemäß § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO eingeholt. Zwar mag es regelmäßig geraten sein, hiermit einen externen Sachverständigen zu beauftragen, um auszuschließen, dass anstaltsinterne Belange oder die Beziehung zwischen Therapeuten und Untergebrachten das Gutachten beeinflussen und auch, um der Gefahr von Routinebeurteilungen vorzubeugen (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>). Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass vorliegend diese Gefahr bestand; denn der Beschwerdeführer befand sich zum Zeitpunkt der letzten klinischen Stellungnahme vom 15. März 2005 erst gut eineinhalb Jahre in dem Fachkrankenhaus und war in dieser Zeit in zwei unterschiedlichen Bereichen untergebracht. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer gegen die klinischen Stellungnahmen keine substantiellen inhaltlichen Bedenken vorgetragen, sondern lediglich allgemein die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens angemahnt.

b) Die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber geht in § 67 d Abs. 3 StGB davon aus, dass nach zehn Jahren der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung regelmäßig die Erledigung angeordnet wird und nur ausnahmsweise für den Fall einer positiven Gefahrenprognose die Fortsetzung der Vollstreckung stattfindet (vgl. BVerfGE 109, 133 <160>). Es müssen konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass die Gefährlichkeit entgegen der gesetzlichen Vermutung fortbesteht (vgl. BVerfGE 109, 133 <161>). Alle bisherigen Taten waren nach den Ausführungen der Fachgerichte durch eine besonders brutale Vorgehensweise gekennzeichnet. Die gutachterlichen Stellungnahmen lassen keinen Zweifel daran, dass im Falle einer Entlassung des Beschwerdeführers infolge einer dann zu erwartenden Impulssteuerung und geringen Frustrationstoleranz mit erheblichen Gewalttätigkeiten nach Art der Ausgangsdelikte zu rechnen sei. Bei dieser Sachlage ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte auch mit Blick auf die im Jahr 2000 während einer Vollzugslockerung begangene einschlägige Straftat vom Fortbestehen eines eingeschliffenen kriminellen Hangs und der hohen Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls ausgingen, der zu schweren seelischen oder körperlichen Schäden seines Opfers führen werde. Der Beschwerdeführer hat dem außer seinem Hinweis auf das - im Übrigen nicht ganz zweifelsfrei - beanstandungsfreie Vollzugsverhalten wenig entgegenzusetzen, sondern gelangt lediglich zu einem von den angegriffenen Beschlüssen abweichenden Abwägungsergebnis.

3. Wegen der fortbestehenden qualifizierten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers verstößt die weitere Freiheitsentziehung auch nicht allein wegen ihrer Dauer gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 109, 133 <161>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der nunmehr vorgenommenen Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus über die reine Sicherungsverwahrung hinausgehende Wege zur Erlangung der Freiheit aufgezeigt wurden. Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von Therapieangeboten bemängelt, berührt dies die Fortdauer der Freiheitsentziehung nicht, sondern betrifft allein die Vollzugsgestaltung. Das Fehlschlagen der Maßregel, in die der Beschwerdeführer nunmehr überwiesen wurde, würde im Übrigen nicht zur Entlassung aus dem Maßregelvollzug führen, sondern lediglich zur Rücküberweisung in die Sicherungsverwahrung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. <2006>, § 67 a Rn. 4).

4. Keiner näheren Erörterung bedarf, dass mit der Berücksichtigung möglicherweise strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen des Untergebrachten durch die Strafvollstreckungskammer kein Eingriff in die Zuständigkeit des gesetzlichen Tatrichters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verbunden ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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