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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1880/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, EMRK


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
EMRK Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1880/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. Juli 2006 - 1 StR 87/06 -,

b) das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. Oktober 2005 - 6 KLs 304 Js 38555/04 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. März 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Angeklagten unter anderem, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 -, NJW 2001, S. 2245 <2246>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juli 2006 - 2 BvR 1317/05 -, NJW 2007, S. 204 <205>; jeweils m.w.N.). Bei der Bestimmung der Beteiligungsrechte des Angeklagten sind auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und diese konkretisierende Leitlinien der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 f.>).

Für das Konfrontationsrecht gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK bedeutet dies, dass dem Angeklagten die effektive Möglichkeit verschafft werden muss, einen Zeugen zu befragen und seine Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit in Frage zu stellen (vgl. BGH, NJW 2003, S. 74 <75> m.w.N.). Dabei liegt ein Konventionsverstoß nur vor, wenn diese Möglichkeit bei einer Betrachtung des Verfahrens in seiner Gesamtheit nicht gegeben war (vgl. BGH, NJW 2000, S. 3505 <3506> m.w.N.). Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK gewährleistet - wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt ("... oder stellen zu lassen") - nicht die höchstpersönliche Ausübung des Konfrontationsrechts durch den Angeklagten. Eine Einschränkung des Fragerechts des Angeklagten kann dadurch ausgeglichen werden, dass sein Verteidiger bei der Zeugenvernehmung anwesend ist und den Zeugen befragen kann. Gegebenenfalls muss es dem Angeklagten ermöglicht werden, nach Unterrichtung über die Vernehmung erneut Fragen an den Zeugen stellen zu lassen (vgl. BGH, NJW 2000, S. 3505 <3507>; BGH, NJW 2007, S. 237 <238 f.>; Sommer, in: Anwaltskommentar, StPO, 1. Aufl. 2007, Art. 6 MRK Rn. 98; jeweils m.w.N.).

2. Nach diesem Prüfungsmaßstab liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK, der eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren begründen könnte, nicht vor.

Die Verteidiger der Beschwerdeführer waren bei der Echtzeitübertragung der Zeugenaussage zugegen. Sie hatten Gelegenheit, den Zeugen - wenn auch optisch verzerrt - zu beobachten und ihm unmittelbar Fragen zu stellen. Nach der Wiederherstellung der Anwesenheit der Beschwerdeführer und ihrer Unterrichtung über die Vernehmung durch den Vorsitzenden erhielten sie Gelegenheit, Fragen an den Zeugen zu stellen. Der Beschwerdeführer zu 1. nahm das Fragerecht wahr. Daraufhin wurden die Öffentlichkeit und die Angeklagten erneut von der Hauptverhandlung ausgeschlossen und dem Zeugen durch den Vorsitzenden die Fragen des Beschwerdeführers zu 1. gestellt. Nachdem die Öffentlichkeit wiederhergestellt und den Beschwerdeführern durch den Vorsitzenden der wesentliche Inhalt der weiteren Angaben des Zeugen mitgeteilt worden war, erhielten sie Gelegenheit, weitere Fragen an diesen zu stellen. Das weitere Fragerecht nahmen die Beschwerdeführer nicht wahr.

Diese Vorgehensweise bei der Befragung des Zeugen lässt erkennen, dass das Landgericht die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum Recht auf konfrontative Befragung aufgestellten Maßstäbe berücksichtigt hat. Die Einschätzung, die optische und akustische Abschirmung der Zeugenvernehmung sei zum Schutz des Zeugen erforderlich, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass sich selbst bei einer akustischen Verfremdung der Übertragung aus der Sprechweise des Zeugen und seiner Sprachfärbung oder auch aus Eigenheiten der Wortwahl Anhaltspunkte für ein Wiedererkennen gewinnen lassen können, liegt auf der Hand. Welche Vorkehrungen zum Schutz eines Zeugen erforderlich und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Erforschung der Wahrheit in bestmöglicher Weise zu gewährleisten, ist allein von den Fachgerichten zu entscheiden und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, es sei denn, spezifisches Verfassungsrecht sei verletzt (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>). Dies ist hier nicht erkennbar.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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