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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.09.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 2238/07
Rechtsgebiete: GG, StGB


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 2
StGB § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 2238/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. September 2007 - 3 Ss 464/07 -,

b) das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. April 2007 - 9 Ns 702 Js 2269/06 -,

c) das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 23. Oktober 2006 - 201 Ds 702 Js 002269/06 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Landau am 1. September 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. April 2007 - 9 Ns 702 Js 2269/06 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. September 2007 - 3 Ss 464/07 - verletzen Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden wird aufgehoben. Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Sachsen hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen zu ersetzen.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob das strafrechtliche Analogieverbot verletzt ist, wenn § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB dahingehend ausgelegt wird, dass ein Personenkraftwagen eine "Waffe" im Sinne der Vorschrift darstellt.

I.

1. Nach den Feststellungen des angegriffenen landgerichtlichen Urteils wurde der - leicht alkoholisierte - Beschwerdeführer am späten Abend des 22. Dezember 2005 in Dresden wegen schnellen, die Vorfahrt nicht beachtenden Fahrens in einem Pkw angehalten und kontrolliert. Da der Beschwerdeführer das Verlangen der Beamten nach dem Führerschein als Zumutung empfand, startete er sein Fahrzeug und fuhr los. Einer der Polizeibeamten versuchte, mit einem Arm durch das halb offene Fahrerfenster zu gelangen, und wurde von dem Schwung des anfahrenden Fahrzeugs kurz nach vorne mitgezogen. Verletzt wurde der Beamte nicht. Die Beamten verfolgten den Beschwerdeführer sodann und stellten ihn. Trotz Anweisung der Beamten, aus dem Pkw auszusteigen, blieb der Beschwerdeführer sitzen. Einer der Beamten versuchte, durch das geöffnete Fahrerfenster hindurch den Zündschlüssel am Fahrzeug des Beschwerdeführers abzuziehen. Während der Beamte sich mit seinem Oberkörper noch im Fahrzeuginnenraum befand, wehrte der Beschwerdeführer den Griff des Polizeibeamten nach dem Zündschlüssel ab, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit Vollgas rückwärts. Der Beamte wurde hierdurch, zunächst mit seinem gesamten Oberkörper im Fahrzeug verbleibend, dann herausrutschend, aber mit dem Kopf noch im Fahrzeug befindlich, einige Meter mitgerissen, wobei er neben dem Pkw mitlaufen konnte. Weitere 10 bis 15 Meter rutschte der Beamte auf seinen Schuhen mit, bis er sich vom Fahrzeug des Beschwerdeführers abdrückte und so von dem Fahrzeug freikam. Verletzt wurde der Beamte nicht. Mit seinen Handlungen bezweckte der Beschwerdeführer, die Polizeibeamten an der Ausführung ihrer - von ihm als rechtmäßig erkannten - Amtshandlungen zu hindern. Im weiteren Verlauf kam es zu weiteren Widerstandshandlungen des Beschwerdeführers.

2. Aufgrund dieser Geschehnisse wurde der Beschwerdeführer zunächst vom Amtsgericht Dresden mit Urteil vom 23. Oktober 2006 wegen Verstoßes gegen die 0,5-Promille-Grenze in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB), gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht Dresden mit Urteil vom 19. April 2007 den Schuldspruch dahingehend, dass der Beschwerdeführer eines Verstoßes gegen die 0,5-Promille-Grenze in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall schuldig sei. Wie bereits das Amtsgericht, ging auch das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB verwirklicht habe. Der Pkw stelle eine Waffe im untechnischen Sinne dar, die der Beschwerdeführer zur Gewaltanwendung eingesetzt habe. Einen Verletzungsvorsatz konnte das Landgericht, anders als das Amtsgericht, nicht feststellen.

3. Mit der Revision erhob der Beschwerdeführer die allgemeine Sachrüge und führte unter anderem aus, das Landgericht habe gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen, indem es das vom Beschwerdeführer benutzte Fahrzeug unter den Begriff der "Waffe" im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB subsumiert habe. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden beantragte mit Schriftsatz vom 2. August 2007, die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet zu verwerfen. Sie führte unter anderem aus, die Auslegung des Begriffs der "Waffe" in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB durch das Landgericht folge ständiger Rechtsprechung. Unter Bezugnahme auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft verwarf das Oberlandesgericht Dresden die Revision des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 14. September 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO unter Berichtigung des landgerichtlichen Urteilstenors als unbegründet.

II.

1. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG. Die Auslegung des Regelbeispiels des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB durch die Instanzgerichte überschreite den möglichen Wortsinn der Vorschrift weit. Die Subsumtion des Benutzens eines Kraftfahrzeugs unter den Begriff des "Beisichführens einer Waffe" sei vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Zwar subsumiere die herrschende Meinung unter den Begriff der "Waffe" in der betreffenden Vorschrift auch ein Kraftfahrzeug. Richtigerweise seien unter Waffen jedoch nur Waffen im technischen Sinne, also Waffen im Sinne des § 1 WaffG zu verstehen, nicht hingegen Gegenstände wie Autos, die nur bei zweckentfremdender Benutzung wie Waffen eingesetzt werden könnten. Für gefährliche, nicht den technischen Waffenbegriff erfüllende Gegenstände verwende der Gesetzgeber durchgängig den Begriff des "gefährlichen Werkzeugs". Im Gesetzgebungsverfahren bezüglich der hier in Rede stehenden Vorschrift sei hingegen die Ergänzung des Gesetzestexts um den Ausdruck des gefährlichen Werkzeugs zwar ausdrücklich erwogen, letztlich jedoch abgelehnt worden. Gegen das Analogieverbot verstoße es ferner, wenn das Fahren eines Kraftfahrzeugs als "Beisichführen" im Sinne des 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB angesehen werde.

2. Dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG nicht. Es stelle keine verbotene Analogie, sondern eine zulässige Norminterpretation dar, wenn das Fahren eines Kraftfahrzeugs als Beisichführen einer Waffe im Sinne des Gesetzes gewertet werde. Diese Auslegung liege nach dem Zweck der Vorschrift, eine besonders gefährliche Tatausführung schärfer zu sanktionieren, nahe. Im allgemeinen Sprachgebrauch würden unter Waffen alle Mittel verstanden, die geeignet seien, Lebewesen in ihrer Handlungsfähigkeit zu beeinträchtigen oder handlungsunfähig zu machen, physisch oder psychisch zu verletzen oder zu töten. Zu den Waffen zählten auch alle Mittel, die Gegenstände und immaterielle Güter beschädigen, zerstören oder gebrauchsunfähig machen könnten. Im Weiteren könnten auch jegliche Mittel, die dazu geeignet seien, Personen in ihrer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit einzuschränken, als Waffen angesehen werden. In der Umgangssprache würden je nach konkreter Verwendung gegebenenfalls auch Baseballschläger, Küchenmesser oder andere zweckentfremdet verwendete Gegenstände ohne weiteres als "Waffe" bezeichnet, obwohl es sich nicht um Waffen im Sinne des § 1 WaffG handle. Die Bezeichnung "gefährliches Werkzeug" sei nur in der juristischen Fachterminologie üblich. Eine Parallelwertung in der Laiensphäre ergebe danach ohne weiteres, dass auch Kraftfahrzeuge Waffen im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB darstellen könnten. Es sei nicht ersichtlich, dass der Normadressat aus der Tatsache, das in den §§ 127, 250, 244 StGB neben Waffen jeweils auch gefährliche Werkzeuge genannt seien, den Umkehrschluss ziehen würde, § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB umfasse nur Waffen im technischen Sinne. Es sei schließlich auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber nur die Verwendung von Waffen im technischen Sinne unter das strafschärfende Regelbeispiel habe fassen wollen. Wer ein Kraftfahrzeug fahre, führe es schließlich auch im Sinne der Vorschrift bei sich.

B.

III.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden und das Urteil des Landgerichts Dresden wendet, ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die Reichweite des strafrechtlichen Analogieverbots, auch für Strafzumessungsvorschriften, ist bereits Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Senatsentscheidungen gewesen (vgl. nur BVerfGE 45, 363 <371 ff.>; 92, 1 <11 ff.> m.w.N.). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinne offensichtlich begründet.

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. September 2007 und das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. April 2007 verletzen das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 2 GG. Die Entscheidungen verkennen die der Auslegung strafrechtlicher Normen von der Verfassung gezogenen Grenzen, indem sie den vom Beschwerdeführer gesteuerten Pkw unter den Begriff der "Waffe" nach § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB subsumieren.

1. a) Nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Januar 1995 (vgl. BVerfGE 92, 1 <11 ff.>) enthält Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur ein Rückwirkungsverbot für Strafvorschriften. Die Vorschrift verpflichtet den Gesetzgeber vielmehr auch, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass die Entscheidung über strafwürdiges Verhalten im Voraus vom Gesetzgeber und nicht erst nachträglich von der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt gefällt wird. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der die Strafgerichte auf die Rechtsanwendung beschränkt.

Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maß der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar. Für die Rechtsprechung folgt aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit ein Verbot analoger oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung. Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, erweist dieser sich als maßgebendes Kriterium: Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Da Art. 103 Abs. 2 GG die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten garantieren will, ist die Grenze aus dessen Sicht zu bestimmen.

Der Gesetzgeber hat also zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich (und notwendig) erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Würde erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Deutung zur Strafbarkeit eines Verhaltens führen, so müssen sie zum Freispruch gelangen. Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Es ist dann Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will.

b) Diese Ausführungen gelten sinngemäß für die Auslegung von Vorschriften, die nicht die Strafbarkeit eines Verhaltens an sich regeln, sondern unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Verschärfung der Strafdrohung gegenüber dem Grundtatbestand führen. Art. 103 Abs. 2 GG umfasst nicht nur den Straftatbestand an sich, sondern auch die Strafandrohung (vgl. BVerfGE 45, 363 <371>; 86, 288 <311>) und somit auch strafschärfende Vorschriften (vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 103 Abs. 2 Rn. 231). Strafzumessungsregeln, die einen erhöhten Strafrahmen - beispielsweise - an das Vorliegen eines "besonders schweren Falles" knüpfen, sind daher am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen. Die Anknüpfung an den "besonders schweren Fall" als solche begegnet dabei keinen grundsätzlichen Bedenken. Was unter einem "besonders schweren Fall" zu verstehen ist, lässt sich anhand der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien und der Bestimmung des § 46 StGB, die bei der Ausfüllung dieses Begriffes herangezogen werden kann, unschwer ermitteln. Danach liegt ein besonders schwerer Fall nur vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1992 - 3 StR 440/91 -, NStZ 1992, S. 229 m.w.N.). Zur Bestimmtheit der Norm trägt es ferner bei, wenn der Gesetzgeber Beispiele nennt, die zusätzliche Hinweise dafür geben, unter welchen Voraussetzungen ein besonders schwerer Fall in der Regel vorliegt. Bei dieser Rechtslage ist das materiale Kriterium der "besonderen Schwere" des Falles hinreichend deutlich gemacht, um eine sichere Rechtsanwendung zu garantieren (vgl. BVerfGE 45, 363 <370 ff.>).

2. Ein Personenkraftwagen ist vom möglichen Wortsinn des Begriffs der "Waffe" in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht mehr umfasst.

a) Die etymologische Herkunft des Begriffs "Waffe" ist unklar (vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1995, S. 870). Lexikalische Definitionen verstehen unter "Waffe" oder "Waffen" etwa "Mittel (Geräte, Vorrichtungen, auch Werkzeuge) zur Bekämpfung von Zielen", die "außer im militärischen Bereich (Kriegs-Waffen), im Polizeidienst u. Ä. auch zur Jagd (Jagdwaffen) und im Sport (Fechten, Schießsport) verwendet werden" (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. 2006, S. 307); "Gerät, Instrument, Vorrichtung als Mittel zum Angriff auf einen Gegner oder zur Verteidigung (z. B. Hieb- oder Stichwaffe, Feuerwaffe)" (Duden "Das große Wörterbuch der deutschen Sprache", Bd. 10, 3. Aufl. 1999, S. 4401); "Gerät, Instrument, Vorrichtung als Mittel zum Angriff auf einen Gegner, zum Erlegen von Tieren, zur Zerstörung von Bauwerken, technischen Anlagen usw. oder zur Verteidigung" (Duden Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 1766); "zum Angriff oder zur Verteidigung verwendetes Kampfmittel" (Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache der Akademie der Wissenschaften der DDR, 3. Aufl. 1982, S. 4232); "Mittel, die zum Angriff auf einen Gegner bzw. zur Selbstverteidigung oder auch zu weidmännischen oder sportlichen Zwecken dienen" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 24, 1979, S. 751); oder schließlich "Mittel und Vorrichtungen, derer man sich im Kampf bedient, um die Truppen des Gegners zu vernichten bzw. zu schädigen und sein militärisches und ökonomisches Potential zu zerstören" (Meyers Neues Lexikon, 1976, S. 638). Nach dem von Jacob und Wilhelm Grimm begonnenen Deutschen Wörterbuch bezeichnet der Ausdruck "Waffe" - abgesehen von Resten einer älteren Gebrauchsweise, nach der "Waffe" schlicht "Gerät" bedeutete - die "Ausrüstung des streitbaren Mannes, zum Zwecke des Angriffs oder der Verteidigung". Gelegentlich könne der Ausdruck "Waffe" auch für Werkzeuge gebraucht werden, "die nicht zur Ausrüstung des Kriegers gehörten, aber doch im Kampfe Dienste leisteten, wie einer Keule, Stange, einem Stock und dergleichen" (Band 27, 1922 <Nachdruck 1984>, Sp. 254, 256).

Der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet danach Gegenstände als Waffen, wenn ihre primäre Zweckbestimmung darin liegt, im Wege des Angriffs oder der Verteidigung zur Bekämpfung anderer eingesetzt zu werden, oder wenn eine solche Verwendung zumindest typisch ist - etwa bei Hiebwaffen wie Keulen oder bei Messern. Die bloße Möglichkeit, einen Gegenstand auch in zweckentfremdender Benutzung zur Bekämpfung von Zielen zu verwenden, genügt zur Begründung der Waffeneigenschaft danach jedenfalls nicht. Eine derart weite Definition - wie sie das Sächsische Staatsministerium der Justiz vertritt - würde den Begriff der Waffe auch ufer- und konturenlos machen; praktisch jeder Gegenstand lässt sich nämlich in entsprechenden Umständen auch gegen Menschen, Tiere oder Gegen-stände einsetzen.

b) Es gibt keine greifbaren Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber den Ausdruck der "Waffe" in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in einem weiteren, über den umgangssprachlichen Gebrauch hinausgehenden Sinn verwenden wollte.

aa) Was als "Waffe" im Sinne strafrechtlicher Bestimmungen zu gelten hat, ist im Strafgesetzbuch nicht geregelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Inhalt dieses Rechtsbegriffs zu bestimmen im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch - auch unter Berücksichtigung seiner Wandelbarkeit - je nach dem Fortschritt der Waffentechnik in Anlehnung an die in den Waffengesetzen enthaltenen Grundvorstellungen über eine Schusswaffe, wenn auch nicht in unmittelbarer Abhängigkeit davon. Die Begriffsbestimmungen des Waffengesetzes, das den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung regelt, bieten dabei aber eine "gewisse Orientierung" (vgl. BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02 -, BGHSt 48, 197 <203> m.w.N.).

bb) Das Waffengesetz versteht - dem natürlichen Sprachgebrauch entsprechend - gemäß § 1 Abs. 2 unter Waffen zunächst neben Schusswaffen "...tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen..."

Hier ist also die Zweckbestimmung maßgeblich. Gegenstände, die, "...ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen..." sieht das Waffengesetz nur als Waffen an, soweit sie im Waffengesetz genannt werden.

cc) Der vom Bundesgerichtshof im Kontext des § 224 Abs. 1 Nr. 2, des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a oder des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendete "strafrechtliche Waffenbegriff" umfasst körperliche Gegenstände, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und ihrem Zustand zur Zeit der Tat bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen (BGHSt 48, 197 <200>; vgl. auch Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 224 Rn. 9d ["Gegenstände, die ihrer Art nach dazu bestimmt sind, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen"]; § 244 Rn. 3a; § 250 Rn. 4 StGB, jeweils m.w.N.; Hervorhebungen hinzugefügt). Gegenstände, die nicht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, wohl aber nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen, werden in Rechtsprechung und Schrifttum dagegen dem in den genannten Vorschriften ebenfalls enthaltenen Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" zugeordnet (vgl. Fischer, a.a.O., § 224 Rn. 9; § 250 Rn. 6; § 244 Rn. 7 ff. mit näheren Ausführungen zur Problematik der Anknüpfung an ein "gefährliches Werkzeug", wenn das Werkzeug lediglich mitgeführt und nicht verwendet worden ist). Besonders deutlich wird diese Terminologie im Falle der Einordnung von Messern: Diese gelten nur als Waffen, wenn und soweit sie nach ihrer Bauart zum Einsatz als Verletzungsmittel bestimmt sind; Küchenmesser, Taschenmesser und dergleichen sind dagegen gefährliche Werkzeuge (Fischer, a.a.O., § 224 Rn. 9d).

dd) Dementsprechend hat der mit der Vorschrift des § 113 Abs. 2 StGB befasste Sonderausschuss für die Strafrechtsreform seinerzeit ausführlich und kontrovers darüber diskutiert, ob in Nr. 1 des § 113 Abs. 2 StGB das Mitführen nicht nur von Waffen, sondern auch von gefährlichen Werkzeugen beziehungsweise "anderen gefährlichen Gegenständen" als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen werden sollte (vgl. Sonderausschuss für die Strafrechtsreform, 6. Wahlperiode, 9. Sitzung, S. 321 ff.). Der Ausschuss hat sich dagegen entschieden (a.a.O., S. 326). Im Rahmen der Diskussion wurde zwar von Ausschussmitgliedern die Auffassung vertreten, der Waffenbegriff in der betreffenden Vorschrift sei "nicht im technischen, sondern im allgemeinen Sinne zu verstehen" (Ministerialdirigent Dr. Sturm, a.a.O., S. 325), und vom "heutigen Standpunkt aus müsse mit dem Begriff der Waffe zum Beispiel auch eine zum Zwecke der Gewaltanwendung geschleuderte Säureflasche erfasst werden" (Abg. Dr. Bardens, a.a.O.). Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte, dass die Ausschussmehrheit sich diesen - in ihren Konsequenzen auch nicht klaren - Auffassungen angeschlossen hätte (so auch von Bubnoff, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Band, 11. Aufl., § 113 Rn. 53 <Stand 1. Oktober 1993>; Paeffgen, in: Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 113 Rn. 84 <Stand: 30. November 1999>). Der schriftliche Bericht des Sonderausschusses erwähnt die Diskussion um die "gefährlichen Gegenstände" und präsentiert den später Gesetz gewordenen Vorschlag, der (nur) "Waffen" erwähnt, ohne klarzustellen, inwieweit Bedeutungsunterschiede gesehen werden (BTDrucks VI/502, S. 5).

c) Ein Kraftfahrzeug kann unter Anlegung dieser Maßstäbe nicht als Waffe angesehen werden, da es weder von der Zweckbestimmung noch von einem typischen Gebrauch her zur Bekämpfung anderer oder zur Zerstörung von Sachen eingesetzt wird. Die Ansicht in Rechtsprechung und Lehre, nach welcher der Begriff der Waffe in § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB in einem "nichttechnischen", gefährliche Werkzeuge und insbesondere bei entsprechender Verwendung auch Kraftfahrzeuge umfassenden Sinne zu verstehen sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1973 - 4 StR 44/73 -, VRS 44, 422; BGHSt 26, 176 <179>; OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. November 1981 - 5 Ss 419/81 - 60/81 V -, NJW 1982, S. 1111; von Bubnoff, a.a.O.; Fischer, a.a.O., § 113 Rn. 38; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 113 Rn. 64; Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 113 Rn. 24; dagegen jedoch Paeffgen, a.a.O., § 113 Rn. 84 <Stand: 30. November 1999>), lässt sich mit dem im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen nicht in Einklang bringen. Insbesondere das Argument, dass die Gefährlichkeit der Tatausführung beim Einsatz von Waffen im "nichttechnischen Sinn" und speziell von Kraftfahrzeugen derjenigen beim Einsatz von Waffen im engeren Sinne gleichstehe (vgl. etwa von Bubnoff, a.a.O.), geht fehl. Es ist gerade der Sinn des Analogieverbots, über die Verfassungsgrundsätze der Demokratie, der Gewaltenteilung und der richterlichen Gesetzesbindung hinaus (vgl. dazu Rüthers, Rechtstheorie, 3. Aufl. 2007, Rn. 812) einer teleologischen Argumentation zur Füllung empfundener Strafbarkeitslücken entgegenzuwirken. Im Falle des § 113 Abs. 2 StGB kann teleologischen Überlegungen überdies dadurch Rechnung getragen werden, dass das Beisichführen gefährlicher Werkzeuge in Verwendungsabsicht als unbenannter "besonders schwerer Fall" im Sinne des Gesetzes gewertet wird, soweit - was vorliegend möglich erscheint - die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen.

3. a) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 14. September 2007 beruht folglich auf einer mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht zu vereinbarenden Auslegung von § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und ist aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Auf die weitere Frage, ob das Oberlandesgericht das Fahren eines Kraftfahrzeugs als "Beisichführen" im Sinne des Gesetzes ansehen durfte, kommt es danach nicht mehr an.

b) Eine Aufhebung des Urteils des Landgerichts Dresden vom 19. April 2007, das § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ebenfalls über den Wortlaut hinaus ausgelegt hat, ist nicht angezeigt. Insofern ist lediglich nach § 95 Abs. 1 BVerfGG die Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG festzustellen (vgl. Stark, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG - Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl. 2005, § 95 Rn. 46). Die Sache ist an das Oberlandesgericht Dresden als Revisionsgericht zurückzuverweisen. Es steht nämlich nicht fest, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Oberlandesgericht Dresden das landgerichtliche Urteil in der nun anstehenden erneuten Revisionsentscheidung aufheben wird (zu den Auswirkungen der Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts nach der Strafprozessordnung auf den Entscheidungsausspruch des Bundesverfassungsgerichts vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 1995 - 2 BvR 1180/94 -, NJW 1995, S. 2706 f.). Von der fehlerhaften Auslegung des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB dürfte das landgerichtliche Urteil im Schuldspruch nicht berührt sein (zur Tenorierung vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 - 3 StR 414/83 -, NStZ 1984, S. 262 <263>). Bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs ist es in erster Linie Sache des Revisionsgerichts als Fachgericht, zu prüfen, ob das landgerichtliche Urteil auf dem Fehler beruht (§ 337 StPO) und ob, falls dies der Fall ist, eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO (vgl. dazu BVerfGE 118, 212 <226 ff.>) in Betracht kommt.

4. Die Entscheidung zum Auslagenersatz beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen.

Ende der Entscheidung

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