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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 2374/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO


Vorschriften:

BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
StPO § 137
StPO § 140 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2373/06 - - 2 BvR 2374/06 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2006 - III - VI 10/05 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts

- 2 BvR 2373/06 -,

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Oktober 2006 - III - VI 10/05 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts

- 2 BvR 2374/06 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. November 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.

Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwälten werden abgelehnt.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>); sie sind unzulässig.

1. Die Beschwerdeführer haben eine Grundrechtsverletzung nicht in der von §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG geforderten Weise dargelegt. Ihr Vortrag erweist sich als unsubstantiiert.

a) Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleistet in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) dem Beschuldigten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Der Beschuldigte darf nicht nur Objekt des Verfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen; er ist berechtigt, sich von einem gewählten Verteidiger seines Vertrauens verteidigen zu lassen (vgl. BVerfGE 39, 156 <163>; 39, 238 <243>; 63, 380 <390 f.>; stRspr).

Eine Ausprägung des Gebots fairer Verfahrensführung stellt § 140 Abs. 2 StPO dar, wonach der Vorsitzende des Gerichts einen Verteidiger zu bestellen hat, wenn dessen Mitwirkung wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Das kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa dann der Fall sein, wenn eine umfangreiche und schwierige Beweisaufnahme zu erwarten ist (vgl. BVerfGE 63, 380 <391>). Schließlich gehört es zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, dass der Beschuldigte, der die Kosten eines gewählten Verteidigers nicht aufzubringen vermag, in schwerwiegenden Fällen von Amts wegen und auf Staatskosten einen rechtskundigen Beistand erhält (Pflichtverteidiger; vgl. BVerfGE 39, 238 <243>; 46, 202 <210 f.>; 63, 380 <391>). Dies sichert das Interesse, das der Rechtsstaat an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten hat (BVerfGE 39, 238 <242>; 65, 171 <174>; 68, 237 <254>).

b) Dass die Beschlüsse des Senatsvorsitzenden, den Beschwerdeführern nicht jeweils einen weiteren Pflichtverteidiger beizuordnen, diesem Anspruch nicht gerecht würden, haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend dargelegt. Sie haben nicht vorgetragen, dass sie durch ihre jeweils zwei Pflichtverteidiger nicht in einer dem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren entsprechenden Weise verteidigt wären. Der im Hinblick auf das Ausgangsverfahren pauschale, außer dem Hinweis auf den Umfang der Ermittlungsakten nicht durch konkrete Verfahrensabläufe oder Verfahrensplanungen substantiierte Vortrag legt die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht dar. Besonderheiten des Verfahrens - wie sein Umfang oder seine Schwierigkeit, die Bedeutung der Sache für die Beschwerdeführer, die Notwendigkeit der Verfahrenssicherung - sind nicht in einer den Begründungsanforderungen der Verfassungsbeschwerde entsprechenden Weise vorgetragen.

Zweifel an der fachlichen Eignung der im Verfahren tätigen Verteidiger, die sich zudem zur Verfahrenssicherung eigens verpflichtet haben, die Verteidigung über die gesamte vorgesehene Prozessdauer an jeweils drei Tagen zu führen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Senatsvorsitzende führt in den angegriffenen Beschlüssen vielmehr aus, es handele sich bei allen beigeordneten Anwälten um "erfahrene Strafverteidiger". Gegen deren Überforderung mit dem von ihnen zu bewältigenden Prozessstoff spricht auch, dass das Hauptverfahren vor dem Senat bereits seit geraumer Zeit, nämlich bis zum 15. November 2006 an 43 Hauptverhandlungstagen, geführt wird und die Beschwerdeführer sich erst jetzt an das Bundesverfassungsgericht wenden.

Vor diesem Hintergrund ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit die Erwägung des Vorsitzenden, allein der Wunsch der Beschwerdeführer nach Beiordnung eines dritten Verteidigers könne die beantragte Beiordnung nicht rechtfertigen, eine Grundrechtsverletzung begründen könnte. Gleiches gilt für die Erwägung in den angegriffenen Entscheidungen, aus § 137 StPO folge nicht, dass dem Angeklagten, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage sei, über die bereits beigeordneten zwei Strafverteidiger hinaus einen Wahlverteidiger zu verpflichten, ein dritter Verteidiger beizuordnen sei. Jenseits abstrakter Rechtsüberlegungen führen die Beschwerdeführer keine konkreten Tatsachen an, warum die Beiordnung eines dritten Verteidigers für jeden Beschwerdeführer im Sinne eines prozessordnungsgemäßen Strafverfahrens und einer wirksamen Verteidigung in der konkreten Verfahrenssituation notwendig sein sollte.

2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.

3. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten als Rechtsanwälte sind wegen der Aussichtslosigkeit der Verfassungsbeschwerden abzulehnen.

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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