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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 28.04.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 361/02
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 12
GG Art. 13
GG Art. 14
GG Art. 20
GG Art. 103
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 361/02 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Februar 2002 - 525 Qs 9/02 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. September 2001 - 351 Gs 3535/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 28. April 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Februar 2002 - 525 Qs 9/02 - und der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. September 2001 - 351 Gs 3535/01 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zur Entscheidung über die Kosten zurückverwiesen.

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung in einem Ermittlungsverfahren wegen handwerksrechtlicher Verstöße.

I.

1. Der Beschwerdeführer betreibt seit dem 1. Juni 1993 ein Einzelunternehmen, welches seit einer Änderung der Gewerbeanmeldung vom 1. Januar 1996 auf "Handel mit Kraftfahrzeugen und Kfz-Ersatzteilen, Selbstreparaturwerkstatt (Vermietung von Werkstatträumen und Werkzeugen), An- und Verkauf von Kfz" lautete. Der Beschwerdeführer war nicht in der Handwerksrolle eingetragen. Bei einer gewerblichen Überprüfung am 8. August 2001 erklärte ein Angestellter des Beschwerdeführers den ermittelnden Mitarbeitern des Gewerbeamts auf Nachfrage, dass auch die Reparatur eines Kfz durch den Beschwerdeführer oder seine Angestellten möglich sei und erstellte einen Kostenvoranschlag. Zugleich stellten die Beamten fest, dass der äußere Eindruck eher für eine "ganz normale Werkstatt mit Arbeitnehmern" spreche.

2. Obwohl den Ermittlungsbehörden aufgrund einer Anfrage bei der Handwerkskammer Berlin bekannt war, dass der Beschwerdeführer als Diplom-Ingenieur möglicherweise die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Handwerksrolle erfüllen könnte (Voraussetzung sei hiernach der Abschluss des Diplom-Studiengangs in der Fachrichtung Maschinenbau und Kfz-Technik und eine dreijährige Berufserfahrung), beantragten sie ohne weitere Nachforschungen den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Mit angegriffenem Beschluss vom 7. September 2001 ordnete das Amtsgericht "wegen des Verdachts der unberechtigten Handwerksausübung" die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwerdeführers nach "Geschäftsunterlagen, aus denen sich die unberechtigte Handwerksausübung ergibt", an. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, unberechtigt das Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk ausgeübt zu haben. Weitere Angaben enthält der Durchsuchungsbeschluss nicht.

3. Die hiergegen eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 6. Februar 2002 als unbegründet. Aufgrund der Beobachtungen der Mitarbeiter des Gewerbeamts habe der Verdacht der vollhandwerklichen Ausübung des Kraftfahrzeugtechniker-Handwerks ohne entsprechender Eintragung in der Handwerksrolle bestanden. Der Durchsuchungsbeschluss sei damit zu Recht ergangen.

II.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 12, Art. 13, Art. 14, Art. 20 und Art. 103 GG.

Die Pflicht zur Eintragung des selbständigen Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks in die Handwerksrolle nach § 1 HwO, die regelmäßig erst nach Ablegung der Meisterprüfung möglich sei, sei mit Art. 12 GG nicht mehr zu vereinbaren. Außerdem begründeten europarechtliche Vorschriften eine Ungleichbehandlung von deutschen Handwerkern, die ihre Tätigkeit erst nach Ablegung der Meisterprüfung und Eintragung in die Handwerksrolle ausüben dürften, und EU-ausländischen Handwerkern, bei denen diese Einschränkung nicht gelte. Darüber hinaus seien die Vorschriften der Handwerksordnung insgesamt zu unbestimmt, so dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG vorliege. Es bestehe keine gesetzliche Regelung dahingehend, welche Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle erlaubt und welche verboten seien.

Der Durchsuchungsbeschluss genüge ferner nicht den Anforderungen des Art. 13 Abs. 1 GG. Er beinhalte keinerlei Begründung, so dass für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen sei, welche Taten ihm vorgeworfen wurden. Der Tatvorwurf und die aufzufindenden Beweismittel seien nicht hinreichend konkret bezeichnet worden. Ferner werde keine Vorschrift benannt, gegen die der Beschwerdeführer verstoßen zu haben verdächtig sei. Die Durchsuchung sei ferner unverhältnismäßig gewesen. Zunächst hätte der Beschwerdeführer zum Tatvorwurf befragt werden müssen. Es habe auch kein hinreichender Tatverdacht bestanden. Die Ermittlungsbehörden hätten nicht erwogen, ob die Durchführung von Kfz-Reparaturen möglicherweise im unerheblichen Nebenbetrieb zu dem Handelsgewerbe oder als Minderhandwerk zulässig gewesen waren.

III.

1. Die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin verteidigt die angegriffenen Beschlüsse. Es sei hinreichend erkennbar, dass dem Beschwerdeführer die unberechtigte Ausübung des Kraftfahrzeugtechniker-Handwerks zur Last gelegt werde. Der Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen sei aufgrund der Formulierungen der angegriffenen Beschlüsse messbar und kontrollierbar gewesen.

2. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der schwerwiegende Eingriff einer Durchsuchung in angemessenem Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts und zur Schwere der Tat stehen müsse. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, in welcher Höhe die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bewehrt sei. Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) handle ordnungswidrig, wer entgegen § 1 HwO ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, wobei die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 10.000 € (bis 31. Dezember 2001: 20.000 Deutsche Mark) geahndet werden könne. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) handle ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang erbringe, indem er ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibe, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Hier sehe der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 SchwarzArbG einen Bußgeldrahmen von bis zu 100.000 € (bis 31. Dezember 2001: 200.000 Deutsche Mark) vor. Der Qualifikationstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG konsumiere den Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 HwO, soweit das qualifizierende Tatbestandsmerkmal "Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang" gegeben sei. Durch dieses Tatbestandsmerkmal werde zum Ausdruck gebracht, dass die Tathandlungen eine andere Qualität erreichten als beim Grundtatbestand des § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO, wobei auf den objektiven Umfang der Leistungen anhand der Kriterien Dauer, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität abzustellen sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Ermittlungsrichter komme es daher auf die Frage an, ob sich der Anfangsverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO oder auf eine solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG beziehe. Beide Vorschriften seien Ausdruck eines unterschiedlichen Unrechtsgehalts und könnten somit Einfluss auf die Ermessenserwägung haben. Während angesichts der Schwere der Tat und der Höhe der Bußgeldbewehrung eine Durchsuchung bei hinreichendem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG in der Regel als verhältnismäßig anzusehen sei, müsse bei Vorliegen eines Tatverdachts der unerlaubten Handwerksausübung nach § 117 Abs. 1 HwO angesichts der geringeren Bußgeldbewehrung den persönlichen und tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehr Gewicht beigemessen werden. So müsse auch dahingehend unterschieden werden, ob bei dem Verdächtigten lediglich der Formalakt der Eintragung ausstehe oder ob er auch den materiellen Voraussetzungen für eine Handwerksrolleneintragung nicht genüge. Nur in letzterem Fall komme überhaupt in Betracht, der Tat eine derartige Schwere beizumessen, die eine Durchsuchungsanordnung als verhältnismäßig erscheinen lasse.

Andererseits stehe ein geringeres Angriffsmittel als die Durchsuchung und Beschlagnahme in der Regel nicht zur Verfügung. Auch sei die Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen regelmäßig erfolglos. Anfragen vor Durchführung von Durchsuchungsmaßnahmen würden diese oft zwecklos machen. Regelmäßig werde bestimmtes beweiserhebliches Material ausgelagert. In der Praxis habe sich gezeigt, dass sich nur in einer ganz geringen Anzahl von Fällen ex post der Verdacht eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsgesetz aufgrund einer durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme als unbegründet erwiesen habe. Dies belege eine sorgfältige Vorarbeit. Durchsuchungsmaßnahmen würden nur beantragt, wenn hinreichende Verdachtsmomente vorlägen. Erst aufgrund der durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme lasse sich nachweisen, dass Schwarzarbeit in weit größerem Umfang ausgeführt wurde, als ursprünglich angenommen.

Der Meisterzwang sei nach wie vor verfassungsgemäß. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 13, 97 zur Vereinbarkeit des Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz genannt habe, bestünden unverändert fort. Das Handwerk sei der zweitstärkste Wirtschaftszweig in Deutschland. In den Betrieben des Handwerks werde der größte Teil des Nachwuchses der gesamten gewerblichen Wirtschaft ausgebildet.

3. Weiterhin hat der Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker Stellung genommen. Er hält die angegriffenen Entscheidungen für verfassungswidrig, da § 117 Abs. 1 Nr. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG verfassungswidrig seien. Angesichts der Höhe der Geldbußen und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 17 Abs. 3 und Abs. 4 OWiG liege ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit vor. Die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig, da es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handele, der Vorwurf aber nur eine Ordnungswidrigkeit betreffe. Im Übrigen fehle eine genaue Prüfung des Tatverdachts der Ordnungswidrigkeit. Regelmäßig diene die Durchsuchung erst der Begründung eines solchen Tatverdachts und erfolge daher zum Zwecke der Ausforschung. Dies widerspreche dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Meisterzwang verstoße zudem gegen Art. 12 GG.

4. Dem Bundesverfassungsgericht hat der Verwaltungsvorgang in Ablichtung vorgelegen.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG, weil der empfindliche Eingriff einer Durchsuchung vorschnell und auf unzureichender Verdachtsgrundlage angeordnet wurde und der Durchsuchungsbeschluss nicht den aus Art. 13 Abs. 1 GG folgenden Begründungsanforderungen genügt. Darüber hinaus lassen die angegriffenen Beschlüsse eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht einmal ansatzweise erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu im vorliegenden Fall aufdrängen mussten.

1. a) Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151 f.>). Zu einer angemessenen Begrenzung der Zwangsmaßnahme kann ein Durchsuchungsbeschluss nicht beitragen, wenn er keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs oder eine nur schlagwortartige Bezeichnung der mutmaßlichen Straftat enthält, obwohl eine konkretere Kennzeichnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich ist (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2000 - 2 BvR 2212/99 -, NStZ 2000, S. 601).

b) Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 - 2 BvR 2043/03 u.a. -, NJW 2004, S. 3171 <3172>).

c) Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich aufgrund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

2. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.

a) Der Durchsuchungsbeschluss umschreibt die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat als "unberechtigte Ausübung des Kraftfahrzeugtechniker-Handwerks"; etwaige Vorschriften, deren Tatbestand erfüllt sein könnte, werden nicht genannt. Eine weitere Konkretisierung des Tatvorwurfs erfolgt auch nicht durch die Umschreibung der aufzufindenden Beweismittel als "Geschäftsunterlagen, aus denen sich die unberechtigte Handwerksausübung ergibt". Ebenso wenig enthält der Durchsuchungsbeschluss Angaben über die dem Tatverdacht zugrunde liegenden Tatsachen. Zwar ist die Angabe der Indiztatsachen, auf die der Verdacht gestützt wird, in einem Durchsuchungsbeschluss von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Dies gilt aber nur, wenn auch auf andere Weise der Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses genügt wird. An einer anderweitigen Umgrenzung des Durchsuchungsbeschlusses fehlt es im vorliegenden Fall. Dem Beschwerdeführer war eine Überprüfung der Durchsuchungsmaßnahme hinsichtlich Art und Umfang nicht möglich.

Auch das Landgericht lässt den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Ordnungswidrigkeitentatbestand offen und benennt die dem Tatverdacht zugrunde liegenden Indiztatsachen nicht.

b) Die pauschale Wiedergabe des verfassungsrechtlichen Obersatzes zur Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme lässt eine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung durch das Amtsgericht nicht erkennen, obwohl sich Ausführungen hierzu aufdrängen mussten. In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung. Mit Blick auf die Veränderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände sind Zweifel daran angebracht, ob die bis Ende des Jahres 2003 geltenden Regelungen über die Ausgestaltung des Meisterzwangs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 HwO a.F.) dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch gerecht werden konnten. Wegen dieser Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die damals geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig anzuwenden ist (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 -, DVBl 2006, S. 244 <246>). Diese Besonderheiten sind auch bei Durchsuchungsmaßnahmen zu berücksichtigen, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung stützen.

Bei der verfassungsmäßigen Prüfung der Durchsuchung kommt es zwar nur auf einen Anfangsverdacht an. Ob die vorgeworfene Tätigkeit dem Kernbereich des Handwerks zuzuordnen ist, wird sich unter Umständen erst feststellen lassen, wenn Art und Umfang der handwerklichen Tätigkeit ermittelt wurden, was gerade durch eine Durchsuchung erfolgen soll. Gleichwohl ist Voraussetzung für strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, dass die vorliegenden Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nahe legen, dass eine Eintragungspflicht des Betroffenen besteht.

Darüber hinaus haben die Ermittlungsbehörden im Einzelfall auch zu berücksichtigen, ob lediglich der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle fehlt oder ob der Betroffene über die materiellen Voraussetzungen einer Eintragung verfügt. Sofern lediglich der Formalakt der Eintragung unterblieben ist, eine Eintragung in die Handwerksrolle aber voraussichtlich möglich wäre, wäre der schwere Eingriff der Wohnungsdurchsuchung nicht gerechtfertigt. Hierbei haben die Ermittlungsbehörden auch zu erwägen, ob aufgrund der von Verfassungs wegen gebotenen großzügigen Auslegung und Anwendung der Ausnahmeregelung von § 8 HwO a.F. (vgl. dazu oben) eine Eintragung ohne Ablegung der Meisterprüfung in Frage kommt.

Die Ermittlungsbehörden haben dem Umstand, dass der Beschwerdeführer als Diplom-Ingenieur - entsprechende praktische Berufserfahrung vorausgesetzt - möglicherweise die materiellen Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksordnung erfüllen könnte, keine weitere Beachtung geschenkt. So war den Ermittlungsbehörden zwar aufgrund einer Nachfrage bei der Handwerkskammer bekannt, dass nach Abschluss des Diplom-Studiengangs Maschinenbau und Kfz-Technik mit dreijähriger Berufserfahrung eine Eintragung in die Handwerksrolle auch ohne Ablegung der Meisterprüfung möglich ist. Sie haben aber trotz dieser Zweifel weder weitere Ermittlungen in diese Richtung angestellt, noch diese Zweifel erkennbar in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme einfließen lassen.

c) Außerdem dürfen die Ermittlungsbehörden nicht offen lassen, ob sich ihr Tatverdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 HwO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998) oder auf eine solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 1995) richtet. Zwischen beiden Vorschriften besteht ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes; angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt. Zur Begründung des Tatverdachts gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG die Darlegung der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang. Um diesen Anfangsverdacht verfassungsgemäß begründen zu können, ist erforderlich, dass Feststellungen getroffen werden, die nach einfachem Recht die Anwendung des Qualifikationstatbestands nachvollziehbar machen. Kann ein Anfangsverdacht auch nicht im Ansatz im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG begründet werden, so kommt eine Durchsuchung allein wegen eines Verstoßes gegen § 117 Abs. 1 HwO in Betracht.

Angesichts dessen, dass weder Amts- noch Landgericht die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit durch die Angabe der Norm eindeutig identifiziert haben, ist davon auszugehen, dass eine differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Schwere der Tat nicht stattgefunden hat.

3. Auf die Vereinbarkeit des für die Eintragung in die Handwerksrolle in der Regel erforderlichen Befähigungsnachweises für das Handwerk mit dem Grundgesetz kommt es nach alledem nicht an. Die Frage kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG festzustellen ist, die der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhilft.

V.

Die angegriffenen Beschlüsse sind aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

VI.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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