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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.10.2001
Aktenzeichen: 2 BvR 690/99
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
GG Art. 16a Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1
BVerfGG § 92
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 690/99 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1999 - 23 A 5871/98.A -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. November 1998 - 12 K 1948/95.A -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Sommer, die Richterin Osterloh und den Richter Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 2. Oktober 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an fachgerichtliche Würdigungen zur Glaubhaftigkeit der Angaben von Asylbewerbern insbesondere zum Verfolgungsschicksal.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor. Weder kommt ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <26>). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. November 1998 und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. März 1999 verletzen den Beschwerdeführer nicht in den von ihm gerügten Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 103 Abs. 1, 16a Abs. 1, 3 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Es fehlt an einer hinreichend substantiierten Darlegung (§§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG), dass die sprachliche Verständigung in der konkreten Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 22. Dezember 1994 nicht gewährleistet war und so der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Der Beschwerdeführer hat auch nicht ansatzweise dargelegt, dass hier Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG unter dem Gesichtspunkt verletzt wurde, dass ein der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtiger Beteiligter zu einem unverstandenen Objekt eines gerichtlichen Verfahrens herabgewürdigt wurde (vgl. BVerfGE 64, 135 <145>).

2. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 16a Abs. 1 GG und des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig aber unbegründet.

a) Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 16a Abs. 1 GG.

Nach Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf den Tatbestand "politisch Verfolgte" sowohl hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts als auch seiner rechtlichen Bewertung zu prüfen, ob die tatsächliche und rechtliche Bewertung der Gerichte sowie Art und Umfang ihrer Ermittlungen der Asylgewährleistung gerecht werden. Den Fachgerichten ist dabei allerdings ein gewisser Wertungsrahmen (vgl. BVerfGE 76, 143 <162>) insbesondere im Hinblick auf die rechtliche Bewertung des ermittelten Sachverhalts und die Einschätzung der Sachverhaltselemente zuzuerkennen. Dem Fachgericht obliegt es - soweit es Tatsachengericht ist - im Einzelfall zu würdigen, ob der Asylsuchende hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildert, der, als wahr unterstellt, eine politische Verfolgung ergibt. Dabei ist zu würdigen, ob die Angaben des Asylsuchenden in wesentlichen Punkten, insbesondere zu seinem Verfolgungsschicksal unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur, des Wissensstandes und anderer erheblicher Umstände glaubhaft sind. Ein berücksichtigungsbedürftiger Umstand ist dabei auch die Herkunft des Asylsuchenden aus einem Kulturkreis mit Wertvorstellungen und Verhaltensgeboten, die sich von den hier geltenden erheblich unterscheiden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 1990 - 9 B 45/90 -, NVwZ-RR 1991, 109 <110>).

Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht umfassend nach, ob vom Fachgericht angenommene Widersprüche und sonstige Glaubwürdigkeitszweifel tatsächlich vorliegen und inwieweit sie den Schluss zulassen, das Vorbringen sei insgesamt unglaubhaft bzw. der Asylbewerber unglaubwürdig. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist eine fachgerichtliche Bewertung nur dann, wenn sie anhand der gegebenen Begründungen nicht mehr nachvollziehbar ist und nicht auf einer verlässlichen Grundlage beruht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Oktober 1994 - 2 BvR 976/94 -, JURIS; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Juni 1990 - 2 BvR 1727/89 -, InfAuslR 1991, S. 85). Zu den zu überprüfenden asylspezifischen Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungstiefe gehört dabei in der Regel auch, dass das Gericht tatsächlichen oder vermeintlichen Unklarheiten oder Widersprüchen im Sachvortrag des Asylbewerbers, etwa durch dessen Befragung nachzugehen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 1999 - 2 BvR 86/97 -, NVwZ 1999, Beilage Nr. 8, 81; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juli 1996 - 2 BvR 1416/94 -, NVwZ, Beilage 2/97, 11).

Diesen Anforderungen genügen die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar dargelegt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von Verfolgungshandlungen einer Gruppe von Personen betroffen sei, die im Auftrag und auf Befehl des togoischen Präsidenten Eyadema Oppositionelle töte, in wesentlichen Punkten Widersprüche und sonstige Glaubwürdigkeitszweifel enthält. Diese Erwägungen lassen nachvollziehbar den Schluss zu, dass das Vorbringen insgesamt als unglaubhaft anzusehen sei. Die Begründungen des Gerichts lassen entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht erkennen, dass das Gericht den Umstand unberücksichtigt gelassen hat, dass im westafrikanischen Herkunftsstaat des Asylbewerbers andere kulturelle Wertvorstellungen und Verhaltensweisen bestehen. Das Gericht ist in der mündlichen Verhandlung auch den Widersprüchen im Sachvortrag des Beschwerdeführers nachgegangen, ohne dass der Beschwerdeführer diese hat auflösen können.

b) Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Bedeutung als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), weil die Würdigungen zur Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers rechtlich vertretbar sind und sich nicht der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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