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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 796/03
Rechtsgebiete: BVerfGG, AuslG, VwVfG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
AuslG § 53
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 796/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. Mai 2003 - 10 L 1653/03.A -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Di Fabio und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 30. Juli 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Nach rechtskräftiger Abweisung seiner Asylklage stellte der Beschwerdeführer erfolglos einen auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 AuslG beschränkten Folgeantrag und begehrte sodann einstweiligen Rechtsschutz wegen der ihm im Asylbescheid angedrohten Abschiebung sowohl gegen die Bundesrepublik - als Rechtsträgerin des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - als auch gegen die Ausländerbehörde. Mit dem angegriffenen Beschluss verwarf das Verwaltungsgericht den gegen die Bundesrepublik gestellten Antrag als unzulässig, da Abschiebungsschutzanträge gegen die zuständige Ausländerbehörde zu richten seien, und lehnte den gegen die Ausländerbehörde gestellten Antrag mit der Begründung ab, die geltend gemachten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse seien im Verfahren gegen die Ausländerbehörde nicht zu prüfen.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt.

1. Art. 19 Abs. 4 GG enthält eine Rechtsweggarantie des Inhalts, dass wirksamer gerichtlicher Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt zur Verfügung stehen muss (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; stRspr). Der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 88, 118 <124>, m.w.N.; stRspr). Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die Eröffnung des Zugangs zum Gericht, sondern auch innerhalb des jeweils eingeleiteten Verfahrens (BVerfGE 81, 123 <129>). Der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Anspruchs dürfen auch hier nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse in den Weg gelegt werden. Insbesondere darf ein Gericht nicht durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzen (BVerfGE 84, 366 <369 f.>, m.w.N.).

Soweit es um beantragten vorläufigen Rechtsschutz geht, verlangt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass irreparable Folgen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich ausgeschlossen werden (BVerfGE 93, 1 <13>, m.w.N.; stRspr). Grundsätzlich ist es von Verfassungs wegen unerheblich, auf welchem Wege Eilrechtsschutz gewährt wird. Die konkrete Rechtsanwendung ist aber verfassungsrechtlich dann nicht mehr hinnehmbar, wenn sie dazu führt, dass der Betroffene ganz unabhängig von seinem Verhalten schon aus prozessualen Gründen grundsätzlich keine gerichtliche Sachprüfung vor Vollzug der Abschiebung mehr erreichen kann (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16.03.1999 - 2 BvR 2131/95, InfAuslR 1999, S. 256 <259>).

2. Die im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung, Anträge auf Gewährung von Abschiebungsschutz seien unter den gegebenen Voraussetzungen gegen die Ausländerbehörde zu richten, stellt im Widerspruch zu den genannten verfassungsrechtlichen Anforderungen denjenigen, der zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geltend macht, schutzlos, wenn zugleich - wie in der angegriffenen Entscheidung - angenommen wird, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse seien im Eilrechtsschutzverfahren gegen die Ausländerbehörde nicht zu prüfen.

Ungeachtet der insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Denn es ist deutlich abzusehen, dass der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Nach eigenen Angaben begab sich der Beschwerdeführer erstmals am 19.08.2002 in nervenärztliche Behandlung. Das am gleichen Tag erstellte Gutachten hat der Beschwerdeführer nicht im damals anhängigen und erst mit Urteil vom 13.09.2002 abgeschlossenen Gerichtsverfahren über seinen dritten Asylantrag, sondern erst zur Begründung seines auf § 53 AuslG beschränkten Folgeschutzgesuchs vorgelegt. Eine nachträgliche Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm die Einbringung des Gutachtens und die Geltendmachung seiner Erkrankung in das vorangegangene Asylfolgeverfahren nicht möglich gewesen wäre. Da andere Wiederaufgreifensgründe nicht geltend gemacht wurden, ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft und ein Erfolg des Eilrechtsschutzbegehrens des Beschwerdeführers nach einer Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht auszuschließen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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