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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 19.02
Rechtsgebiete: GG, AuslG, RuStAG, VwGO, VwVfG, EG, EMRK


Vorschriften:

GG Art. 16 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1
AuslG § 46 Nr. 2
AuslG § 88 Abs. 3
RuStAG § 8
VwGO § 114 Satz 2
VwVfG § 48
EG (EGV i.d. Amsterdamer Fassung) Art. 17 ff.
EMRK Art. 6 Abs. 2
1. Eine durch bewusste Täuschung erwirkte Einbürgerung kann nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (hier: Art. 48 BayVwVfG) zurückgenommen werden.

2. Das verfassungsrechtliche Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bewahrt nicht vor der Rücknahme einer derart erschlichenen Einbürgerung.

3. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG enthält die verfassungsrechtliche Wertentscheidung, den Eintritt von Staatenlosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern. Diese Wertentscheidung ist in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme einer Einbürgerung einzustellen und gegen das öffentliche Interesse an der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 19.02

Verkündet am 3. Juni 2003

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2003 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juni 2002 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.

Der Kläger wurde 1956 in Graz (Österreich) geboren und arbeitete dort als selbständiger Unternehmensberater. Im Juni 1995 leitete die Bundespolizeidirektion Graz gegen ihn Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges ein. Der Kläger bestreitet den Vorwurf. Er reiste im Herbst 1995 aus Österreich aus und begründete seinen Wohnsitz in München. Dort ist er seither als selbständiger Unternehmensberater tätig. Im Februar 1997 erließ das Landesgericht für Strafsachen Graz einen nationalen Haftbefehl gegen den Kläger. Der Vorwurf lautete, Kunden über Konditionen vermittelter Kredite getäuscht zu haben, wodurch diesen ein Schaden von mehreren Millionen Österreichischer Schilling entstanden sei.

Im Februar 1998 beantragte der Kläger bei der Stadt München seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. In dem hierfür verwendeten, von ihm unterschriebenen Antragsformular ist in der Rubrik "Angaben über anhängige Ermittlungsverfahren" handschriftlich eingetragen: "keine". Die Einbürgerung ist durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 25. Januar 1999 am 5. Februar 1999 wirksam geworden; sie ist auf die Ehefrau des Klägers erstreckt worden.

Im August 1999 erreichten die Stadt München Informationen vom Magistrat der Stadt Graz, dass der Kläger dort per Haftbefehl gesucht wurde. Die Staatsanwaltschaft München I teilte der Stadt München im September 1999 u.a. mit, dass der Kläger bereits im Juli 1995 vom Landesgericht für Strafsachen in Graz als Beschuldigter vernommen worden sei; im Mai 1998 habe bei ihm in München eine von der österreichischen Justiz im Rechtshilfeweg beantragte Hausdurchsuchung stattgefunden; ein Ermittlungsverfahren der deutschen Behörden sei noch offen; insoweit bestehe ein "Anfangsverdacht zu betrügerischen Geschäften" des Klägers. Dieses deutsche Ermittlungsverfahren wurde im Oktober 2002 im Hinblick auf das österreichische Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO analog eingestellt.

Nach Anhörung des Klägers nahm die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 4. Juli 2000 dessen Einbürgerung rückwirkend auf der Grundlage von Art. 48 BayVwVfG zurück. Die Einbürgerung sei rechtswidrig, da sie auf der unzutreffenden Annahme der Behörde beruhe, dass keine Ermittlungsverfahren anhängig gewesen seien.

Die gegen den Bescheid erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht nach Vernehmung mehrerer Zeugen über den Verlauf des Einbürgerungsverfahrens abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Rücknahme der Einbürgerung auf Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gestützt werden könne. Die Anwendbarkeit der Vorschrift sei nicht durch Regelungen des Staatsangehörigkeitsrechts ausgeschlossen. Art. 16 Abs. 1 GG stehe der Rücknahme nicht entgegen. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf die wohl erworbene, nicht hingegen auf eine erschlichene Staatsangehörigkeit. Das gelte auch für den Fall, dass die Rücknahme der Einbürgerung zur Staatenlosigkeit des Betroffenen führe. Die Einbürgerung sei rechtswidrig, weil sie auf der unzutreffenden Annahme beruhe, gegen den Kläger werde nicht strafrechtlich ermittelt. Bei Kenntnis der strafrechtlichen Ermittlungen wäre die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens abhängig gemacht worden. Der Kläger könne sich auf Vertrauen in den Fortbestand seiner Einbürgerung nicht berufen. Er habe die Frage nach anhängigen Ermittlungsverfahren wahrheitswidrig beantwortet. Das Antragsformular habe keinen Anlass zu der Annahme gegeben, dass nur nach Verfahren deutscher Strafverfolgungsbehörden gefragt werde. Der Kläger selbst habe nicht behauptet, von dem zuständigen Sachbearbeiter etwa dahin belehrt worden zu sein, das in Österreich anhängige Ermittlungsverfahren nicht angeben zu müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass er dieses Ermittlungsverfahren aus anderen Gründen verheimlicht haben könne, als aus dem, die Entscheidung über seine Einbürgerung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Damit habe er die Einbürgerung erschlichen, denn er habe erkannt und in Kauf genommen, dass die Einbürgerungsbehörde der Einbürgerung hinderliche Umstände als nicht gegeben angesehen habe, obwohl solche in Wahrheit vorgelegen hätten. Die Rücknahme der Einbürgerung weise auch keine zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler auf. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise ergänzten Erwägungen trügen die behördliche Entscheidung auch im Hinblick darauf, dass die Einbürgerung der Ehefrau des Klägers nicht rückgängig gemacht worden sei und der Kläger bei Eintritt der Staatenlosigkeit auch die Unionsbürgerschaft nach dem EG-Vertrag verlieren würde.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Revision, zu deren Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Die Rücknahme der Einbürgerung verstoße gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG. Der Grundrechtsschutz erfasse nicht nur die "wohl erworbene" Staatsangehörigkeit, sondern schütze generell und umfassend vor Entziehung und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Im vorliegenden Fall verstoße die Rücknahme der Einbürgerung auch deshalb gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil er dadurch staatenlos werde. Dies belege das von ihm in Auftrag gegebene und vorgelegte Gutachten eines österreichischen Universitätsprofessors. Das Berufungsurteil verstoße auch gegen europäisches Recht, da er im Falle des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit zusätzlich die Rechte aus Art. 17 ff. EG (EGV i.d. Amsterdamer Fassung) als Unionsbürger verliere. Die angefochtene Entscheidung beruhe ferner auf einem Verstoß gegen das Gebot rechtliches Gehör zu gewähren, da der Verwaltungsgerichtshof wesentlichen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen habe. Zu der in dem Einbürgerungsformular gestellten Frage nach anhängigen Ermittlungsverfahren habe er Umstände vorgetragen, nach denen er die Frage dahin habe auslegen dürfen, dass ausländische Ermittlungsverfahren unerheblich seien. Hierauf sei das Gericht nicht eingegangen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 2002 sowie das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2001 und den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 4. Juli 2000 aufzuheben.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Vertreter des Bundesinteresses teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, dass durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichene Einbürgerungen nicht vom Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG erfasst werden. Er verweist auf Nr. 17 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000, wonach die Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte in den Grenzen des Art. 16 Abs. 1 GG auch auf rechtswidrige Einbürgerungen anzuwenden seien.

II.

Die Revision ist begründet. Die Berufungsentscheidung verletzt Bundesrecht, weil der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Das Berufungsgericht hat in seinen Urteilsgründen entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberücksichtigt gelassen. Dieser Verfahrensmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist Art. 48 BayVwVfG (wortgleich mit § 48 VwVfG). Der Auffassung der Revision, dass diese Vorschrift für die Rücknahme von Einbürgerungen generell nicht herangezogen werden könne, kann nicht gefolgt werden.

Mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsrecht zum Wegfall der Staatsangehörigkeit sind die allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze - hier: Art. 48 BayVwVfG - im Fall einer von vornherein rechtswidrigen Einbürgerung jedenfalls dann, wenn die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erwirkt worden ist, anzuwenden. Das Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG -, nach dessen § 8 (damals noch: RuStAG) der Kläger eingebürgert wurde, enthält nur Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit aufgrund von nach ihrem Erwerb eingetretenen Umständen (vgl. insbesondere § 17 StAG). Nicht geregelt sind die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung. Auch § 24 StARegG ist nicht auf rechtswidrige Einbürgerungen nach § 8 RuStAG bzw. StAG anwendbar (vgl. Beschluss vom 13. April 1989 - BVerwG 1 B 54.89 - InfAuslR 1989, 276).

Das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns erfordert eine Korrekturmöglichkeit jedenfalls bei einer durch bewusste Täuschung erwirkten, mithin "erschlichenen" Einbürgerungsentscheidung. Der Senat misst der Herstellung gesetzmäßiger Zustände auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts besonderes Gewicht bei, und zwar sowohl wegen der weitreichenden Folgen, die Besitz oder Nichtbesitz einer Staatsangehörigkeit nach sich ziehen, als auch wegen der möglichen Betroffenheit anderer Staaten (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1972 - BVerwG 1 C 32.71 - BVerwGE 41, 277, 280). Der Umstand, dass der durch die Staatsangehörigkeit vermittelte Status auf Sicherheit und Dauerhaftigkeit angelegt ist (vgl. auch Urteil vom 28. September 1993 - BVerwG 1 C 25.92 - BVerwGE 94, 185, 188 f.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls seit In-Kraft-Treten der rechtsstaatlich unbedenklichen, insbesondere hinreichend bestimmten Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze besteht kein Grund mehr für die frühere Sorge des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, die Möglichkeit der Korrektur auch des fehlerhaften Erwerbs der Staatsangehörigkeit führe für alle eingebürgerten Personen zu einem "völlig unsicheren und prekären Zustand" (Urteil vom 23. Juni 1886, PrOVGE, 13 <1887>, S. 408 <418>). Zwar hat der Gesetzgeber, der das Staatsangehörigkeitsrecht nach In-Kraft-Treten der Verwaltungsverfahrensgesetze mehrfach geändert hat - u.a. durch das Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) - die Frage der "erschlichenen" Einbürgerung nicht ausdrücklich entschieden. Indes sah er auch keine Notwendigkeit, die von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur bejahte Anwendbarkeit von § 48 VwVfG auszuschließen (zur h.M. nach heutigem Stand vgl. OVG Hamburg, InfAuslR 2002, 81; VGH Mannheim, DVBl 2003, 465; OVG Münster, NVwZ-RR 1997, 742; VGH Kassel, NVwZ-RR 1999, 274; Hailbronner in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., § 16 Rn. 9 ff.; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 16 RuStAG, Rn. 31 ff.; Marx in: GK-StAR, Stand: 2000, § 17 StAG, Rn. 25 ff.; anderer Ansicht beispielsweise OVG Berlin, InfAuslR 2003, 211; Berlit in: GK-StAR, Stand: 2002, § 91 AuslG, Rn. 99 ff.). Die Opposition im Deutschen Bundestag konnte eine von ihr geforderte Nichtigkeitsregelung für durch unredliches Verhalten erwirkte Einbürgerungen nicht durchsetzen, weil diese für nicht erforderlich gehalten wurde (vgl. Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion vom 16. März 1999 für ein Staatsangehörigkeitsneuregelungsgesetz - BTDrucks 14/535, S. 10 f.). Die "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht" (StAR-VwV) vom 13. Dezember 2000 geht inzwischen ausdrücklich von der Möglichkeit der Rücknahme der Einbürgerung nach § 48 des VwVfG und den entsprechenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze in den Grenzen des Art. 16 Abs. 1 GG aus.

2. Der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung steht nicht das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit entgegen. Es kann offen bleiben, ob eine derartige Rücknahme schon keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt oder ob ein solcher Eingriff jedenfalls über eine historische und teleologische Auslegung des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG zu rechtfertigen ist. Dieser ist nämlich entstanden in Reaktion auf die vom nationalsozialistischen Regime praktizierte Aberkennung der Staatsangehörigkeit aus rassistischen, politischen und religiösen Gründen, er sollte also gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern (vgl. Schnapp in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. Art. 16 Rn. 14; Zuleeg in: Alternativkommentar zum Grundgesetz Art. 16 Rn. 17). Einen Vertrauensschutz für durch Täuschung erwirkte Einbürgerungen hatte der Verfassungsgeber nicht im Blick (zur Entstehungsgeschichte der Grundgesetzvorschrift vgl. JöR 1 1951, 159 ff.). Eine Rücknahme erschlichener Einbürgerungen gerät mit der genannten Zielsetzung des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich nicht in Konflikt. Hinzu kommt, dass diese Vorschrift nicht isoliert gesehen werden darf, sondern im Kontext mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung steht (vgl. auch Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Art. 16 GG Rn. 6). Dieses Gebot vermag selbst unter Berücksichtigung des in Art. 16 Abs. 1 GG zum Ausdruck gebrachten hohen Werts der Gewährleistung der grundsätzlich unentziehbaren Staatsangehörigkeit jedenfalls unter Abwägung mit im Einzelfall bestehenden schutzwürdigen Belangen des Betroffenen die Aufhebung einer erschlichenen Einbürgerung zu rechtfertigen. Dabei ist zu beachten, dass gerade die Einbürgerung mit den aus ihr folgenden gewichtigen Verpflichtungen besondere Anforderungen an den Einbürgerungsvorgang und das Verhalten des Einbürgerungsbewerbers hierbei stellt. Umso stärker müssen im Falle einer erschlichenen Einbürgerung bei der Gegenüberstellung öffentlicher und privater Belange im Rahmen der Anwendung der - aus dem Widerstreit zwischen Gesetzmäßigkeitsprinzip und rechtsstaatlichem Vertrauensschutz entwickelten - allgemeinen Vorschriften über die Rücknehmbarkeit von Verwaltungsakten die rechtsstaatlichen Interessen an der Herstellung der Rechtmäßigkeit staatsangehörigkeitsrechtlicher Verhältnisse ins Gewicht fallen. Mit dieser Auslegung des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG steht in Einklang, dass der Gesetzgeber erschlichene Einbürgerungen in § 24 StARegG für unwirksam erklärt und es dort für die Feststellung der Unwirksamkeit eines förmlichen Ausspruches bedarf, der binnen fünf Jahren erfolgen muss (vgl. Renner in: Hailbronner/Renner, a.a.O., Art. 16 GG Rn. 36, 38). Im Übrigen spricht vieles dafür, dass die in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG getroffene Wertentscheidung jedenfalls die Rücknahme solcher rechtswidriger Einbürgerungen verbietet, deren Fehlerhaftigkeit der Sphäre der Verwaltung und nicht der des Eingebürgerten zuzurechnen ist (vgl. auch Becker in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, neu hrsg. von Starck, 4. Aufl., Art. 16 Abs. 1 GG Rn. 41).

Auch das in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Verbot des Verlusts der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen bei Eintritt von Staatenlosigkeit steht im Hinblick auf das hier in gleicher Weise zu berücksichtigende Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung grundsätzlich der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung nicht entgegen (vgl. auch Makarov/v. Mangoldt, a.a.O., § 16 RuStAG Rn. 31; Renner in: Hailbronner/Renner, a.a.O., Art. 16 GG Rn. 37). Dementsprechend kommt nach Art. 8 Abs. 2 des für die Bundesrepublik Deutschland mit Vertragsgesetz vom 29. Juni 1977 (BGBl 1977 II 597) ratifizierten Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 der Grundsatz, dass ein Vertragsstaat keiner Person seine Staatsangehörigkeit entziehen darf, wenn diese dadurch staatenlos wird, nicht zur Anwendung, wenn die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben worden ist. Der Gesichtspunkt der drohenden Staatenlosigkeit eines rechtswidrig Eingebürgerten ist aber in die Ermessenserwägungen einzustellen, die im Rahmen des Art. 48 BayVwVfG vorzunehmen sind. Dem auch hier zu berücksichtigenden objektiven Wertgehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist nämlich zu entnehmen, dass Staatenlosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern ist. Diese verfassungsrechtliche Wertentscheidung ist - unter Berücksichtigung von im Einzelfall durch die Staatenlosigkeit verursachten Beeinträchtigungen privater Belange - gegen das ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen, dem bei einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung - wie bereits ausgeführt - hohes Gewicht zukommt.

3. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den angefochtenen Rücknahmebescheid ergibt Folgendes: Der zurückgenommene Einbürgerungsbescheid vom 25. Januar 1999 war von Anfang an rechtswidrig im Sinne von Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Die nach § 8 RuStAG (in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung) getroffene Ermessensentscheidung war fehlerhaft, weil ihr ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde lag. Sie beruhte nämlich auf der unzutreffenden behördlichen Annahme, dass keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger anhängig seien. Nach derartigen Verfahren war im Antragsformular gefragt worden. Sie waren für die Beurteilung der Frage von Bedeutung, ob der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 46 Nr. 2 AuslG erfüllt (§ 8 Satz 1 Nr. 2 RuStAG). Danach ist eine außerhalb des Bundesgebietes begangene Straftat dann zu berücksichtigen, wenn sie im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist. Bei Hinweisen auf das mögliche zukünftige Vorliegen des Versagungstatbestandes des § 46 Nr. 2 AuslG aufgrund der in Österreich geführten Ermittlungen hätte die Einbürgerungsbehörde die Einbürgerung des Klägers zurückstellen müssen. Insofern gilt nichts anderes als bei der Anspruchseinbürgerung nach dem Ausländergesetz, wo dies in § 88 Abs. 3 AuslG ausdrücklich geregelt ist (zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift bei im Ausland geführten Ermittlungsverfahren vgl. BVerfG, Kammer-Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 2 BvR 2632/93 - NJW 1994, 2016). Infolge der fehlenden Angabe des Klägers über das gegen ihn in Österreich anhängige Ermittlungsverfahren traf der Beklagte hier eine fehlerhafte Einbürgerungsentscheidung.

4. Der angefochtene Rücknahmebescheid wird maßgeblich darauf gestützt, dass der Kläger seine Einbürgerung durch eine bewusste Täuschung erwirkt habe, wobei die Tatbestände des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 1 und 2 BayVwVfG in Betracht kommen, die zu einem Ausschluss von Vertrauensschutz des Begünstigten führen. Die das Vorliegen einer derartigen Täuschung betreffenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts verletzen indessen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er will als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme oder mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (stRspr, vgl. BVerfGE 70, 215 <218>). Daher müssen die wesentlichen der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden, sofern sie nicht nach der Rechtsansicht des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert sind. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte den ihnen unterbreiteten Parteivortrag auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt nicht, dass jedes Vorbringen der Prozessbeteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich beschieden werden muss. Eine Gehörsverletzung ist jedoch anzunehmen, wenn sich aus den besonderen Umständen deutlich ergibt, dass das Gericht ein entscheidungserhebliches Vorbringen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen hat (vgl. Beschluss vom 16. November 2001 - BVerwG 1 B 211.01 - InfAuslR 2002, 150). Solche besonderen Umstände liegen hier vor.

Die Revision nimmt zur Begründung ihrer Gehörsrüge auf die folgenden Ausführungen des Berufungsgerichts Bezug (UA S. 7), mit denen dieses seine Annahme, der Kläger habe die Einbürgerung erschlichen, begründet hat:

"Der Kläger hat in diesem Zusammenhang selbst nicht behauptet, bei dieser Gelegenheit von dem Zeugen S. etwa dahin belehrt worden zu sein, dass das in Österreich anhängige Ermittlungsverfahren hier nicht angegeben werden müsse. Es ist nicht ersichtlich, dass er dieses Ermittlungsverfahren aus anderen Gründen verheimlicht haben könnte, als aus dem, die Entscheidung über seine Einbürgerung zu seinen Gunsten zu beeinflussen."

Dabei ist das Berufungsgericht nicht auf den Vortrag des Klägers in drei Punkten eingegangen, wie er mit Erfolg rügt:

a) Sein damaliger Anwalt habe wegen der ausländischen Ermittlungen mit der Einbürgerungsbehörde gesprochen und den Kläger dahin gehend informiert, dass diese unerheblich seien (Schriftsatz vom 4. Juni 2002).

b) Zum damaligen Zeitpunkt sei generell unklar gewesen, ob sich die Mitteilungspflicht auch auf ausländische Ermittlungsverfahren bezog und insbesondere die hier zuständige Eingangsbehörde (Landeshauptstadt München) seinerzeit die Auffassung vertrat, ausländische Ermittlungsverfahren brauchten nicht angegeben zu werden (Schriftsätze vom 30. Mai 2001 und 4. Juni 2002).

c) Erst im Nachhinein hätten die Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 13. Dezember 2000 bzw. die Formblatterläuterungen klargestellt, dass auch ausländische Ermittlungsverfahren anzugeben seien (Schriftsätze vom 30. Mai 2001 und 8. April 2002).

Das Gericht hat den in Rede stehenden Vortrag im Kern zwar zur Kenntnis genommen, was aus dessen knapper Wiedergabe im Tatbestand des Berufungsurteils deutlich wird (UA S. 4 oben). Es hat sich mit ihm aber nicht sachlich auseinander gesetzt, ihn insbesondere nicht in den Entscheidungsgründen verarbeitet. Das wird aus der Formulierung deutlich, dass für das Berufungsgericht "nicht ersichtlich" gewesen sei, dass das Verhalten des Klägers auf anderen Gründen beruhen könne, als das Ermittlungsverfahren zu verheimlichen und die Entscheidung über seine Einbürgerung zu beeinflussen. Das Urteil zieht nicht die Möglichkeit in Betracht, dass sich der Kläger über seine Verpflichtung zur Angabe auch ausländischer Strafverfahren geirrt haben könnte. Hierzu lag dem Gericht aber substantiierter Sachvortrag vor, zu dem vor dem Verwaltungsgericht eine Beweisaufnahme stattgefunden hatte. Das Berufungsgericht hat auch nicht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu diesem Vortrag des Klägers und der hierzu durchgeführten Beweisaufnahme Bezug genommen. Durch die Nichtberücksichtigung des klägerischen Vortrags zum Fehlen eines Täuschungsvorsatzes hat der Verwaltungsgerichtshof das rechtliche Gehör des Klägers in einer für die Entscheidungsfindung erheblichen Frage verletzt.

Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung des erwähnten Vortrags des Klägers erneut zu prüfen haben, ob dieser die Einbürgerungsbehörde bewusst getäuscht hat. Dabei wird es davon ausgehen können, dass der geschäftserfahrene Kläger sich gegebenenfalls tatsächlich nicht allein auf einen Anwaltsrat verlassen hat, sondern das Antragsformular für die Einbürgerung eigenständig zu würdigen in der Lage war (vgl. im Übrigen die strafgerichtliche Rechtsprechung zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei Beratung durch einen Anwalt, u.a. BayObLG, Beschluss vom 27. Februar 1992, BayVBl 1993, 317). In diesem Zusammenhang wird zu berücksichtigen sein, dass die Frage nach Straftaten und anhängigen Ermittlungsverfahren im Antrag auf Einbürgerung umfassend formuliert und nicht mit Einschränkungen - etwa auf deutsche Verfahren - versehen war. Andererseits wird zu bewerten sein, welche Rückschlüsse gegebenenfalls aus dem Umstand gezogen werden können, dass dem Sachbearbeiter der Einbürgerungsbehörde die Schwierigkeiten des Klägers bei der Passbeschaffung in Österreich im Jahr 1998 bekannt waren.

Zur Bejahung einer Kausalität der unterlassenen Angabe des österreichischen Ermittlungsverfahrens für die Erteilung des Einbürgerungsbescheides wird das Berufungsgericht ferner Feststellungen dazu treffen müssen, ob es der damaligen Verwaltungspraxis des Beklagten entsprach, bei Vorliegen eines ausländischen Ermittlungsverfahrens das Einbürgerungsverfahren auszusetzen. Denn eine derartige von dem Beklagten behauptete Verwaltungspraxis wird vom Kläger bestritten.

Ergibt sich aus der gebotenen Befassung mit dem Vorbringen des Klägers, dass dieser die Einbürgerung nicht durch bewusste Täuschung erwirkt hat, dann ist der angefochtene Rücknahmebescheid bereits deshalb rechtswidrig. Kommt das Berufungsgericht dagegen zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Einbürgerung durch bewusste Täuschung erschlichen hat, wird es weiter aufzuklären haben, ob er nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit wieder die österreichische erlangt bzw. erlangen kann oder aber - wie er behauptet - staatenlos wird und damit auch seine Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach Art. 17 ff. EG (EGV i.d. Amsterdamer Fassung) verliert. Im Fall der Wiedererlangung der österreichischen Staatsangehörigkeit kommt es auf die Hilfserwägungen des Beklagten für den Fall der Staatenlosigkeit nicht an. Gleiches gilt, wenn der Kläger gegebenenfalls nicht in zumutbarer Weise an der Wiedererlangung der österreichischen Staatsangehörigkeit mitwirkt. Würde der Kläger hingegen auf Dauer staatenlos, so wäre der angefochtene Bescheid bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte sein Ermessen im Rahmen der für den Fall des Eintritts von Staatenlosigkeit angestellten Hilfserwägungen nicht in einer den oben dargelegten Anforderungen entsprechenden Weise ausgeübt hat.

Der Beklagte hätte namentlich die vom Kläger vorgetragene und aus den Akten ersichtliche Beeinträchtigung seiner auslandsbezogenen und mit Reisen verbundenen beruflichen Tätigkeit infolge der Staatenlosigkeit und des Verlustes seiner Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach Art. 17 ff. EG (EGV i.d. Amsterdamer Fassung) in die Ermessenserwägungen einstellen müssen. Dies hat der Beklagte verkannt, indem er davon ausging, dass der Kläger zur Vermeidung der Staatenlosigkeit "weder ein privates noch ein für ihn sprechendes öffentliches Interesse geltend machen" könne (vgl. Schriftsatz vom 14. Dezember 2000, S. 2) und dass Ermessenserwägungen zum Verlust der Rechte aus der Unionsbürgerschaft nicht angestellt werden dürften (vgl. Schriftsatz vom 17. Dezember 2001, S. 8). Bei dieser Sachlage kommt die vom Kläger beantragte Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Problematik des Verlusts der Unionsbürgerschaft mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht.

Zur Klarstellung wird ferner auf Folgendes hingewiesen: Stellt das Berufungsgericht eine bewusste Täuschung seitens des Klägers fest, so ist davon auszugehen, dass die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung - abgesehen von den die Staatenlosigkeit betreffenden Ausführungen - die insoweit maßgeblichen Belange mit dem ihnen zukommenden Gewicht hier in ihre Erwägungen eingestellt hat. Namentlich tragen diese Erwägungen dem Erfordernis Rechnung, dass bei einer auf Täuschung hinsichtlich eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gestützten Rücknahme der Einbürgerung das Gewicht des Vorwurfs, der Gegenstand der Ermittlungen ist (hier: schwerer gewerbsmäßiger Betrug), berücksichtigt wird. Hingegen ist Art. 6 Abs. 2 EMRK entgegen der Auffassung des Klägers nicht einschlägig, da die Rücknahme der Einbürgerung nicht auf den Vorwurf gestützt ist, der Kläger habe eine Straftat begangen.

Ende der Entscheidung

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