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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: BVerwG 10 C 10.05
Rechtsgebiete: GG, UStG, AO, VwVfG NRW, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
UStG § 4 Nr. 20 Buchst. a
UStG § 9 Abs. 1
AO § 85 Satz 1
AO § 86 Satz 2 Nr. 1
AO § 88
AO § 111 ff.
VwVfG NRW § 22
RL 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n)
RL 77/388/EWG Art. 13 Teil C
1. Die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG durch die zuständige Kultusbehörde setzt nicht einen Antrag des Unternehmers voraus.

2. Wird die Bescheinigungsbehörde durch das Ersuchen des Finanzamts um entsprechende Prüfung in das Besteuerungsverfahren eingebunden, verbleibt ihr kein Handlungsermessen. Die Bescheinigung ist vielmehr zwingend zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG vorliegen.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

BVerwG 10 C 10.05

Verkündet am 4. Mai 2006

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2006 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte und Domgörgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Die Klägerin, die das Lehmbruck Museum in Duisburg betreibt, wendet sich gegen die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG für eine Umsatzsteuerbefreiung. Die auf Ersuchen des Finanzamts Duisburg-Süd von der Beklagten am 21. Februar 2002 erteilte Bescheinigung besagt, dass die Klägerin die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen erfüllt. Die Umsatzsteuerbefreiung hindert die Klägerin, gegenüber dem Finanzamt einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG geltend zu machen.

Den gegen die Bescheinigung eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 14. Juni 2002 zurück.

Die auf Aufhebung der Bescheinigung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (DÖV 2006, 225) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG zur Erteilung der Bescheinigung berufene Landesbehörde sei befugt, ohne Mitwirkung des betroffenen Unternehmers diese Bescheinigung zu erteilen, wenn das Finanzamt deswegen an sie herantrete. § 22 VwVfG NRW stehe dem nicht entgegen, unabhängig davon, ob man ein Antragsrecht des Finanzamts annehme oder ob es sich insoweit lediglich um eine Anregung handele. Rechtsvorschriften, aus denen sich ergebe, dass die Landesbehörde ohne Antrag nicht tätig werden dürfe, bestünden nicht. Ein Ermessensspielraum, der sie berechtigen könnte, von der Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG abzusehen, sei ihr nicht eingeräumt. Werde sie nämlich im Rahmen des Besteuerungsverfahrens durch das Finanzamt um entsprechende Prüfung ersucht, sei sie in das Besteuerungsverfahren eingebunden, das seinerseits der Finanzbehörde ebenfalls keinen Entscheidungsspielraum belasse. In gleicher Weise müsse dies für die Landesbehörde im Hinblick auf die Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG gelten, gleich ob sie von der Finanzbehörde dazu ersucht werde oder ob der Unternehmer die Bescheinigung zum Zweck der Umsatzsteuerbefreiung beantrage.

Der Einwand der Klägerin, es bestehe im Anwendungsbereich des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG ein "strukturelles Vollzugsdefizit", das zur Unwirksamkeit dieser Regelung führe, sei offensichtlich unzutreffend. Zwar sei es mangels einer entsprechenden Verpflichtung, die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung offen zu legen, möglich, einen in der Sache unberechtigten Vorsteuerabzug geltend zu machen. Dies betreffe aber nicht die hier in Streit stehende Norm um die Steuerbefreiung, sondern ein Vollzugsdefizit im Zusammenhang mit den Regelungen des Vorsteuerabzugs. Darauf komme es hier nicht an.

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG verpflichte die zuständige Landesbehörde nicht, eine Bescheinigung über die Umsatzsteuerbefreiung zu erteilen, selbst wenn sie erkenne, dass deren Voraussetzungen vorlägen. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen für eine solche Handlungspflicht der Behörde. Zweck der Steuerbefreiung sei es nämlich, den Steuerschuldner über die Umsatzsteuer zu subventionieren, um hierdurch andere staatliche Unterstützungen zu vermeiden. Selbst wenn, wie der Bundesfinanzhof meine, die Vorschrift auch dem Zweck dienen solle, die Wettbewerbsgleichheit zwischen den in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen der öffentlichen Hand mit den in Satz 2 der Bestimmung genannten gleichartigen Einrichtungen herzustellen, führe dies nicht zwingend zu einer Verpflichtung der Bescheinigungsbehörde zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens.

Die Beklagte habe auch nicht auf Anregung der Finanzverwaltung tätig werden dürfen, weil dem Finanzamt kein Antragsrecht zur Erteilung der Bescheinigung zustehe. Das Finanzamt verfüge insoweit über keine eigenen Rechte. Die Finanzverwaltung sehe in ihrer eigenen Umsatzsteuerrichtlinie ebenfalls kein eigenes Antragsrecht, sondern lediglich die Möglichkeit vor, die für die Erteilung der Bescheinigung zuständige Landesbehörde "einzuschalten". Mangels der erforderlichen Antragstellung sei die Beklagte daher nicht berechtigt gewesen auch nicht nach pflichtgemäßem Ermessen , die in Streit stehende Bescheinigung zu erteilen.

Selbst wenn das Verwaltungsverfahrensgesetz der zuständigen Landesbehörde die Erteilung der Bescheinigung ohne Antragstellung des Steuerpflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen eröffnen sollte, fehlte es hier jedenfalls an der dann erforderlichen pflichtgemäßen Ermessensausübung. Die zuständige Landesbehörde hätte Ermessenserwägungen dazu anstellen müssen, ob die Erteilung der Bescheinigung über die Steuerfreiheit entgegen den Interessen des Steuerschuldners der Zwecksetzung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG gerecht werde. Dies sei nicht geschehen.

In jedem Fall wäre es verfassungswidrig, der Landesbehörde auch ohne Antrag des Steuerpflichtigen die Erteilung der Bescheinigung nach ihrem Ermessen zu gestatten. Denn in diesem Fall würde die Erhebung der Umsatzsteuer an einem strukturellen Vollzugsdefizit leiden, weil weder dem Finanzamt noch den Bescheinigungsbehörden ein gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung stehe, das die Ermittlung aller Unternehmer, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erfüllen könnten, gewährleiste und so einen gleichmäßigen Belastungserfolg sicherstelle. Weder seien die Unternehmer durch eine Vorschrift verpflichtet, der Finanz- oder Bescheinigungsbehörde anzuzeigen, ob sie die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllten, noch seien die genannten Behörden zu entsprechenden Ermittlungen verpflichtet. Im Übrigen bestünde auch keine Mitwirkungspflicht des steuerpflichtigen Unternehmens bei der Aufklärung der nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG relevanten Umstände. Die mangelnde Mitwirkungs- und Erklärungsbereitschaft der Unternehmen müsste daher sanktionslos bleiben. Es wäre verfassungswidrig, wenn § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG der Finanzbehörde die Möglichkeit eröffnete, immer dann, wenn sie mehr oder minder zufällig in Erfahrung brächte, dass Leistungen eines Unternehmers die Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG erfüllten, durch eine entsprechende Anregung oder einen Antrag bei der Bescheinigungsbehörde unmittelbar Einfluss auf die Steuerschuld des Unternehmers zu nehmen. Es sei im Steuerrecht allgemein anerkannt, dass es allein Sache des Steuerpflichtigen sei, einen Sachverhalt mit steuerlicher Wirkung so zu gestalten, dass er die für ihn günstigste Steuerbelastung ergebe. Diese Möglichkeit würde dem Steuerpflichtigen genommen, wenn er gegen seinen Willen von der Umsatzsteuer befreit werde.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2003 und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. April 2005 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2002 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Finanzamt sei berechtigt, einen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG zu stellen, jedenfalls könne es eine entsprechende Anregung zum Tätigwerden der zuständigen Landesbehörde geben. Zweck der Bestimmung sei die Gewährleistung der Wettbewerbsneutralität zwischen den Einrichtungen der Gebietskörperschaften und den gleichartigen Einrichtungen anderer Unternehmen. Dieser Zweck werde nicht erreicht, wenn ein Unternehmen durch die Nichtvorlage der Bescheinigung Steuervorteile im Wege des Vorsteuerabzugs gegenüber den Unternehmen der Gebietskörperschaften erlangen könne. Ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen widerspreche dem eindeutigen Wortlaut des § 9 UStG, der diejenigen Steuerbefreiungsvorschriften abschließend aufzähle, auf die der Steuerpflichtige verzichten könne, ohne hierbei § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG zu erwähnen. Dürfte die zuständige Landesbehörde nicht von Amts wegen tätig werden, stünde der Gesetzesvollzug des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG unzulässigerweise im Belieben des Steuerpflichtigen. In diesem Zusammenhang stehe der Finanzbehörde auch ein entsprechendes Initiativrecht gegenüber der Landesbehörde zu. Die Ausstellung der Bescheinigung nach der in Streit stehenden Vorschrift stehe nicht im Ermessen der zuständigen Behörde; wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorlägen, sei die Umsatzsteuerbefreiung zwingende Rechtsfolge. Strukturelle Vollzugshindernisse bei Anwendung der Rechtsnorm seien nicht ersichtlich. Den Finanzämtern seien sowohl die Umsatzsteuerpflichtigen als auch diejenigen, die einen Vorsteuerabzug geltend machten, bekannt sowie auch deren Unternehmensgegen€stand.

Die Vertreterin des Bundesinteresses verteidigt das angefochtene Urteil. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG beruhe auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n) der Sechsten EG-Umsatzsteuerrichtlinie. Die Richtlinie räume den Mitgliedstaaten Spielräume ein, welche Leistungen sie auf dem kulturellen Sektor von der Umsatzsteuer befreien wollten. Der deutsche Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, nur die kulturellen Leistungen der in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG aufgeführten Einrichtungen der Gebietskörperschaften zu begünstigen sowie Leistungen vergleichbarer Einrichtungen. Mit dieser Regelung werde eine weitgehende Neutralität bei der Umsatzsteuer im Wettbewerb zwischen den verschiedenen Einrichtungen erreicht. Ebenfalls der Wettbewerbsneutralität sowie der Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen diene das Initiativrecht der Finanzverwaltung zur Erteilung einer Bescheinigung, denn anderenfalls wäre die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG europarechtswidrig in das Belieben des Künstlers oder Veranstalters gestellt. Dieses Initiativrecht der Finanzverwaltung könne letztlich auch zu einer Steuerbefreiung gegen den Willen des Unternehmers führen.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil lässt einen Verstoß gegen revisibles Recht nicht erkennen.

1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht die Vorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Anschluss an die Ausführungen des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts in dessen Urteil vom 23. Mai 2003 1 Bf 399/02 (DÖV 2004, 626) dahingehend auslegt, dass die Erteilung der Bescheinigung nicht einen Antrag des Unternehmers voraussetzt.

Durch die Neufassung des Umsatzsteuergesetzes durch Gesetz vom 26. November 1979 (BGBl I S. 1953) wurde die bis dahin seit 1967 geltende Formulierung in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG ("..., wenn durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen wird, dass ...") durch die nunmehr gültige Formulierung ("..., wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass ...") ersetzt. In der Gesetzesbegründung wird dies als Änderung "redaktioneller Art" erläutert (vgl. BTDrucks 8/1779 S. 35). Spätestens damit ist der Auffassung, der Unternehmer müsse an der Erteilung der Bescheinigung durch einen Antrag mitwirken nämlich um den geforderten "Nachweis" zu erbringen , der Boden entzogen (vgl. Plückebaum/Malitzky, UStG, Stand 1982, § 4 Nr. 20 Rn. 33; Weymüller, in: Sölch/Ringleb, UStG, Stand 2003, § 4 Nr. 20 Rn. 28 und Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 3. April 1980, BStBl I S. 190). Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift soll die Erteilung der Bescheinigung nicht davon abhängen, ob der Unternehmer einen Antrag stellt.

Diesen Befund bestätigt die Systematik des Umsatzsteuerrechts. Mit der Einräumung eines Antragsrechts würde dem Unternehmer letztlich eine Möglichkeit eröffnet, auf die Steuerbefreiung zugunsten eines Vorsteuerabzugs zu verzichten. Das wäre mit der Regelung des § 9 UStG unvereinbar. Absatz 1 dieser Vorschrift räumt dem Unternehmer die Option ein, einen Umsatz, der nach bestimmten Vorschriften des § 4 UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig zu behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG gehört nicht zu den in § 9 Abs. 1 UStG im Einzelnen aufgezählten Steuerbefreiungstatbeständen. Damit verbietet es sich, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG zur Disposition des Unternehmers zu stellen (so BFH, Urteil vom 24. September 1998 V R 3/98 BFHE 187, 334 ).

Ein anderes Auslegungsergebnis wäre auch mit dem Sinn der Vorschrift unvereinbar. Sie zielt darauf ab, die Wettbewerbsgleichheit zwischen den in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen der öffentlichen Hand mit den in Satz 2 der Vorschrift beschriebenen gleichartigen Einrichtungen anderer Unternehmer herzustellen (so BFH, Urteil vom 24. September 1998, a.a.O., unter Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 30. März 1967 zum Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes, BTDrucks V/1581 zu § 4 Nr. 20). Die Zielsetzung, Wettbewerbsneutralität der Umsatzbesteuerung sicherzustellen, würde konterkariert, wenn dem privaten Unternehmer insoweit ein Wahlrecht zugunsten eines im Einzelfall ihm günstigeren Vorsteuerabzugs eingeräumt würde, über das die unmittelbar kraft Gesetzes steuerbefreiten öffentlichen Unternehmer nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG nicht verfügen.

Eine Antragsbefugnis des privaten Unternehmers, die ihm die Option für eine Besteuerung einräumen würde, stünde schließlich auch nicht mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Art. 13 Teil C der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer vom 17. Mai 1977 (ABl EG Nr. L 145 S. 1 ) bestimmt, dass die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen können, in bestimmten Fällen für eine Besteuerung zu optieren. Zu den dort aufgezählten, ersichtlich abschließend gemeinten Fällen gehören die in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG bezeichneten nicht. Eine Befreiung von der Umsatzsteuer, die zu Wettbewerbsverzerrungen führt, wäre mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar; denn der genannten Richtlinie ist der für den nationalen Steuergesetzgeber verbindliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer bei einer Befreiung von der Umsatzsteuer zu entnehmen (so zur Anerkennung von "anderen ... Einrichtungen gleicher Art" nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG EuGH, Urteil vom 6. November C-45/01 [EuGHE I 2003, 12911 ff. ]).

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der zuständigen Landesbehörde, wenn sie durch das Ersuchen des Finanzamts um entsprechende Prüfung in das Besteuerungsverfahren eingebunden wird, kein Handlungsermessen verbleibt. Die Bescheinigung ist vielmehr zwingend zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG vorliegen.

Nach § 85 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) haben die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Dieser verfassungsrechtlich gebotene Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist auch für die Verfahrensdurchführung zwingend, so dass er eine Einleitung des Besteuerungsverfahrens von Amts wegen gebietet (§ 86 Satz 2 Nr. 1 AO). Das Legalitätsprinzip und die Offizialmaxime werden flankiert durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO), der die Aufklärung des nach dem materiellen Steuerrecht entscheidungserheblichen Sachverhalts so regelt, dass auch insoweit der Steuersicherungsauftrag des § 85 Satz 1 AO erfüllt wird. Nach diesen Grundsätzen sind die Finanzbehörden verpflichtet, die gesetzlich geschuldeten Steuern fest- und durchzusetzen. Ein Handlungsspielraum steht ihnen insoweit nicht zu (vgl. dazu etwa Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Auflage, 2005, § 4 Rn. 161 ff.; Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 85 AO Rn. 28 ff.; § 86 AO Rn. 18, 37 f., § 88 AO Rn. 13).

§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG verbietet es den Finanzbehörden allerdings, die dort genannte Voraussetzung der "Gleichartigkeit" in eigener Zuständigkeit zu prüfen, und bindet sie insoweit an die Entscheidung der zu diesem Zweck in das Besteuerungsverfahren einzubeziehenden Verwaltungsbehörde. Die Finanzbehörden sind damit rechtlich gehindert, in dieser Hinsicht selbst tätig zu werden. Sie sind darauf angewiesen, das Fachwissen der Verwaltungsbehörde für sich nutzbar zu machen (vgl. BFH, Urteil vom 24. September 1998, a.a.O.). § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG wirkt sich aus diesem Grunde für die Finanzbehörden als eine spezialgesetzliche Ermittlungsbeschränkung aus (vgl. dazu Söhn, a.a.O., § 88 AO Rn. 22). Der Steuersicherungsauftrag erleidet dadurch dennoch keine Abstriche, weil der genannten Vorschrift zugleich eine Pflicht der Verwaltungsbehörde zu entnehmen ist, die Finanzbehörden durch Prüfung der Voraussetzungen der "Gleichartigkeit" und ggf. durch Erteilung der Bescheinigung zu unterstützen. Die Amtshilfevorschriften der §§ 111 ff. AO werden durch die spezialgesetzliche Regelung des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG verdrängt.

Unanwendbar ist aber auch die von der Klägerin ins Feld geführte Vorschrift des § 22 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-West€falen (VwVfG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999 (GVBl NRW S. 602). Wenn im Schrifttum (Grams, UR 1995, 41 ff.; Schuhmann in: Rau/Dürrwächter, UStG, Stand 2003, § 4 Nr. 20 Rn. 60.2) die Meinung vertreten wird, die Bescheinigung sei nach den gleich lautenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze antragsabhängig, wird dabei die subsidiäre Geltung des Verwaltungsverfahrensrechts gegenüber abweichenden Regelungen des Bundesrechts übersehen.

3. Ohne Erfolg bleibt schließlich die von der Revision erneut erhobene Rüge eines "strukturellen Vollzugsdefizits".

Das Bundesverfassungsgericht hat seine in dem Urteil zur Zinsbesteuerung begründete Rechtsprechung zur normativen Vollzugsgerechtigkeit im Steuerrecht in der Entscheidung vom 9. März 2004 zur Spekulationssteuer (2 BvL 17/02 BVerfGE 110, 94) zusammengefasst und klargestellt, dass verfassungsrechtlich verboten der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregel sei. Zur Gleichheitswidrigkeit führe nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts (a.a.O., S. 113). Für die Prüfung, ob normative Defizite einen gleichmäßigen Belastungserfolg verhindern, sei dabei maßgeblich auf den Regelfall des Besteuerungsverfahrens abzustellen (a.a.O. S. 114).

Gemessen an diesen Grundsätzen vermag der erkennende Senat für die vorliegend in Streit stehende Fallgruppe der Umsatzsteuer kein strukturelles Vollzugsdefizit festzustellen. Einer Heranziehung der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte schon entgegenstehen, dass auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht etwa der Vollzug der Umsatzsteuererhebung im Allgemeinen oder auch nur in einem größeren Teilbereich dieser Steuer als ineffektiv zu bezeichnen wäre. Von der Klägerin wird vielmehr lediglich die eng begrenzte Fallgruppe zur Steuerbefreiung berechtigter, privater kultureller Einrichtungen problematisiert, für die sich der Vorsteuerabzug als finanziell vorzugswürdig erweist. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Systems der Umsatzsteuererhebung in diesem Bereich ist dabei, dass wie ausgeführt wurde das Finanzamt nach dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verpflichtet ist, einen Vorsteuerabzug abzulehnen, wenn es davon Kenntnis erhält, dass ein Unternehmer die Voraussetzungen des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG voraussichtlich erfüllt. Da die private kulturelle Einrichtung, wenn sie einen Vorsteuerabzug geltend macht, mit entsprechend belegten Anträgen an das Finanzamt herantreten muss, besteht auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass es vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG Kenntnis erlangt. Der Unternehmer mag wie die Klägerin geltend macht gegenüber der Verwaltungsbehörde keiner Mitwirkungspflicht bei der Feststellung der Voraussetzungen der "Gleichartigkeit" unterliegen. Hieraus erwachsende praktische Schwierigkeiten werden in aller Regel aber überwindbar sein, weil eine für Kultusangelegenheiten zuständige Behörde andere Erkenntnisquellen Erfolg versprechend nutzen kann. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, für den kennzeichnend ist, dass der Beklagte die Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG erteilen konnte, obwohl die Klägerin das von ihr geforderte Informationsmaterial nicht vorgelegt hatte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).



Ende der Entscheidung

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