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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.12.1999
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 45.99
Rechtsgebiete: AbwAG 1991, WHG


Vorschriften:

AbwAG 1991 § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 5
WHG § 7 a Abs. 1
Leitsatz:

Die Gewährung einer Abwasserabgabenermäßigung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 hängt nicht davon ab, daß der Einleiter den Bescheid- oder Erklärungswert einhält.

Beschluß des 11. Senats vom 22. Dezember 1999 - BVerwG 11 B 45.99 -

I. VG Düsseldorf vom 12.09.1996 - Az.: VG 8 K 11804/94 - II. OVG Münster vom 15.06.1999 - Az.: OVG 9 A 5803/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 45.99 OVG 9 A 5803/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 22. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Prof. Dr. Rubel

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 024,25 DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift folgende Frage auf:

"Müssen für eine Abgabesatzreduzierung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 des Abwasserabgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. November 1990, BGBl I S. 2432 (AbwAG 1991) hinsichtlich solcher Parameter, für die keine Anforderungen in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 7 a Abs. 1 WHG gestellt sind, die dafür erklärten oder im wasserrechtlichen Bescheid festgelegten Überwachungswerte eingehalten werden?"

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, denn zu ihrer Klärung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig auch eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechtes ist Voraussetzung vielmehr, daß der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlautes mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der entstandenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten läßt. So liegt es hier. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist, ohne daß es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, mit Hilfe der dargelegten Kriterien im Sinne des Berufungsgerichts zu entscheiden, das die Einhaltung von Bescheid- oder Erklärungswerten im Rahmen von § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 als unerheblich angesehen hat.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß es sich bei der in § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 enthaltenen Verweisung auf Satz 1 dieser Vorschrift nicht um eine Rechtsfolgen-, sondern um eine Rechtsgrundverweisung handelt (BVerwGE 107, 345 <346>). Die Beschwerde meint hieraus schließen zu können, daß die Einhaltung des Bescheid- oder Erklärungswertes erforderlich ist, um eine Abgabenermäßigung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG erhalten zu können. Dabei geht sie offenbar davon aus, daß dieses in § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 nicht genannte Erfordernis bereits Voraussetzung einer Abgabenermäßigung nach Satz 1 ist. Das trifft jedoch nicht zu. Nach dem unzweideutigen Wortlaut von § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1991 hängt die Abgabenermäßigung davon ab, daß der Bescheid- oder Erklärungswert mindestens den Anforderungen der allgemeinen Verwaltungsvorschrift nach § 7 a Abs. 1 WHG entspricht und d i e s e Anforderungen im Veranlagungszeitraum eingehalten werden; dagegen ist es nicht erforderlich, daß auch der Bescheid- oder Erklärungswert, soweit er höheren Anforderungen entspricht, eingehalten wird. Die gegenteilige Regelung, die noch in § 9 Abs. 5 AbwAG 1976 (BGBl 1976, S. 2723) enthalten war, hat der Gesetzgeber anläßlich der Zweiten Änderung des Abwasserabgabengesetzes bewußt gestrichen (BTDrucks 10/5533, S. 14).

Ein Erfordernis der Einhaltung des Bescheid- oder Erklärungswertes ergibt sich im Rahmen von § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht daraus, daß die in Satz 1 dieser Vorschrift enthaltenen Tatbestandsmerkmale der gegenüber der unmittelbaren Anwendung der Vorschrift geänderten Situation, die in der Verweisungsvorschrift des § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG geregelt ist, angepaßt werden müssen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit geklärt, daß das eigentliche Tatbestandsmerkmal, an welches § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1991 die Abgabenermäßigung knüpft, die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist, die lediglich durch eine Verwaltungsvorschrift nach § 7 a Abs. 1 WHG konkretisiert werden; diese Regeln sind deswegen auch im Falle des § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 einzuhalten, wenn für Schadstoffe, an die in der genannten Verwaltungsvorschrift keine Anforderungen gestellt werden, eine Abgabenermäßigung erlangt werden soll (BVerwGE 107, 345 <346 f.>). Damit wird zum einen dem mit der Regelung des § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 verfolgten gesetzgeberischen Anliegen Rechnung getragen, Einleiter, für die keine Anforderungen in den Abwasserverwaltungsvorschriften festgelegt sind, mit den unter § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG fallenden Einleitern gleichzubehandeln (BTDrucks 11/4942, S. 10). Zum anderen wird gewährleistet, daß eine Ermäßigung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 nicht ohne eigene Anstrengung des Einleiters im Hinblick auf eine Verbesserung der Abwasserbehandlung erlangt werden kann (vgl. BVerwGE 107, 345 <348>).

Auf der Grundlage dieser Auslegung ist für die von der Beschwerde zusätzlich für erforderlich gehaltene Voraussetzung der Einhaltung des Bescheid- oder Erklärungswertes kein Raum. Diesem Erfordernis käme für die im Rahmen von § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 ebenso wie bei Satz 1 dieser Vorschrift maßgeblichen Frage, ob die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden, keine Bedeutung zu. Wenn die Beschwerde dennoch die Einhaltung der Bescheid- oder Erklärungswerte als notwendige Voraussetzung einer Abgabenermäßigung nach § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 ansieht, so legt sie der Vorschrift des § 9 Abs. 5 AbwAG 1991 eine Zielsetzung bei, die ihr nach dem Wortlaut, der dargelegten Entstehungsgeschichte und der zitierten Rechtsprechung nicht zukommt. Der Gesetzgeber hat mit der erwähnten Änderung von § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1991 den mit der Abgabenermäßigung verbundenen Anreiz für möglichst niedrige Überwachungswerte gerade von dem Risiko befreit, durch Nichteinhaltung dieser Werte die Ermäßigung zu verlieren, obwohl die Anforderung des § 7 a Abs. 1 WHG erfüllt sind. Dem von der Beschwerde hervorgehobenen Erfordernis, ein Überschreiten des Erklärungs- oder Bescheidwertes zu sanktionieren, wird - wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat - durch die Regelung des § 4 Abs. 4 AbwAG 1991 hinreichend Rechnung getragen. Es wäre jedenfalls nicht zu rechtfertigen, diesen Gesichtspunkt, der im Rahmen des § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG 1991 nach der gesetzgeberischen Entscheidung keine Rolle spielen soll, gerade bei Satz 4 dieser Vorschrift zu berücksichtigen, obwohl er keinen Zusammenhang mit dem für die Unterscheidung dieser Alternativen maßgeblichen Kriterium der Konkretisierung der allgemein anerkannten Regeln der Technik durch Verwaltungsvorschriften aufweist.

Dieses eindeutige Auslegungsergebnis wird durch den Hinweis der Beschwerde auf eine Formulierung in der Gesetzesbegründung nicht in Frage gestellt, wonach Einleiter ohne die Regelung des § 9 Abs. 5 Satz 4 AbwAG 1991 für Schadstoffeinheiten, für die keine Anforderungen in den Abwasserverwaltungsvorschriften festgelegt sind, die Abgabe nach dem vollen Abgabensatz zahlen müßten, "auch wenn sie" die Bescheid- oder Erklärungswerte einhalten (BTDrucks 11/4942, S. 10), zumal es - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - naheliegt, hierin eine beispielhafte Beschreibung der Ungleichbehandlung ("selbst wenn sie..."), nicht hingegen einen Anhaltspunkt für die Existenz eines einschränkenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmals zu sehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.



Ende der Entscheidung

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