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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 11 C 3.00
Rechtsgebiete: AbwAG


Vorschriften:

AbwAG § 3 Abs. 1
AbwAG § 4 Abs. 1
AbwAG § 6 Abs. 1
AbwAG § 6 Abs. 1 Anlage (zu § 3)
Leitsätze:

1. Eine in einem Bescheid nach § 4 Abs. 1 AbwAG für einen Teilparameter des abgabepflichtigen Parameters Stickstoff angeordnete Temperaturbeschränkung, die die Geltung des festgelegten Überwachungswertes an eine bestimmte Mindesttemperatur bindet, ist für die Berechnung der Abgabe nach dem höchsten Messergebnis aus der behördlichen Überwachung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) unerheblich.

2. Auch ein wegen Unverwertbarkeit einzelner Teilparameter unvollständiger Summenwert ist der Abgabenfestsetzung als das höchste Ergebnis aus der behördlichen Überwachung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) zugrunde zulegen, wenn er - trotz der Unverwertbarkeit einzelner Teilwerte - höher liegt als die vollständig verwertbaren Ergebnisse der übrigen im Rahmen der behördlichen Überwachung durchgeführten Messungen.

3. Für den Parameter Stickstoff bestand bezogen auf den Veranlagungszeitraum 1991 noch keine Erklärungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG. Für diesen Veranlagungszeitraum konnte die Stickstoffabgabe deshalb nicht nach dem höchsten Messergebnis aus der behördlichen Überwachung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) berechnet werden; sie war vielmehr zu schätzen.

Urteil des 11. Senats vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 -

I. VG Düsseldorf vom 24.04.1997 - Az.: 8 K 4479/95 II. OVG Münster vom 15.06.1999 - Az.: OVG 9 A 3377/97


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 11 C 3.00 OVG 9 A 3377/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ohne mündliche Verhandlung am 29. Januar 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Gerhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die klagende Stadt wendet sich gegen die Festsetzung einer Abwasserabgabe für den Schadstoffparameter Stickstoff. Sie leitet Abwasser aus einer von ihr betriebenen Kläranlage in den Rhein ein. In der hierfür erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis aus dem Jahre 1990 war ein Überwachungswert für Ammonium-Stickstoff mit der Maßgabe festgelegt worden, dass dieser Wert nur bei einer Abwassertemperatur von 12°C und größer am Ablauf des biologischen Reaktors der Abwasserbehandlungsanlage gelte. Für den durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes vom 2. November 1990 (BGBl I S. 2425) eingeführten Schadstoffparameter Stickstoff (§ 3 Abs. 1 AbwAG i.V.m. Teil B Nr. 3 der Anlage hierzu) enthält der Bescheid keine Festlegung. Die Klägerin hat hierfür auch keinen in dem streitigen Veranlagungszeitraum 1991 einzuhaltenden Überwachungswert erklärt.

Mit Bescheid vom 25. Mai 1994 veranlagte der Beklagte die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1991 zu einer Abwasserabgabe in Höhe von 132 585 DM. Für den Parameter Stickstoff setzte er die Abgabe auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG auf 76 400 DM fest. Dem lag eine behördliche Messung vom 6. Februar 1991 zugrunde, die bei einer Abwassertemperatur von 3,2°C eine Stickstoffkonzentration von 40,22 mg/l ergeben hatte (0,2 mg/l Ammonium-Stickstoff, 0,02 mg/l Nitrit-Stickstoff und 40,0 mg/l Nitrat-Stickstoff).

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass das bei einer Abwassertemperatur von weniger als 12°C gewonnene Messergebnis nicht hätte verwertet werden dürfen. Hierauf gestützt hat sie nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben und die Aufhebung des Bescheides beantragt, soweit die Abwasserabgabe für den Parameter Stickstoff festgesetzt wurde.

Das Verwaltungsgericht hat die Abgabenfestsetzung für den Parameter Stickstoff mit Urteil vom 24. April 1997 teilweise aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Messergebnis vom 6. Februar 1991 sei nicht verwertbar, da es nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gewonnen worden sei. Bei der Ermittlung der Überwachungswerte nach dem höchsten Messergebnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) werde das vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Bescheidsystem simuliert. Auch in diesem Rahmen seien deshalb die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Die in dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid für den (Einzel-)Parameter Ammonium-Stickstoff genannten Randbedingungen seien schon im Veranlagungszeitraum 1991 auch für den Parameter Stickstoff Inhalt der allgemein anerkannten Regeln der Technik gewesen. Verwertbar sei aber das Ergebnis einer anderen Messung, die bei einer Wassertemperatur von 18,1°C eine Stickstoffkonzentration von 13,2 mg/l ergeben habe. In Höhe eines Betrages von 25 050 DM sei die Stickstoffabgabe deshalb zu Recht festgesetzt worden. Insoweit sei die Klage unbegründet.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, die das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Juni 1999 zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, zur Ermittlung der Schadeinheiten für Stickstoff habe nicht auf das Messergebnis vom 6. Februar 1991 abgestellt werden können. Für die Bestimmung des Ammonium-Stickstoffs habe die in dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid bestandskräftig geregelte Temperaturbindung von mindestens 12°C gegolten. Da hiergegen verstoßen worden sei, sei die Bestimmung des Ammonium-Stickstoffs abgaberechtlich unverwertbar. Damit fehle es an einem für die Bestimmung des Stickstoffs erforderlichen Teilwert, was dazu führe, dass die hierfür notwendige Summenbildung nicht möglich sei.

Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten. Er macht geltend, nach § 3 Abs. 1 AbwAG sei der Abgabenberechnung nicht der Parameter für Ammonium-Stickstoff, sondern für Stickstoff insgesamt zugrunde zulegen. Hierfür enthalte der wasserrechtliche Bescheid aber keine Festlegung. Daher sei auch keine rechtsverbindliche Temperaturbindung auf mindestens 12°C eingetreten. Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG bei Unverwertbarkeit eines Teilparameters eine Summenbildung "nicht möglich" sein solle. In solchen Fällen müsse nur der unverwertbare Teilparameter außer Ansatz bleiben. Die Maßgeblichkeit des höchsten Messergebnisses nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG sei keine Sanktion und gelte deswegen unabhängig von einer - hier allerdings aufgrund landesrechtlicher Verlängerung der Erklärungsfrist gegebenen - Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. April 1997 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15. Juni 1999 aufzuheben und in der Sache erneut zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen. Die durch Bescheid angeordnete Temperaturbeschränkung binde den Beklagten auch bei der Veranlagung auf der Grundlage des höchsten Messergebnisses, da neben dem Erklärungssystem auch diese Berechnungsweise das Bescheidsystem simuliere. Abgesehen davon sei die Temperaturbindung Ausfluss der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Außerdem treffe es weder naturwissenschaftlich noch rechtlich zu, dass bei Unverwertbarkeit eines Teilparameters lediglich dieser Parameter unberücksichtigt bleiben müsse. Im Übrigen sei eine Erklärungspflicht für 1991 ohnehin zu verneinen, sodass nur der Rückgriff auf eine Schätzung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG bleibe, die den anerkannten Regeln der Technik entsprechen müsse.

Der Oberbundesanwalt hat rechtliche Bedenken gegen die angefochtene Entscheidung geäußert. Aus den die Ermittlung der Schädlichkeit des Abwassers abschließend regelnden Vorschriften des Abwasserabgabengesetzes ergebe sich nicht, dass die für Stickstoff oder für Ammonium-Stickstoff ermittelten Werte nur bei Einhaltung bestimmter Temperaturen berücksichtigungsfähig seien. Da das Abwasser mit dem tatsächlich gemessenen Schadstoffgehalt auch in das Gewässer gelange, sei dies im Sinne des Verursacherprinzips auch konsequent. Die von der Klägerin angeführten Vorgaben über eine Wassertemperatur von 12°C hätten keine Bedeutung für die Bestimmung des Stickstoffgehalts im Abwasser (Analyseverfahren), sondern nur für die ordnungsrechtlichen Anforderungen an das Einleiten des Abwassers (Reinigungsverfahren) und die danach durchzuführenden Vermeidemaßnahmen. Die Zahl der Schadeinheiten werde aber unabhängig davon ermittelt, ob bestimmte Einleitungsanforderungen einzuhalten seien oder nicht. Hierauf komme es erst bei der - im vorliegenden Fall nicht anwendbaren - Regelung des § 9 Abs. 5 AbwAG über die Ermäßigung des Abgabesatzes an. Die Frage, ob eine Stickstoffabgabe auch erhoben werden könne, wenn nicht für alle Einzelparameter verwertbare Überwachungsergebnisse vorliegen, stelle sich deshalb nicht. Sie sei aber ohne weiteres zu bejahen. Die Einzelparameter seien autonome Summanden zur Bestimmung des gesamten Stickstoffs. Die Maßgeblichkeit des höchsten Messergebnisses gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG ergebe sich daraus, dass für Stickstoff weder ein Bescheid- noch ein Erklärungswert vorliege. Auf die Einhaltung der Erklärungsfrist komme es insoweit nicht an. Eine rechtzeitige Erklärung sei der Klägerin jedenfalls möglich gewesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht zwar auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Sie stellt sich aber im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

1. Das Oberverwaltungsgericht nimmt zunächst an, die Nebenbestimmung des wasserrechtlichen Erlaubnisbescheides, wonach der Überwachungswert für Ammonium-Stickstoff nur bei einer Abwassertemperatur von mindestens 12°C gelte, stehe der Verwertung eines bei einer niedrigeren Wassertemperatur gewonnenen Messergebnisses entgegen, soweit es um die Bestimmung des AmmoniumStickstoffs gehe. Die damit angenommene Bindungswirkung des wasserrechtlichen Bescheides ist mit den Regelungen des Abwasserabgabengesetzes jedoch nicht zu vereinbaren.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Abwasserabgabengesetzes, das hier in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. November 1990 (- AbwAG 1991 -, BGBl I S. 2432) anzuwenden ist, sind die Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten nur zugrunde zulegen, wenn der Bescheid die nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AbwAG erforderlichen Festlegungen enthält. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an einem durch Bescheid festgelegten Überwachungswert für den durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes (vom 2. November 1990, BGBl I S. 2425) in das Abwasserabgabengesetz aufgenommenen Schadstoffparameter Stickstoff, weshalb der Beklagte die Abgabe für Stickstoff auch nicht auf der Grundlage eines Bescheides, sondern nach dem höchsten Messergebnis aus der behördlichen Überwachung ermittelt hat (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG).

Die Festlegung eines Überwachungswertes für Ammonium-Stickstoff erlaubt keine Berechnung der Abgabe nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG. Bei dem durch das Abwasserabgabengesetz als Bewertungsgrundlage für die Schädlichkeit des Abwassers qualifizierten Parameter Stickstoff (§ 3 Abs. 1 AbwAG und Teil A Abs. 1 Nr. 3 der Anlage zu § 3 AbwAG) handelt es sich um einen Summenparameter, der als Summe der Einzelbestimmungen des Ammonium-Stickstoffs, des Nitrat-Stickstoffs und des Nitrit-Stickstoffs zu bestimmen ist (Teil B Nr. 3 der Anlage zu § 3 AbwAG). Diese Teilparameter werden im Abwasserabgabengesetz aber nicht als selbständige Bewertungsgrundlagen ausgewiesen. Die Abgabenberechnung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG kann deshalb nur auf der Grundlage eines für Stickstoff (als Summenparameter) festgelegten Überwachungswertes erfolgen (vgl. Köhler, AbwAG, Komm., 1999, § 3 Rn. 38 a.E.).

Eine Bindung an die in dem wasserrechtlichen Bescheid festgelegte Temperaturbeschränkung lässt sich für die Berechnung der Abgabe nach dem höchsten Messergebnis aus der behördlichen Überwachung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) auch nicht mit der Erwägung begründen, diese Berechnungsweise simuliere die Bescheidlösung. Denn im Unterschied zu der Bescheidlösung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG) geht die Abgabenberechnung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG nicht von einem wasserrechtlich vorgeschriebenen Überwachungswert (von dem Inhalt einer Verhaltenspflicht), sondern von einer tatsächlich gemessenen Schadstoffkonzentration (von einem tatsächlichen Einleitungsverhalten) aus. Für die Abgabenberechnung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG kommt es deshalb nicht darauf an, an welche (die Verhaltenspflicht einschränkenden) Randbedingungen die Geltung eines wasserrechtlich festgelegten Überwachungswertes geknüpft ist.

Eine Übertragung wasserrechtlicher Anforderungen auf die Berechnung der Abgabe nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG käme allenfalls insoweit in Betracht, als es um die Anforderungen an die Ermittlung des Messergebnisses geht. Die Beteiligten stimmen jedoch darin überein - und das Oberverwaltungsgericht hat nichts anderes festgestellt -, dass die in dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid enthaltene Voraussetzung einer Abwassertemperatur von mindestens 12°C keine Anforderung an die Ermittlung des Messergebnisses (d.h. an das Probenerhebungs- oder Analyseverfahren) zum Ausdruck bringt, sondern damit zusammenhängt, dass die Wirksamkeit der biochemischen Verfahren zum Abbau des Stickstoffs (und insoweit die Reinigungsleistung der Kläranlage) bei niedrigeren Temperaturen nachlässt.

2. Auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht die angefochtene Entscheidung auch insoweit, als das Oberverwaltungsgericht annimmt, die für die Bestimmung des Stickstoffs notwendige Summenbildung sei "nicht möglich", wenn ein hierfür erforderlicher Teilwert fehle.

Hat eine im Rahmen der behördlichen Überwachung durchgeführte Messung für einzelne Teilparameter des abgabepflichtigen Summenparameters kein verwertbares Ergebnis erbracht, so dürfen diese Teilparameter in der Summenbildung allerdings nur mit dem Wert 0 veranschlagt werden. Auf der Basis der übrigen - verwertbaren - Teilparameter bleibt die zur Bestimmung des Summenparameters erforderliche Summenbildung (vgl. Teil B Nr. 3 der Anlage zu § 3 AbwAG) gleichwohl möglich. Der so ermittelte Summenwert ist der Abgabenfestsetzung als das höchste Ergebnis aus der behördlichen Überwachung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG) zugrunde zulegen, wenn er - trotz der Unverwertbarkeit einzelner Teilwerte - höher liegt als die vollständig verwertbaren Ergebnisse der übrigen im Rahmen der behördlichen Überwachung durchgeführten Messungen. Rechte des Abgabepflichtigen werden hierdurch nicht verletzt. Denn das ermittelte Summenergebnis liegt dann jedenfalls nicht höher als bei einer (unzulässigen) Einbeziehung auch der nicht verwertbaren Teilparameter. Außerdem werden die Einzelparameter des abgabepflichtigen Parameters Stickstoff hierdurch auch nicht - entgegen der gesetzlichen Regelung - als eigenständige Bewertungsgrundlagen behandelt. Grundlage der Bewertung bleibt vielmehr der Summenparameter, der nur möglicherweise nicht vollständig ausgeschöpft wird.

3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich im Ergebnis aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Beklagte hätte die Abgabe für Stickstoff nicht nach dem höchsten Messergebnis aus der behördlichen Überwachung, sondern nur aufgrund einer Schätzung ermitteln dürfen, da für diesen Parameter noch keine Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG bestand.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG ist der Ermittlung der Schadeinheiten das höchste Ergebnis aus der behördlichen Überwachung zugrunde zulegen, wenn der Einleiter seiner Erklärungspflicht nach Satz 1 nicht nachkommt. Für den erst durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes in das Abwasserabgabengesetz aufgenommenen Schadstoffparameter Stickstoff bestand aber keine schon auf den Veranlagungszeitraum 1991 bezogene Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG, da das Änderungsgesetz erst zum 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist (vgl. dessen Art. 5) und keine Übergangsregelung zur Erklärung von Überwachungswerten für die neu eingeführten Schadstoffparameter Stickstoff und Phosphor enthält (ebenso bereits VGH Mannheim, Urteil vom 19. Februar 1998 - VGH 2 S 3084/96 -, NVwZ-RR 1999, 527 <529 ff.>). Für diese Parameter konnte eine Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG deshalb frühestens am 1. Januar 1991 entstehen. Zu diesem Zeitpunkt war eine rechtzeitige Erklärung für den Veranlagungszeitraum 1991 aber nicht mehr möglich, da die Erklärung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG spätestens einen Monat vor Beginn des Veranlagungszeitraums abzugeben ist. Dass es der Beklagte - wohl in Anwendung der Wiedereinsetzungsregelung - für die Erfüllung der Erklärungsfrist als ausreichend angesehen hat, wenn die Überwachungswerte für die neu eingeführten Parameter Stickstoff und Phosphor für den Veranlagungszeitraum 1991 bis spätestens einen Monat vor dem Ende dieses Veranlagungszeitraums erklärt wurden (vgl. hierzu auch Dahme in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG und AbwAG, Komm., Stand 1.8.1999, § 6 AbwAG, Rn. 10), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine solche Vollzugspraxis mit Zielsetzung und Systematik des Abwasserabgabengesetzes zu vereinbaren ist. Denn der Einleiter soll im Rahmen der Abgabenberechnung nach dem Erklärungssystem dazu angehalten werden, die erklärten Überwachungswerte einzuhalten oder sogar zu unterbieten. An die Unterschreitung und Überschreitung der erklärten Überwachungswerte sind deshalb positive oder negative abgabenrechtliche Folgen geknüpft (sog. "Bonus-Malus-System", vgl. etwa § 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4 AbwAG oder § 9 Abs. 5 AbwAG). Die hiermit angestrebte Steuerungswirkung (vgl. Gesetzesbegründung, BTDrucks 10/5533 S. 13) würde aber verfehlt, wenn die Überwachungswerte vom Einleiter auch nachträglich erklärt werden könnten (vgl. ebenso VGH Mannheim, a.a.O., S. 530). Unabhängig hiervon könnte auf diese Weise nur die Rechtzeitigkeit der Erfüllung einer bestehenden Erklärungspflicht bewirkt, nicht hingegen eine nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG gerade nicht bestehende Pflicht begründet werden. Hierzu bedürfte es im Hinblick auf den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Abgabenerhebung (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 20. August 1997 - BVerwG 8 B 170.97 - Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 5) einer gesetzlichen Regelung. Denn das Bestehen der Erklärungspflicht ist für die Abgabenberechnung von wesentlicher Bedeutung und entfaltet im Hinblick auf die vom Gesetzgeber an ihre Missachtung aus Gründen der Verhaltenssteuerung bewusst geknüpfte Folge der Abgabenberechnung nach dem höchsten Messergebnis (Gesetzesbegründung, a.a.O.) keineswegs nur begünstigende Wirkungen. Deswegen verbietet es sich auch, entgegen dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG die Zulässigkeit einer Ermittlung der Schadeinheiten nach dem höchsten Messergebnis allein vom Fehlen einer Erklärung und nicht davon abhängig zu machen, dass der Einleiter seiner Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nicht nachgekommen ist.

Die Ermittlung der Schadeinheiten kann deshalb bei fehlender Erklärungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nur aufgrund einer behördlichen Schätzung der Überwachungswerte erfolgen (zutreffend VGH Mannheim, a.a.O., S. 530). Bei einer solchen Schätzung ist allerdings nicht - wie der Oberbundesanwalt offenbar meint - ohne weiteres vom höchsten Messwert auszugehen.

Vielmehr muss im Interesse einer realitätsnahen Schätzung insbesondere etwaigen jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Reinigungsleistung im Hinblick auf den Parameter Stickstoff durch Einbeziehung aller erhobenen Messwerte hinreichend Rechnung getragen werden. Dem Erfordernis einer Schätzung steht nicht entgegen, dass die letztrangige Auffangregelung in § 6 Abs. 1 Satz 3 AbwAG tatbestandlich nur daran anknüpft, dass kein verwertbares Überwachungsergebnis vorliegt. Denn eine Befugnis zur Schätzung ist im Abgabenrecht als Ultima Ratio auch dort anzuerkennen, wo sie nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist (vgl. etwa BVerwGE 68, 249 <254>). Im Abwasserabgabenrecht kommt die Schätzung als letzte Berechnungsmöglichkeit stets zum Zuge, wenn ein abgabepflichtiger Einleitungstatbestand vorliegt und keines der anderen gesetzlich vorgesehenen Systeme anwendbar ist (vgl. Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Auflage 1995, S. 113).

Da dem Beklagten - anders als bei der von ihm getroffenen gebundenen Entscheidung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AbwAG - bei einer Schätzung der Überwachungswerte ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. Köhler, a.a.O., § 6, Rn. 28; Dahme, a.a.O., § 6, Rn. 20) und die Schätzungsgrundlagen - wie dargelegt - von der Abgabenberechnung nach dem höchsten Messwert abweichen, könnte der Beklagte den angefochtenen Abgabenbescheid, soweit damit ein 81 235 DM übersteigender Betrag geltend gemacht wird, nicht ohne Wesensveränderung dieses Bescheides auf eine Schätzung stützen. Das "Nachschieben" einer solchen Begründung wäre deswegen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides und mithin für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ohne Bedeutung (vgl. etwa BVerwGE 64, 356 <358> m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat deshalb die Berufung des Beklagten gegen die teilweise Aufhebung des Abgabenbescheides im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 51 350 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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