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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 13.11.1997
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 6.96
Rechtsgebiete: BBG


Vorschriften:

BBG § 55
Leitsatz:

Der Entzug des Tarnkennzeichens ist kein Verwaltungsakt.

Die Sicherheitsempfindlichkeit einer speziellen Tätigkeit des BND hat allein der Dienstherr zu beurteilen. Verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt, ob der Dienstherr im Rahmen seiner Befugnis, den Beamten in seinem Aufgabenbereich zweckmäßig einzusetzen, die Grenzen seines grundsätzlich weiten Ermessens überschritten hat. Urteil des 2. Senats vom 13. November 1997 - BVerwG 2 A 6.96


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 A 6.96

Verkündet am 13. November 1997

Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Oberregierungsrat im Dienst der Beklagten. Seit Dezember 1987 ist er als Anbahner/Verbindungsführer in einer Außenstelle eingesetzt. Im Januar 1990 wurde ihm auf Antrag für seinen privaten Pkw ein Deckkennzeichen (Tarnkennzeichen) zugeteilt. Nach einer Reihe von Verkehrsordnungswidrigkeiten wurde im August 1992 der Entzug des Tarnkennzeichens erklärt, im November 1992 aber wieder aufgehoben.

Aufgrund weiterer Verkehrsordnungswidrigkeiten wurde dem Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 1996 in Anwendung der Ziffer 4 der Verfügung über Zuteilung und Gebrauch von Tarnkennzeichen das ihm zugeteilte Tarnkennzeichen entzogen. Der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid vom 17. September 1996 als unzulässig zurückgewiesen. Die Maßnahme sei für den Kläger ein verwaltungsinterner Vorgang, der nicht geeignet sei, seine Stellung als Träger selbständiger Rechte gegenüber seinem Dienstherrn zu berühren. Im übrigen werde durch den Entzug des Tarnkennzeichens seine Sicherheit nicht beeinträchtigt. Dies zu beurteilen sei Sache des Dienstherrn.

Am 21. Oktober 1996 hat der Kläger Klage erhoben und zunächst den Antrag angekündigt, den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. September 1996 aufzuheben. Er ist sodann zur Feststellungsklage übergegangen und trägt vor, er habe sein Fahrzeug am 12. September 1997 abgemeldet. Er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Das Problem der Zuteilung oder des Entzugs eines Tarnkennzeichens könne jederzeit wieder auftreten. Durch den Entzug des Tarnkennzeichens verletze die Beklagte die Fürsorgepflicht, da sie ihm den in seiner speziellen Funktion erforderlichen Schutz vor Enttarnung seiner Person entziehe. Er beantragt,

festzustellen, daß der Entzug des Tarnkennzeichens rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

II.

Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, hat keinen Erfolg.

Der ursprünglich vom Kläger angekündigte Antrag war als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Entziehung des Tarnkennzeichens ist zwar kein Verwaltungsakt. Sie ist zu der Vielzahl der im einzelnen nicht normativ erfaßten Maßnahmen zu rechnen, die zur Erhaltung und Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung unerläßlich sind. Sie gehört ihrem objektiven Sinngehalt nach zu den Anordnungen, die die dienstliche Verrichtung eines Beamten betreffen und sich in ihren Auswirkungen auf die organisatorische Einheit beschränken, der der Beamte angehört (vgl. zur ähnlichen Problematik bei der Umsetzung eines Beamten Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78 - <BVerwGE 60, 144 ff. = Buchholz 232 § 26 Nr. 20> und bei der Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten Urteile vom 12. Februar 1981 - BVerwG 2 C 42.78 - <Buchholz 232 § 26 Nr. 21> und vom 1. Juni 1995 - BVerwG 2 C 20.94 - <BVerwGE 98, 334 ff. - Buchholz 237.1 Art. 4 Nr. 1>). In den zitierten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts ist ausgeführt, daß die Qualifizierung derartiger Maßnahmen als innerbehördliche Organisationsmaßnahme ohne Verwaltungsaktqualität nicht den Verwaltungsrechtsschutz in Form der Leistungsklage ausschließt. Der Kläger hat auch geltend gemacht, durch die Entziehung des Tarnkennzeichens in seinen individuellen Rechten verletzt zu sein.

Nachdem das auch bei Leistungsklagen des Beamten erforderliche Widerspruchsverfahren (§ 126 Abs. 3 BRRG, § 68 VwGO) durchgeführt worden war, ist der Kläger nach Verkauf des Kraftfahrzeugs, für das ihm das Tarnkennzeichen entzogen worden ist, mit Recht zu einer Feststellungsklage übergegangen. Unabhängig davon, ob diese Feststellungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder nach § 43 VwGO zu qualifizieren ist, ergibt sich das erforderliche Feststellungsinteresse aus der vom Kläger vorgetragenen Wiederholungsgefahr beim Kauf eines neuen Kraftfahrzeugs.

Der Entzug des Tarnkennzeichens ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden. Die in Anwendung der Verfügung vom 9. November 1995 über Zuteilung und Gebrauch von Tarnkennzeichen bei der Benutzung eines privaten Pkw im Rahmen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit erfolgte Zuteilung eines Tarnkennzeichens gehört zum innerdienstlichen und organisatorischen Bereich des Dienstherrn, über den allein er zu entscheiden hat. Die Erteilung von Tarnkennzeichen dient der Funktionsfähigkeit des BND und ist ein unentbehrliches Hilfsmittel der nachrichtendienstlichen Tätigkeit; sie soll u.a. die unbefugte Feststellung der Personalien des jeweiligen Fahrzeughalters und die Ausspähung nachrichtendienstlicher Verbindungen verhindern. Derartigen Anordnungen hat der Beamte Folge zu leisten (§ 55 BBG).

Die Frage, ob im Einzelfall die zweckmäßigste Maßnahme getroffen wird, stellt sich im Hinblick auf das dem Dienstherrn zustehende Ermessen nicht. Derartige Anforderungen tragen dem Gesichtspunkt der Sicherheitsempfindlichkeit der speziellen Tätigkeit des BND und damit zugleich auch dem Schutz des jeweiligen Beamten Rechnung. Die Frage der Sicherheitsempfindlichkeit hat der Dienstherr zu beurteilen. Verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt die Frage, ob der Dienstherr im Rahmen seiner Befugnis, den Beamten in seinem Aufgabenbereich zweckmäßig einzusetzen, die Grenzen seines grundsätzlich weiten Ermessens überschritten oder den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt hat. In diesem Zusammenhang sind die von der Beklagten in ihren Richtlinien niedergelegten Grundsätze zu beachten (vgl. auch Beschluß vom 11. März 1987 - BVerwG 2 B 135.86 - <Buchholz 232 § 55 Nr. 7>).

Die Erwägungen der Beklagten, dem Kläger das Tarnkennzeichen zu entziehen, werden diesem Maßstab gerecht. Der Gesichtspunkt, daß die Benutzung eines Tarnkennzeichens der Sicherheitsempfindlichkeit des Aufgabenbereichs nur gerecht werden könne, wenn der Bedienstete unauffällig am Straßenverkehr teilnimmt und nicht durch häufige Ordnungswidrigkeiten auffällt, ist nicht sachwidrig. Das gilt auch für die Erwägung, daß insoweit der Entzug des Tarnkennzeichens nicht die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verletzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG). .

Ende der Entscheidung

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