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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.02.2000
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 6.99
Rechtsgebiete: BBesG, BBG


Vorschriften:

BBesG § 12 Abs. 2
BBesG § 59 Abs. 5
BBG § 18 Abs. 2
Leitsätze:

1. Aufgrund einer "Auflage", von der die Gewährung der Anwärterbezüge während eines Studiums abhängig gemacht worden ist, können die Bezüge für die Zeit der Fachstudien und der berufspraktischen Studienzeiten zurückgefordert werden (wie Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 2 C 28.91).

2. Für die Rückforderung der Anwärterbezüge ist unerheblich, ob das Studium Voraussetzung für eine weitere Ausbildung sein kann, ob es eine Grundlage für eine privatwirtschaftliche Betätigung bietet oder ob es zumindest eine Qualifikation verschafft, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes genutzt werden kann.

Urteil des 2. Senats vom 10. Februar 2000 - BVerwG 2 A 6.99 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 A 6.99

Verkündet am 10. Februar 2000

Grubert Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2000 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Klägerin leistete als Beamtin auf Widerruf in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 30. September 1990 den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes im Bundesnachrichtendienst und absolvierte in dessen Rahmen ein Studium an der Fachhochschule des Bundes. Vor ihrer Einstellung war ihr mitgeteilt worden, die Anwärterbezüge würden mit der Auflage gewährt, daß die Ausbildung nicht vorzeitig aus einem von ihr zu vertretenden Grund endet und sie im Anschluß an ihre Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet.

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 stellte die Beklagte die Klägerin als Beamtin auf Probe ein. Anläßlich ihres Antrages, sie aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 9. November 1990 mit, daß wegen ihres Ausscheidens Anwärterbezüge in Höhe von 15 267 DM zurückzufordern seien; hierauf werde jedoch verzichtet u.a. unter der Bedingung, daß sie nach Abschluß ihres Studiums und gegebenenfalls eines anschließenden Vorbereitungsdienstes wieder in den öffentlichen Dienst eintritt und nicht vor Ablauf von drei Jahren aus einem von ihr zu vertretenden Grunde aus dem öffentlichen Dienst ausscheidet. Mit Ablauf des 13. November 1990 wurde die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Im Oktober 1995 beendete die Klägerin den Studiengang Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien mit der Diplomprüfung. Im März 1996 nahm sie eine Berufstätigkeit bei einem Privatunternehmen auf. Dies teilte sie der Beklagten im März 1999 mit.

Nach Anhörung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 1999 von der Klägerin die Zahlung von 15 267 DM.

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 13. April 1999 und vom 17. August 1999 aufzuheben.

Zur Begründung macht sie im wesentlichen geltend:

Die unterbliebene Rückkehr in den öffentlichen Dienst habe sie nicht zu vertreten. Vergeblich habe sie sich zweimal bei der Stadt A. um eine Stelle im öffentlichen Dienst bemüht.

Als Studium im Sinne des Gesetzes könne nur eine Ausbildung anerkannt werden, die den Anwärter befähige und berechtige, den Studienabschluß anderweitig, gerade auch außerhalb des öffentlichen Dienstes zu nutzen. Aus dem Studium an der Fachhochschule des Bundes sei ihr kein verwertbarer Vorteil verblieben. Im übrigen habe der Dienstherr bereits unmittelbaren Nutzen aus ihrer Tätigkeit während des Vorbereitungsdienstes ziehen können, weil die Hälfte der Ausbildungszeit auf den praktischen Einsatz in verschiedenen Abteilungen des Dienstes entfallen sei.

Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

II.

Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist unbegründet. Die Beklagte durfte von der Klägerin nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative BGB durch Leistungsbescheid 15 267 DM zurückfordern, weil Anwärterbezüge in diesem Umfang während der Zeit von Oktober 1987 bis September 1990 "zuviel" gezahlt worden sind. Der nach der "Auflage" gemäß dem Schreiben vom 10. September 1987 mit der Zahlung der Anwärterbezüge bezweckte Erfolg der Ableistung einer Mindestdienstzeit im öffentlichen Dienst ist nicht eingetreten.

Die Beklagte war gemäß § 59 Abs. 5 BBesG befugt, die Zahlung der Anwärterbezüge u.a. davon abhängig zu machen, daß die Klägerin im Anschluß an ihre Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausschied. Bei der "Auflage" im Sinne des § 59 Abs. 5 BBesG handelt es sich nicht um eine Auflage im rechtstechnischen Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG oder um eine andere Art von Nebenbestimmung, sondern um eine besondere Zweckbestimmung, die mit der Zahlung der Anwärterbezüge verfolgt wird. Die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Ermächtigung umfaßt auch die Befugnis, die Anwärterbezüge an die - vor deren Auszahlung ausdrücklich zu erklärende - Verpflichtung zu koppeln, das Studium im Rahmen des Vorbereitungsdienstes bis zum Abschluß zu absolvieren, im Anschluß daran in den öffentlichen Dienst einzutreten und darin während einer Mindestdienstzeit zu verbleiben (vgl. Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 2 C 28.91 - <Buchholz 240 § 59 Nr. 7>). Wird diese Zweckbestimmung verfehlt, besteht ein Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung der Anwärterbezüge.

Durch das Schreiben der Beklagten vom 9. November 1990, mit dem der Rückforderungsanspruch davon abhängig gemacht wurde, daß die Klägerin nach Abschluß ihrer weiteren Ausbildung erneut in den öffentlichen Dienst eintritt und nicht vor Ablauf von drei Jahren aus einem von ihr zu vertretenden Grunde wieder ausscheidet, wurde die ursprüngliche Zweckbestimmung nicht aufgehoben, sondern ausschließlich zugunsten der Klägerin in zulässiger Weise modifiziert.

Gemäß § 59 Abs. 5 BBesG kann sich die Zweckbestimmung auf die Anwärterbezüge erstrecken, die sowohl für die Zeit des Unterrichts an der Fachhochschule als auch für die berufspraktischen Studienzeiten gezahlt werden (Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 2 C 28.91 - <a.a.O>). Die Vorschrift setzt ein im Rahmen des Vorbereitungsdienstes abgeleistetes Studium voraus, ohne hinsichtlich dessen Art und Ausgestaltung irgendeine Unterscheidung zu treffen. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 BBG, § 25 Abs. 2 Satz 1 BLV wird der gesamte dreijährige Vorbereitungsdienst für eine Laufbahn des gehobenen Dienstes in einem Studiengang an einer Fachhochschule durchgeführt, der aus Fachstudien an der Fachhochschule des Bundes oder an einer gleichstehenden Hochschuleinrichtung und aus "berufspraktischen Studienzeiten" besteht. Fachstudien und berufspraktische Studienzeiten bilden nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 25 Abs. 2 Satz 3 BLV eine Einheit. Danach gehören auch die berufspraktischen Zeiten zu dem Studium, an das die Bestimmung des § 59 Abs. 5 BBesG anknüpft.

Die Ermächtigung des § 59 Abs. 5 BBesG beschränkt sich nicht darauf, die Rückforderung von Anwärterbezügen zu ermöglichen, wenn der Beamte auf Widerruf ein Studium absolviert, das Voraussetzung für eine weitere Ausbildung ist oder das eine Grundlage für eine privatwirtschafliche Betätigung bietet oder zumindest eine Qualifikation verschafft, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes genutzt werden kann. Der Wortlaut des § 59 Abs. 5 BBesG setzt ein Studium im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes voraus, ohne die Art des Studiums - insbesondere hinsichtlich seiner anderweitigen Verwertbarkeit - näher zu bestimmen. Nach Sinn und Zweck soll die Vorschrift sicherstellen, daß Anwärter, die zunächst im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes an einer Fachhochschule studieren und nach dem Abschluß nicht mehr bereit sind, als Beamte im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn zu verbleiben, keine finanziellen Vorteile gegenüber anderen Studierenden erlangen (BTDrucks 7/1906 S. 90; Begründung der Bundesregierung zu § 62 des Entwurfes eines Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern). Der Vorteil, den die eine Rückforderung ermöglichende "Auflage" gemäß § 59 Abs. 5 BBesG ausgleichen soll, besteht darin, daß ein Studium im Rahmen eines Beamtenverhältnisses gefördert wird und der Beamte auf Widerruf während des Studiums insbesondere einen Anspruch auf Besoldung hat. Diese kostenaufwendige Form der Ausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes privilegiert die "Anwärterstudenten" im Vergleich mit anderen Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst und im Vergleich mit Studierenden, die keine Bezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz während ihrer Ausbildung erhalten. Aufgrund dieser Besonderheiten ist es gerechtfertigt, die Grundsätze der strengen Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 BBesG), der Unverzichtbarkeit der Besoldung (§ 2 Abs. 3 BBesG) und der besoldungsrechtlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) durch individuelle "Auflagen" auf der Grundlage des § 59 Abs. 5 BBesG zu modifizieren.

Benachteiligungen der Beamten auf Widerruf, die wegen einer "Auflage" nach § 59 Abs. 5 BBesG zur Rückzahlung der Anwärterbezüge verpflichtet sind, werden - pauschalierend und typisierend - dadurch vermieden, daß sich die Rückzahlungspflicht auf den Teil der Anwärterbezüge beschränkt, der den Betrag in § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG in der jeweils geltenden Fassung überschreitet (Tz. 59.5.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz vom 29. Mai 1980, GMBl S. 290, BBesGVwV).

Der durch die "Auflagen" bzw. "Bedingungen" in den Schreiben der Beklagten vom 10. September 1987/9. November 1990 bestimmte Zweck der Zahlung von Anwärterbezügen ist nicht erreicht worden. Die Klägerin ist nach dem Abschluß des Vorbereitungsdienstes zwar in den öffentlichen Dienst eingetreten, dort jedoch nur für die Zeit vom 1. Oktober 1990 bis 13. November 1990 aufgrund eigener Entscheidung verblieben. Damit wurde die "Mindestdienstzeit" von fünf bzw. drei Jahren bei weitem nicht erreicht.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß eine Rückzahlungspflicht auch dann entfällt, wenn eine Verwendung des Beamten im öffentlichen Dienst nach der weiterführenden Ausbildung trotz nachgewiesener Bemühungen aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist (so Tz. 59.5.3 BBesGVwV <a.a.O.>). Es ist bereits nicht ersichtlich, daß sich die Klägerin in dem gebotenen Umfang um eine Einstellung in den öffentlichen Dienst bemüht hat. Allein die beiden Bewerbungen bei der Stadt A. sowie die Meldung beim Arbeitsamt B., die nach dem Vorbringen der Klägerin nicht auf eine Einstellung im öffentlichen Dienst begrenzt war, reichten nicht für den Nachweis aus, die Klägerin habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu finden. Um ihre Rückzahlungspflicht abzuwenden, hätte die Klägerin sich jedenfalls nicht darauf beschränken dürfen, nur um eine Beschäftigung in einem örtlich eng begrenzten Bereich und entsprechend ihrer Qualifikation aufgrund des Universitätsstudiums nachzusuchen.

Schließlich brauchte die Beklagte nicht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen. Obgleich sie die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß über "eventuelle Erleichterungen" aufgrund besonderer Begründung und Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse entschieden werden könne, hat diese keine Umstände vorgetragen, die die Beklagte hätten veranlassen können und müssen, von der Forderung in einem Betrag und mit sofortiger Fälligkeit abzusehen. Die Absicht der Klägerin, ein Grundstück erwerben und dieses bebauen zu wollen, war nicht geeignet, die Rückforderung als unbillig erscheinen zu lassen, da eine vorrangige Verpflichtung nicht bestand und nicht begründet werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 267 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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