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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.06.1999
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 3.99
Rechtsgebiete: BeamtVG, BeamtVÜV


Vorschriften:

BeamtVG § 107 a
BeamtVÜV § 1 Abs. 1
BeamtVÜV § 3 Abs. 1
Leitsatz:

Eine Verwendung zum Zwecke der Aufbauhilfe im Beitrittsgebiet liegt nicht darin, daß der Beamte aufgrund einer Verlegung seiner Beschäftigungsdienststelle seinen Dienst im Beitrittsgebiet verrichtet.

Urteil des 2. Senats vom 10. Juni 1999 - BVerwG 2 C 3.99 -

I. VG Berlin vom 18.12.1995 - Az.: VG 28 A 30.94 - II. OVG Berlin vom 03.11.1998 - Az.: OVG 4 B 23.96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 3.99 OVG 4 B 23.96

Verkündet am 10. Juni 1999

Stolp Amtsrat als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 1999 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 3. November 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger, zuletzt Oberrechnungsrat im Dienste der Beklagten, war von 1987 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Dezember 1993 bei der Außenstelle Berlin des Bundesrechnungshofes eingesetzt. Zum 1. Juli 1991 setzte ihn die Beklagte von dem Prüfungsgebiet II 4 auf das neu eingerichtete, ebenfalls in der Außenstelle Berlin bearbeitete Prüfungsgebiet IX 4 (Geldleistungen des Bundes - Beitrittsgebiet) um. Ebenfalls am 1. Juli 1991 gab die Beklagte das bisherige Dienstgebäude ihrer Außenstelle im Westteil der Stadt auf; alleiniger Dienstsitz der Außenstelle war von nun an das bereits seit dem 3. Oktober 1990 vom Bundesrechnungshof benutzte Gebäude im Ostteil Berlins.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 1993 setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge des Klägers auf der Grundlage einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit fest, bei deren Berechnung die Dienstzeit des Klägers in der Außenstelle Berlin im Ostteil der Stadt nur einfach berücksichtigt wurde. Den Widerspruch gegen die unterlassene doppelte Anrechnung der im Ostteil Berlins verbrachten Dienstzeit wies die Beklagte zurück.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Die Verwendung des Klägers in der Außenstelle im Ostteil Berlins sei keine Verwendung zum Zwecke der Aufbauhilfe gewesen, wie es § 3 Abs. 1 Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung als Voraussetzung einer doppelten Berücksichtigung fordere. Aufbau im Sinne dieser Bestimmung sei die Schaffung neuer oder die Umgestaltung vorhandener Verwaltungs- oder Justizstrukturen. Beim Bundesrechnungshof seien jedoch im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands weder neue Verwaltungsstrukturen geschaffen noch bestehende Strukturen verändert worden, lediglich der Umfang der gesetzlichen Aufgaben sei gewachsen und zusätzliches Personal habe eingestellt werden müssen. Die Verlegung der Außenstelle in den Ostteil der Stadt sei die Reaktion hierauf gewesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 3. November 1998 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. Dezember 1995 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des Bundesrechnungshofes vom 21. Oktober 1993 und des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 21. Dezember 1993 zu verpflichten, dem Kläger Versorgungsbezüge unter doppelter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1993 als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu gewähren.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf doppelte Berücksichtigung der Dienstzeit, die er vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1993 in der Außenstelle Berlin des Bundesrechnungshofes im Ostteil der Stadt zugebracht hat.

Die Aufklärungsrüge des Klägers genügt nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Der Kläger hat weder die Tatsachen angegeben, die das Berufungsgericht hätte ermitteln müssen, noch die Beweismittel genannt, deren es sich hätte bedienen sollen. Er hat ferner nicht mitgeteilt, inwiefern das angefochtene Urteil im einzelnen auf der unterbliebenen Aufklärung beruht (BVerwGE 55, 159 <169>; Urteil vom 27. Mai 1982 - BVerwG 2 C 50.80 - <NJW 1983, 187, 189> m.w.N.).

Die Dienstzeit des Klägers in der Außenstelle des Bundesrechnungshofes im Ostteil Berlins erfüllt nicht die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 der Verordnung über beamtenversorgungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung - BeamtVÜV -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1993 (BGBl I S. 369) (mit späteren hier nicht einschlägigen Änderungen). Nach dieser Bestimmung wird die Zeit der Verwendung eines Beamten oder eines Richters aus dem früheren Bundesgebiet zum Zwecke der Aufbauhilfe im Beitrittsgebiet doppelt als ruhegehaltfähig berücksichtigt, wenn diese Zeit ununterbrochen mindestens ein Jahr gedauert hat.

Der Kläger gehört zwar zu dem Personenkreis, für den die Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BeamtVÜV gilt. Denn er ist ein Beamter aus dem früheren Bundesgebiet, der im Beitrittsgebiet im Sinne dieser Vorschrift tätig war. Die Merkmale "aus dem früheren Bundesgebiet" und "im Beitrittsgebiet" sind schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut, außerdem aber aus den Gründen, die der Senat im Urteil vom 11. März 1999 - BVerwG 2 C 24.98 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) zur Auslegung des § 4 der 2. Besoldungs-Übergangsverordnung angeführt hat, als ausschließlich geographische Angabe zu verstehen. Der Kläger war Beamter "aus dem früheren Bundesgebiet", da seine Dienststelle bis zum 30. Juni 1991 in Berlin-West lag. Während der Zeit, um deren doppelte Anrechnung gestritten wird, war er in einer Dienststelle im Ostteil Berlins und damit im Beitrittsgebiet tätig.

Seine Verwendung dort erfolgte jedoch nicht "zum Zwecke der Aufbauhilfe". Mit diesen Worten hat der Verordnungsgeber ein Tatbestandsmerkmal formuliert und nicht lediglich, wie die Revision meint, Sinn und Zweck der Beamtenversorgungs-Übergangsverordnung nur deklaratorisch wiedergegeben. Systematik und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV bestätigen den schon nach dem Wortlaut eindeutigen Charakter als gesetzliches Tatbestandsmerkmal. § 3 Abs. 1 BeamtVÜV knüpft systematisch an § 1 Abs. 1 Satz 3 BeamtVÜV an: In der Kennzeichnung der Verwendung des Beamten als einer solchen "zum Zwecke der Aufbauhilfe" in § 3 Abs. 1 BeamtVÜV liegt die nähere verordnungsrechtliche Regelung, auf die § 1 Abs. 1 Satz 3 BeamtVÜV mit den Worten "nach Maßgabe der §§ 3 und 4" ausdrücklich verweist.

Auch nach Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 BeamtVG erweist sich die Formulierung "zum Zwecke der Aufbauhilfe" als Tatbestandsmerkmal. § 3 Abs. 1 BeamtVÜV durchbricht den auch in § 6 BeamtVG zum Ausdruck kommenden Grundsatz, daß die Zeit, die der Beamte vom Tage seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet zurückgelegt hat, nur im Umfang ihrer tatsächlichen Dauer ruhegehaltfähig ist. Eine Doppelanrechnung von Dienstzeiten stellt im allgemeinen Beamtenversorgungsrecht eine Ausnahme dar, für die es jeweils besonderer rechtfertigender Umstände bedarf. Dies ist bei Beamten oder Richtern aus dem früheren Bundesgebiet, die im Beitrittsgebiet eingesetzt werden, nicht bereits die Verwendung im Beitrittsgebiet, sondern nur die Verwendung "zum Zwecke der Aufbauhilfe".

Die Verwendung des Klägers im Dienstgebäude der Außenstelle des Bundesrechnungshofes im Ostteil Berlins war keine solche zum Zwecke der Aufbauhilfe. Aufbauhilfe im Sinne des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV ist Hilfe beim Aufbau neuer oder bei der Umgestaltung vorhandener, jedoch den Anforderungen einer rechtsstaatlichen und effektiven Verwaltung oder Justiz nicht genügender organisatorischer Strukturen. Im Geschäftsbereich des Bundesrechnungshofes sind im Beitrittsgebiet nach der Wiedervereinigung Deutschlands nicht Verwaltungsstrukturen neu geschaffen oder grundlegend umgestaltet worden. Der Bundesrechnungshof hatte in der Zeit von 1991 bis 1993 seinen Sitz in Frankfurt/Main; seine Aufgaben erfüllte er durch seine Mitglieder, die Prüfungsbeamten sowie die weiteren Bediensteten des Bundesrechnungshofes (§§ 2, 3 und 4 BRHG). Nachgeordnete Behörden als Träger einer örtlichen oder regionalen Verwaltungsstruktur hat er nicht.

Auch durch die Verlegung der Außenstelle innerhalb Berlins wurde keine für das Beitrittsgebiet bisher nicht vorhandene Verwaltungsstruktur neu geschaffen. Eine solche existierte vielmehr bereits seit dem 3. Oktober 1990. Am 1. Juli 1991 änderte sich lediglich der Ort, an dem sich die diese Struktur stützende und aufrechterhaltende Organisation befindet. Schließlich ist auch die bloße Einbeziehung des Beamten in die Verlegung seiner Beschäftigungsdienststelle in das Beitrittsgebiet keine Verwendung dieses Beamten zum Zwecke der Aufbauhilfe im Beitrittsgebiet.

Der durch die Wiedervereinigung bedingte Zuwachs an Aufgaben des Bundesrechnungshofes, die Integration der Bediensteten der ehemaligen DDR in die Behörde, die fachliche Einarbeitung dieser Bediensteten sowie die mittelbaren Vorteile, die neu aufgebaute Verwaltungseinheiten im Beitrittsgebiet aus der Prüfungstätigkeit der Außenstelle ziehen, sind ebenfalls keine Aufbauhilfe im Sinne des § 3 Abs. 1 BeamtVÜV.

Eine etwaige Zusicherung oder Vereinbarung einer Doppelanrechnung der fraglichen Dienstzeit wäre nach § 3 Abs. 1 BeamtVG unwirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 6 200 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG; pauschalierter Zweijahresbetrag der sich aus der doppelten Berücksichtigung der streitigen Dienstzeit ergebenden Erhöhungsbezüge).

Ende der Entscheidung

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