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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.10.2001
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 61.00
Rechtsgebiete: Nds. Beamtengesetz, Nds. Hochschulgesetz, BGB


Vorschriften:

Nds. Beamtengesetz § 75 a
Nds. Hochschulgesetz § 63 Abs. 4
BGB § 197
BGB § 201
Der Anspruch des Dienstherrn auf Ablieferung einer Nebentätigkeitsvergütung ist ein Anspruch auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung. Er verjährt gemäß § 197 BGB in vier Jahren.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 61.00

Verkündet am 31. Oktober 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Beklagten Inhaber eines Lehrstuhls im Fachbereich "Landespflege". In den Jahren 1986 bis 1993 erzielte er durch genehmigte Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst Einkünfte für Architekten- und Ingenieurleistungen in Höhe von insgesamt 6 320 300 DM. Seit 1991 wies die Beklagte den Kläger auf seine Pflicht hin, seine Nebentätigkeitsvergütungen abzuführen. Dem widersprach der Kläger unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Bedenken. Wegen eines schwebenden Parallelverfahrens wurde die Angelegenheit vorübergehend nicht weiter verfolgt. Auf Anforderung legte der Kläger im Juli 1995 Abrechnungen für die Jahre 1986 bis 1993 vor. Mit Bescheid vom 2. November 1995 forderte die Beklagte den Kläger auf, für die Kalenderjahre 1986 bis 1993 insgesamt 131 007,71 DM abzuliefern.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger erfolglos Widerspruch mit der Begründung ein, die zu Grunde gelegten Vorschriften des niedersächsischen Beamtengesetzes seien verfassungswidrig. Außerdem sei die Berechnung unrichtig. Daneben berufe er sich auf Verjährung.

Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 2. November 1995 und deren Widerspruchsbescheid vom 9. April 1996 aufzuheben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht, das nur noch über die Ablieferungspflicht für die Jahre 1986 bis 1990 zu entscheiden hatte, hat ihr insoweit stattgegeben, als der Kläger zur Ablieferung einer Nebentätigkeitsvergütung für die Jahre 1986 bis 1989 aufgefordert worden ist. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Für das Jahr 1990 sei der Anspruch der Beklagten begründet. Für die davor liegenden Jahre 1986 bis 1989 könne sich der Kläger jedoch auf Verjährung berufen. Bei dem Anspruch der Beklagten handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch, der auf eine jährlich wiederkehrende Leistung gerichtet sei und deshalb in analoger Anwendung des § 197 BGB in vier Jahren verjähre. Die Verjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres begonnen, in dem die Einnahmen erzielt worden seien. Die erst 1995 geltend gemachten Ansprüche der Beklagten seien bis einschließlich 1989 verjährt. Die später entstandenen Ansprüche stünden der Beklagten zu, weil die Verjährung entsprechend § 202 Abs. 1 BGB gehemmt gewesen sei. Die Einrede der Verjährung sei auch keine unzulässige Rechtsausübung.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 aufzuheben, soweit die Bescheide der Beklagten vom 2. November 1995 und 9. April 1996 aufgehoben worden sind, und auch insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 15. Juli 1998 zurückzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt im Wege der Anschlussrevision,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 15. Juli 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. November 1995 und deren Widerspruchsbescheid vom 9. April 1996 insoweit aufzuheben, als der Kläger in diesen zur Ablieferung einer Nebentätigkeitsvergütung für das Kalenderjahr 1990 aufgefordert worden ist.

Die Beklagte tritt, der Anschlussrevision entgegen.

II.

Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind unbegründet.

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 75 a des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in der Fassung vom 11. Dezember 1985 (GVBl S. 493) in Verbindung mit § 63 Abs. 4 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes - NHG - in der Fassung vom 6. Juni 1994 (GVBl S. 232). § 75 a Abs. 1 NBG regelt die Pflicht zur Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen, die der Beamte für eine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst oder eine sonstige Nebentätigkeit erhält. Er hat sie an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuliefern, soweit sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten bestimmte Höchstgrenzen übersteigen. An die Stelle der in Absatz 2 geregelten Höchstgrenzen tritt nach dem rückwirkend am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen § 64 Abs. 5 Satz 2 NHG bei Architekten- und Ingenieurleistungen die Pflicht, von der erhaltenen Nebentätigkeitsvergütung 3 v.H. abzuliefern, jedoch nicht mehr als - im Falle des Klägers - 25 v.H. des Betrages der Dienstbezüge gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BBesG, die dem Beamten in dem Kalenderjahr zustehen.

Die in § 75 Abs. 1 NBG geregelte Pflicht zur Ablieferung betrifft "regelmäßig wiederkehrende Leistungen". Der Anspruch der Beklagten auf solche Leistungen verjährt gemäß § 197 BGB in vier Jahren. Diese Vorschrift ist auch im öffentlichen Recht anwendbar (vgl. z.B. Urteil vom 12. März 1987 - BVerwG 2 C 10.83 - Buchholz 237.0 § 87 BaWüLBG Nr. 1 S. 6).

Die an den Dienstherrn abzuliefernden Anteile der Nebentätigkeitsvergütung sind regelmäßig wiederkehrende Leistungen. Sie dienen der Erfüllung von Verpflichtungen, die in gleicher Weise immer wieder neu und selbständig entstehen. Die Pflicht zur Ablieferung der erzielten Nebentätigkeitsvergütungen beruht in von vornherein bestimmter zeitlicher Wiederkehr, hier jährlich, auf der einheitlichen Grundlage einer Nebentätigkeitsgenehmigung. Dass sie je nach dem Umfang der Nebentätigkeit und/oder je nach der Höhe der erzielten Einnahmen schwankt, unter Umständen auch einmal entfallen kann, steht ihrer Einordnung als regelmäßig wiederkehrende Leistung nicht entgegen (vgl. Urteil vom 12. März 1987, a.a.O. S. 6 f. m.w.N.; BGHZ 80, 357 <358>; BGHZ 103, 160).

Der Kläger hat die Nebentätigkeitsvergütungen jährlich abzuliefern. Dies folgt aus § 75 a Abs. 1 NBG. Nach dieser Bestimmung hat der Beamte "die Vergütungen an seinen Dienstherrn im Hauptamt insoweit abzuliefern, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten die in Absatz 2 bezeichnete Höchstgrenze übersteigen". Nach Satz 2 der Vorschrift ist "maßgebend die Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte am Ende des Kalenderjahres befindet". Nach § 63 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 NHG beläuft sich der an den Dienstherrn abzuliefernde Höchstbetrag auf 25 v.H. des Betrages der Dienstbezüge, die dem Beamten "in dem Kalenderjahr" zustehen. Nach § 75 d NBG hat der Beamte "unverzüglich nach Ablauf eines jeden Kalenderjahres seinem Dienstvorgesetzten eine Abrechnung vorzulegen über die Vergütungen für in dem Kalenderjahr ausgeübte Nebentätigkeiten im Sinne von § 75 a Abs. 1". Aus der Pflicht des Beamten zu jährlicher Mitteilung, der Ermittlung der Höchstbeträge auf der Grundlage der jährlichen Zuflüsse und der jährlichen Gehaltszahlungen ergibt sich, dass auch die Ablieferungspflicht selbst jährlich entsteht und dass der Dienstherr gehalten ist, seine Ansprüche jährlich zu ermitteln und geltend zu machen.

Für die Abführungspflicht nach § 75 a NBG gilt nichts anderes als für die Pflicht, das Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn bei Ausübung der Nebentätigkeit abzuliefern. Dass Ansprüche auf das Nutzungsentgelt der vierjährigen Verjährungsfrist des § 197 BGB unterliegen, hat der Senat bereits entschieden (Urteile vom 31. Januar 1974 - BVerwG 2 C 36.70 - Buchholz 237.5 § 81 HessBG Nr. 1 S. 13 und vom 12. März 1987, a.a.O. S. 6 f.).

Auch der Zweck des § 197 BGB spricht für die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist. Leistungen, die ihrer Natur nach nicht aus dem Kapitalvermögen des Schuldners, sondern aus seinen regelmäßigen Einkünften zu tilgen sind, sollen nicht zu solcher Höhe anwachsen, dass sie den sorglos gewordenen Schuldner wirtschaftlich gefährden können (BGHZ 103, 160 <169> m.w.N.). Die Erwähnung "aller anderen" regelmäßig wiederkehrenden Leistungen nach der Aufzählung einzelner Fälle spricht dafür, dass der Gesetzgeber der Vorschrift einen möglichst weiten Anwendungsbereich geben wollte. Unterlägen die Abführungsansprüche des Dienstherrn nicht der relativ kurzen Verjährung, könnte dieser die Ansprüche gegen den Beamten über Jahre auflaufen lassen. Eine derartige Handhabung der Ablieferungspflicht widerspräche nicht nur dem Interesse des Beamten, der gezwungen wäre, Rücklagen für seinen Dienstherrn zu bilden, um nicht durch plötzliche Zahlung eines sehr hohen Betrages in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten, sondern auch den fiskalischen Interessen des Dienstherrn selbst, der gehalten ist, den Rückfluss dem Staat geschuldeter Mittel alsbald geltend zu machen.

Zu Unrecht verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der von einer wiederkehrenden Leistung nicht gesprochen werden kann, wenn die Höhe des Anspruchs für jede einzelne Periode erst von einem "rechtsbegründenden Akt" abhängt, wie etwa Gewinnansprüche der Gesellschafter von der Bilanzfeststellung (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 1981 - II ZR 186/80 - BGHZ 80, 357 <358 f.>). Die rechnerische Ermittlung und Festsetzung des abzuliefernden Betrages ist kein rechtsbegründender Akt, sondern konkretisiert eine bereits abstrakt bestehende Pflicht des Beamten für das abgelaufene Kalenderjahr.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Pflicht zur Ablieferung der Nebentätigkeitseinkünfte nicht als Pflicht des Beamten verstehen, eine Überzahlung auszugleichen und damit den beamtenrechtlichen Alimentationsgrundsatz durchzusetzen. Bei der Abführung eines Teils der Einnahmen aus einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst geht es nicht um die Beachtung von Einkommensgrenzen, die nicht überschritten werden sollen. Dem steht bereits entgegen, dass nur ein Vomhundertsatz der erzielten Einkünfte abzuliefern ist. Diese Einkünfte haben auch nicht den Charakter von Alimentationsleistungen. Sie werden auf Grund einer Leistung erzielt, die nicht den Verpflichtungen des Hauptamtes entspricht.

Der Kläger war nicht gehindert, sich auf die Verjährung zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 12. März 1987, a.a.O. S. 6 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 26. Januar 1966 - BVerwG 6 C 112.63 - BVerwGE 23, 166) kann die Einrede der Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung sein, wenn und soweit der Beamte selbst durch pflichtwidrig unzutreffende Angabe seiner Bruttoeinnahmen verhindert hat, dass der Dienstherr von dem weitergehenden Entgeltanspruch erfuhr und daraufhin Schritte zu dessen Geltendmachung und zur Unterbrechung der Verjährung unternehmen konnte. Ein derartiges Verhalten kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden. Dem Dienstherrn war, wie sich aus dem Anhörungsschreiben vom 15. Juni 1995 ergibt, bewusst, dass er auch ohne Angaben des Klägers einen die Verjährung unterbrechenden, auf Schätzung beruhenden Leistungsbescheid hätte erlassen können. Die Beklagte hatte die Fristsetzung mit der Drohung verbunden, bei nicht rechtzeitiger Vorlage der erbetenen Unterlagen sehe sie sich "gezwungen, die erzielte Nebentätigkeitsvergütung zu schätzen und einen entsprechenden Leistungsbescheid zu erlassen".

2. Die Anschlussrevision des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Der Anspruch der Beklagten auf Ablieferung der Nebentätigkeitsvergütung für das Jahr 1990 ist nicht verjährt.

Die Verjährung der in § 197 BGB bezeichneten Ansprüche beginnt mit dem Schluss des Jahres (§ 201 BGB), in dem der Anspruch entstanden ist (§ 198 BGB). Entstanden ist ein Anspruch, wenn der Gläubiger ihn gerichtlich geltend machen kann. Zwar genügt die Möglichkeit einer Feststellungs- oder Stufenklage (vgl. Urteil vom 18. April 1986 - BVerwG 8 A 1.83 - Buchholz 454.4 § 19 II. WoBauG Nr. 1 S. 13 m.w.N.). Auch die Erhebung dieser Klagen setzt jedoch voraus, dass der Anspruch fällig ist. Die Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 198 BGB ist deswegen mit seiner Fälligkeit gleichzusetzen (stRspr, vgl. Urteil vom 18. April 1986 - BVerwG 8 A 1.83 - a.a.O. S. 13; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1990 - VIII ARZ 5/90 - BGHZ 113, 188 <191 f.> m.w.N. Der Anspruch der Beklagten auf Ablieferung eines Teils der vom Kläger während eines Kalenderjahres insgesamt vereinnahmten Nebentätigkeitsvergütung wurde fällig, nachdem das jeweilige Kalenderjahr abgelaufen war. Das folgt aus der gesetzlichen Regelung der Ablieferungspflicht. Abrechnungsperiode ist das Kalenderjahr. Erst nach dessen Verstreichen kann der Dienstherr die Abrechnung und die Zahlung des (sachlich und rechnerisch zutreffend) errechneten Abführungsbetrages verlangen. Die Abrechnungspflicht des Beamten für das vergangene Kalenderjahr kann nicht vor dem Beginn des neuen Kalenderjahres entstehen. Denn der Beamte kann den zu entrichtenden Jahresbetrag erst nach dem Ende des Jahres feststellen. Vor dem Entstehen der Abrechnungspflicht kann der Zahlungsanspruch nicht fällig werden. Da der Anspruch der Beklagten auf Ablieferung der Nebentätigkeitsvergütung für das Jahr 1990 nicht vor dem 1. Januar 1991 fällig geworden und damit im Sinne des § 198 BGB entstanden ist, lief die vierjährige Verjährungsfrist erst mit dem 31. Dezember 1995 ab und wurde durch den Erlass des angefochtenen Leistungsbescheides vom 2. November 1995 unterbrochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren bis zur Einlegung der Anschlussrevision auf 60 646,60 DM, alsdann auf 77 260 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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