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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.12.1998
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 22.98
Rechtsgebiete: VwGO, SGG, SGB XI


Vorschriften:

VwGO § 40
SGG § 51 Abs. 2 Satz 2
SGB XI § 9
SGB XI § 82 Abs. 2
Leitsatz:

Für Streitigkeiten über die Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen sind die Verwaltungsgerichte und nicht die Sozialgerichte zuständig.

Beschluß des 3. Senats vom 23. Dezember 1998 - BVerwG 3 B 22.98 -

I. VG Berlin vom 11.11.1997 - Az.: VG 14 A 416/97 - II. OVG Berlin vom 19.01.1998 - Az.: OVG 8 L 121/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 3 B 22.98 OVG 8 L 121.97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 23. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Kimmel

beschlossen:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 19. Januar 1998 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die weitere Beschwerde des Beklagten ist zulässig (§ 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG). Sie ist jedoch unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs bejaht.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für den vorliegenden Rechtsstreit folgt aus § 40 Abs. 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zur Entscheidung steht, denn die Beteiligten streiten über die Gewährung einer staatlichen Investitionsförderung für das von der Klägerin betriebene Pflegeheim. Fraglich ist allein, ob dieser Streit durch Bundesgesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist. Das ist nicht der Fall.

Zu Unrecht meint der Beklagte, § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG weise die Streitigkeit den Sozialgerichten zu. Nach dieser Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (auch) über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entstehen. Diese Bestimmung greift schon vom Wortlaut her nicht ein. Eine "Angelegenheit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch" liegt nach allgemeinem Sprachgebrauch nur vor, wenn der Streitfall zum Regelungsbereich des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) gehört. Das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, muß mithin dem genannten Gesetz unterfallen. Das trifft für die Investitionsförderung der Länder zugunsten von Pflegeinrichtungen nicht zu.

Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch regelt die Pflegeversicherung. In seiner Überschrift bezieht es sich auf die soziale Pflegeversicherung. In den §§ 23 ff. SGB XI ist darüber hinaus die private Pflegeversicherung in das Gesetz einbezogen worden (vgl. BSG, Beschluß vom 8. August 1996 3 BS 1/96 SozR 3-1500 § 51 SGG Nr. 19). Die Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen ist aber keine Aufgabe der Pflegeversicherung. § 82 Abs. 2 SGB XI nimmt Aufwendungen, die sich auf diesen Bereich beziehen, ausdrücklich aus der Pflegevergütung und den Entgelten für Unterkunft und Verpflegung aus. § 9 SGB XI weist die Verantwortung für die Investitionsförderung allein und ausschließlich den Ländern zu. Es handelt sich hierbei um eine bewußte und eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers. Während im Gesetzentwurf (BTDrucks 12/5262) eine monistische Finanzierung der Pflegeeinrichtungen vorgesehen war, setzten die Länder im Gesetzgebungsverfahren nach zweimaliger Anrufung des Vermittlungsausschusses das duale Finanzierungssystem durch. Dabei wurde ausdrücklich betont, die Länder blieben für die Investitionsförderung im Bereich der Pflegeeinrichtungen allein verantwortlich; insoweit sehe das System keine Bundeszuständigkeit vor (vgl. BR-Protokoll 668. Sitzung vom 29. April 1994 S. 130 f.). Es ist daher festzustellen, daß das Elfte Buch Sozialgesetzbuch nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte keine verbindlichen Regelungen darüber enthält, nach welchen Maßstäben die Länder Fördermittel für Investitionen in Pflegeeinrichtungen bereitzustellen und zu vergeben haben. Dies ist allein der Landesgesetzgebung vorbehalten. Das Land Berlin hat dem durch das Gesetz zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen vom 19. Oktober 1995 (GVBl S. 675) Rechnung getragen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei § 9 SGB XI auch nicht um eine rahmenrechtliche Regelung, die lediglich der Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber offenstünde. Für eine rahmenrechtliche Regelung würde es dem Bundesgesetzgeber nach Art. 75 GG an der erforderlichen Kompetenz fehlen. Eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit ist dem Bund insoweit erst recht nicht eingeräumt. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG überantwortet dem Bundesgesetzgeber die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung. Diese Grundlage entfiel sobald das monistische Finanzierungssystem über die Pflegekassen verlassen wurde. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 a GG fügt dem die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze hinzu; die wirtschaftliche Sicherung von Pflegeeinrichtungen durch Investitionsförderung taucht im Katalog dagegen nicht auf.

Die Zuständigkeit der Sozialgerichte für den hier in Rede stehenden Komplex kann auch nicht durch eine erweiternde Auslegung des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG gewonnen werden. Zwar kommt dem Gesichtspunkt der Sachkunde, der Sachnähe und des Sachzusammenhangs für die Auslegung der Vorschriften über die Rechtswegzuweisung im Zweifel besondere Bedeutung zu (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 4. Juni 1974 GmS-OGB 2/73 NJW 1974 S. 2087, 2088). Mit der Abkopplung der Investitionsförderung von der Pflegeversicherung ist aber eine besondere Sachnähe der Sozialgerichtsbarkeit nicht mehr gegeben. Diese Sachnähe konnte das Bundessozialgericht für die private Pflegeversicherung bejahen, weil sich die Leistungen beider Versicherungszweige nach Art und Umfang weitgehend decken (vgl. Beschluß vom 8. August 1996 3 BS 1/96 a.a.O.). In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht ausgeführt, es sei der mehrheitliche Wille der gesetzgebenden Organe gewesen, sämtliche Streitigkeiten aus dem Bereich der Pflegeversicherung den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zuzuweisen (a.a.O. S. 41). Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille läßt sich für die hier in Streit stehende Investitionsförderung indes nicht feststellen.

Der Gesichtspunkt der Sachnähe spricht sogar dafür, es bei der allgemeinen Zuständigkeitszuweisung an die Verwaltungsgerichte nach § 40 VwGO zu belassen. Die Verwaltungsgerichte sind in vielfältiger Weise zur Beurteilung staatlicher Förderungsmaßnahmen berufen. Sie sind nicht nur für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Förderungsmaßnahmen zugunsten der gewerblichen Wirtschaft zuständig. Auch die Investitionsförderung im Krankenhausbereich unterliegt im Streitfall ihrer Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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