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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.06.2003
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 2.03
Rechtsgebiete: EGBGB, VZOG


Vorschriften:

EGBGB Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 1
EGBGB Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 2
EGBGB Art. 233 § 2 c Abs. 1
EGBGB Art. 233 § 2 c Abs. 3
VZOG § 2 Abs. 1 Satz 5
Die Zuordnungsbehörde ist zur Aufnahme eines ausdrücklichen Vorbehalts zu Gunsten eines im Einzelnen zu bezeichnenden Beteiligten in den Tenor des Zuordnungsbescheides verpflichtet (§ 2 Abs. 1 Satz 5 VZOG), wenn fundierte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die von ihr festgestellten, nur auf die Zuordnungsprätendenten bezogenen Eigentumsverhältnisse zu Gunsten privater Dritter als unrichtig erweisen könnten.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 2.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Dr. Brunn und Dr. Graulich

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 23. Mai 2002 wird zurückgeweisen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren nur noch über die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten vom 23. April 2001, soweit darin unter Nr. 2 des Entscheidungstenors festgestellt wird, dass das auf dem Grundstück des Klägers befindliche Gebäude im Eigentum der von dem Beigeladenen vertretenen Gesellschaft steht. Die unter Nr. 1 des Bescheids getroffene und vom Verwaltungsgericht bestätigte Feststellung, dass Gebäudeeigentum entstanden ist, ist wegen der auf Nr. 2 beschränkten Revisionszulassung inzwischen rechtskräftig.

Der Kläger hatte das Grundstück, auf dem sich das streitbefangene Gebäude befindet, im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens im Jahre 1998 erworben. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein sog. Pförtner- und Waagegebäude, das seinerzeit von dem das Grundstück nutzenden Geflügelkombinat errichtet worden war. Auf Antrag der von dem Beigeladenen vertretenen Gesellschaft, die das Gebäude im Jahre 1992 erworben hatte, erließ die Beklagte den eingangs erwähnten Bescheid. Dieser enthält in seiner Begründung den Hinweis: "Der Bescheid ergeht ansonsten vorbehaltlich des Eigentums, der Rechtsinhaberschaft oder sonstiger privater Rechte Dritter oder im einzelnen bezeichneter Beteiligter an dem Vermögensgegenstand".

Das Verwaltungsgericht hat die in Nr. 2 des Bescheids getroffene Feststellung mit der Begründung aufgehoben, § 2 Abs. 1 Satz 5 VZOG verlange jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden die Aufnahme des dort vorgesehenen Vorbehalts in den Entscheidungstenor. Ohne einen ausdrücklichen Vorbehalt bestehe die Möglichkeit, dass der Beigeladene gemäß Art. 233 § 2 c EGBGB die Eintragung einer Belastung im Grundbuch erreiche, ungeachtet der Rechtsansicht des Klägers, er habe das Eigentum sowohl am Grundstück als am Gebäude erworben.

Mit der vom Senat (begrenzt) zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen das vom Verwaltungsgericht aufgestellte Erfordernis. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beigeladene und der Vertreter des Bundesinteresses haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1, § 141 VwGO).

Die Revision hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil steht im Einklang mit dem Bundesrecht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Bescheid in seinem Tenor einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten der Rechte des Klägers hätte aufweisen müssen.

Bei der rechtlichen Überprüfung des Bescheids ist von Art. 233 § 2 b Abs. 3 Satz 1 EGBGB auszugehen. Danach kann durch Bescheid des Präsidenten der örtlich zuständigen Oberfinanzdirektion festgestellt werden, "ob Gebäudeeigentum entstanden ist und wem es zusteht". Außer Frage steht, dass der angefochtene Bescheid diesen Anforderungen entspricht. Er steht jedoch nicht im Einklang mit dem durch Satz 2 der vorstehend genannten Bestimmung für anwendbar erklärten Vermögenszuordnungsgesetz, das in einem Fall wie dem vorliegenden einen ausdrücklichen Individualvorbehalt verlangt.

Welche zusätzlichen Feststellungen und Vorbehalte in dem Bescheid getroffen werden dürfen oder müssen bzw. in ihm kraft Gesetzes enthalten sind, ist aus § 2 Abs. 1 Satz 5 VZOG zu ersehen oder im Wege der Auslegung zu ermitteln. Hiernach ergeht der Bescheid - außer in dem hier nicht einschlägigen Fall des Satzes 4 - "vorbehaltlich des Eigentums, der Rechtsinhaberschaft oder sonstiger privater Rechte Dritter oder im einzelnen bezeichneter Beteiligter an dem Vermögensgegenstand".

Die Vorschrift besagt in materiellrechtlicher Hinsicht, dass die Regelungs- oder Feststellungsbefugnis der Behörde sich nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen privater Rechte Dritter erstreckt. Bei dem Vorbehalt handelt es sich um einen solchen "aufgrund gesetzlicher Regelung" (Urteil vom 29. Februar 1996 - BVerwG 7 C 70.94 - BVerwGE 100, 318, 320). Die Vorbehaltsfolge, das heißt: die Beschränkung der Verbindlichkeit der in dem Bescheid getroffenen Feststellung auf die am Zuordnungsverfahren beteiligten Prätendenten tritt demnach zwangsläufig ein, gleichgültig ob der Bescheid den Vorbehalt ausdrücklich aufweist oder nicht. Privaten Dritten bleibt es in jedem Fall unbenommen, außerhalb des Zuordnungsverfahrens gegen die Eigentumsfeststellung vorzugehen. Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um die Feststellung selbstständigen Gebäudeeigentums, so sind die Zivilgerichte zur endgültigen Entscheidung der Eigentumsverhältnisse berufen und dabei an die Zuordnungsregelung nicht gebunden (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2001 - BVerwG 3 B 31.01 - Buchholz 428.2 § 2 VZOG Nr. 11). Der gesetzliche Vorbehalt dient kraft der von ihm ausgehenden konstitutiven oder zumindest klarstellenden Wirkung dem Schutz der Eigentumsrechte privater Dritter. Er bedarf keiner besonderen Erwähnung im Zuordnungsbescheid, soweit zusätzliche - also bescheidabhängige - Schutzwirkungen bzw. Rechtsfolgen nicht in Betracht kommen, da einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes keine rechtliche Bedeutung zukäme.

Solche speziellen Wirkungen knüpft das Gesetz aber an Bescheide, die einen Vorbehalt zu Gunsten "im einzelnen bezeichneter Beteiligter an dem Vermögensgegenstand" enthalten. Hat die Behörde einen solchen auf die konkreten Umstände und Personen eines Rechtsstreits abgestellten Vorbehalt in ihren Bescheid aufgenommen, kann sie das Grundbuchamt nur um Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs, nicht wie sonst um die Eintragung der in dem Bescheid getroffenen Feststellungen ersuchen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 VZOG).

Unter welchen Voraussetzungen die Behörde einzelnen Beteiligten ihre Rechte vorbehalten soll oder muss, regelt das Gesetz nicht. Die Antwort auf diese Frage lässt sich aber aus der Funktion ableiten, der ein solcher Individualvorbehalt zu dienen bestimmt ist. Der Ausschluss der sofortigen Eigentumseintragung bezweckt augenscheinlich, in Fällen eines möglichen Auseinanderfallens des Zuordnungsbegünstigten und des wahren bzw. endgültigen Eigentümers letzteren vor Schaden zu bewahren. Würde der Zuordnungsberechtigte (im Regelfall: eines Grundstücks) als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, könnte ein gutgläubiger Dritter das Objekt von ihm zu Lasten des wahren Eigentümers erwerben. Soweit - wie im vorliegenden Fall - die Eintragung des Gebäudeeigentums als Belastung des betroffenen Grundstücks (Art. 233 § 2 c Satz 1 EGBGB) in Betracht kommt, würden dadurch der Wert des Grundstücks und seine wirtschaftliche Verwertbarkeit beeinträchtigt. Dies wäre auch, aber nur in geringerem Maße der Fall, wenn sich ausweislich des Grundbuchs die Eigentumsverhältnisse am Gebäude als Folge der Widerspruchseintragung als offen erweisen. Ob die Behörde von der Möglichkeit, durch einen Individualvorbehalt eventuelle zuordnungsbedingte Nachteile zu verringern, Gebrauch macht, steht nicht in ihrem Belieben. Sie ist hierzu verpflichtet, wenn fundierte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die von ihr festgestellten Eigentumsverhältnisse zu Gunsten privater Dritter als unrichtig herausstellen könnten. Die bloße, in abstracto stets gegebene Möglichkeit, dass es mit der Zuordnungsentscheidung nicht sein Bewenden haben wird, reicht nicht aus, um eine solche Verpflichtung auszulösen. Vielmehr müssen sich tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte zu Gunsten bestimmter ("im einzelnen bezeichneter") Personen so verdichtet haben, dass deren Eigentümerstellung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall gegeben, denn die vom Kläger u.a. aufgezeigte Möglichkeit, auf Grund des Zuschlags im Versteigerungsverfahren nicht nur das Grundstücks- sondern auch das Gebäudeeigentum erworben zu haben, entbehrt nicht der Plausibilität.

Dem Verwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass der Individualvorbehalt in den Tenor des Zuordnungsbescheides aufzunehmen ist, denn ihm kommt kraft der an ihn geknüpften speziellen Rechtsfolge die Bedeutung einer eigenständigen Regelung im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG).

Ende der Entscheidung

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