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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.02.1998
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 50.96
Rechtsgebiete: VO (EWG), MGV


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 857/84 Art. 7
VO (EWG) Nr. 1546/88 Art. 7 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 4
MGV i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. April 1991 § 7 Abs. 3 a Satz 1
Leitsatz:

Ein Referenzmengenübergang als Folge der Rückgabe von Altpachtflächen setzt in der Regel voraus, daß die Flächen im Zeitpunkt ihrer Rückgabe - unter Berücksichtigung der Fruchtfolge - für die Milcherzeugung verwendet wurden. Hat der Pächter schon geraume Zeit zuvor die Milcherzeugung vollständig eingestellt, so bleibt er nicht deshalb im Genuß der den zurückgegebenen Flächen entsprechenden Referenzmenge, weil diese Flächen nicht mehr zur Milcherzeugung genutzt wurden. In diesem Fall richtet sich die auf den Verpächter übergehende Referenzmenge nach dem Verhältnis, in dem vor Aufgabe der Milcherzeugung die von ihm gepachtete Fläche zu der übrigen Milcherzeugungsfläche des Pächters stand.

Urteil des 3. Senats vom 22. Januar 1998 - BVerwG 3 C 50.96

I. VG Münster vom 29.10.1993 - Az.: VG 4 K 1240/92 - II. OVG Münster vom 01.04.1996 - Az.: OVG 9 A 4117/93 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 50.96 OVG 9 A 4117/93

Verkündet am 22. Januar 1998

Stoffenberger Justizsekretärin z.A. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Pagenkopf, Dr. Borgs-Maciejewski und Kimmel

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1996 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob und ggf. in welchem Umfang durch Rückgabe von gepachtetem Stückland Referenzmengen vom Kläger (Pächter) auf den Beigeladenen (Verpächter) übergegangen sind.

Nach Kündigung des im Jahr 1972 geschlossenen Pachtvertrages durch den Beigeladenen gab ihm der Kläger die gepachtete, ca. 8 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche am 14. Oktober 1991 zurück. Zu diesem Zeitpunkt bewirtschaftete der Kläger außer dieser Fläche eine gleichgroße Eigentumsfläche. Die ursprünglich betriebene Milchproduktion hatte der Kläger bereits im Frühsommer 1990 eingestellt, die gehaltenen Milchkühe teils verkauft, teils geschlachtet und die ihm für den siebten 12-Monats-Zeitraum (1. April 1990 bis 31. März 1991) zustehende restliche Anlieferungs-Referenzmenge einem anderen Landwirt zur Nutzung überlassen ("verleast"). Mit diesem Leasingnehmer schloß er später einen Nutzungsüberlassungsvertrag über die gesamte ihm zustehende Referenzmenge auch für den achten 12-Monats-Zeitraum.

Der Beklagte bescheinigte dem Beigeladenen unter dem 3. März 1992, daß auf ihn infolge Rückgabe der Pachtfläche mit Wirkung vom 15. Oktober 1991 eine Anlieferungs-Referenzmenge von 76 368 kg übergegangen sei. Hierbei verteilte er die dem Kläger laut Molkereibescheinigung zustehende Referenzmenge von 152 592 kg nach dem Flächenverhältnis der zurückgegebenen Pachtfläche zur restlichen Betriebsfläche. Er verneinte dabei das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Pächterschutz mit der Begründung, der Kläger habe die Milcherzeugung seit Mitte 1990 eingestellt und sei deshalb nicht mehr Milcherzeuger.

Den Widerspruch des Klägers, der anführte, die Milcherzeugung zum 1. April 1992 wieder aufnehmen zu wollen, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 1992 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe die Milcherzeugung nur vorübergehend eingestellt. Durch das Verleasen seiner Milchquote jeweils für ein Jahr habe er die Eigenschaft als Milcherzeuger beibehalten. Grund für die vorübergehende Einstellung der Milcherzeugung sei gewesen, daß er den Hof seit seiner Scheidung 1988 allein habe bewirtschaften müssen. Außerdem habe er in den Jahren 1990 bis 1992 starke Rückenschmerzen gehabt, die ihn bei der Arbeit behindert hätten. Inzwischen sei sein Sohn alt genug, ihn bei der Arbeit zu unterstützen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 3. März 1992 und den Widerspruchsbescheid vom 24. April 1992 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 29. Oktober 1993 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 1. April 1996 mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Pächterschutz seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Er habe nämlich im Zeitpunkt der Rückgabe des Pachtlandes seine Milcherzeugung nicht fortsetzen wollen. Um Pächterschutz beanspruchen zu können, müsse ein Pächter bis zum Auslaufen des Pachtvertrages tatsächlich Milch erzeugt haben. Bereits durch die Wortwahl "Fortsetzen" (der Milcherzeugung) statt "Wiederaufnehmen" (einer unterbrochenen oder eingestellten Milcherzeugung) habe der EG-Verordnungsgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der vom ausscheidenden Pächter zu dokumentierende "Fortsetzungswille" mehr sein müsse als eine in die Zukunft gerichtete ungewisse Absichtserklärung. Der verlautbarte Fortsetzungswille müsse anknüpfen an einen realen Sachverhalt, nämlich an eine bei Auslaufen der Pacht tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, und zwar die der Milcherzeugung.

Entgegen der Ansicht des Klägers hätten die Betriebsflächen, die bis zum Sommer 1990 sämtlich zur Milchproduktion verwandt worden seien, ihre Eigenschaft als Milcherzeugungsflächen nicht dadurch verloren, daß der Kläger im Sommer 1990 die Milchproduktion seines gesamten Betriebes eingestellt habe. Der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte sog. "dynamische" Milcherzeugungsflächen-Begriff, wonach der Charakter einer Fläche als Milcherzeugungsfläche davon abhänge, ob sie sich im Zeitpunkt der Flächenrückgabe als solche darstelle, sei für Fälle entwickelt worden, in denen der abgebende Milcherzeuger im Zeitpunkt der Flächenrückgabe tatsächlich Milch erzeugt habe. Der "dynamische" Milcherzeugungsflächen-Begriff diene dazu, den Umfang der "für die Milcherzeugung verwendeten Flächen" zu bestimmen, die nach dem Gemeinschaftsrecht Grundlage für die Aufteilung der Referenzmenge des Betriebs seien. Für einen Fall der vorliegenden Art, in dem der Milcherzeuger seine Milcherzeugung bereits vorher eingestellt habe, bedürfe der Begriff einer sachgerechten Ergänzung. In einem solchen Fall müsse auf den Betrieb mit den Betriebsmitteln und mit dem Zuschnitt abgestellt werden, der im Zeitpunkt kurz vor Aufgabe der Milchproduktion tatsächlich vorhanden gewesen sei.

Zur Begründung der gegen dieses Urteil geführten Revision, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt, trägt der Kläger im wesentlichen folgendes vor:

Die Flächen des Beigeladenen seien bei ihrer Rückgabe keine Milcherzeugungsflächen mehr gewesen. Somit habe auf den Beigeladenen keine Referenzmenge übergehen können. Folge man dieser Ansicht nicht, so stehe dem Kläger zumindest Pächterschutz zu. Aus einer Unterbrechung der Milcherzeugung dürfe nicht auf einen fehlenden Fortsetzungswillen geschlossen werden.

Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und führt ergänzend aus: Das Prinzip der Flächenbindung der Referenzmenge müsse auch für den Fall gelten, daß die Milcherzeugung eingestellt werde. Der Begriff der Milcherzeugungsfläche müsse weiterentwickelt werden. Es sei nicht sachgerecht, daß einem Verpächter die Referenzmenge nach Pachtbeendigung vorenthalten werde, wenn auf den von ihm verpachteten Flächen zuletzt keine Milcherzeugung mehr stattgefunden habe, sondern die auch mit Hilfe dieser Flächen entstandene, vom Pächter aber nicht mehr belieferte Milchquote durch Nutzungsüberlassung an Dritte nur noch als Einnahmequelle diene.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und vertritt ebenso wie der Kläger die Ansicht, auf den Beigeladenen habe keine Referenzmenge übergehen können, da die zurückgegebene Fläche nicht mehr der Milcherzeugung gedient habe.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Das angegriffene Urteil verstößt nicht gegen revisibles Recht. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger die dem Beigeladenen bescheinigte Referenzmenge weder ganz noch teilweise beanspruchen und somit die Aufhebung der Bescheinigung nicht verlangen kann.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide nach den zur Zeit der Pachtrückgabe gültigen Bestimmungen zu prüfen ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 23. Mai 1996 - BVerwG 3 C 13.94 -). Der Prüfung zugrunde zu legen sind somit Art. 7 VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. des Art. 1 Nr. 4 VO (EWG) Nr. 590/85 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 VO (EWG) Nr. 1546/88 sowie § 7 Abs. 3 a Satz 1 Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. April 1991 (BGBl I S. 1034). Die Aufhebung der VO (EWG) Nr. 857/84 mit Wirkung vom 1. April 1993 durch Art. 12 der VO (EWG) Nr. 3950/92 hat keine Auswirkung auf zuvor entstandene und geltend gemachte Referenzmengenansprüche (vgl. Urteil vom 29. November 1993 - BVerwG 3 C 5.92 -).

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage entschieden, daß die der zurückgegebenen Fläche korrespondierende Referenzmenge weder ganz (1) noch teilweise (2) beim Kläger verblieben ist.

1. Art. 7 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 857/84 in der o.a. Fassung besagt, daß die Referenzmenge im Grundsatz dem Betrieb folgt (Prinzip der Betriebs- oder Flächenakzessorietät der Referenzmenge). Gemäß dieser Bestimmung wird nämlich "im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Übertragung eines Betriebs in Erbfolge ... die entsprechende Referenzmenge nach festzulegenden Modalitäten ganz oder teilweise auf den Käufer, Pächter oder Erben übertragen". Diese für sich allein nicht vollziehbare Vorschrift hat die Kommission in Art. 7 VO (EWG) Nr. 1546/88 im Hinblick auf die festzulegenden Modalitäten vervollständigt. Zwar handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Referenzmengenübergang aus Anlaß der Übertragung eines Betriebes oder von Flächen. Nach Art. 7 Abs. 1 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1546/88 gelten die voranstehenden Nrn. 1 und 2 dieser Regelung aber entsprechend für andere Übertragungsfälle, die für die Erzeuger vergleichbare rechtliche Folgen haben. Ein vergleichbarer Fall in diesem Sinne ist u.a. gegeben, wenn der Besitz an Produktionseinheiten, die der Milcherzeugung dienen, im Hinblick auf die Beendigung eines Pachtverhältnisses wechselt, also zurückgegeben wird (so EuGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - Rs. 5/88 - Rn. 15, Slg. 1989, 2609, 2638).

Für den Fall der Rückgabe von gepachtetem Stückland ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 Nr. 2 VO (EWG) 1546/88 in Verbindung mit den voranstehenden Ausführungen, daß die entsprechende Referenzmenge "nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen" zwischen Pächter und Verpächter aufzuteilen ist. Einen anderen Verteilungsschlüssel sieht das Gemeinschaftsrecht nicht vor. Von der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, andere objektive Kriterien zu bestimmen, hat der deutsche Verordnungsgeber jedenfalls für die Abwicklung reiner Altpachtfälle keinen Gebrauch gemacht.

1.1 Zur Milcherzeugung verwendete Flächen sind solche, die in einem zumindest mittelbaren funktionalen Zusammenhang zur Milcherzeugung stehen. Der Bezug zur Milcherzeugung fehlt immer dann, wenn die betreffenden Parzellen ausschließlich zu anderen Zwecken oder gar nicht genutzt worden sind. Maßgeblich für die Flächencharakterisierung ist die tatsächliche Nutzung, d.h. die Realisierung des Zwecks "Milcherzeugung" im weitesten Sinne (Urteil vom 1. September 1994 - BVerwG 3 C 1.92 - BVerwGE 96, 337, 341 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund wies der Betrieb des Klägers ab Frühsommer 1990 keine - weder eigene noch gepachtete - Milcherzeugungsflächen mehr auf. Nach der Einstellung der Milcherzeugung, verbunden mit der Schlachtung bzw. dem Verkauf der Milchkühe, konnte von einer "tatsächlichen" Nutzung der Flächen zur Milchgewinnung nicht mehr gesprochen werden. Allein die Innehabung einer Referenzmenge und deren Nutzungsüberlassung an einen Dritten vermag daran nichts zu ändern, da dies Umstände sind, die das hier maßgebliche Kriterium der Flächennutzung nicht berühren.

1.2 Die Frage nach dem für die Charakterisierung als Milcherzeugungsfläche sowie für die Bestimmung der Größenverhältnisse maßgeblichen Zeitpunkt hat der Senat bisher stets dahin gehend beantwortet, entscheidend seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des mutmaßlichen Referenzmengenübergangs. Ob eine Fläche als Milcherzeugungsfläche zu gelten habe, hänge davon ab, ob sie sich im Zeitpunkt des Flächenübergangs als solche darstelle. Daraus hat der Senat in seinem Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 3 C 3.95 - die Konsequenz gezogen: "Nur die Rückgabe einer Fläche, die im Zeitpunkt des Flächenübergangs - unter Berücksichtigung der Fruchtfolge - für die Milcherzeugung verwendet wird, kann ... einen Referenzmengenübergang bewirken (Urteil vom 6. September 1995 - BVerwG 3 C 1.94 - Buchholz 451.512 Nr. 112; Urteil vom 23. Juni 1995 - BVerwG 3 C 6.94 - Buchholz 451.512 Nr. 110)." Hiernach hätte im Falle des Klägers mangels Milcherzeugungsfläche eine Referenzmenge auf den Beigeladenen nicht übergehen können.

Zu berücksichtigen ist jedoch, daß sich die angeführte Rechtsprechung ausnahmslos auf Fälle bezog, bei denen beim Pächter bis zum Stichtag Milcherzeugungsflächen und eine dazugehörige Referenzmenge vorhanden waren. Sie betrifft nicht den Fall, daß der Pächter bereits zuvor die eigene Milcherzeugung vollständig eingestellt und damit eine Verteilung der Referenzmenge nach Maßgabe der bei der Flächenrückgabe vorhandenen Milcherzeugungsfläche unmöglich gemacht hat. Bei einer solchen Konstellation ist vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat - auf die Größen- und Nutzungsverhältnisse abzustellen, die unmittelbar vor Aufgabe der Milchwirtschaft bestanden haben. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

1.2.1 Das Gemeinschaftsrecht geht prinzipiell davon aus, daß der Verpächter die Referenzmenge erhält, sobald er seinen Betrieb oder Betriebsteil zurückbekommt. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. Juli 1989 (Rs. 5/88 - "Wachauf" - Slg. 1989, 2609 f.) festgestellt, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber die Referenzmenge - vorbehaltlich der Befugnis der Mitgliedstaaten, diese ganz oder zum Teil dem ausscheidenden Pächter zuzuteilen - nach Ablauf des Pachtverhältnisses grundsätzlich dem Verpächter zukommen lassen wollte, der wieder die Verfügungsgewalt über den Betrieb erlangt. Den Produktionsfaktoren Grund und Boden wird insoweit ein Vorrang eingeräumt, der nur durch die Möglichkeit der Gewährung von Pächterschutz eingeengt wird. Der Pächter verliert seine Referenzmenge sogar dann, wenn er die Milchwirtschaft auf dem gepachteten Hof selbst erst aufgebaut und dadurch die Voraussetzungen für eine Referenzmenge geschaffen hat (so im Fall "Wachauf").

1.2.2 Hätte der Kläger vom Beigeladenen einen "Betrieb" im Sinne der Legaldefinition des Art. 12 Buchst. d) der VO (EWG) Nr. 857/84 und nicht nur Stückland gepachtet, so wäre mit dessen Rückgabe die gesamte Referenzmenge des Betriebs trotz vorheriger Aufgabe der Milchproduktion übergegangen. Dies folgt aus Art. 7 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1546/88. Dort wird nämlich der Referenzmengenübergang anders als bei Nr. 2 in keiner Weise mit der - vorherigen - Milcherzeugung verknüpft. Dies läßt den Schluß zu, daß die Einstellung der Milcherzeugung vor Rückgabe des Betriebs den Referenzmengenübergang nicht hindert. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, daß bei der Rückgabe von Stückland Gegenteiliges gelten sollte.

1.2.3 Die dem Verpächter bei Rückgabe von Altpachtflächen zustehende Referenzmenge kann außer durch Pächterschutz nur in Auswirkung der Flächenakzessorietät geschmälert werden. Die Flächenakzessorietät, also die Verknüpfung der Referenzmenge mit der entsprechenden Milcherzeugungsfläche, rechtfertigt in einem Fall wie dem vorliegenden aber nicht den Verbleib der Milchquote beim Pächter. Allerdings ist der Verpächter stets der Gefahr ausgesetzt, daß die ihm bei Pachtende zustehende Referenzmenge sich durch pächterseitige Nutzungsänderungen oder Flächenausweitung verringert, unter Umständen sogar gänzlich verloren geht. Die Referenzmenge ist - soweit nicht anderes bestimmt ist - auf die Milcherzeugungsflächen eines Betriebs bezogen und nimmt an deren Veränderungen teil. Die Auswirkungen flächenbezogener Dispositionen des Pächters auf die Referenzmenge können insoweit nach den Regelungen des Gemeinschaftsrechts und der Milch-Garantiemengen-Verordnung innerhalb der durch das Prinzip von Treu und Glauben gezogenen Grenzen über das Ende des Pachtverhältnisses hinausreichen. Aufgrund dieser Möglichkeit kann der Pächter aber nur eine Umverteilung der Referenzmenge entsprechend den nunmehr vorhandenen Milcherzeugungsflächen seines Betriebs bewirken. Hat er die Milcherzeugung aber bereits lange vorher aufgegeben und verfügt er infolgedessen nicht mehr über Milcherzeugungsflächen, so kann die der Pachtfläche entsprechende Referenzmenge auch nicht der ihm selbst gehörenden Fläche zugewachsen sein. Somit scheidet das Institut der Flächenbindung als Grund für einen Verbleib der Referenzmenge beim Kläger aus.

1.2.4 Die vorstehenden Überlegungen werden durch § 7 Abs. 2 a Satz 3 Nr. 3 MGV i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. März 1994 (BGBl I S. 586) bestätigt. Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, daß durch die Übertragung von Referenzmengen ohne dazugehörige Flächen Ansprüche des Verpächters auf Rückübertragung von Referenzmengen beeinträchtigt werden. Der Verordnungsgeber bringt damit zum Ausdruck, daß die Nutznießung an der einer Pachtfläche entsprechenden Referenzmenge - unbeschadet der Sonderregelung über den Pächterschutz - dem Pächter nur bis zum Pachtende gebührt. Mit dieser normativen Wertung stünde es in Widerspruch, wenn der Verpächter dadurch, daß sein Pächter die Milcherzeugung aufgibt, die Referenzmenge auf Dauer verlöre. Zwar galt die Bestimmung im Zeitpunkt der Flächenrückgabe an den Beigeladenen noch nicht, jedoch stellt sie die Ausformung eines dem Milchquotenrecht von jeher innewohnenden Prinzips dar.

1.3 Infolge der Einstellung der Milcherzeugung durch den Kläger kann die Verteilungsregel des Art. 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 VO (EWG) Nr. 1546/88 hier - anders als im Regelfall - nicht auf den Zeitpunkt der Flächenrückgabe bezogen werden. Daher richtet sich die auf den Beigeladenen übergegangene Referenzmenge nach dem Verhältnis seiner vor Aufgabe der Milcherzeugung vorhandenen Milcherzeugungsflächen zu den übrigen, in dieser Weise vom Kläger genutzten Flächen. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht seinem Urteil zutreffend zugrunde gelegt.

2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als sie die Versagung von Pächterschutz als rechtswidrig angreift.

Von der den Mitgliedstaaten in Art. 7 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 857/84 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 590/85 eingeräumten Möglichkeit, dem Pächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen die Referenzmenge ganz oder teilweise gutzuschreiben (Pächterschutz), hat der deutsche Verordnungsgeber in § 7 Abs. 3 a MGV Gebrauch gemacht. Die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungsnorm macht die Gewährung von Pächterschutz u.a. davon abhängig, daß der Pächter "die Milcherzeugung fortsetzen will". Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung hätte die Referenzmenge zur Hälfte beim Kläger verbleiben können. Das Berufungsgericht hat den Fortsetzungswillen beim Kläger jedoch zu Recht verneint.

Für den Fortsetzungswillen kommt es in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitpunkt der Rückgabe der gepachteten Flächen an, denn die - eventuell um den Pächterschutzanteil geminderte - Referenzmenge geht mit dem Besitzwechsel kraft Gesetzes über. Schon deshalb müßte ein erst nach Besitzübergang entstandener (oder auch entfallener) Fortsetzungswille außer Betracht bleiben.

Der Fortsetzungswille als subjektive Tatbestandsvoraussetzung für den Pächterschutz muß in bestimmter Weise dokumentiert sein, um die vom Verordnungsgeber damit erstrebte Selektion leisten zu können. Wäre die bloße Behauptung, die Milcherzeugung fortsetzen zu wollen, für die teilweise Einbehaltung der Referenzmenge ausreichend, so hätte der Normgeber auf dieses Kriterium verzichten können. Diese Behauptung muß - um von den zuständigen Behörden und Gerichten anerkannt werden zu können - zumindest im Einklang stehen mit den objektiven betrieblichen Gegebenheiten, und zwar denjenigen zur Zeit des Besitzwechsels. Deuten diese nicht auf eine zeitnahe Fortsetzung der Milchwirtschaft hin oder schließen sie diese sogar aus, kann der Pächter mit seiner Behauptung nicht gehört werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Pächter, der die Milcherzeugung lange vor dem maßgeblichen Stichtag eingestellt hat, den von ihm geforderten Fortsetzungswillen zumindest in Ausnahmefällen nachweisen könnte; würde er noch vor der Rückgabe die objektiven Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Milcherzeugung schaffen, so könnte daran gedacht werden, den Willen, die vor der Aufgabe betriebene Milchproduktion fortzuführen, als ausreichend anzuerkennen. Denn nicht einmal diese Voraussetzung liegt beim Kläger vor. Das "Verleasen" der gesamten Referenzmenge auf ein Jahr im Juli 1991 - also drei Monate vor Rückgabe der Pachtflächen - stellt einen objektiven Umstand dar, aus dem die Beklagte zum Stichtag - dem 15. Oktober 1991 - nur den Schluß ziehen konnte, daß der Kläger nicht beabsichtigte, die Milcherzeugung fortzusetzen bzw. wiederaufzunehmen. Die Quotenüberlassung schloß einen alsbaldigen Wiederbeginn der Milchwirtschaft praktisch aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 15 273,60 DM festgesetzt. t.

Ende der Entscheidung

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