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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 6.98
Rechtsgebiete: BerRehaG, Einigungsvertrag (EV), GG


Vorschriften:

BerRehaG § 1
BerRehaG § 3
BerRehaG § 17
Einigungsvertrag (EV) Art. 17
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:

Die Versagung einer begabungsgerechten Schul- oder Hochschulausbildung in der DDR aus politischen Gründen begründet allein keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitierung im Sinne von § 1 Abs. 1 BerRehaG. Die Beschränkung der "verfolgten Schüler" auf bevorzugte berufliche Fortbildung und Umschulung ist mit Art. 17 Einigungsvertrag und Art. 3 GG vereinbar (wie Urteil vom 21. Januar 1999 BVerwG 3 C 5.98 -).

Urteil des 3. Senats vom 21. Januar 1999 - BVerwG 3 C 6.98 -

I. VG Weimar vom 25.09.1997 - Az.: VG 1 K 1026/95.WE -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 6.98 VG 1 K 1026/95.We

Verkündet am 21. Januar 1999

Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. September 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten, als Verfolgter im Sinne von § 1 Abs. 1 BerRehaG anerkannt zu werden.

Der Vater des am 24. April 1953 geborenen Klägers ist 1962 in der DDR wegen Spionage und damit zusammenhängender Delikte zu einer Zuchthausstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Vom 29. März 1961 bis zu seinem "Freikauf" durch die Bundesrepublik Deutschland am 17. Oktober 1965 war er inhaftiert. Im Jahre 1991 wurde er unter Aufhebung der gegen ihn ergangenen Urteile postum rehabilitiert.

Der Kläger besuchte von 1960 bis 1968 eine Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule, die er mit der 8. Klasse abschloß. In der Folgezeit war er bis 1990 als Hilfsarbeiter oder Lagerist tätig.

Am 19. September 1994 beantragte er die Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung. Er habe aufgrund der Verurteilung seines Vaters in der DDR als Staatsfeind gegolten. Aus diesem Grund sei ihm die Zulassung zum Besuch der Erweiterten Oberschule verwehrt worden, so daß ihm ein Studium nicht möglich gewesen sei. Seine Bewerbung um eine Lehrstelle als Fernmeldemechaniker sei abgelehnt worden. Das Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung (Landesamt) erteilte dem Kläger daraufhin eine Rehabilitierungsbescheinigung als verfolgter Schüler im Sinne von § 3 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) für die Zeit vom 1. August 1968 bis zum 2. Oktober 1990. Mit Bescheid vom 9. März 1995 lehnte es seinen Antrag auf Anerkennung als Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG ab.

Mit seiner Klage hat der Kläger einen Anspruch auf berufliche Rehabilitierung auf der Grundlage einer hypothetischen Ausbildung als Fernmeldemechaniker für die Zeit vom 1. August 1969 bis zum 2. Oktober 1990 geltend gemacht. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen: Die Regelung des § 1 Abs. 1 BerRehaG verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, da sie Personen, die bereits in der vorberuflichen Ausbildung als systemfeindlich eingestuft und infolgedessen von einer Berufsausbildung ausgeschlossen worden waren, aus dem Kreis der Begünstigten ausnehme. Damit werde das zu DDR-Zeiten erlittene Unrecht fortgesetzt, weil sich der Rentenanspruch der Betroffenen in der Regel nur nach Hilfstätigkeiten richte. Statt dessen hätte der Gesetzgeber die jeweils verweigerte Berufsausbildung als begonnen fingieren müssen. In seinem Fall sei von einer verfolgungsbedingten Unterbrechung einer berufsbezogenen Ausbildung ab dem Jahr 1969 auszugehen. Die Zeiten seiner jahrelangen Hilfstätigkeiten seien rentenrechtlich so zu berücksichtigen, als habe er den Beruf eines Fernmeldemechanikers ausgeübt.

Mit Urteil vom 25. September 1997 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger erfülle die für die Ausstellung der begehrten Bescheinigung nach § 1 Abs. 1 BerRehaG erforderlichen Voraussetzungen nicht. Allerdings habe ihn das Landesamt zu Recht als verfolgten Schüler nach § 3 BerRehaG anerkannt, weil er als Kind eines ehemaligen politischen Häftlings rechtsstaatswidrig nicht zu einer höheren Bildungseinrichtung zugelassen worden sei. In der DDR habe eine allgemeine zehnjährige Oberschulpflicht bestanden, die durch den Besuch der zehnklassigen Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule zu erfüllen gewesen sei. Auch sei es das erklärte Ziel des Staates gewesen, alle Schulabgänger zu einer Berufsausbildung zu führen. Die Verweigerung des weiteren Schulbesuchs und der Berufsausbildung als Fernmeldemechaniker rechtfertige eine Anerkennung im Sinne von § 1 Abs. 1 BerRehaG aber nur dann, wenn der Kläger den Beruf als Fernmeldemechaniker durch den Beginn einer hierauf bezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebt hätte. Diese Bedingung erfülle der Kläger nicht, denn er habe diesen Beruf zu keiner Zeit ausgeübt und auch keine berufsbezogene Ausbildung begonnen.

§ 1 Abs. 1 BerRehaG lasse auch keine Auslegung dahin zu, daß staatliche Eingriffe in die Schulausbildung zugleich auch berufsbezogen seien, wenn durch sie ein sich als wahrscheinlich abzeichnender Ausbildungsgang blockiert werde. Soweit der Gesetzgeber für verfolgte Schüler lediglich Ansprüche auf Leistungen nach dem Zweiten Abschnitt des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes wie Studienförderung, bevorzugte berufliche Fortbildung und Umschulung - vorsehe, ihnen aber einen Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung versage, sei dies mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers. Er trägt vor: Das Gericht habe verkannt, daß der Besuch der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule als Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung zu werten sei. Die Schulausbildung in der DDR sei Teil einer einheitlichen berufsbezogenen Ausbildung gewesen. Falls aber die verfolgten Schüler von § 1 BerRehaG nicht erfaßt sein sollten, habe der Gesetzgeber mit dieser Regelung gegen die Verpflichtungen verstoßen, die ihm durch Art. 17 Einigungsvertrag (EV) auferlegt seien. Aufgrund dieser Bestimmung könne er als Opfer des SED-Unrechtsregimes eine angemessene Entschädigungsregelung beanspruchen. Eine solche enthalte das Berufliche Rehabilitierungsgesetz für verfolgte Schüler nicht, weil sich die für sie vorgesehenen Ausgleichsleistungen für Personen im fortgeschrittenen Alter praktisch nicht mehr auswirken könnten. Die gesetzliche Regelung verstoße darüber hinaus gegen den Gleichheitsgrundsatz, denn sie bleibe hinter den Vergünstigungen zurück, die das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für vergleichbare NS-Verfolgte eingeräumt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom 25. September 1997 den Bescheid des Beklagten vom 9. März 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 1995 aufzuheben und eine berufliche Rehabilitierung für die Zeit vom 1. August 1969 bis 2. Oktober 1990 auf der Grundlage einer hypothetischen Ausbildung als Fernmeldemechaniker durchzuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er tritt der Revision entgegen und verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

II.

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts entspricht dem Bundesrecht. Die Versagung einer begabungsgerechten Schul- oder Hochschulausbildung aus politischen Gründen begründet keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitation, wenn zur Zeit des rechtsstaatswidrigen Eingriffs noch keine auf einen bestimmten Beruf ausgerichtete Ausbildung begonnen war (1). Die einem solchen Anspruch entgegenstehende Vorschrift des § 1 Abs. 1 BerRehaG verstößt weder gegen Art. 17 Einigungsvertrag (2), noch gegen den Gleichheitsgrundsatz (3).

1. Der Kläger kann eine Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 BerRehaG darüber, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 vorliegen, nicht verlangen, weil er ein unerläßliches Kriterium nicht erfüllt: Die von ihm als Schüler erlittenen Diskriminierungen waren nicht berufsbezogen.

§ 1 BerRehaG verlangt, daß der von einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung oder einer anderen politischen Verfolgungsmaßnahme Betroffene zumindest zeitweilig weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen, erlernten oder durch den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung nachweisbar angestrebten, noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben konnte. Die Vorschrift dient damit der Wiedergutmachung von Schäden und Nachteilen, die dem Antragsteller in seinem damaligen beruflichen Umfeld zugefügt worden sind. Den Grenzverlauf zwischen dem beruflichen Schutzbereich und der vor- bzw. außerberuflichen Zone hat der Gesetzgeber anhand exakter Kriterien festgelegt. Dabei läßt er zwar bereits den Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung für die rentenrechtliche Verknüpfung mit dem angestrebten Beruf genügen. Auch hinter den Anforderungen dieser Mindestvoraussetzung bleibt der Kläger jedoch zurück. Den zum Gegenstand seiner beruflichen Rehabilitierung gewählten Beruf eines Fernmeldemechanikers hat er weder ausgeübt oder erlernt, noch durch den Beginn einer Ausbildung nachweisbar angestrebt. Dies ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts und wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen.

Entgegen der Ansicht der Revision läßt § 1 Abs. 1 BerRehaG nicht die Auslegung zu, daß unter "Beginn einer berufsbezogenen Ausbildung" auch schon der Besuch der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule zu verstehen sei. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Schulausbildung in der DDR stärker berufsorientiert war als in der Bundesrepublik. Gleichwohl läßt der Besuch einer sich als allgemeinbildend verstehenden Schule nicht auf den von den Schülern angestrebten Beruf schließen. Eine solche Konkretisierbarkeit, z.B. durch Abschluß eines Lehrvertrages oder Zuweisung eines bestimmten Studienplatzes setzt aber § 1 Abs. 1 BerRehaG voraus; das Verwehren des Zugangs zu einer höheren Schulausbildung wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Die Bestimmung verlangt "Anhaltspunkte für das Einschlagen einer bestimmten beruflichen Richtung" (vgl. BTDrucks 12/4994, S. 44, Nr. 19). Ohne Anknüpfbarkeit an einen bestimmten Beruf sind die rentenrechtlichen Ausgleichsleistungen, die das Gesetz in erster Linie bezweckt, nicht zu errechnen, denn sie erfordern die Einstufung des Verfolgten in eine bestimmte Qualifikationsgruppe und die Orientierung an den Durchschnittsverdiensten der betreffenden Branche (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BerRehaG und die dort aufgeführten Anlagen zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs).

Der Kläger hat auch nichts dazu vortragen können, inwiefern sich bei ihm der Besuch der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule bis zur 8. Klasse gerade als Beginn einer Ausbildung zum Fernmeldemechaniker - und nicht etwa irgend eines anderen Berufes - dargestellt habe. Seine Einlassung, er habe sich - nach Verlassen der Schule - erfolglos um eine Lehrstelle als Fernmeldemechaniker bemüht, macht im Gegenteil den fehlenden Zusammenhang zwischen der Schulausbildung und dem Beruf als Fernmeldemechaniker offenkundig. Insofern erweist sich sein Antrag als konsequent, seiner beruflichen Rehabilitierung eine hypothetische Ausbildung als Fernmeldemechaniker zugrunde zu legen. Damit stellt er auf eine berufliche Position ab, die er nach seiner Einschätzung erreicht hätte, wenn er als Schüler nicht verfolgt worden wäre. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 BerRehaG jedoch kein Raum für das Nachzeichnen rein hypothetischer Ausbildungs- und Berufsverläufe (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 25.97 - Buchholz 115 Nr. 11; Beschluß vom 11. November 1998 - BVerwG 3 B 143.98 -). Dies hätte die Behörden vor fast unlösbare Probleme gestellt und ist u.a. deshalb vom Gesetzgeber bewußt abgelehnt worden (vgl. BTDrucks 12/7048, S. 39 zu § 2 a).

Der Revision kann auch in ihrer Annahme nicht gefolgt werden, die Maßnahmen, die zur bestandskräftigen Anerkennung des Klägers als verfolgter Schüler im Sinne von § 3 BerRehaG geführt haben, stellten sich zugleich als berufsbezogene Verfolgung im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes dar. Die §§ 1 und 3 beziehen sich auf je unterschiedliche Lebensabschnitte bzw. Tätigkeitsbereiche. Ein und dieselbe Maßnahme kann nur entweder in die schulische, also vorberufliche oder in die berufliche Phase bzw. Sphäre des Verfolgten fallen. Der Senat läßt es dahingestellt, ob somit der Anspruch des Klägers auch daran scheitert, daß ihm die Bestandskraft der Bescheinigung über die Verfolgung als Schüler entgegensteht. Falls eine solche Ausschlußwirkung besteht, würde sie allerdings nicht den Fall betreffen, daß verfolgte Schüler wie im Fall der Schwester des Klägers - später durch andere Verfolgungsmaßnahmen zusätzlich Opfer einer beruflichen Verfolgung im Sinne von § 1 BerRehaG geworden sind.

2. Ohne Erfolg bleibt der Versuch der Revision, einen Anspruch des Klägers auf die These zu stützen, der Gesetzgeber habe mit dem Ausschluß der Schüler von der beruflichen Rehabilitation gegen die in Art. 17 Einigungsvertrag übernommene Verpflichtung zur Rehabilitierung und angemessenen Entschädigung aller dort aufgeführten Personengruppen - zu denen auch der Kläger gehöre - verstoßen. Ob der Kläger bei Vorliegen eines solchen Verstoßes daraus Rechte für sich ableiten könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn Art. 17 EV verpflichtet den Gesetzgeber in Hinblick auf verfolgte Schüler nicht zu weitergehenden Ausgleichsleistungen, als sie im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz vorgesehen sind.

Welche Personengruppen in den Genuß der im Einigungsvertrag abgesprochenen Rehabilitierungsregelung kommen sollten und welchen Umfang die Entschädigung haben müsse, wird in Art. 17 EV nur in groben Zügen umrissen. Fest steht nur, daß jedenfalls die unmittelbaren Opfer politisch motivierter Strafverfolgungsmaßnahmen oder anderer rechtsstaats- und verfassungswidriger gerichtlicher Entscheidungen zu rehabilitieren und zu entschädigen sind. Hierzu gehören nicht die Schüler, soweit ihnen durch behördliche Eingriffe aus politischen Gründen eine ihrer Begabung entsprechende Ausbildung verwehrt worden ist. Ob die Vertragsparteien aber möglicherweise eine mittelbare Betroffenheit durch Strafverfolgungsmaßnahmen oder gerichtliche Entscheidungen, die gegen andere Personen - z.B. Familienangehörige - gerichtet waren, sowie administrative Unrechtsakte für ausreichend erachteten, ist nicht von vornherein auszuschließen. Auch die Ausführungen zu Art. 17 in der Denkschrift zum Einigungsvertrag (BTDrucks 11/7760 S. 363) ergeben kein eindeutiges Bild. Erhellend aber ist, daß das in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Einigungsvertrag von der Volkskammmer erlassene Rehabilitierungsgesetz vom 6. September 1990 (GBl I S. 1459) eine berufliche Rehabilitierung u.a. davon abhängig machte, daß in ein bestehendes Arbeitsverhältnis aufgrund einer betrieblichen Entscheidung eingegriffen worden war. Danach hätte der Kläger keine Rechte geltend machen können. Vieles spricht dafür, daß die mit Art. 17 EV verfolgte Intention in diesem DDR-Gesetz hinreichenden Niederschlag gefunden hat.

Da Art. 17 EV allenfalls hinsichtlich seines Kernbereichs ein klares Regelungsziel erkennen läßt, geht der Senat davon aus, daß die Vertragsparteien - sofern sie überhaupt eine über die enge Auslegung hinausgehende Rehabilitation für geboten erachteten - dem Gesetzgeber in den Randbereichen keine engen Bindungen auferlegen wollten. Für einen belassenen Auswahl- und Differenzierungsspielraum spricht auch die Charakterisierung der vorzusehenden Entschädigung als "angemessen" (Art. 17 Satz 2 EV). Damit sollte es offensichtlich ermöglicht werden, auf die Vielfalt der auszugleichenden Verfolgungsmaßnahmen je nach ihrer Intensität und Eigenheit unterschiedlich zu reagieren.

Die im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz getroffenen Regelungen bewegen sich innerhalb dieses Gestaltungsfreiraumes, soweit sie verfolgten Schülern keinen Nachteilsausgleich in der Rentenversicherung, sondern eine bevorzugte berufliche Fortbildung und Umschulung gewähren. Die gesetzliche Anknüpfung der beruflichen Rehabilitation an den ausgeübten oder ausweislich der Ausbildung angestrebten Beruf, und nicht an einen hypothetischen Ausbildungs- oder Berufsverlauf, ist sinnvoll und von der Praktikabilität geboten (vgl. Urteil vom 12. Februar 1998 - BVerwG 3 C 25.97 - a.a.O.). Wie bereits ausgeführt, erfordert die Rentenausgleichsberechnung einen konkreten Beruf als Bezugspunkt. Vom Prinzip her ist es ebenfalls sachgerecht, daß die Ausgleichsregelung für verfolgte Schüler nach Art einer Naturalrestitution an dem von ihnen erlittenen Ausbildungsdefizit ansetzt und dieses auszugleichen sucht. Der Gesetzgeber setzt damit im wesentlichen das Förderungssystem fort, das bereits vor dem Beitritt für Aussiedler und Zuwanderer, die durch Bildungsdiskriminierung Nachteile erlitten hatten, bestanden hat (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 11 f.). Freilich wird das Schulungsangebot mit zunehmendem Alter der "Schüler" an praktischer Bedeutung verlieren, obwohl für sie die allgemeinen Altershöchstgrenzen außer Kraft gesetzt worden sind (§ 60 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 3 BAföG). Der Umstand, daß nicht alle verfolgten Schüler von den angebotenen Schulungsmöglichkeiten profitieren können, was insbesondere für die bereits aus dem Berufsleben Ausgeschiedenen zu gelten hat, nötigt aber nicht zu der Schlußfolgerung, daß der Gesetzgeber in Hinblick auf Art. 17 EV eine solche Regelung nicht hätte treffen dürfen. Hierfür hätte es eines wesentlich stringenteren Gesetzgebungsauftrags bedurft. Die in § 3 i.V.m. dem Zweiten Abschnitt BerRehaG enthaltene Regelung erweist sich somit für den in Rede stehenden Personenkreis als "angemessene Entschädigungsregelung" i.S.v. Art. 17 EV, über die hinaus der Kläger keine Ansprüche geltend machen kann.

3. Der Kläger kann auch nicht mit der Ansicht durchdringen, die Versagung einer beruflichen Rehabilitierung für verfolgte Schüler verletze den Gleichheitsgrundsatz.

Dabei ist davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber bei der Entschädigung nicht im Bereich seines damaligen Staatsgebietes begangenen staatlichen Unrechts weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt (Beschluß vom 19. Dezember 1996 - BVerwG 3 B 60.96 - Buchholz 115 Nr. 6). Bei der Bemessung von Wiedergutmachungsleistungen darf er in diesem Rahmen auch darauf Rücksicht nehmen, welche finanziellen Möglichkeiten er unter Berücksichtigung der sonstigen Staatsaufgaben hat (BVerfG, Urteil vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170 u.a. - BVerfGE 84, 90, 130). Dies schließt u.a. eine Verpflichtung, bei der Bereinigung des SED-Unrechts nicht hinter den Regelungen zur Rehabilitierung der NS-Opfer zurückzubleiben, aus, zumal hier im Gegensatz zu der zwölf Jahre währenden NS Zeit vom Gesetzgeber ein Zeitraum in den Blick zu nehmen war, in dem Angehörigen mehrerer Generationen eine ihnen nach Begabung und Neigung zukommende Ausbildung vorenthalten worden ist und daher naturgemäß ein großer Anteil an Verfolgten beim Beitritt bereits in prinzipiell nicht mehr wiedergutmachungsfähiger Weise geschädigt war. Angesichts der Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsrahmens reduziert sich die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes hier auf das Willkürverbot und das Gebot sachgerechter Differenzierung. Gemessen hieran, erweist sich die im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz getroffene Unterscheidung zwischen schulischer und berufsbezogener Verfolgung und deren Verknüpfung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen als Rechtens. Die Regelungen beruhen - wie bereits in Zusammenhang mit Art. 17 EV ausgeführt - auf sachgerechten Überlegungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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