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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 8.01
Rechtsgebiete: EGBGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 233 § 2 b Abs. 1
EGBGB Art. 233 § 2 b Abs. 2
EGBGB Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a
EGBGB Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b
Eine LPG kann selbständiges Gebäudeeigentum an einem von ihr vor dem 3. Oktober 1990 auf einem fremden Grundstück errichteten Gebäude u.a. auch nach Maßgabe von Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB erworben haben.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 8.01

Verkündet am 20. Juni 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 24. Oktober 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides der Beklagten, mit dem selbständiges Gebäudeeigentum zu Gunsten der durch den Beigeladenen vertretenen LPG an einem Verkaufsbungalow auf einem Flurstück in der Gemarkung Burgwerben festgestellt wurde. Der Kläger ist Eigentümer des betroffenen Grundstücks.

Am 29. April 1979 hatte der Kläger mit dem Rat des Kreises Weißenfels eine unbefristete Nutzungsvereinbarung getroffen. Diese sah vor, dass das in Rede stehende Grundstück dem Rat des Kreises teilweise zur Sicherung und Bewirtschaftung übergeben werde und der Nutzer zur Werterhaltung der darauf befindlichen Baulichkeiten verpflichtet sei.

Auf Antrag der durch den Beigeladenen vertretenen LPG genehmigte das Ministerium für Bauwesen - Staatliche Bauaufsicht - Kreis Weißenfels unter Auflagen die Errichtung des hier streitigen Verkaufsbungalows, die 1989 erfolgte.

Mit Bescheid vom 14. August 1997 stellte die Beklagte fest, dass an dem Bungalow gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 2 Abs. 1 VZOG i.V.m. § 27 LPG-Gesetz vom 2. Juli 1982 zu Gunsten der LPG Gebäudeeigentum entstanden sei.

Mit seiner auf Aufhebung dieses Bescheides gerichteten Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Bungalow sei gegen seinen Willen und nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet worden. Die Beklagte habe den Standort des Bungalows in ihrem Bescheid falsch eingezeichnet. Der Nachweis eines Nutzungsrechts der LPG sei nicht erbracht.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2000 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten aufgehoben und dies wie folgt begründet: Als Rechtsgrundlage für den von der früheren LPG geltend gemachten Anspruch komme allein Art. 233 § 2 b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EGBGB in Betracht, und zwar entweder i.V.m. § 27 des Gesetzes über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften - LPG-Gesetz - vom 2. Juli 1982 (GVBl I S. 443) oder i.V.m. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Buchst. b EGBGB. Im vorliegenden Fall seien aber nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt.

Voraussetzung für die Entstehung selbständigen Gebäudeeigentums nach § 27 LPGG sei ein Nutzungsrecht der LPG an dem von ihr genutzten Boden gewesen. Daran fehle es hier. Da das Grundstück nicht volkseigen gewesen sei, habe ein Nutzungsrecht nur durch vertragliche Vereinbarung begründet werden können. Eine derartige Vereinbarung habe der Kläger mit der LPG nicht getroffen. Das Grundstück des Klägers sei der LPG auch nicht - wie sonst oftmals üblich - im Wege der Weiterübertragung vom Staat übergeben worden. Es stehe nicht fest, dass der Rat des Kreises Weißenfels seine Rechte aus dem mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrag vom 29. April 1979 auf die LPG übertragen habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei daraus kein anderes Ergebnis abzuleiten. Dem Rat des Kreises sei nämlich in dem betreffenden Vertrag nur eine nicht näher bezeichnete Teilfläche des klägerischen Grundstücks zur Nutzung übertragen worden. Ob der Verkaufsbungalow aber gerade auf dieser Teilfläche errichtet worden sei, sei nicht sicher. Aus der bloß faktischen Nutzung eines Grundstücks könne nicht auf ein entsprechendes Nutzungsrecht geschlossen werden.

Aus dem selben Grund komme auch die Entstehung von selbständigem Gebäudeeigentum nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b i.V.m. Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 EGBGB nicht in Betracht. Dies hätte nämlich vorausgesetzt, dass die LPG das Gebäude auf einer ihr zur Nutzung übertragenen Grundstücksfläche errichtet habe.

Die Entstehung selbständigen Gebäudeeigentums zu Gunsten der LPG gemäß Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB scheide deshalb aus, weil diese Vorschrift auf Genossenschaften bzw. deren Rechtsnachfolger nicht anwendbar sei. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB habe insoweit als Spezialvorschrift für Genossenschaften zu gelten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision des Beigeladenen, die wie folgt begründet wird:

Die Annahme des Verwaltungsgerichts, Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB verlange, dass das Grundstück von der Genossenschaft aufgrund eines Nutzungsrechts genutzt worden sei, gehe fehl. Vielmehr habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Vorschriften der Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b EGBGB gerade die Fälle nutzungsrechtslosen Gebäudeeigentums beträfen. Insoweit reiche für die Entstehung von Gebäudeeigentum die bloß faktische Nutzung der Gebäude zu einem genossenschaftlichen Zweck aus.

Der Beigeladene beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe Rechtsverhältnisse an volkseigenen Grundstücken und sei deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, sie habe allein aufgrund der faktischen Nutzung des Grundstücks auf ein LPG-Nutzungsrecht geschlossen. Vielmehr habe der Rat des Kreises das ihm vom Kläger verpachtete Grundstück seinerzeit der für den Bereich zuständigen LPG (T) "Thomas Müntzer" - wie in der ehemaligen DDR üblich - zur Nutzung übergeben. Es müsse hier - wie in vielen anderen Fällen - von einem konkludent zustande gekommenen Nutzungsüberlassungsverhältnis, somit von einem faktischen Vertragsverhältnis, ausgegangen werden.

II.

Die Revision des Beigeladenen hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die abschließende Beurteilung erfordert weitere tatsächliche Feststellungen, die zu treffen dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 26. August 1999 (- BVerwG 3 C 26.98 - Buchholz 115 Nr. 24 S. 16) ausgeführt hat, kann Gebäudeeigentum zu Gunsten einer LPG oder ihrer Rechtsnachfolgerin zumindest auf dreierlei Weise entstanden sein: Zum einen aufgrund der Verweisung auf § 27 LPG-Gesetz 1982 in Art. 233 § 2 b Abs. 2 Satz 1 EGBGB (hierzu nachfolgend unter a), zum anderen dadurch, dass eine der beiden in Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 EGBGB durch Bezugnahme auf § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b bezeichneten Alternativen eingreift (hierzu nachfolgend unter b bzw. c). Für die Annahme eines weiteren möglichen Entstehungsgrundes bietet der vorliegende Fall keinen Anhaltspunkt.

Bei der Prüfung, ob zumindest einer der drei in Betracht zu ziehenden gesetzlichen Tatbestände zur Entstehung selbständigen Gebäudeeigentums an dem umstrittenen Verkaufsbungalow geführt hat, ist der Senat an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen nach Maßgabe von § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Danach ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der von dem Beigeladenen vertretenen LPG ein Nutzungsrecht an dem Grundstück des Klägers weder von diesem eingeräumt noch staatlicherseits verliehen oder übertragen worden ist.

a) Unter vorstehender Prämisse hat das Verwaltungsgericht die Entstehung von Gebäudeeigentum gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 2 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 27 LPG-Gesetz 1982 zutreffend verneint. Selbständiges Gebäudeeigentum erwarb eine LPG nur, wenn sie das Gebäude in Ausübung ihres Nutzungsrechts auf fremdem Boden errichtete (Urteil vom 2. März 1995 - BVerwG 7 C 61.93 - Buchholz 115 Nr. 2 S. 6). Abgesehen von individuellen Nutzungsvereinbarungen waren die LPGen kraft Gesetzes zur Nutzung desjenigen Bodens berechtigt, der durch die Genossenschaftsbauern eingebracht oder ihnen vom Staat zur unentgeltlichen Nutzung übergeben oder von anderen sozialistischen Betrieben zur unbefristeten Nutzung übertragen wurde (vgl. § 18 LPG-Gesetz). Keine dieser Alternativen trifft auf den vorliegenden Fall zu.

b) Selbständiges Gebäudeeigentum an dem Bungalow zu Gunsten der LPG wäre gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB entstanden, wenn ihr vor dem 3. Oktober 1990 ein legal errichtetes Gebäude und dazugehörige Grundstücksflächen "zur Nutzung sowie selbständigen Bewirtschaftung und Verwaltung übertragen worden" und von ihr genutzt worden sein sollten. Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen dieses Tatbestandes verneint, weil auch bei dieser Fallkonstellation die Nutzung des Grundstücks auf einem Nutzungsrecht beruht haben müsse. Gegen diese Auslegung ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. Indem der Gesetzgeber das Erfordernis der faktischen Nutzung ausdrücklich mit einer "Übertragung zur Nutzung" - also einem Rechtsakt - verknüpft hat, bleibt kein Raum für die Annahme, auch eine rechtsgrundlose Nutzung des Gebäudes könne selbständiges Eigentum an diesem begründet haben.

Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich eine Entbehrlichkeit des Nutzungsrechts auch nicht aus der von ihr angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herleiten. Der Beigeladene beruft sich dabei insbesondere auf das oben bereits erwähnte Urteil vom 2. März 1995 (a.a.O. S. 7). Dort wird dargelegt, dass durch Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 EGBGB u.a. den LPGen in zwei Fällen des Moratoriums (Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b EGBGB) "nutzungsrechtsloses Gebäudeeigentum an den von ihnen auf volkseigenem Boden errichteten Gebäuden übertragen" worden sei. Dieser Satz besagt jedoch nur, dass die Entstehung von Gebäudeeigentum hier nicht von einem gegenwärtigen - also neu entstehenden oder fortbestehenden - Nutzungsrecht abhängt, verhält sich aber nicht zur Erforderlichkeit eines früheren Nutzungsrechts.

Das Gebäudeeigentum der LPGen beruhte auf dem ihnen nach dem LPG-Gesetz zustehenden gesetzlichen Bodennutzungsrecht, das durch Gesetz vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr. 38 S. 483) ersatzlos aufgehoben worden ist (BTDrucks 12/2480 S. 77). Mit der Aufhebung war die Rechtsgrundlage des Gebäudeeigentums entfallen, so dass den LPGen Herausgabeansprüche der Grundstückseigentümer drohten. Der Zweck des sog. Moratoriums bestand u.a. darin, den LPGen unbeschadet des Wegfalls ihres Nutzungsrechts das Gebäudeeigentum einstweilen zu erhalten oder ihnen ein solches unter bestimmten - in Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a und b EGBGB normierten - Voraussetzungen zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - V ZR 54/97 - BGHZ 137, 369, 373). Soweit in diesen Vorschriften ein früheres Nutzungsrecht als Entstehungsvoraussetzung verlangt wird, hat es dabei trotz dessen späteren Wegfalls sein Bewenden.

c) Das Verwaltungsgericht hat auch Art. 233 § 2 b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB als Rechtsgrundlage für die Entstehung von LPG-Gebäudeeigentum ausgeschlossen. Die hierfür angeführte Begründung, dieser Normenkomplex sei auf Genossenschaften bzw. deren Rechtsnachfolger nicht anwendbar, ist unrichtig.

Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts ist Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EGBGB keine die voranstehende Regelung in Buchst. a verdrängende Spezialnorm. Dass auf landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften auch Buchst. a Anwendung findet, ergibt sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut des § 2 b Abs. 1 Satz 1, wo es u.a. heißt, dass "in den Fällen des § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a Gebäude und Anlagen landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften" Eigentum des Nutzers sind. Es kann auch keine Rede davon sein, dass bei einer Anwendbarkeit beider Regelungen auf LPGen die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung ohne Bedeutung wäre. Das Verwaltungsgericht verkennt dabei, dass sich die Regelungen nicht nur hinsichtlich ihres Adressatenkreises, sondern auch in ihren objektiven Voraussetzungen unterscheiden: Während der durch Buchst. a gewährte vorläufige Schutz eine Bebauung des Grundstücks durch den Nutzer voraussetzt, stellt Buchst. b auf die Übertragung bereits errichteter Gebäude an Genossenschaften u.ä. zu deren Nutzung ab.

Wegen der vermeintlichen generellen Unanwendbarkeit von Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB auf LPGen hat das Verwaltungsgericht von der Feststellung abgesehen, ob im Übrigen die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen sind. Diese Frage lässt sich vom Senat auch nicht anhand der in dem angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Akten beantworten. Fraglich ist insbesondere, ob die durch den Beigeladenen vertretene LPG den Verkaufsbungalow - wie in Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a verlangt - bei In-Kraft-Treten des Moratoriums - also am 22. Juli 1992 - selbst genutzt hat. Dies wird das Verwaltungsgericht aufzuklären haben, zumal der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren mehrfach vorgebracht hat, der Bungalow sei nur bis April 1992 genutzt worden.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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