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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.05.2008
Aktenzeichen: BVerwG 4 A 1009.07
Rechtsgebiete: GG, LuftVG, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
LuftVG § 9 Abs. 2
VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 3
VwGO § 93a
Wird ein von den nachteiligen Wirkungen eines planfestgestellten Vorhabens (hier: Fluglärm) Betroffener nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG statt realer Schutzvorkehrungen auf eine angemessene Entschädigung in Geld verwiesen, ist die daraus folgende Pflicht, die nachteiligen Wirkungen zu dulden, rechtlich unbedenklich, wenn diese Wirkungen nicht die Grenze zur verfassungsrechtlichen Unzumutbarkeit überschreiten.

Die Regelung in einem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, mit der bei unverhältnismäßig hohen Aufwendungen für Schallschutzeinrichtungen die nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu leistende Geldentschädigung auf höchstens 30 % des Verkehrswerts von Grundstück und Gebäuden begrenzt wird, ist nicht zu beanstanden (Bestätigung von Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <268 f.>, Rn. 421 f. - Flughafen Berlin-Schönefeld).

Zu den Voraussetzungen, unter denen nach der Durchführung von Musterverfahren gemäß § 93a Abs. 2 VwGO im Beschlusswege entschieden werden kann.


BVerwG 4 A 1009.07 BVerwG 4 A 1014.04 BVerwG 4 A 1010.05 BVerwG 4 A 1023.06

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

SCHLUSS-BESCHLUSS

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch beschlossen:

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegensteht, wird er aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Kläger als Gesamtschuldner jeweils 3/4. Der Beklagte trägt jeweils 1/4 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe:

I

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Sie sind Eigentümer eines Wohngrundstücks in Schulzendorf, das im Tag- und Nachtschutzgebiet des planfestgestellten Flughafens liegt und für das der Planfeststellungsbeschluss einen Anspruch auf Schallschutzeinrichtungen begründet. Die Kläger haben in erster Linie beantragt, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben (Schriftsatz vom 29. November 2004 in der Rechtssache BVerwG 4 A 1014.04). Hilfsweise haben sie zahlreiche Anträge auf Nachbesserung des planfestgestellten Lärmschutzkonzepts gestellt. Sie sehen ferner die Beschränkung der Übernahme der Kosten für Schallschutzeinrichtungen auf 30 % des Verkehrswerts von Grundstück und Gebäude (Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004) als rechtswidrig an.

Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu 4 000 Personen Klage erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Kläger, deren Klage nicht als Musterverfahren vorgesehen war, haben sich ebenso wie der Beklagte mit diesem prozessualen Vorgehen einverstanden erklärt. Das Verfahren der Kläger wurde gemäß § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.

Über die ausgewählten Musterklagen ist durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl. BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 1075.04 - letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116). Die Anfechtungsklagen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg. Nach Zustellung der Musterurteile hat das Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass ihr Verfahren fortzuführen sei, ggf. auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Die Kläger haben ihre Klage in vollem Umfang aufrechterhalten. Mit Teilbeschluss vom 1. November 2007 - BVerwG 4 A 1009.07 - hat der Senat die den Gegenstand des Hauptantrags der Kläger bildende Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen und die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.

II

Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO i.V.m. § 110 VwGO (entsprechend) eröffneten Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch einen Schluss-Beschluss zu entscheiden.

1.1 Gegenstand der Schlussentscheidung sind die in der Klageschrift vom 29. November 2004 (S. 2 ff.) in der Rechtssache BVerwG 4 A 1014.04 für die Kläger (unter Nr. 173) gestellten und im Verlauf des Verfahrens aufrechterhaltenen Hilfsanträge. Die dort unter Nr. I.1. bis 3. und 6. formulierten, für alle damaligen Kläger gestellten Hilfsanträge betreffen einen verbesserten aktiven und passiven Lärmschutz. Mit dem unter Nr. I.1.5. von den Klägern (und anderen damaligen Klägern) weiter gestellten Hilfsantrag wurde beantragt, unter Aufhebung der entgegenstehenden Entschädigungsregelung in Teil A II 5.1.7 des Planfeststellungsbeschlusses den Beklagten zu verpflichten, an die Kläger eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts ihres Grundstücks gegen dessen Übereignung zu zahlen; der Verkehrswert sollte zum Stichtag 28. Mai 1996 (Datum des Konsensbeschlusses), hilfsweise zum Stichtag 15. Mai 2000 (Auslegung der Planfeststellungsunterlagen) ermittelt werden.

1.2 Über diese Anträge kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben:

Über die Anträge ist im Rahmen der Musterklagen durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform des § 93a VwGO angehört worden. Auch ist nach einstimmiger Auffassung des Senats der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren geklärt. Das Grundstück der Kläger liegt in der Umgebung des geplanten Flughafens in dem durch den Planfeststellungsbeschluss festgesetzten Tag- und Nachtschutzgebiet.

Ferner ist der Senat einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.

Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in dem entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen können (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20). Die Lärmwirkungen unter Berücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für die Kläger nicht anders zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grundstücke der dortigen Kläger repräsentierten die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelastungen, nämlich von Grundstücken, die in keinem der vier Schutzgebiete (Tagschutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiete Außenwohnbereich und Übernahmeanspruch) liegen, über Grundstücke, die nur von einigen dieser Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebieten liegen. Damit ist in den Musterurteilen der Sache nach auch über die Lärmbetroffenheit des Grundstücks der Kläger entschieden worden. Besonderheiten sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.

2. Die unter Nr. I.1. bis 3. und 6. gestellten Hilfsanträge auf verbesserten aktiven und passiven Lärmschutz haben nur in dem aus der Beschlussformel zu ersehenden Umfang Erfolg.

Die Kläger können aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen in demselben Maße wie dort Planergänzung beanspruchen. Ihrer Klage war deshalb insoweit stattzugeben. Im Übrigen können die Hilfsanträge Nr. I.1. bis 3. und 6. aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen keinen Erfolg haben.

3. Der Hilfsantrag Nr. I.5 ist unbegründet.

3.1 Auch über diesen Antrag kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben:

Inhaltsgleiche Hilfsanträge sind im Rahmen der Musterklagen durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig abgewiesen worden. In den Verfahren BVerwG 4 A 1075.04 (Klagantrag Nr. 2.12), BVerwG 4 A 1073.04 (Klagantrag Nr. 2.10) und BVerwG 4 A 1078.04 (Klagantrag Nr. 3.15) war übereinstimmend beantragt worden, die Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses "Anspruchsvoraussetzungen für Schallschutzeinrichtungen/Ent-schädigungsleistungen" aufzuheben. Nach dieser Bestimmung kann ein Betroffener, der - wie die Kläger - Anspruch auf Schallschutzeinrichtungen hat, für den Fall, dass die Kosten der Schallschutzeinrichtungen 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen überschreiten, und damit außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen, von den Trägern des Vorhabens eine Entschädigung i.H.v. 30 % des betreffenden Verkehrswertes beanspruchen.

Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren auch insoweit geklärt und weist die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.

3.2.1 In den Musterurteilen hat der Senat die fragliche Regelung mit folgender Begründung als rechtmäßig angesehen (vgl. beispielhaft Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 422, BVerwGE 125, 116 <268 f.>):

"Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass Kosten i.H.v. mehr als 30 % des Verkehrswertes 'außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen' (PFB S. 666). In Erläuterung und Ergänzung dieser Aussage stellt sie fest, dass 'in den Fällen, in denen aufgrund der schlechten Bausubstanz der Einbau von Schallschutzfenstern nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Lärmsituation in Innenräumen führt, die Durchführung von Schallschutzmaßnahmen unter Kostengesichtspunkten unverhältnismäßig sein' kann (PFB S. 666 f.) Dass die Planfeststellungsbehörde es mit einer Entschädigung i.H.v. 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude bewenden lässt, hält sich in dem durch § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg abgesteckten rechtlichen Rahmen. Obwohl dies im Wortlaut, anders als in § 41 Abs. 2 BImSchG, nicht zum Ausdruck kommt, können Kostengesichtspunkte auch im Anwendungsbereich dieser Bestimmung eine Rolle spielen. Das in der Vorschrift genannte Merkmal der ,Untunlichkeit' ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes des Inhalts, dass Schutzmaßnahmen nicht in Betracht kommen, wenn sie ,wirtschaftlich nicht vertretbar' sind (vgl. die Begründung zu § 70 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 7/910 S. 89). Anstatt Kosten aufbringen zu müssen, die außer Verhältnis zu dem mit § 9 Abs. 2 LuftVG verfolgten Schutzziel stehen würden, hat der Vorhabenträger eine ,angemessene' Entschädigung in Geld zu zahlen. Soweit sich aus § 74 Abs. 2 VwVfGBbg ein Anspruch auf Vorkehrungen des passiven Schallschutzes ableiten lässt, hat die Vorschrift von ihrer Zweckbestimmung her von vornherein ein begrenztes Anwendungsfeld. Ein Gebäude soll durch technisch-reale Maßnahmen soweit ertüchtigt werden, dass das Gebäudeinnere gegen unzumutbare Lärmeinwirkungen abgeschirmt wird. Der Ausgleich nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen. Dem Planungsträger ist es nicht verwehrt, mit Hilfe einer Kappungsgrenze zu verhindern, dass die Entschädigung dafür genutzt wird, die Bausubstanz eines Bauwerks, das sich in einem schlechten Zustand befindet, durch Verbesserungen an den verschiedensten Umfassungsbauteilen so nachhaltig zu verändern, dass das Gebäude seine ursprüngliche Identität verliert. Die in Teil A II 5.1.7 (PFB S. 108) getroffene Regelung schießt über dieses Ziel nicht hinaus. Sie trägt den Interessen der Betroffenen dadurch hinreichend Rechnung, dass sie nicht bloß auf den Gebäudewert abstellt, sondern als Wertfaktor auch das Grundstück berücksichtigt."

An diesen Ausführungen hält der Senat fest (vgl. auch den auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 - Rn. 72 ff. juris). Sie gelten uneingeschränkt auch für das Grundstück der Kläger. Deren Vorbringen lässt keine Besonderheiten erkennen, die zu einer abweichenden Beurteilung führen müssten oder jedenfalls Anlass geben würden, über den Antrag auf Aufhebung der fraglichen Regelung nicht im Beschlusswege zu entscheiden.

3.2.2 Soweit sich die Kläger unter Berufung auf grundrechtliche Gewährleistungen und die Europäische Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in grundsätzlicher Weise gegen die Festsetzung der Kappungsgrenze wenden (vgl. Schriftsatz vom 2. April 2008, S. 5 ff.), sind die Einwände nicht berechtigt. Sie tragen vor, bei einem Verweis auf eine Geldentschädigung statt Schallschutzvorkehrungen würden sie vor die Wahl gestellt, unter Inkaufnahme von Gesundheitsbeeinträchtigungen in einem gegen Fluglärm unzureichend geschützten Haus wohnen zu bleiben oder eine Lärmsanierung auf eigene Kosten vorzunehmen oder wegzuziehen. Dies sei mit den grundrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2, Art. 11, Art. 14 Abs. 1 GG, den Menschenrechten und Grundfreiheiten der EMRK, insbesondere des Art. 8 Abs. 1 EMRK, sowie den Gemeinschaftsgrundrechten nicht zu vereinbaren.

Mit diesem Vorbringen machen die Kläger der Sache nach die Verfassungswidrigkeit solcher Vorschriften des vorhabenbezogenen Planungs- und Zulassungsrechts geltend, die wie § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG (= § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG Bbg) den von den nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens Betroffenen auf eine angemessene Entschädigung in Geld verweisen, wenn physisch-reale Schutzvorkehrungen, z.B. Schallschutzeinrichtungen, untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind (vgl. auch § 14 Satz 2 BImSchG, § 11 LuftVG; aus dem privaten Immissionsschutzrecht § 906 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BGB). Denn Inhalt dieser Regelungen ist es gerade, im Falle der Untunlichkeit (Unverhältnismäßigkeit) oder Unvereinbarkeit (Unmöglichkeit) dem Betroffenen die Duldung der nachteiligen Wirkungen aufzuerlegen und als Ausgleich hierfür (nur) eine Entschädigung zuzubilligen.

Vorschriften dieser Art sind als ausgewogene, die Belange des Vorhabenträgers wie des Betroffenen gleichermaßen wahrende Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn die Pflicht zur Duldung der nachteiligen Wirkungen gegen Entschädigung entfällt, wenn diese Wirkungen die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, die den Übergang zu einer Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter markiert und deshalb einen Anspruch auf Übernahme des Grundstücks begründet (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - Rn. 375 ff., BVerwGE 125, 116 <249 f.> m.w.N.). Diese Grenze ist bei Geräuschimmissionen dann überschritten, wenn die Lärmbelastungen so schwerwiegend sind, dass ein Wohngrundstück seine Wohnqualität einbüßt und unbewohnbar wird oder wenn die Einwirkungen den Grad der Gesundheitsgefährdung erreichen. Sind die Beeinträchtigungen geringer, bewegen sie sich also innerhalb des Rahmens der sogenannten einfachrechtlichen Unzumutbarkeit, muss der Betroffene nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen mit einer Kompensation durch Geld vorlieb nehmen. Im Fall des Planfeststellungsbeschlusses über den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld hat der Senat im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Annahme der Planfeststellungsbehörde gebilligt, dass die verfassungsrechtlichen Schutzanforderungen bei einer Lärmbelastung durch Mittelungspegel (außen) von 70 dB(A) einsetzen.

Diese Grenzmarke wird, was auch die Kläger nicht verkennen, bei ihrem Grundstück deutlich unterschritten. Nach ihren Angaben (Schriftsatz vom 31. August 2007, S. 18 f.) ist aufgrund der Lärmisophonlinien des Planfeststellungsbeschlusses von einem Dauerschallpegel (außen) zwischen 62 und 62,5 dB(A) tags auszugehen; der von ihnen beauftragte Sachverständige Dr. M. habe einen zu erwartenden Dauerschallpegel (außen) von 65,7 dB(A) tags errechnet. Bedenkt man die Dämmwirkung, die ein Gebäude auch ohne zusätzliche Schallschutzeinrichtungen hat, kann von einem Innenpegel, der gesundheitsgefährdende und damit durch eine bloße Geldentschädigung nicht mehr auszugleichende Ausmaße erreichte, keine Rede sein.

3.2.3 Auch soweit sich die Kläger gegen die konkrete im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Höhe der Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude und die damit einhergehende entsprechende Begrenzung der Entschädigungshöhe wenden, sind keine wesentlichen, zu einer Abweichung von den Ausführungen in den Musterurteilen nötigenden Besonderheiten erkennbar.

3.2.3.1 Unzutreffend ist zunächst die Annahme der Kläger, im Planfeststellungsbeschluss sei zwar die Schwelle der Untunlichkeit i.S.v. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg, nämlich das Entstehen von Kosten von mehr als 30 % des Verkehrswerts, festgelegt, doch fehle es an einer Regelung über die sich daraus ergebende Rechtsfolge, nämlich die zu leistende "angemessene" Entschädigung (vgl. Schriftsatz vom 10. März 2008, S. 2). In der Auflage Teil A II 5.1.7 Abs. 2 (PFB S. 108) ist vielmehr ausdrücklich geregelt, dass die Höhe der bei unverhältnismäßigen Aufwendungen für Schallschutzeinrichtungen von den Trägern des Vorhabens zu leistenden Entschädigung ebenfalls 30 % des Verkehrswerts von Grundstück und Gebäude beträgt.

3.2.3.2 Nicht zu folgen vermag der Senat dem Argument der Kläger, das von ihnen bewohnte Haus lasse sich in rechtserheblicher Weise nicht vergleichen mit den Gebäuden, die der Planfeststellungsbeschluss und die Ausführungen in den Musterurteilen zur Rechtfertigung der Kappungsgrenze von 30 % im Auge gehabt hätten. Die betreffende Regelung erfasst auch solche Gebäude, die - wie die Kläger für ihr Haus vortragen - trotz ihres guten baulichen Zustands infolge ihrer besonderen Bauweise nur unter besonders hohen Kosten mit wirksamen Schallschutzeinrichtungen versehen werden könnten.

Wie der Senat in den Musterurteilen ausgeführt hat, rechtfertigt sich die Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 108) aus dem in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG angelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Aufwendungen, die dem Träger eines Vorhabens auferlegt werden dürfen (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - a.a.O. Rn. 422). Diese Aufwendungen dürfen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen. Der Geldausgleich ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer grundlegenden Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen mit der Folge, dass das Gebäude praktisch seine ursprüngliche Identität verlöre. Dabei handelt es sich um einen objektiven Maßstab, der an die Beschaffenheit des Gebäudes unabhängig davon anknüpft, auf welche Ursache diese besonders hohe Kosten erfordernde Gebäudeeigenschaften zurückzuführen sind. Insbesondere kommt es nicht - wie es im Vortrag der Kläger anklingt - darauf an, ob der Eigentümer (oder ein Rechtsvorgänger) den Zustand des Gebäudes in dem Sinne verantworten muss, dass er die gebotene Instandhaltung vernachlässigt hat und er nunmehr versucht, diese Versäumnisse durch eine entsprechende Entschädigung wettzumachen. Der in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (A II 10.1.8.5 S. 666) verwendete Begriff der "schlechten Bausubstanz" kennzeichnet nur einen typischen Anwendungsfall für die Unverhältnismäßigkeit zwischen zu erreichendem Schutzzweck und Höhe der Aufwendungen.

Gemessen an diesem Regelungszweck unterfällt auch das Wohngebäude der Kläger der Begrenzung der fraglichen Bestimmung des Planfeststellungsbeschlusses. Nach ihren Angaben (vgl. Schriftsätze vom 31. August 2007, S. 18 ff. und vom 3. Januar 2008) ist das etwa im Jahre 1929 als Wochenendhaus (Wohnlaube) errichtete, von ihnen im Jahr 1993 erworbene und modernisierte Gebäude im Laufe der Jahrzehnte zu einem in gutem Zustand befindlichen Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 56,2 m² und einer überbauten Nutzfläche von 49,52 m² umgebaut worden. Ob dem heute vorhandenen Wohnhaus, für das nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen des Beklagten eine Baugenehmigung nicht existiert, ein mit den besonderen rechtlichen Verhältnissen in der damaligen DDR zu begründender baurechtlicher Bestandsschutz zur Seite steht, kann offenbleiben. Das Gebäude zeichnet sich durch eine spezifische Holzständer-Leichtbauweise aus, die im Fall des Einbaus wirksamer Schallschutzmaßnahmen nach dem Vortrag der Kläger außerordentlich umfangreiche bauliche Veränderungen im Bereich der Außenwände, des Dachaufbaus sowie der Fenster und Türen notwendig machten. Nach dem von den Klägern vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. H. vom 30. Juli 2007 kämen die erforderlichen Umbaumaßnahmen einem faktischen Neubau gleich. Insbesondere sei ein gravierender konstruktiver Eingriff in den derzeitigen Baukörper u.a. deshalb unumgänglich, weil die gesamte Dachkonstruktion aufgenommen und die Holzbalkendecke teilweise neu eingebaut werden müsse, um die gegenwärtig in bestimmten Räumen vorhandenen unzulänglichen Raumhöhen von nur 2,07 m bzw. 2,17 m auf die erforderliche Höhe von 2,40 m anzuheben. In seinem von den Klägern vorgelegten ergänzenden Schreiben vom 2. April 2008 schätzt Dipl.-Ing. H. die Kosten der Umgestaltung auf 90 000 € bis 100 000 €, je nach auftretenden technischen Schwierigkeiten auch darüber. Das von den Klägern eingeholte Verkehrswertgutachten der Architektin Linder vom 21. November 2007, das zum Stichtag 5. Oktober 2007 von einem Verkehrswert (Grundstück und Gebäude) i.H.v. 105 000 € gelangt, bestätigt die spezielle Bauweise des Gebäudes, die für die zu erwartenden ungewöhnlich umfangreichen und aufwendigen Umbaumaßnahmen ursächlich ist.

Den von den Klägern verschiedentlich gestellten Anträgen, durch Einholung von Sachverständigengutachten oder Einnahme eines Augenscheinsbeweis über den Zustand und die Beschaffenheit des Wohngebäudes sowie über die zu erwartenden Kosten für den Einbau von Schallschutzmaßnahmen zu erheben, ist somit wegen rechtlicher Unerheblichkeit des Beweisthemas nicht nachzugehen. Ebenso wenig bedarf es der beantragten Erhebung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung (vgl. Schriftsatz vom 11. März 2008, S. 2), dass zum Schutz der Gesundheit der Kläger Schallschutzmaßnahmen dringend notwendig seien. Dieser Antrag ist unsubstantiiert. Wie dargelegt, liegt die Lärmbelastung auf dem Grundstück der Kläger nach den von ihnen selbst angegebenen Werten deutlich unter der Schwelle, von der an nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesgerichtshofs eine Gefährdung der Gesundheit Lärmbetroffener anzunehmen ist. Hierzu verhält sich der Beweisantrag nicht.

3.2.3.3 Dass die im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Schwelle zur Unverhältnismäßigkeit i.S.v. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg mit 30 % des Verkehrswerts nicht zu beanstanden ist, hat der Senat in seinen Musterurteilen vom 16. März 2006 gleichfalls ausgeführt. Im Hinblick darauf, dass Bemessungsgrundlage nicht nur der Verkehrswert des Gebäudes, sondern der des gesamten Grundstücks ist, wird auch den Interessen der Betroffenen hinreichend Rechnung getragen. In aller Regel wird dies - im Einzelfall abhängig von der Relation zwischen Wert des Grundstücks und des Gebäudes - dazu führen, dass die Unverhältnismäßigkeit der zu erwartenden Aufwendungen erst bei solchen Kosten für Schallschutzmaßnahmen einsetzt, die deutlich mehr als die Hälfte des Gebäudewerts betragen. Angesichts der begrenzten Schutzrichtung der Vorschrift, die nicht eine generelle Entschädigung etwaiger Wertverluste oder sonstiger Einbußen bezweckt, sondern ein finanzielles Surrogat für die unterbleibende Anordnung von Schutzvorkehrungen vorsieht, stellt dies keine unangemessene Begrenzung dar.

Nicht berechtigt sind die von den Klägern in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken, ob die Festlegung einer einheitlichen, für alle betroffenen Grundstücke geltenden Grenze von 30 % des Verkehrswertes mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar ist (Schriftsatz vom 10. März 2008, S. 5). Die Kläger beanstanden, dass auf diese Weise die Eigentümer weniger wertvoller Grundstücke schlechter gegen Fluglärm geschützt würden als die Eigentümer von Grundstücken mit einem geringeren Verkehrswert. Dass der Beklagte keine festen Beträge oder sonst eine einzelfallbezogene Begrenzung, sondern einen Prozentsatz des Verkehrswertes vorgesehen hat, ist eine sachgerechte typisierende Regelung. Mit dem Bezugspunkt des Verkehrswerts wird der Tatsache Rechnung getragen, dass im Regelfall mit der Werthaltigkeit eines Gebäudes, die sich u.a. aus seiner Größe, seiner baulichen Beschaffenheit und seinem Zustand ergibt, auch der Aufwand für Schallschutzeinrichtungen erhöht.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Den Beigeladenen sind mangels Stellung eines Antrags keine Kosten aufzuerlegen (§ 154 Abs. 3 VwGO); dementsprechend kommt eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nicht in Betracht. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.

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Ende der Entscheidung

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