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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.01.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 221.97
Rechtsgebiete: BauGB, GG


Vorschriften:

BauGB § 95
BauGB § 144 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 145 Abs. 2
BauGB § 153, Abs. 1 und 2
GG Art. 14 Abs. 1
Beschluß vom 8. Januar 1998 - BVerwG 4 B 221.97

Leitsätze:

§ 153 Abs. 2 BauGB, wonach die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks zu einem Preis, der den - sanierungsunbeeinflußten - Verkehrswert übersteigt, die Sanierung wesentlich erschwert und deshalb gemäß § 145 Abs. 2 BBauG sanierungsrechtlich nicht genehmigungsfähig ist, ist eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

I. VG Chemnitz vom 27.03.1996 - Az.: VG 3 K 1662/94 II. OVG Bautzen vom 22.10.1997 - Az.: OVG 1 S 368/96


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 B 221.97 OVG 1 S 368/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Januar 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Prof. Dr. Dr. Berkemann und Hien

beschlossen:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Sächsischen Oberverwaltungsgericht vom 22. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 64 500 DM festgesetzt.

G r ü n d e :

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, daß die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfüllt sind.

1. Das Berufungsgericht sieht in dem notariellen Vertrag vom 27. September 1993 eine rechtsgeschäftliche Veräußerung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Dagegen sind rechtliche Bedenken nicht zu erheben. Insoweit stellen sich auch keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Für die rechtliche Beurteilung ist ohne Bedeutung, daß - wie die Beschwerde ersichtlich meint - im vorliegenden Falle der Kläger durch den Vertrag in einen früheren Veräußerungsvertrag eintreten sollte. Der Genehmigungsvorbehalt des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ist formell zu verstehen. Das Gesetz will für den Grundstücksverkehr die sanierungsrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit auslösen. Dazu bedarf es klarer Abgrenzungen. Die von der Beschwerde betonte "Abtretung" ist ein dingliches Erfüllungsgeschäft im Sinne der §§ 873, 925 BGB. Die Vereinbarung ist nach Wirksamwerden der Sanierungssatzung getroffen worden.

2. Die Genehmigung darf gemäß § 145 Abs. 2 BauGB nur versagt werden, wenn Grund zur Annahme besteht, daß u.a. der Rechtsvorgang die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde. Eine wesentliche Erschwerung in diesem Sinne liegt im Falle des § 153 Abs. 2 BauGB kraft Gesetzes vor. Das Berufungsgericht hat die hier erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungeen als gegeben angenommen. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beschwerde rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

a) § 153 Abs. 2 BauGB begründet gesetzlich eine unwiderlegbare Vermutung, daß bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung des Grundstücks die Vereinbarung eines Gegenwertes, der über dem sanierungsunbeeinflußten Wert liegt, die Durchführung der Sanierung wesentlich erschwert. Insoweit ist die Rechtslage hinreichend geklärt. Sie ist auch dahin geklärt, daß der vereinbarte Gegenwert den sanierungsunbeeinflußten Wert in einer für den Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich verfehlen muß, um die Rechtsfolge des § 153 Abs. 2 BauGB begründen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1978 - BVerwG 4 C 56.76 - BVerwGE 57, 87 <91>; Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 16.78 - NJW 1982, 398). Damit trägt die Rechtsprechung der Tatsache Rechnung, daß sich im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die Bodenpreise nicht mit letzter Genauigkeit ermitteln lassen, sondern von einer gewissen Streuung auszugehen ist. Das ist als eine restriktive Auslegung verstanden worden, die sich am Gesetzeszweck ausrichtet. Auch dies hat das Berufungsgericht beachtet. Soweit sich die Beschwerde mit ihrem Vorbringen gegen die Wertermittlung des vorinstanzlichen Gerichtes wendet, greift sie in Wahrheit die gerichtliche Aufklärung und Überzeugungsbildung an, ohne hierzu geeignete Verfahrensrügen zu erheben.

b) Die Beschwerde meint, § 153 Abs. 2 BauGB sei nicht anwendbar, wenn der Gegenwert, welcher dem genehmigungsbedürftigen Geschäft zugrunde liege, bereits vor Inkrafttreten der Sanierungssatzung im Vergleich zum "objektiven" Verkehrswert überhöht gewesen sei. Ein derartiger Sachverhalt sei hier gegeben. Auch dieses Vorbringen gibt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Maßgebend ist - wie die mittelbare Bezugnahme des § 153 Abs. 1 BauGB auf § 95 Abs. 1 BauGB zeigt - der Verkehrswert.

Daraus ergibt sich, daß in einem förmlichen Sanierungsgebiet im privaten Grundstücksverkehr kein höherer Kaufpreis im Sinne der Genehmigungsfähigkeit vereinbart werden darf. Wird der Verkehrswert überschritten, besteht ein Anspruch auf die Genehmigung nur, wenn die Werterhöhungen durch eigene Aufwendungen selbst bewirkt worden sind. Damit wird erreicht, daß im förmlichen Sanierungsgebiet genehmigungsfähige Veräußerungsgeschäfte grundsätzlich nur zum - nicht durch das Sanierungsverfahren beeinflußten - Verkehrswert abgeschlossen werden können. Für die Dauer der förmlichen Sanierungssatzung schließt das Gesetz mithin dingliche Rechtsgeschäfte aus, welche nicht diesen Verkehrswert zugrunde legen. Diese Rechtslage ist eindeutig. Dies läßt die Klärungsbedürftigkeit im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfallen. Daß der Kläger das wirtschaftliche Risiko eines - im Verhältnis zum Verkehrswert - überhöhten Kaufpreises für sich oder seinen Voreigentümer abwälzen will, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise.

§ 145 Abs. 2 in Verb. mit § 153 Abs. 2 BauGB ist grundrechtlich unbedenklich. Er genügt insbesondere den Erfordernissen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Voreigentümer (Verkäufer) wird während des förmlichen Sanierungsverfahrens nicht gehindert, sein Grundstück zu veräußern. Ihm wird dazu nur eine Begrenzung auferlegt, bei der Bestimmung der Gegenleistung den Verkehrswert nicht zu verfehlen. Hierzu hat - wie erwähnt - die Rechtsprechung angenommen, daß eine engherzige Betrachtung nicht angemessen sei. Das erlaubt die erforderliche Flexbilität. Die darüber hinaus gehende Begrenzung ist in der Sozialpflichtigkeit des Eigentums begründet (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Sie begrenzt - allerdings nur mittelbar - für den Zeitraum der vorgesehenen Sanierung den freien Bodenverkehr. Auch dies ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums einerseits und der späteren wirtschaftlichen Vorteile einer erfolgreichen Sanierung andererseits gerechtfertigt. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Gaentzsch Berkemann Hien

Ende der Entscheidung

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