Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.07.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 69.98
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 65 Abs. 2
Leitsatz:

In einem Rechtsstreit, der auf bauaufsichtliches Einschreiten wegen der Verletzung einer nachbarschützenden baurechtlichen Vorschrift gerichtet ist, müssen, wenn das betroffene Grundstück in Miteigentum steht, nicht alle Miteigentümer notwendig beigeladen werden. Das sich aus dem Miteigentum ergebende Vollstreckungshindernis kann seitens der Bauaufsichtsbehörde durch Erlaß einer Anordnung gegen den nicht beigeladenen Miteigentümer ausgeräumt werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwGE 40, 101 <103> m.w.N.).

Beschluß des 4. Senats vom 24. Juli 1998 - BVerwG 4 B 69.98 -

I. VG Minden vom 23.05.1996 - Az.: VG 9 K 3622/95 - II. OVG Münster vom 17.04.1998 - Az.: OVG 11 A 3653/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 B 69.98 OVG 11 A 3653/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 24. Juli 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch, den Richter Dr. Lemmel und die Richterin Heeren

beschlossen:

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1998 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 500 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger hat ein Urteil erstritten, das die beklagte Bauaufsichtsbehörde verpflichtet, dem im Rechtsstreit beigeladenen Grundstücksnachbarn die Beseitigung einer in die Abstandsfläche hineinragenden Balkonumbauung aufzugeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde macht der Beigeladene als Verfahrensfehler geltend, seine Ehefrau hätte als Miteigentümerin des ihnen gemeinsam gehörenden Grundstücks ebenfalls beigeladen werden müssen.

II. Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

Die von ihr gerügte unterlassene Beiladung der Ehefrau des Beigeladenen stellt keinen Verfahrensfehler im Sinne dieser Vorschrift dar. Gegenstand des Verfahrens ist eine von dem Beklagten zu erlassende Ordnungsverfügung gegen den Beigeladenen als Handlungsstörer. An diesem Rechtsverhältnis ist die Ehefrau des Beigeladenen als Miteigentümerin des Grundstücks nicht derart beteiligt, daß die umstrittene Verfügung nur einheitlich gegenüber dem Ehepaar ergehen könnte. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß das Miteigentum oder die sonstige Nebenberechtigung eines Dritten nicht die Rechtmäßigkeit der nicht auch an ihn gerichteten Beseitigungsverfügung berührt, sondern nur ein Vollzugshindernis bildet, das nachträglich durch eine gegen den Dritten gerichtete Verfügung ausgeräumt werden kann (BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 - BVerwG 4 C 42.69 - BVerwGE 40, 101 <103> m.w.N.). Gegen die Duldungsverfügung kann sich der Dritte rechtlich wehren. Ihm gegenüber liegt gerade keine rechtskräftige Entscheidung vor, wenn er nicht beigeladen war. Der Beseitigung entgegenstehende Rechte solcher Nebenberechtigter berühren daher nicht die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung, sondern allein ihre Durchsetzbarkeit. Die unterlassene Beiladung der Ehefrau des Beigeladenen stellt mithin keinen Verfahrensfehler dar.

Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht verstoßen. Nach dem Inhalt der Gerichtsakten hat der Berichterstatter einen Termin zur Ortsbesichtigung und Erörterung der Streitsache bestimmt (Bl. 150) und durchgeführt (Bl. 186), es sind sogar Lichtbilder des Vorbaus gefertigt worden (Bl. 190). Nach dem Inhalt des hierüber gefertigten Protokolls ist hierbei u.a. das bei den Gerichtsakten und den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindliche Kartenmaterial mit den Beteiligten erörtert worden. Einen Rechtssatz des Inhalts, ein Tatsachengericht müsse bei Baustreitigkeiten immer und ausnahmslos eine Ortsbesichtigung unter Teilnahme des gesamten Spruchkörpers durchführen, gibt es nicht. Welche Tatsachen ein Gericht aufzuklären und welche Beweise es zu erheben hat, richtet sich immer nach dem von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkt. Nach der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht kam es allein darauf an, ob das umstrittene Bauwerk des Beigeladenen die Abstandsflächenvorschriften als nachbarschützende Normen zu Lasten des Klägers verletzte. Diese Frage hat es in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht bejaht. Wenn es allein um die Wahrung der Grenzabstände, die aus dem vorliegenden Kartenmaterial ohne weiteres ersichtlich waren, ging, kam es nicht auf die Frage an, ob eine Einsichtnahme in das Grundstück des Klägers von dem umstrittenen Bauwerk des Beigeladenen aus möglich ist oder nicht. Diese Frage bedurfte mithin keiner Aufklärung durch das Berufungsgericht.

Auch die vom Kläger "in der Abstandsfläche errichtete Aufschüttung mit Winkelsteinmauer" bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat eine Einschränkung des nachbarlichen Abwehrrechtes (des Klägers) auch unter dem Gesichtspunkt verneint, daß der Kläger selbst die Abstandsflächenvorschriften dem Beigeladenen gegenüber nicht einhält, und dies mit der erforderlichen, hier aber nicht gegebenen Vergleichbarkeit in der Art und Weise, mit der einerseits der umstrittene Vorbau (des Beigeladenen) und andererseits die abgestützte Anschüttung (des Klägers) jeweils die nachbarlichen Belange berühren, begründet. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kritisiert, greift sie letztlich allein die vorinstanzliche Beweiswürdigung an (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darauf kann grundsätzlich eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück