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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.01.1999
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 28.97
Rechtsgebiete: FStrG, BauGB, BNatSchG (1993)


Vorschriften:

FStrG § 17 Abs. 3 Satz 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nrn. 11
BauGB § 20
BNatSchG (1993) § 8
Leitsatz:

Auch wenn ein die Planfeststellung ersetzender Bebauungsplan (§ 17 Abs. 3 Satz 1 FStrG) aufgestellt wird, kommt zur Sicherung und Durchführung von nach § 8 BNatSchG (1993) erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen grundsätzlich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Betracht (im Anschluß an Urteil vom 9. Mai 1997 BVerwG 4 N 1.96 BVerwGE 104, 353). Dem Gebot des § 8 Abs. 4 BNatschG (1993), die zum Ausgleich des Eingriffs erforderlichen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in einem landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen, ist (jedenfalls) in diesem Fall durch einen die Ausgleichsmaßnahmen darstellenden Grünordnungsplan entsprechend den Vorschriften des Landesnaturschutzrechts genügt.

Beschluß des 4. Senats vom 5. Januar 1999 - BVerwG 4 BN 28.97 -

I. VGH Mannheim vom 05.07.1994 - Az.: VGH 5 S 3391/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 28.97 VGH 5 S 3391/94

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Dr. Lemmel und Dr. Rojahn

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Juli 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die allein auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Soweit sie den Zulässigkeitsanforderungen genügt, ist sie jedenfalls unbegründet.

1. Die im Zusammenhang mit der Auslegung des § 18 GemO BW formulierte Frage zum Begriff des Sonderinteresses ermöglicht die Zulassung der Revision nicht, weil sie das irrevisible Landesrecht betrifft. An dessen Auslegung durch das Normenkontrollgericht ist der Senat gebunden (§ 562 ZPO i.V.m. § 173 VwGO). Für eine Überprüfung der Auslegung des Normenkontrollgerichts auf Bundesgesetzes- oder Verfassungskonformität bietet die Beschwerde keine Gelegenheit, weil sie keine (grundsätzliche und klärungsbedürftige) Frage zu einem bundesrechtlichen Grundsatz etwa zum Rechtsstaatsgebot oder zur Gewaltenteilung aufwirft.

2. Das Normenkontrollgericht legt dar, daß nach dem Landesentwicklungsplan 1983 "Eingriffe in den Bestand des Waldes ... auf das Unvermeidbare zu beschränken" sind (Urteil S. 17). Es führt weiter aus, daß sich die Notwendigkeit (Unvermeidbarkeit) eines zweibahnigen, vierspurigen Ausbaus aus der prognostizierten Verkehrsbelastung ergebe; dabei müsse der im streitigen Bebauungsplan festgesetzte Abschnitt als Teil der Gesamtmaßnahme gesehen werden (Urteil S. 19). Die daran anknüpfende Grundsatzfrage der Beschwerde zum Minimierungsgebot, welches in der Landesplanung und im Raumordnungsplan festgelegt sei, betrifft ebenfalls kein revisibles Recht. Vielmehr richtet sich die Frage, ob bei einer abschnittsweisen Straßenplanung auf den "Teilabschnitt" oder auf den "erhöhten Eingriffsbedarf" für das Gesamtvorhaben abzustellen sei, nach den landesrechtlichen Regeln, aus denen das Normenkontrollgericht die von der Beschwerde als "Minimierungsgebot" bezeichneten Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung abgeleitet hat. Darüber hinaus beschränkt sich die Beschwerde auf eine Kritik an der konkreten Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht; hiermit kann die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache schon im Ansatz nicht geltend gemacht werden. Hier nimmt das Normenkontrollgericht - anders als die Beschwerde - an, daß das Straßenbauvorhaben über das Gebiet des streitigen Bebauungsplans hinaus ausgeführt werden wird und daß zumindest dann ein zweibahniger Ausbau unvermeidbar sein werde.

3. Das Normenkontrollgericht entnimmt dem baden-württembergischen Landeswaldrecht (insbesondere § 10 Abs. 2 Satz 3 LWaldG), daß ein Bebauungsplan ohne die erforderliche waldrechtliche Umwandlungserklärung an einem zu seiner Nichtigkeit führenden Rechtsmangel leide. Der streitige Bebauungsplan bedürfe einer Umwandlungserklärung. Sie sei aber auch erteilt worden. Sie entfalte Tatbestandswirkung und stehe hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit auch im anhängigen Normenkontrollverfahren nicht zur Überprüfung, wie im Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29. Juni 1995 5 S 1537/94 UPR 1996, 237 näher ausgeführt worden sei (Urteil S. 22).

Hierzu vertritt die Beschwerde die Rechtsauffassung, daß die Möglichkeit bestehen müsse, die Rechtmäßigkeit der Umwandlungserklärung zu überprüfen; dies folge aus § 47 VwGO, Art. 19 Abs. 4 GG, dem Gewaltenteilungsprinzip und dem Rechtsstaatsgebot. Rechtsgrundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob es zulässig sei, einen vom Gesetzgeber geforderten Bestandteil für die Inanspruchnahme des Waldes der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte zu entziehen. Diese Frage ist jedoch in der gestellten Fassung in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie unterstellt nämlich, daß der "vom Gesetzgeber geforderte Bestandteil für die Inanspruchnahme des Waldes" eine materiell rechtmäßige Umwandlungserklärung ist. Davon ist das Normenkontrollgericht aber nicht ausgegangen. Vielmehr hat es angenommen, daß Voraussetzung für die Wirksamkeit des Bebauungsplans nur das Vorliegen einer von der zuständigen Forstbehörde erteilten Umwandlungserklärung, nicht aber deren materielle Rechtmäßigkeit ist. Nur in dieser Frage vertritt die Beschwerde eine andere Rechtsauffassung als das Normenkontrollgericht. Diese Frage läßt sich aber nicht mit Hilfe der von der Beschwerde aufgeführten bundesrechtlichen Normen und Grundsätze entscheiden. Maßgeblich sind vielmehr die Vorschriften des Landeswaldgesetzes, auf die sich das Normenkontrollgericht stützt. Die Auslegung des Landesrechts ist jedoch Sache der Landesgerichte, nicht die des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO, § 562 ZPO).

4. Die Frage, ob "die rechtstechnische Umsetzung getroffener Vermeidungs- bzw. Minimierungs- und Ausgleichsmaßnahmen, sofern diese nach dem Bundesnaturschutzgesetz in Verbindung mit dem LNatSchG erforderlich sind, eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nrn. 20 und 25 BauGB auf gemeindeeigenem oder bundes- oder landeseigenem Grundeigentum erfordert, sofern gemeindeeigenes Grundeigentum vorhanden ist", kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie keine grundsätzliche Bedeutung hat, sondern lediglich die Umstände des vorliegenden Einzelfalles aus der Sicht der Beschwerde abstrakt formuliert. Soweit die Beschwerde geklärt wissen möchte, ob naturschutzrechtlich notwendige Maßnahmen gemäß § 9 Abs. 1 Nrn. 20 und 25 BauGB auch auf privaten Grundstücken festgesetzt werden dürfen, ist die Frage ohne weiteres zu bejahen, weil diese Vorschriften keine Beschränkung auf öffentliches Grundeigentum enthalten. Dies ist auch aus naturschutzrechtlicher Sicht unbedenklich. Sollte nämlich im Einzelfall die Realisierung der festgesetzten landschaftspflegerischen Maßnahmen wegen des Privateigentums nicht möglich sein, so darf auch der naturschutzrechtliche Eingriff, den sie ermöglichen sollen, nicht vorgenommen werden.

5. Die Frage, ob es zulässig ist, auch im Rahmen eines Bebauungsplans, der eine Planfeststellung im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 FStrG ersetzt, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durch eine vertragliche Regelung außerhalb des Plangebietes vorzusehen, ist in der Rechtsprechung des Senats bisher noch nicht ausdrücklich beantwortet worden. Für einen "normalen" Bebauungsplan hat der Senat jedoch bereits auf der Grundlage des auch hier noch anzuwendenden § 8 a BNatSchG i.d.F. vom 23. April 1993 (BGBl I, S. 466, 481) entschieden, daß ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Sicherung und zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen ein zulässiges Mittel ist (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1997 BVerwG 4 N 1.96 BVerwGE 104, 353). Die Beschwerde zeigt nicht auf, weshalb dies nicht auch für einen planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan gelten sollte. Auch für ihn gilt § 8 a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG (1993), der nur die bauplanerische Festsetzung als Mittel zur Festlegung von Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen erwähnt. Gleichwohl hat der Senat daraus nicht geschlossen, daß eine vertragliche Gestaltung ausgeschlossen sei (vgl. BVerwGE 104, 353 <360 ff>). Nach § 8 a Abs. 8 BNatSchG (1993) bleibt allerdings die Geltung des § 8 BNatSchG (1993) für planfeststellungsersetzende Bebauungspläne unberührt. Deshalb ist auch § 8 Abs. 4 BNatSchG zu beachten, nach dem der Planungsträger im Rahmen einer Fachplanung die erforderlichen Maßnahmen im Fachplan oder in einem Begleitplan, der Bestandteil des Fachplanes ist, in Text und Karte darzustellen hat. Ob damit eine vertragliche Sicherung anstelle einer Darstellung der Maßnahmen in Karte und Text ausgeschlossen sein soll, kann für das vorliegende Verfahren offenbleiben; denn hier sind die fraglichen Maßnahmen zwar nicht im Bebauungsplan, wohl aber in einem "landespflegerischen Begleitplan/Grünordnungsplan" dargestellt worden. Durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Baulastträger ist ferner gesichert, daß die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen auch tatsächlich durchgeführt werden. Damit ist der Zweck des § 8 Abs. 4 BNatSchG erfüllt.

6. Das Normenkontrollgericht ist der Auffassung, daß die landespflegerischen Maßnahmen M 12 bis M 14 den Anforderungen des § 11 Abs. 4 NatSchG als Kompensation auf sonstige Weise genügen (Urteil S. 33 ff). Die Beschwerde wendet sich hiergegen mit sieben Rechtsfragen. Sie übersieht dabei, daß Fragen des Landesrechts nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein können. Soweit die aufgeworfenen Fragen auch bundesrechtliche Aspekte berühren, wird jedenfalls eine rechtsgrundsätzliche Frage des Bundesrechts nicht herausgearbeitet; insoweit genügen die Fragen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

7. Die Revision ist schließlich auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob "bei einem planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan die Erstellung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bereich des Bebauungsplans unter Zugrundelegung der denkbaren Varianten bei Gestaltung des Vorhabens im Bereich des konkreten Planungsabschnittes erforderlich" ist. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist. Sie war zwar nicht auf den im streitigen Bebauungsplan festgesetzten Ostabschnitt der Nordtangente beschränkt, sondern umfaßte die Gesamtmaßnahme der Nordtangente. Das Normenkontrollgericht führt aber aus, daß weder aufgezeigt noch ersichtlich sei, daß eine Umweltverträglichkeitsstudie nur für den Ostabschnitt eine qualitativ andere Beurteilungsgrundlage ergeben hätte (Urteil S. 42). Hiergegen wendet sich allerdings die Beschwerde; auf der Grundlage der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Normenkontrollgerichts wäre es dem Revisionsgericht aber nicht möglich, diese Beurteilung in Zweifel zu ziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.

Ende der Entscheidung

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