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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.12.1999
Aktenzeichen: BVerwG 5 B 132.98
Rechtsgebiete: BSHG, PflegeVG


Vorschriften:

BSHG § 69 a
BSHG § 69 c
PflegeVG § 51
Leitsatz:

Art. 51 Abs. 4 PflegeVG sieht die Minderung des Anspruchs auf Pflegegeld um die dort genannten Beträge und Werte ohne Einschränkung auf erst nach dem 31. März 1995 einsetzende Sachleistungen vor.

Beschluß des 5. Senats vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 5 B 132.98 -

I. VG Bremen vom 24.11.1997 - Az.: VG 7 A 154/96 - II. OVG Bremen vom 01.07.1998 - Az.: OVG 2 HB 66/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 5 B 132.98 OVG 2 HB 66/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 7. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pietzner und Schmidt

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 1. Juli 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.

Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf nicht die Frage, ob - wie die Klägerin meint (Beschwerdebegründung S. 2) - Art. 51 Abs. 4 PflegeVG nur Anwendung findet, wenn erstmalig nach dem 31. März 1995 Sachleistungen gewährt werden, beziehungsweise - wie vom Verwaltungsgericht formuliert (VG-Urteil S. 11/12) - eine Anrechnung von Sachleistungen nach Art. 51 Abs. 4 PflegeVG nicht in Betracht kommt, wenn sie dem Pflegebedürftigen im selben oder im geringeren Umfang wie vor Inkrafttreten des Pflegeversicherungsgesetzes gewährt werden. Die Antwort kann dem Gesetz unmittelbar entnommen werden. Art. 51 Abs. 4 PflegeVG bestimmt die Minderung der Leistung nach Absatz 1 um die Beträge nach den Nummern 1 und 4 und die Werte nach den Nummern 2 und 3 sowie die Kostenübernahme nach Nummer 5 ohne Einschränkung auf erst nach dem 31. März 1995 einsetzende Sachleistungen. Eine solche Einschränkung kann weder der Gesetzessystematik noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnommen werden. Vielmehr kann sich der Gesetzgeber bei einer Umstrukturierung im Bereich des gewährenden Leistungsrechts frei entscheiden, ob und inwieweit er bisherigen Leistungsempfängern das bisherige Leistungsniveau erhält; er kann sich mehr am Leistungsrecht nach bisheriger Rechtslage oder mehr am Leistungsrecht nach neuer Rechtslage orientieren. Eine von der Klägerin behauptete Einschränkung läßt sich auch nicht der Entstehungsgeschichte des geänderten Art. 51 PflegeVG entnehmen. Zutreffend weist die Klägerin auf das für Art. 51 PflegeVG angeführte Ziel hin, er solle bewirken, daß bisherige Pflegegeldempfänger durch die Einführung der Pflegeversicherung nicht schlechter gestellt werden (vgl. Zielsetzung des Gesetzentwurfs des Bundesrates und Stellungnahme der Bundesregierung dazu <BTDrucks 13/2207 S. 1 und 6>). Bereits nach diesem Gesetzentwurf (Art. 51 Abs. 2 Satz 3 PflegeVG) aber sollte im Falle von auch Pflegegeldsachleistungen das Pflegegeld nach Absatz 1 um bis zu zwei Drittel gekürzt werden können, was gegenüber der bisher möglichen Kürzung bis zur Hälfte eine Verschlechterung bedeutet hätte. In der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 8. November 1995 (BTDrucks 13/2940) zu der schließlich Gesetz gewordenen Fassung des Art. 51 PflegeVG heißt es: Es sei der eindeutige Wille des Gesetzgebers gewesen, daß niemand durch die Einführung der Pflegeversicherung schlechter gestellt werden solle. Mit der Neufassung des Art. 51 sollten der Wille des Gesetzgebers und der Wortlaut der Bestimmungen in Einklang gebracht werden. Klargestellt werde ferner, wie beim Zusammentreffen von Pflegegeldsachleistungen und Pflegegeld zu verfahren sei. Der Gesetzgeber hat Art. 51 Abs. 4 PflegeVG aber bewußt ohne Einschränkungen auf erst nach dem 31. März 1995 einsetzende Sachleistungen gefaßt. Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, war sich der Bundesrat bei seiner Zustimmung im klaren darüber, daß die Gruppe von Pflegebedürftigen praktisch aus der Besitzstandsregelung herausfalle, die bis zum 31. März 1995 sowohl Sachleistungen bezogen haben als auch ein Restpflegegeld und die vom 1. April 1995 an die gleichen Sachleistungen erhalten (s. auch Protokoll der 691. Sitzung des Bundesrats mit der Erklärung des Vertreters Bremens zu Protokoll in Anlage 1 <Veröffentlichte Gesetzesmaterialien des Parlamentsarchivs Nr. 26 Band 2 S. 1933/1934>). Auch dem Bundestag war in der abschließenden Beratung vor der Schlußabstimmung bewußt, daß Art. 51 PflegeVG in der ihm zur Beschlußfassung vorliegenden Fassung diejenigen Pflegebedürftigen, die bereits vor dem 1. April 1995 neben Pflegegeld Pflegesachleistungen erhalten hatten, nicht von Leistungseinbußen verschont (s. Erklärung der Abgeordneten Petra Bläss <PDS> in der 69. Sitzung der 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestags vom 10. November 1995 <Veröffentlichte Gesetzesmaterialien des Parlamentsarchivs Nr. 26 Band 2 S. 1925>).

Zu Unrecht meint die Klägerin, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil Art. 51 Abs. 4 PflegeVG in der unbeschränkt auf alle dort genannten Pflegesachleistungen bezogenen Auslegung gegen Art. 3 GG verstieße. Denn Art. 51 Abs. 4 PflegeVG verletzt weder den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG noch das Benachteiligungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber einen verfassungsrechtlich nicht gebotenen "Besitzstand" für bisher geleistetes Pflegegeld nur in dem Umfang weitergewährt, in dem keine Pflegesachleistungen in Anspruch genommen werden.

Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat nicht den Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, "daß die Mutter ihrer Berufstätigkeit nur vermindert nachgehen kann, weil sie die Pflege leistet". Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht ausdrücklich erwähnt (Berufungsurteil S. 10) und sich damit dahin auseinandergesetzt, "das Pflegegeld diene nicht dazu, Einkommenseinbußen der Mutter auszugleichen". Der "Frage, ob weitere Aufwendungen im Rahmen der Pflege erfolgen", brauchte das Berufungsgericht nicht von sich aus nachzugehen. Denn auch die Klägerin hat insoweit nur auf die Pflegeleistungen ihrer Mutter hingewiesen, die aber in ihrem Umfang nicht im Streit standen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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