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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.05.1999
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 10.98
Rechtsgebiete: BAföG F. 1990


Vorschriften:

BAföG F. 1990 § 18 Abs. 5 a
BAföG F. 1990 § 18 b Abs. 1
Leitsatz:

Die Antragsfrist nach § 18 b Abs. 1 Satz 2 BAföG für einen leistungsabhängigen Teilerlaß beginnt bei einer Zweitausbildung mit dem Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheid (§ 18 Abs. 5 a BAföG), der die Feststellung der insgesamt, unter Einschluß der gesamten Zweitausbildung entstandenen Darlehensschuld zum Abschluß bringt.

Urteil vom 27. Mai 1999 - BVerwG 5 C 10.98 -

I. VG Köln vom 02.07.1997 - Az.: VG 21 K 4023/93 - II. OVG Münster vom 06.03.1998 - Az.: OVG 16 A 4056/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 10.98 OVG 16 A 4056/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 27. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pietzner, Dr. Bender, Schmidt und Dr. Franke

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. März 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, wann die Antragsfrist für den leistungsabhängigen Teilerlaß gemäß § 18 b Abs. 1 BAföG für eine Zweitausbildung beginnt, wenn der Auszubildende einen Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid gemäß § 18 Abs. 5 a BAföG zu einer Zeit erhalten hat, als er sich noch in der Zweitausbildung befunden hat.

Der Kläger absolvierte nach dem erfolgreichen Abschluß seines Volkswirtschaftsstudiums am 11. September 1987 ein Studium für das Lehramt an öffentlichen Schulen im Land Bremen, das er am 12. November 1992 mit Auszeichnung abschloß. Für beide Studien erhielt der Kläger Ausbildungsförderung. Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 10. April 1992 stellte das Bundesverwaltungsamt die Darlehensschuld des Klägers aus den Jahren 1984 bis 1991 auf 62 827 DM fest, gewährte einen leistungsabhängigen Teilerlaß für das Erststudium von 6 930 DM und forderte den Kläger zur Rückzahlung ab Ende Oktober 1992 in Vierteljahresraten von 699 DM auf. Mit Zusatzfeststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 27. Januar 1993 wurde für das Kalenderjahr 1992 eine Darlehensschuld von 4 005 DM festgesetzt und die Vierteljahresrate auf 750 DM erhöht.

Am 11. Februar 1993 beantragte der Kläger den Teilerlaß gemäß § 18 b Abs. 1 BAföG auch für sein zweites Studium und erhob am 22. Juni 1993 Untätigkeitsklage. Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 und Widerspruchsbescheid vom 24. August 1993 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag als verspätet ab, weil die Antragsfrist von einem Monat bereits durch den ersten Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid ausgelöst worden und damit am 19. Mai 1992 abgelaufen sei. Mit Bescheid vom 9. Oktober 1995 half das Bundesverwaltungsamt der Klage insoweit ab, als es hinsichtlich der Darlehensschuld von 4 005 DM einen Teilerlaß in Höhe von 1 001,25 DM gewährte; die Vierteljahresrate wurde auf 735 DM herabgesetzt.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Gewährung eines weiteren Teilerlasses in Höhe von 8 684 DM gerichtete Klage abgewiesen: Die Antragsfrist habe zwar nicht mit Bekanntgabe des ersten Feststellungs- und Rückzahlungsbescheids, wohl aber mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (Zusendung des Prüfungszeugnisses am 1. Dezember 1992) begonnen; der am 11. Februar 1993 eingegangene Teilerlaßantrag habe die Monatsfrist deshalb nicht gewahrt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Kläger nicht gewährt werden, weil er seinen Rechtsirrtum bei sorgfältiger und gewissenhafter Sachbehandlung hätte erkennen können.

Das Oberverwaltungsgericht dagegen hat auf die Berufung des Klägers der Teilerlaßklage stattgegeben. Sein Urteil hat es im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe den Teilerlaßantrag am 11. Februar 1993 und damit innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Zusatzfeststellungs- und Rückzahlungsbescheides vom 27. Januar 1993 gestellt. Dieser Bescheid aber sei der für das Zweitstudium des Klägers maßgebliche Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid nach § 18 Abs. 5 a BAföG im Sinne des § 18 b Abs. 1 Satz 2 BAföG. Denn für den Beginn der Antragsfrist nach § 18 b Abs. 1 BAföG könne bei Zweitausbildungen nur ein Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid maßgeblich sein, der nach Erfüllung der Voraussetzungen des Erlaßtatbestandes und damit nach Beendigung der zweiten Ausbildung ergehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Annahme des Berufungsgerichts, die Antragsfrist für einen leistungsabhängigen Teilerlaßantrag (§ 18 b Abs. 1 Satz 1 BAföG) für eine Zweitausbildung könne nur durch einen Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid (§ 18 Abs. 5 a BAföG) ausgelöst werden, der nach der Beendigung der Zweitausbildung ergangen sei, verletzt Bundesrecht nicht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Nach § 18 b Abs. 1 Satz 1 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung des 12. BAföG-Änderungsgesetzes vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) werden dem Auszubildenden, dessen Förderungshöchstdauer vor dem 1. Oktober 1993 endet, der die Abschlußprüfung bestanden hat und nach ihrem Ergebnis zu den ersten 30 vom Hundert aller Prüfungsabsolventen gehört, die diese Prüfung in demselben Kalenderjahr abgeschlossen haben, auf Antrag 25 vom Hundert des nach dem 31. Dezember 1983 für diesen Ausbildungsabschnitt geleisteten Darlehensbetrages erlassen. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß diese den Leistungsgedanken in der Ausbildungsförderung zur Geltung bringende (vgl. BTDrucks 9/2074, S. 91 zu Art. 15 I Nr. 3) Erlaßregelung auch Zweitausbildungen erfaßt. Denn weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich ein Anhaltspunkt dafür, daß die von ihr gewährte Prämie auf besonderen Studienerfolg nur für Erstausbildungen gewährt werden sollte (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 1. Oktober 1987 - 16 A 1368/87 - <NVwZ 1988, 960> zum Studiendauerteilerlaß <jetzt § 18 b Abs. 3 BAföG>).

Nach § 18 b Abs. 1 Satz 2 BAföG ist der Erlaßantrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides nach § 18 Abs. 5 a BAföG zu stellen. Dieser Bescheid ergeht nach dem Ende der Förderungshöchstdauer und hat u.a. die Aufgabe, die Höhe der Darlehen, die der Auszubildende während seiner Ausbildung erhalten hat, abschließend und verbindlich - nach Eintritt der Bestandskraft greift das Überprüfungs- und Rücknahmeverbot des § 18 Abs. 5 a Satz 2 BAföG ein (vgl. hierzu BVerwGE 95, 321 <324>) - festzustellen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wird der Feststellungsbescheid in der Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts mit dem Rückzahlungsbescheid nach § 10 DarlehensV verbunden und ergeht deshalb in aller Regel kurz vor Ende der in § 18 Abs. 3 Satz 3 BAföG genannten Schonfrist für den Beginn der Darlehensrückzahlung (5 Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer des zuerst mit Darlehen geförderten Ausbildungsabschnitts). Die Bekanntgabe des Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheides als Anknüpfungtatbestand für das Ingangsetzen der Antragsfrist für den Erlaßantrag hat der Gesetzgeber deshalb gewählt, weil die Bekanntgabe des Feststellungsbescheides nicht nur als aktenmäßig festgehaltener Vorgang geeignet ist, einen der Rechtssicherheit dienenden Fixpunkt für die Berechnung der Antragsfrist zu bieten, sondern auch durch den Inhalt der Feststellung die Berechnungsgrundlage für den Teilerlaß nach § 18 b Abs. 1 Satz 1 BAföG klarzustellen. Dabei ist der Gesetzgeber in Anbetracht der bekannten Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts, Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid miteinander zu verbinden, offensichtlich davon ausgegangen, daß zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheides in aller Regel die Abschlußprüfung abgelegt worden ist, die Examensergebnisse aller Prüfungsabsolventen desselben Kalenderjahres vorliegen und damit der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz den Erlaßanspruch knüpft. Denn es kann dem Gesetzgeber, der die einfache und zweckmäßige Durchführung von Verwaltungsverfahren als einen der der Effektivität der Verwaltung dienenden Verfahrensgrundsätze besonders betont hat (vgl. § 9 Satz 2 SGB X, § 10 Satz 2 VwVfG), nicht unterstellt werden, daß er die Stellung eines Antrages durch Androhung der Verfristungssanktion bereits in einem Zeitpunkt erzwingen will, in dem noch offen ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den materiellen Erfolg des Antrags gegeben sein werden. Ein solcher Antrag auf "Verdacht" könnte nichts bewirken und würde nicht nur den Antragsteller, sondern auch die mit massenhaftem Gesetzesvollzug ohnehin belastete Darlehensverwaltung ohne nachvollziehbare Gründe mit möglicherweise unnötigem Verfahrensaufwand beschweren.

Vor diesem teleologischen und systematischen Hintergrund der Fristenregelung hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, daß ein Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheid, der vor dem Ende einer förderungsfähigen Zweitausbildung ergeht, die Frist des § 18 b Abs. 1 Satz 2 BAföG für einen Erlaßantrag für die Zweitausbildung auch dann nicht auszulösen vermag, wenn er bereits Darlehensbeträge aus der Zweitausbildung mitumfaßt. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Erlaßanspruch tatbestandlich noch nicht entstanden, so daß nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung eine Antragsfrist noch nicht ausgelöst werden kann. In Fallgestaltungen dieser Art kann § 18 b Abs. 1 Satz 2 BAföG mit dem Bescheid nach § 18 Abs. 5 a BAföG nur den Bescheid nach § 18 Abs. 5 a Satz 3 BAföG meinen, der nach dem Ende der förderungsfähigen Zweitausbildung als ergänzender Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheid zu ergehen hat und die Feststellung der insgesamt, unter Einschluß der gesamten Zweitausbildung entstandenen Darlehensschuld zum Abschluß bringt und damit die Basis für die Berechnung des für die Zweitausbildung zu gewährenden Teilerlasses schafft. Von dem Wortlaut der gesetzlichen, auf die Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit abzielenden Regelung abzugehen und auf die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses abzustellen, besteht allenfalls in den Fällen Anlaß, in denen auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des ergänzenden Feststellungs- (und Rückzahlungs)bescheides die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Erlaßanspruch noch nicht gegeben sind, etwa weil der Auszubildende seine Abschlußprüfung zu dieser Zeit noch nicht abgelegt hat (so Sandvoß, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 18 b Rn. 3). Eine solche Fallgestaltung ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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