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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 02.10.2003
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 20.02
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 103 Abs. 3 Satz 1
BSHG § 97 Abs. 2
Der Kostenerstattungsanspruch des örtlichen Sozialhilfeträgers, in dessen Bereich eine Einrichtung liegt, gegen den Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG setzt nicht voraus, dass dieser dem Hilfeempfänger während des Einrichtungsaufenthalts Sozialhilfe geleistet hat.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 20.02

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 2. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. April 2002 wird aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Für das Berufungsverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Kostenerstattung nach § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG. Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Sozialhilfekosten, die er für die Hilfeempfängerin J. M. aufgewendet hat. Diese hat bis zum 12. Mai 1996 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelebt und sich vom 13. Mai 1996 bis zum 11. Mai 1997 zur Behandlung ihrer Drogensucht in einer Fachklinik für Drogenkrankheiten im Zuständigkeitsbereich des Klägers aufgehalten. Kostenträger war die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; Sozialhilfeleistungen erhielt die Hilfeempfängerin während des Aufenthaltes in der Fachklinik nicht. Ab dem 12. Mai 1997 wurde sie von der Fachklinik in einer Wohnung außerhalb der Einrichtung nachbetreut. In der Zeit vom 12. Mai 1997 bis 30. Oktober 1997 erhielt sie vom Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt, vom 1. November 1997 bis 31. Oktober 1998 Hilfe zur Arbeit.

Der Beklagte lehnte die vom Kläger begehrte Kostenerstattung ab, weil eine Erstattungspflicht nach § 103 Abs. 3 BSHG voraussetze, dass bereits in der Einrichtung Sozialhilfeleistungen erbracht worden seien.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 12. Mai 1997 bis 31. Oktober 1998 aufgewendeten ungedeckten Sozialhilfekosten in Höhe von 18 988,97 DM zuzüglich 4 % Zinsen ab dem 1. Dezember 1998 zu zahlen. Der Verwaltungsgerichtshof hingegen hat die Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen und dies unter Bezugnahme auf ein früheres Urteil (Urteil vom 14. März 2002, 12 B 01.2150) im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Frage, ob eine Kostenerstattung nach § 103 Abs. 3 BSHG in der Fassung vom 23. Juni 1993 entgegen der früheren Regelung voraussetze, dass schon während des Einrichtungs- oder einrichtungsähnlichen Aufenthalts Sozialhilfe gewährt worden sei, sei zu bejahen. Nach seinem Wortlaut beziehe § 103 Abs. 3 BSHG sich nur noch auf eine Person, die in der Einrichtung i.S. des § 97 Abs. 4 BSHG Sozialhilfe erhalten habe, denn "Hilfeempfänger" könne bei einer Norm des Bundessozialhilfegesetzes nur sein, wer Sozialhilfe erhalte. Auch verweise die Vorschrift ausdrücklich auf die "Fälle des § 97", also auf Sozialhilfefälle. Der insoweit klare Wortlaut entspreche auch den Intentionen des Gesetzgebers, die Kostenerstattungstatbestände einzuschränken. Während die davor gültige Fassung nur darauf abgestellt habe, dass "jemand" die Einrichtung verlasse, stelle der Wortlaut nun ausdrücklich auf den "Hilfeempfänger" ab. Es sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Formulierung absichtlich geändert habe, um dadurch größere Klarheit zu schaffen. Dies werde durch die Begründung (BTDrucks 12/4401 S. 84) belegt, wonach eine Kostenerstattung nach § 103 Abs. 3 BSHG nur noch "im Anschluss an eine Hilfe in einer Einrichtung" stattfinden solle. Eine Auslegung der Norm entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut sei auch nach ihrem Sinn und Zweck - dem Schutz der Anstaltsorte vor zusätzlichen finanziellen Belastungen als Folge dessen, dass sich in ihrem Bereich Heime, Anstalten und gleichartige Einrichtungen befänden - nicht geboten. Wenn eine Person erstmals nach Verlassen einer derartigen Einrichtung hilfebedürftig werde, bestehe mit dem Aufenthalt in der Einrichtung kein unmittelbarer Zusammenhang mehr, vielmehr sei der Fall dem vergleichbar, dass jemand in den Bereich des Sozialhilfeträgers zuziehe und dort erstmals sozialhilfebedürftig werde. Offensichtlich habe der Gesetzgeber sich von dem Gedanken leiten lassen, dass in Fällen einer oft langjährigen Heimkostenübernahme durch Dritte, in denen eine sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit gar nicht erst entstanden sei, eine dauernde Verpflichtung des für den bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Sozialhilfeträgers nicht bejaht werden sollte. Der Fortfall eines nachwirkenden örtlichen Bezugs durch Zeitablauf entspreche auch der Regelung des § 107 BSHG. Auch aus dem Zusammenhang mit § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG lasse sich keine andere Auslegung herleiten. Richtigerweise erfasse diese Bestimmung auch den Hilfeempfänger, der erstmals der stationären Hilfe in einer Anstalt bedürfe, jedoch zuvor nicht hilfebedürftig gewesen sei. Da § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG auf § 97 Abs. 2 BSHG Bezug nehme, sei zu verlangen, dass zunächst ein Fall des § 97 Abs. 2 BSHG vorgelegen habe. Dies sei aber nur der Fall, wenn jemand in der Anstalt usw. Sozialhilfe erhalte, weil nur dann die örtliche Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers begründet werde. Weil die Hilfeempfängerin während des Aufenthalts in der Fachklinik keine Sozialhilfe bezogen habe, lägen die Anspruchsvoraussetzungen des § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG nicht vor. Dass die Kosten des Aufenthalts von einem anderen Sozialleistungsträger getragen worden seien, sei in diesem Zusammenhang unerheblich.

Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Es verstößt gegen Bundesrecht, dass der Verwaltungsgerichtshof den Erstattungsanspruch des Klägers aus § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG abgelehnt hat, denn diese Bestimmung setzt entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz einen Bezug von Sozialhilfe bereits während des Aufenthalts in der Einrichtung nicht voraus. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und damit zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Frage, ob der Kostenerstattungsanspruch aus § 103 Abs. 3 BSHG voraussetzt, dass "der Hilfeempfänger" schon während des Einrichtungsaufenthalts Sozialhilfe bezogen hat, ist in Rechtsprechung, Spruchpraxis und Literatur umstritten (wie die Vorinstanz: VG Regensburg, Urteil vom 12. Juli 2001 - RO 8 K 99.152 -; VG Mainz, Urteil vom 25. Januar 2001 - 1 K 1222/99.MZ -; Spruchstelle München, Beschluss vom 13. Mai 1997 - NR 39/95 -; W. Schellhorn/ H. Schellhorn, BSGH, 16. Aufl. 2002, § 103 Rn. 35, 37; Eichhorn/Fergen, BSHG, 4. Aufl. 1998, S. 1450; Zeitler, NDV 1994, S. 173, 179 und NDV 1998, S. 104, 107; nicht für notwendig halten den Bezug von Sozialhilfe schon in der Anstalt hingegen: OVG Schleswig, Urteil vom 24. April 2002 - 2 L 55/01 - <dieses Urteil ist Gegenstand des zeitgleich mit dem vorliegenden Verfahren entschiedenen Revisionsverfahrens 5 C 24.02>; VG Berlin, Urteile vom 22. April 1999 - VG 6 A 326.96 - und vom 14. November 2000 - VG 18 A 294.97 -; Zentrale Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten, Entscheidung vom 10. Mai 2001 - B 76/99 -, EuG Bd. 56 <2002>, S. 135 <141>; Spruchstelle Münster, Entscheidung vom 6. Dezember 1996 - Nr. 6/96 -, EuG Bd. 52 <1999>, S. 129 ff.; Spruchstelle Goslar, Entscheidung vom 29. Oktober 1997 - Nr. 84/96 -, EuG Bd. 53 <2000>, S. 392 ff.; Bräutigam in: Fichtner, BSHG, 2. Aufl. 2003, § 103 Rn. 21 ff.; Schoch in: LPK, BSHG, 6. Aufl. 2003, § 103 Rn. 41; Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., Stand: Mai 2003, § 103 Rn. 52). Die Gesetzesauslegung, welche den Bezug von Sozialhilfe schon in der Einrichtung für notwendig hält, stützt sich auf Gesetzeswortlaut und Gesetzesgeschichte; gegen diese Auslegung sprechen der Zusammenhang des § 103 Abs. 1, § 97 Abs. 2 BSHG und überwiegende systematische Gesichtspunkte im Gesamtzusammenhang der Kostenerstattungstatbestände des Bundessozialhilfegesetzes.

Der Wortlaut des § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG in der seit dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG - vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944) stellt im Gegensatz zur Vorläuferbestimmung nicht mehr unspezifisch darauf ab, dass "jemand" die Einrichtung verlässt (und innerhalb von zwei Wochen danach der Sozialhilfe bedarf), sondern darauf, dass "in den Fällen des § 97 Abs. 2 der Hilfeempfänger" die Einrichtung verlässt (und innerhalb von einem Monat danach der Sozialhilfe bedarf). Mit der Bezugnahme auf die "Fälle des § 97 Abs. 2" knüpft die Bestimmung an die - ebenfalls durch das FKPG - anstelle der früheren Kostenerstattungspflicht neu eingeführte Hilfezuständigkeit des Sozialhilfeträgers am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts für die Hilfe in der Einrichtung an und verbindet den bei Verlassen der Einrichtung eintretenden Zuständigkeitswechsel mit einem Kostenerstattungsanspruch des zuständig werdenden Trägers. Der Umstand, dass die neu geschaffene Zuständigkeitsbestimmung in § 97 Abs. 2 BSHG als Bezugsnorm ebenso wie § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG den Begriff des "Hilfeempfängers" verwendet, legt die Annahme nahe, dass dieser Begriff in beiden systematisch zusammenhängenden Vorschriften gleich zu verstehen ist.

Nach allgemeinem Sprachverständnis ist Hilfeempfänger, wer Hilfe empfängt. Das spricht dafür, im hier maßgeblichen Bereich des Sozialhilferechts (§§ 97, 103 BSHG) denjenigen als Hilfeempfänger zu verstehen, der Sozialhilfe empfängt. Läge dem § 97 Abs. 2, § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG dieses Sprachverständnis zugrunde, wäre der Empfang von Sozialhilfe in der Einrichtung Voraussetzung für die Hilfezuständigkeit des Trägers am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts wie für seine Erstattungspflicht. Dem lässt sich für § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG nicht entgegenhalten, dass in dieser Bestimmung das Wort "Hilfeempfänger" zweimal erscheint, und zwar im zweiten Fall bezogen auf die nach Verlassen der Einrichtung geleistete Sozialhilfe, welche den Gegenstand des Erstattungsanspruches bildet. Der Umstand, dass die erste Verwendung des Begriffs "Hilfeempfänger" sich auf den Zeitpunkt des Verlassens der Einrichtung bezieht, spricht vielmehr dafür, dass die Person schon in diesem Zeitpunkt Hilfeempfänger gewesen sein muss, und zwar Empfänger von Hilfe in einer Einrichtung gemäß der in Bezug genommenen Bestimmung des § 97 Abs. 2 BSHG, und dass es für den Erstattungsanspruch nicht ausreicht, dass diese Person später Empfänger der Sozialhilfe geworden ist, deren Erstattung begehrt wird.

Dieses primär aus der Wortbedeutung gewonnene Ergebnis wird jedoch dadurch in Frage gestellt, dass die Bezeichnung als "Hilfeempfänger" in der in Bezug genommenen Zuständigkeitsnorm des § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG nicht eng dahin verstanden werden darf, sie erfasse nur diejenigen, die Sozialhilfe bereits empfangen; sie umfasst nämlich auch Hilfesuchende bzw. Hilfebedürftige, deren Bedarf erst in der Anstalt entsteht, und setzt nicht voraus, dass die Betreffenden bereits im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung Sozialhilfeempfänger waren. Denn § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG regelt die Zuständigkeit für Sozialhilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung unabhängig davon, ob zuvor Sozialhilfebedürftigkeit bestand. Dies spricht dafür, dass auch in § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG kein wörtliches, sondern ein weiteres Verständnis des Begriffs des "Hilfeempfängers" erforderlich ist, das alle Anwendungsfälle des § 97 Abs. 2 BSHG umfasst.

Allerdings ist bei der Auslegung auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Kostenerstattungsrechts generell das Ziel verfolgte, die Kostenerstattungstatbestände einzuschränken (dazu Zeitler, NDV 1994, 173 ff.). Durch die Neufassung des § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG in Verbindung mit der Begründung der Leistungszuständigkeit des Sozialhilfeträgers am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die Kostenerstattung bei Sozialhilfeleistungen in einer Einrichtung ganz vermieden und sollten die Voraussetzungen der - grundsätzlich erhalten gebliebenen - Kostenerstattung nach Verlassen der Einrichtung neu geregelt werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hierzu (BTDrucks 12/4401, S. 84):

"Eine Kostenerstattung soll nur noch stattfinden,

...

- nach § 103 Abs. 3 durch den zuständig bleibenden Träger des gewöhnlichen Aufenthalts an den Träger des tatsächlichen Aufenthalts bei dessen Leistungsgewährung im Anschluss an eine Hilfe in einer Einrichtung, wenn die Hilfebedürftigkeit am Ort der Einrichtung innerhalb von einem Monat entsteht; die Kostenerstattung ist dann auf zwei Jahre begrenzt,

...".

Soweit dabei die Kostenerstattung auf die Leistungsgewährung "im Anschluss an eine Hilfe in einer Einrichtung" bezogen wird, lässt dies darauf schließen, dass § 103 Abs. 3 BSHG n.F. nach Auffassung des Gesetzentwurfsverfassers eine vorausgegangene (Sozial-)Hilfe in einer Einrichtung voraussetze. Wie jedoch § 97 Abs. 2 BSHG als zuständigkeitsbegründende Norm nicht an einen bereits vorliegenden Sozialhilfebezug anknüpft, sondern nur an den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme bzw. in den zwei Monaten vor Aufnahme, berücksichtigt § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG mit der Verwendung des Begriffs des "Hilfeempfängers" nur eine der verschiedenen im Rahmen der Zuständigkeit nach § 97 Abs. 2 BSHG möglichen Sachverhaltsgestaltungen. Bei der gebotenen zusammenhängenden Betrachtung der Bestimmungen ordnet § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG eine Kostenerstattung deshalb nicht nur für den Fall an, dass jemand in der Einrichtung tatsächlich Sozialhilfe erhalten hat, sondern auch für den Fall der Aktualisierung der Zuständigkeit nach § 97 Abs. 2 BSHG dadurch, dass jemand für seinen Aufenthalt in der Einrichtung Sozialhilfe beantragt, aber nicht erhalten hat (Hilfesuchender), sowie für die Sachverhaltsgestaltung, dass ein Anspruch auf Sozialhilfe in der Einrichtung zu prüfen, aber im Einzelfall wegen Fehlens der Voraussetzungen abzulehnen war (nur vermeintlich Hilfebedürftiger). Ist aber - wie bei der notwendigen berichtigenden Auslegung des § 97 Abs. 2 BSHG - die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers normativ von einem bisherigen Hilfeempfang zu entkoppeln, ist in entsprechender Auslegung des Begriffs "Hilfeempfänger" in § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG die Erstattung auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen die örtliche Zuständigkeit nach § 97 Abs. 2 BSHG sich mangels Hilfebedarfs zwar nicht zu einer Leistung konkretisiert hat, aber im Bedarfsfall zu einer Leistung geführt hätte. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass ein im Bedarfsfall zuständiger Träger infolge Nichteintretens des Bedarfs während eines Einrichtungsaufenthalts nicht nur Hilfe in der Einrichtung nicht zu leisten braucht, sondern dadurch auch von seiner mit dem nachfolgenden Zuständigkeitswechsel auf den "Träger des tatsächlichen Aufenthalts" verbundenen Kostenerstattungspflicht befreit wird.

Dafür, dass es Sinn und Zweck des § 103 Abs. 3 BSHG entspricht, seinen Schutz der Anstaltsorte (der nach der Gesetzentwurfsbegründung bei der Reduzierung der Kostenerstattungsfälle infolge der unmittelbaren Zuordnung von örtlichen Zuständigkeiten an die bisher erstattungspflichtigen Träger "im Wesentlichen" erhalten bleiben sollte, vgl. BTDrucks 12/4401, S. 84) generell weit - unabhängig von einer Konkretisierung der Hilfezuständigkeit des Trägers des gewöhnlichen Aufenthalts durch Sozialhilfeleistungen in der Einrichtung - zu verstehen, spricht im Gesamtzusammenhang der Kostenerstattungstatbestände entscheidend folgender systematischer Gesichtspunkt: Die im 9. Abschnitt des Bundessozialhilfegesetzes geregelten Tatbestände der Kostenerstattung zwischen Trägern der Sozialhilfe - Kostenerstattung bei Aufenthalt in einer Anstalt (§ 103 BSHG), Kostenerstattung bei Unterbringung in einer anderen Familie (§ 104 BSHG), Kostenerstattung bei Umzug (§ 107 BSHG) und Kostenerstattung bei Übertritt aus dem Ausland (§ 108 BSHG) - sowie der außerhalb des 9. Abschnitts geregelte Kostenerstattungstatbestand des § 97 Abs. 5 BSHG betreffend Hilfe in Einrichtungen des Freiheitsentzuges mit seiner Verweisung auf § 103 BSHG knüpfen Erstattungen an den Fall an, dass ein Träger der Sozialhilfe neu zuständig wird. Weder für den Kostenerstattungstatbestand des § 104 BSHG noch für den aus § 107 BSHG und § 108 BSHG ist es erforderlich, dass die Person, für die der neu zuständig gewordene Träger nunmehr Sozialhilfe leistet, bereits vorher Sozialhilfe empfangen hatte. Selbst wenn man den Hinweis auf § 104 BSHG nicht für aussagekräftig hielte, weil diese Bestimmung wieder auf § 97 Abs. 2 und § 103 BSHG verweist, und § 108 BSHG als Sonderfall einer erstmaligen Zuständigkeitsbegründung beiseite lässt, spricht doch § 107 BSHG eindeutig dafür, dass der Gesetzgeber die Kostenerstattung nicht davon abhängig machen wollte, dass bereits vor dem Umzug Sozialhilfe bezogen wurde, vielmehr ist allein der Ortswechsel der Grund für die maximal zwei Jahre dauernde Kostenerstattung. Bei § 103 Abs. 3 BSHG liegt zwar kein Ortswechsel unmittelbar vom Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts i.S. des § 97 Abs. 2 BSHG in den Bereich des Trägers vor, in dem die Einrichtung liegt. Es bestehen jedoch Parallelen: Im Falle des § 107 BSHG ist der Träger kostenerstattungspflichtig, der für Sozialhilfe ohne den zuständigkeitsverändernden Umzug zuständig gewesen wäre, und entsprechend im Falle des § 103 Abs. 3 BSHG derjenige Träger, der für Sozialhilfe ohne das zuständigkeitsverändernde Verlassen der Einrichtung zuständig gewesen wäre. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er - abweichend von allen anderen Fällen der Kostenerstattung wegen eines Zuständigkeitswechsels - allein im unmittelbaren Anwendungsfall des § 103 Abs. 3 BSHG die Kostenerstattung von einem vorangegangenen Sozialhilfebezug abhängig machen wollte. Für eine solche Differenzierung ist ein sachlicher Grund weder im Verhältnis zu den anderen Kostenerstattungstatbeständen erkennbar, noch zwingen - wie dargelegt - der Begriff des "Hilfeempfängers" und die Bezugnahme auf die "Fälle des § 97 Abs. 2" zu einer solchen Auslegung. Deshalb ist es gerechtfertigt, im Falle des § 103 Abs. 3 BSHG wie in allen anderen gesetzlichen Fällen der Kostenerstattung wegen eines Zuständigkeitswechsels den infolge des Zuständigkeitswechsels neu zuständig gewordenen Sozialhilfeträger unabhängig von vorangegangener Sozialhilfe für längstens zwei Jahre zu schützen. Bei einer solchen Auslegung des § 103 Abs. 3 Satz 1 BSHG nach seinem Sinn und Zweck als einer dem Schutz der Anstaltsorte dienenden Bestimmung und mit Rücksicht auf seine systematische Einordnung als Fall der Kostenerstattung aus Anlass eines Zuständigkeitswechsels reicht für die Auslösung des Kostenerstattungsanspruchs trotz des eigentlich engeren Wortlauts "Hilfeempfänger" der vorangegangene Aufenthalt in einer Einrichtung aus; die Bezeichnung "Hilfeempfänger" und die Bezugnahme auf § 97 Abs. 2 BSHG sind dabei als Bezugnahme auf eine aktuelle ebenso wie auf eine potentielle Sozialhilfezuständigkeit des in § 97 Abs. 2 BSHG genannten Sozialhilfeträgers zu verstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Aufgrund von § 194 Abs. 5 i.V.m. § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987) ist die zuvor nach § 188 Satz 2 VwGO a.F. auch Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern erfassende Gerichtskostenfreiheit für das vorliegende, nach dem 1. Januar 2002 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewordene Verfahren entfallen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 9 708,91 € (entspricht 18 988,97 DM) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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