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Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 23.01
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 74
Es kommen aber auch andere Förderungsarten in Betracht, die nicht bei einem verbleibenden Defizit ansetzen, sondern z.B. eine bestimmte Förderungsleistung, einen Fest- oder Anteilsbetrag, erbringen und die Deckung eines verbleibenden Fehlbedarfs der Eigenleistung des Einrichtungsträgers bzw. den Teilnahmebeiträgen nach § 90 SGB VIII überlassen.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 23.01

Verkündet am 25. April 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Rothkegel und Dr. Franke

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2000 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt für seinen in der Landeshauptstadt H. gelegenen Kindergarten mit Rücksicht auf die dort betreuten Kinder aus dem Gebiet des ursprünglich beklagten Landkreises H. von der Beklagten als dessen Rechtsnachfolgerin einen Betriebskostenzuschuss für das Kindergartenjahr 1998/99 in Höhe von 97 645 DM.

Mit Bescheid vom 15. Januar 1999 lehnte der Landkreis H. den Zuschussantrag des Klägers ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Landkreis H. mit Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1999 mit der Begründung zurück, ein Anspruch auf Förderung bestehe nicht, weil der Kindergarten des Klägers weder in den Kindertagesstättenplan aufgenommen noch zur Bedarfsdeckung erforderlich sei.

Nach erfolgloser Klage vor dem Verwaltungsgericht hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen, weil inzwischen feststehe, dass der Kläger für das Kindergartenjahr 1998/99 ungedeckte Betriebskosten nicht zu tragen habe. Die beanspruchte Förderung könne nicht ein nach Ablauf des Kindergartenjahres verbleibendes Defizit übersteigen, die Übernahme einer nur erwarteten, letztlich aber nicht entstandenen "Unterdeckung" im Wege der Förderung gemäß § 74 SGB VIII würde sonst zu einem Überschuss führen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. Er macht geltend, für das Kindergartenjahr 1998/99 sei nachweislich ein Gesamtverlust in Höhe von 24 131 DM entstanden.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das angefochtene Berufungsurteil für zutreffend.

II.

Das Rubrum musste berichtigt werden. Beklagte ist seit 1. November 2001 die Region H. als Gesamtrechtsnachfolgerin des bisher beklagten Landkreises H. (§§ 2, 85 Abs. 1 Gesetz über die Region H. vom 5. Juni 2001 <Nds.GVBl S. 348>). Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge erfasst auch das vorliegende Prozessrechtsverhältnis und bewirkt einen gesetzlichen Parteiwechsel (§ 173 VwGO in Verbindung mit den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), der keine Klageänderung im Sinne der §§ 91, 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO darstellt und deshalb auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwGE 44, 148 <150> = Buchholz 310 § 173 VwGO Anh. § 239 ZPO Nr. 1 S. 2; BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2001 - BVerwG 5 C 20.00 - NVwZ-RR 2001, 765).

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und mangels Entscheidungsreife zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Mit Bundesrecht unvereinbar ist die Auffassung der Vorinstanz, eine Förderung nach § 74 SGB VIII sei der Höhe nach ohne weitere Prüfung auf ein nach Ablauf des Kindergartenjahres tatsächlich verbleibendes Defizit des Kindergartenträgers begrenzt; denn die Fehlbedarfsfinanzierung ist nur eine von mehreren möglichen Finanzierungsarten (vgl. dazu Wiesner in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl. 2000, § 74 Rn. 11 ff.). Es kommen aber auch andere Förderungsarten in Betracht, die nicht bei einem verbleibenden Defizit ansetzen, sondern z.B. eine bestimmte Förderungsleistung, einen Fest- oder Anteilsbetrag, erbringen und die Deckung eines verbleibenden Fehlbedarfs der Eigenleistung des Einrichtungsträgers bzw. den Teilnahmebeiträgen nach § 90 SBG VIII überlassen. Über die Art und Höhe der Förderung entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII); maßgeblich ist hier daher die am allgemeinen Gleichheitssatz orientierte Förderungspraxis der Beklagten.

Das Berufungsgericht wird deshalb zu prüfen haben, nach welchen Grundsätzen und Maßstäben der Landkreis H. andere Kindergärten im Kindergartenjahr 1998/99 gefördert hat. Sollte sich dabei herausstellen, dass der Landkreis H. sich durchgehend für eine Fehlbedarfsfinanzierung entschieden hat, entspricht dies dem Gleichheitssatz, wenn der Fehlbedarf bei den anderen geförderten Trägern nach gleichen Maßstäben (z.B. prospektives oder tatsächlich verbleibendes Defizit) ermittelt wurde. Bei der Bemessung der Eigenleistungen sind die unterschiedliche Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen (§ 74 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen sind unter Berücksichtigung angemessener (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII) Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen (§ 74 Abs. 5 SGB VIII).

Zu den Voraussetzungen für die begehrte Förderung dem Grunde nach, für die das Berufungsgericht auf seine Urteile vom 17. Mai 2000 - 4 L 869/00 und 4 L 870/00 - verwiesen hat, wird auf die unter den Beteiligten auch des vorliegenden Revisionsverfahrens ergangenen Urteile des Senats vom heutigen Tage - BVerwG 5 C 17.01 und 5 C 18.01 - Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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