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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.05.2002
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 59.01
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 5 Abs. 1 Satz 2
Ein Auszubildender hält sich dann nicht lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort auf i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG, wenn die Aufenthaltnahme und der Aufenthalt am Ausbildungsort oder in seiner Nähe nicht durch den Ausbildungszweck geprägt ist, sondern - in objektiven Indizien nachweisbar - ein Aufenthaltszweck hinzutritt, der für den Auszubildenden von vergleichbarem Gewicht ist wie die Möglichkeit, (von) dort seine Ausbildung betreiben zu können (hier: Aufrechterhaltung einer eheähnlichen Partnerschaft).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 5 C 59.01

Verkündet am 30. Mai 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner, Dr. Rothkegel, Dr. Franke und Dr. Jannasch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. September 2001 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Ausland.

Die 1964 geborene Klägerin war nach einer Ausbildung zur Druckvorlagenherstellerin bis Juli 1993 in Niedersachsen in ihrem Beruf tätig. Im Juni 1994 erwarb sie nach einjährigem Besuch eines Berufskollegs in F. die Fachhochschulreife. Ab dem Wintersemester 1994/95 studierte sie an der Universität Gesamthochschule S. Wirtschaftswissenschaften. Zum Wintersemester 1997/98 wechselte sie an die Universität B., wo sie ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften fortsetzte.

Am 19. September 1997 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ihr Auslandsstudium. Die Klägerin ist seit dem 24. September 1997 in F. mit Hauptwohnsitz gemeldet; von August 1993 bis Oktober 1994 und von Januar 1997 bis 23. September 1997 war sie dort mit zweitem Wohnsitz gemeldet.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Dezember 1997 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG seien nicht erfüllt, da die Klägerin ihren Wohnsitz in F. lediglich zum Zweck der Ausbildung begründet habe. Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Ausbildungsförderung ab 1. Oktober 1997 für ihr Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität B. erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Klägerin könnten Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung in F. aufgehalten, dort mithin nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG keinen ständigen Wohnsitz begründet, so dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 BAföG nicht erfüllt seien. Der Senat sei nämlich nach Anhörung der Klägerin und der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu der Ansicht gelangt, dass sich die Klägerin seit September 1997 nicht lediglich zum Zwecke der Ausbildung in F. aufhalte. Zuzugeben sei der Beklagten, dass nicht bereits jedes Motiv, das einen Auszubildenden zur Wahl eines bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsorts und der entsprechenden Wohnsitznahme veranlasse, ausreichen könne, um die Annahme auszuschließen, dass der Auszubildende sich dort nicht gleichwohl i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG lediglich zu Ausbildungszwecken aufhalte. Ansonsten könnte der Zweck dieser Vorschrift, der dahin gehe, zu verhindern, dass Auszubildende den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen allein deswegen verlagerten, um förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen, zu leicht unterlaufen werden und wäre für die Anwendung dieser Vorschrift kaum noch Raum. Ausgehend vom Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG sei vielmehr der Schluss gerechtfertigt, dass die ständige Wohnsitznahme eines Auszubildenden am Studien- bzw. Ausbildungsort allenfalls dann als nicht nur lediglich zu Ausbildungszwecken erfolgt angesehen werden könne, wenn das Motiv, das mitursächlich für die Wahl eines bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsortes sei, von einigem Gewicht sei, d.h. neben dem Zweck, dort einer Ausbildung nachzugehen, bei einer Gesamtwürdigung aller insoweit bedeutsamen Umstände des Einzelfalles nicht als nebensächlich in den Hintergrund trete.

Wenn enge persönliche Bindungen - etwa eine Ehe, eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder auch nur eine eheähnliche Partnerschaft - einen Auszubildenden zur Verlagerung des Mittelpunkts seiner Lebensbeziehungen an einen bestimmten Studien- bzw. Ausbildungsort veranlassten, könne regelmäßig angenommen werden, dass die Begründung eines ständigen Wohnsitzes am Ausbildungsort nicht lediglich zu Ausbildungszwecken i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG erfolge. Bei Bestehen derartiger enger persönlicher Bindungen halte sich der Auszubildende nicht mehr allein ausbildungsbedingt am Studien- bzw. Ausbildungsort auf, sondern eben auch deshalb, weil er seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich und gewollt am Wohnort seines Lebenspartners begründen wolle.

So liege es auch im streitgegenständlichen Fall. Die Beziehungen der Klägerin zu dem ihr bereits seit Sommer 1994 bekannten Zeugen W. hätten sich nämlich, wie die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme ergeben habe, bereits im September 1997 zu einer engen persönlichen Bindung im Sinne einer eheähnlichen Partnerschaft verdichtet und seien auch mit ausschlaggebend für die Klägerin gewesen, ihren ständigen Wohnsitz in F. zu begründen. Der Zeuge habe bei seiner Vernehmung bekundet, dass es im Sommer 1996 zwischen ihm und der Klägerin "gefunkt" habe und dass in der Folgezeit beiderseits der Wunsch vorhanden gewesen sei, zusammenzuleben. Der Senat habe keinen Anlass, insoweit an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, zumal seine Angaben letztlich, wie das gemeinsame Anmieten der Wohnung in der A.-S.-Straße zeige, durch den tatsächlichen Gang der Geschehnisse bestätigt würden.

Der Senat sehe auch keinen Anlass zu der Annahme, dass die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen W. im September 1997 über den Charakter einer vorübergehenden Liebesbeziehung nicht hinausgegangen sei. Die Klägerin sei damals 32, der Zeuge W. 29 Jahre alt gewesen. Beide seien mithin in einem Alter gewesen, in dem der Entschluss, mit jemandem zusammenleben zu wollen, in der Regel nicht mehr von einer momentanen Gemütsregung, sondern vom Ergebnis der Prüfung abhängig gemacht werde, ob man etwas füreinander empfinde und ob die persönliche Beziehung Aussicht auf Bestand habe. Bereits das Alter, das die Klägerin und der Zeuge W. zum Zeitpunkt des Entschlusses, zusammenziehen zu wollen, gehabt hätten, spreche mithin dafür, dass zwischen ihnen im September 1997 bereits besondere innere Bindungen bestanden hätten, wie sie eine eheähnliche Partnerschaft auszeichne. Die Richtigkeit dieser Annahme werde im Übrigen dadurch bestätigt, dass die Klägerin und der Zeuge immer noch zusammenlebten, bereits einmal gemeinsam umgezogen seien und dass, wie der Zeuge glaubhaft bei seiner Vernehmung angegeben habe, gemeinsam aus "einem Topf" gewirtschaftet worden sei. Der Senat sei nach alledem zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin sich seit September 1997 nicht mehr allein ausbildungsbedingt in F. aufgehalten habe, sondern eben auch deshalb, weil sie ihren Lebensmittelpunkt tatsächlich und gewollt am Wohnort ihres Lebenspartners begründen wollte. Der Klägerin könnten Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz hiernach nicht mit der Begründung versagt werden, sie habe sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung in F. aufgehalten und deshalb dort keinen ständigen Wohnsitz begründet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts. § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG fordere nach seinem Sinn und Zweck ein nicht ausbildungsbezogenes Motiv, das letztlich den Hauptgrund für den Zuzug liefere. Jedenfalls das Vorliegen einer Partnerschaft reiche nicht aus, um das für den Zuzug mitursächliche Motiv - den Ausbildungszweck - in den Hintergrund zu drängen. Des Weiteren müsse das nicht ausbildungsbezogene Motiv kausal für den Zuzug gewesen sein. Daran fehle es im vorliegenden Fall, weil der Entschluss der Klägerin, in B. zu studieren, schon vor dem Kennenlernen ihres Partners festgestanden habe.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision der Beklagten ist unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Klägerin könnten Förderungsleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG mit der Begründung versagt werden, sie habe sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung in F. aufgehalten, steht mit Bundesrecht in Einklang.

Die bereits in der Ursprungsfassung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 26. August 1971 (BGBl I S. 1409) als § 5 Abs. 1 enthaltene "Grenzgänger"-Regelung (vgl. BTDrucks VI/1975 S. 24 zu § 5) des § 5 Abs. 1 Satz 1 BAföG will "Pendlern" (vgl. BTDrucks 7/2098 S. 17), die täglich von ihrem ständigen Wohnsitz im Inland aus eine im Ausland gelegene Ausbildungsstätte besuchen, Ausbildungsförderung für eine Auslandsausbildung gewähren. Den Begriff des ständigen Wohnsitzes, der im Gesetz ursprünglich nicht näher erläutert war, definierte der Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - 2. Teil (BAföGVwV-E) vom 28. März 1972 (GMBl S. 294) in Tz. 5.1.2 wortgleich im heute in § 5 Abs. 1 Satz 2 BAföG enthaltenen Sinne. Als der Regierungsentwurf eines 2. BAföG-Änderungsgesetzes diese Regelung als Legaldefinition in das Gesetz aufnehmen wollte (BTDrucks 7/2098 S. 17 zu Nr. 3 Buchst. a), schlug der Bundesrat die Streichung des Wortes "ständigen" vor dem Wort "Wohnsitz" vor (BTDrucks 7/2098 S. 26 f.): "Um Unsicherheit und Verwirrung im Rechtsverkehr zu vermeiden, sollte das Ausbildungsförderungsrecht für die Bezeichnung der örtlichen Anknüpfungspunkte die sonst üblichen Begriffe verwenden. Wegen der Zielsetzung, nicht den Ausbildungsort maßgeblich sein zu lassen, sollte in den Fällen der §§ 5 und 6 BAföG auf den Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB abgestellt werden." Die Bundesregierung widersprach dem in ihrer Gegenäußerung (BTDrucks 7/2098 S. 39 zu 5.): "Die Bundesregierung ... verfolgt mit der Verwendung des Begriffes 'ständiger Wohnsitz' - wie aus der vorgesehenen Legaldefinition hervorgeht - weiterhin das bisher in Übereinstimmung mit den Ländern wortgleich im Entwurf der Verwaltungsvorschriften festgelegte Ziel zu verhindern, dass Auszubildende den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen allein deswegen verlagern, um förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen. Dazu bedarf es eines besonderen Wohnsitzbegriffes, bei Verwendung der 'sonst üblichen Begriffe' würde dieses Ziel nicht erreicht."

Nach § 7 Abs. 1 BGB wird nämlich ein Wohnsitz durch die ständige Niederlassung an einem Ort begründet. Das setzt in objektiver Hinsicht eine Niederlassung in dem Sinne voraus, dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse am Ort der Aufenthaltnahme gebildet wird. In subjektiver Hinsicht ist der Wille erforderlich, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dort nicht nur vorübergehend, sondern dauernd beizubehalten (vgl. BVerwGE 28, 193 <194 f.>; 71, 309 <312>). Der Begriff des "Dauernden" bedeutet - positiv - Aufenthalt auf lange Sicht und - negativ - Aufenthalt nicht bloß auf eine von vornherein begrenzte, wenn auch möglicherweise länger bemessene Zeitspanne (BVerwGE 28, 193 <195>). Nach herrschender Meinung begründet deshalb zwar ein junger Mensch am Ausbildungs- oder Universitätsort außerhalb des Wohnsitzes der Eltern regelmäßig keinen Wohnsitz i.S. des § 7 BGB, weil es in der Regel am Willen, sich ständig an diesem Ort niederzulassen, fehlen wird (BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 22. Juni 1990 - 2 BvR 116/90 - <NJW 1990, 2193, 2194> unter Hinweis auf BVerwG, MDR 1959, 517 <518>; BVerwG, JR 1961, 113; BVerwGE 28, 193 <196>). Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht, so dass der Ausbildungs- oder Universitätsort zum Ort des Wohnsitzes wird, wenn der junge Mensch sich dort unter weitgehender Lösung oder gar Abbruch der räumlichen und persönlichen Beziehungen zum bisherigen Ort des ständigen Aufenthalts auf Dauer niederlässt (BVerwGE 28, 193 <196>). Die Übernahme des Wohnsitzbegriffes des § 7 BGB in das Ausbildungsförderungsrecht würde es also z.B. dem Auszubildenden erlauben, durch bewusste Begründung eines Wohnsitzes im grenznahen Bereich die Voraussetzungen einer Auslandsförderung nach § 5 Abs. 1 BAföG zu schaffen.

Das sollte mit der Legaldefinition des § 5 Abs. 1 Satz 2 BAföG verhindert werden (BTDrucks 7/2098 S. 39: "Im Förderungsrecht geht es ... darum, die bewusste Herbeiführung bestimmter Förderungsvoraussetzungen durch den Auszubildenden zu verhindern."). § 5 Abs. 1 Satz 2 BAföG erleichtert zwar gegenüber § 7 Abs. 1 BGB die Anforderungen an den "ständigen Wohnsitz", indem er auf "den Willen zur ständigen Niederlassung" verzichtet und ausreichen lässt, dass der Ort "nicht nur vorübergehend Mittelpunkt der Lebensbeziehungen ist" (Halbs. 1), fügt dem aber die - dem § 7 BGB unbekannte - Einschränkung hinzu: "wer sich lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem Ort aufhält, hat dort nicht seinen ständigen Wohnsitz begründet" (Halbs. 2). Das Gesetz errichtet also zur Verhinderung einer unerwünschten Herbeiführung der Förderungsvoraussetzungen durch den Auszubildenden selbst eine Wohnsitzbegründungsschranke, die anknüpft an dem bestimmenden Motiv für die Niederlassung an einem bestimmten Ort: Ist es allein ausbildungsbezogen, versagt § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG den Wohnsitzbegründungswillen, (wenn und) weil auf die bewusste Herbeiführung förderungsrechtlicher Rechtsfolgen gerichtet, die förderungsrechtliche Anerkennung.

Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund lässt sich die Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG durch das Berufungsgericht nicht beanstanden. Zu Recht nimmt es an, dass die Worte "lediglich zum Zwecke der Ausbildung" einer Sinn und Zweck der Norm Rechnung tragenden Auslegung bedürfen. Würde bereits jedes andere Motiv - ohne Rücksicht auf das Gewicht, das es in der die Entscheidung des Auszubildenden für einen bestimmten Ort steuernden Motivstruktur hat - ausreichen, um die gesetzliche Wohnsitzbegründungsschranke beiseite zu schieben - etwa der Wunsch, eine bestimmte Sportart am Ausbildungsort zu betreiben oder ein großstädtisches Umfeld vorzufinden -, liefe die Abwehrfunktion des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG in aller Regel leer. Denn ein weiteres, zur Ausbildungsabsicht hinzutretendes Motiv für die Niederlassung gerade an diesem Ort ließe sich vom Auszubildenden in aller Regel vorweisen und würde ihm erlauben, seine eigentliche Absicht, förderungsrechtlich erhebliche Tatbestände zu schaffen, ohne Schwierigkeiten zu kaschieren.

Zu Recht folgert deshalb das Berufungsgericht, um die Abwehrfunktion des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG zu wahren, dass die ständige Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort nur dann förderungsrechtlich anerkannt werden kann, wenn das für die Niederlassung mitursächliche Motiv von einigem Gewicht ist, also neben dem Zweck, (von) dort einer Ausbildung nachzugehen, nicht als nebensächlich in den Hintergrund tritt. Die Aufenthaltnahme und der Aufenthalt am Ausbildungsort oder in seiner Nähe dürfen nicht durch den Ausbildungszweck geprägt sein, vielmehr muss - in objektiven Indizien nachweisbar - ein Aufenthaltszweck hinzutreten, der für den Auszubildenden von vergleichbarem Gewicht ist wie die Möglichkeit, (von) dort seine Ausbildung betreiben zu können. Vermag der Auszubildende einen derart vergleichbar gewichtigen Aufenthaltszweck anzuführen, erscheint die Befürchtung, es gehe ihm lediglich um die bewusste Herbeiführung förderungsrechtlicher Rechtsfolgen, widerlegt. Die weitergehende Forderung der Revision, das nicht ausbildungsbezogene Motiv müsse letztlich den Hauptgrund für den Zuzug an den Ausbildungsort darstellen, scheitert am Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG. Die Norm schreibt gerade nicht vor, jemand dürfe sich an einem Ort nicht aus ausbildungsbezogenen Gründen aufhalten, vielmehr nur, dass der Ausbildungszweck nicht der einzige Aufenthaltsgrund sein darf.

Dass die Aufrechterhaltung einer eheähnlichen Partnerschaft einen vergleichbar gewichtigen Aufenthaltszweck begründet, der auch in Anbetracht der missbrauchsabwehrenden Funktion des § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG die Wohnsitzbegründung am Ausbildungsort als förderungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen lässt, hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend dargelegt. Die Revision ist den diesen Schluss tragenden Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht entgegengetreten, so dass sie für das Revisionsgericht bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO).

Aus rechtlichen Gründen unbeachtlich ist der Einwand der Revision, das Motiv der Klägerin, eine 1996 in F. begonnene eheähnliche Partnerschaft aufrechtzuerhalten, sei für den Zuzug nach F. nicht ursächlich geworden, weil sie bereits während ihres einjährigen Kollegbesuchs 1993/94 in F. beschlossen habe, von dort in B. Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob sich der Auszubildende lediglich zum Zwecke der Ausbildung an einem bestimmten Ort aufhält, beginnt nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BAföG frühestens mit dem Zeitpunkt der Niederlassung am Ausbildungsort. Das Gesetz stellt also darauf ab, welche Zweckerwägungen das Niederlassungsverhalten des Auszubildenden zu diesem Zeitpunkt bestimmen; ob und gegebenenfalls seit wann sie bereits zu früherer Zeit vorhanden waren, ist rechtlich unerheblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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