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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 B 12.01
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz:

Für das Entstehen der Beweisaufnahmegebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO reicht im Gegensatz zur Beweisgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO eine bloße anwaltliche Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren nicht aus; vielmehr ist eine aktive Beteiligung des Rechtsanwalts an der Beweisaufnahme erforderlich (wie Urteil vom 22. März 1996 - BVerwG 8 C 8.95 - Buchholz 362 § 118 BRAGO Nr. 4 = JurBüro 1997, 253).

Beschluss des 6. Senats vom 8. Mai 2001 - BVerwG 6 B 12.01 -

I. VG Hannover vom 02.11.2000 - Az.: VG 2 A 6563/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 B 12.01 VG 2 A 6563/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer und die Richter Büge und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 2. November 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 269,95 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger begehrt nach erfolgreichem Widerspruchsverfahren gegen einen Musterungsbescheid, in welchem er anwaltlich vertreten war, eine Kostenfestsetzung, die über die von der Beklagten zugestandene Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) hinaus eine Beweisaufnahmegebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) und eine Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) umfasst. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die allein auf die Grundsatzrüge gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr aufgeworfenen Rechtsfragen haben keine grundsätzliche Bedeutung.

1. Die als klärungsbedürftig bezeichneten Voraussetzungen für das Entstehen der Beweisaufnahmegebühr sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Der beschließende Senat schließt sich der insoweit ergangenen Rechtsprechung des 8. Senats an, wonach für das Entstehen der Beweisaufnahmegebühr des § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO im Gegensatz zur Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) eine bloße anwaltliche Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren nicht ausreicht (Urteil vom 22. März 1996 - BVerwG 8 C 8.95 - Buchholz 362 § 118 BRAGO Nr. 4 = JurBüro 1997, 253).

Diese Rechtsprechung beruht insbesondere auf dem unterschiedlichen Wortlaut der beiden Gebührentatbestände. Anders als bei der Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) fordert das Gesetz bei der Beweisaufnahmegebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) nicht nur eine Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren, sondern ein Mitwirken des Rechtsanwalts bei Beweisaufnahmen, die von einem Gericht oder von einer Behörde angeordnet worden sind. Der Begriff "Mitwirken" hat nicht die gleiche Bedeutung wie der des "Vertretens"; er geht vielmehr mit seinen inhaltlichen Anforderungen an die Tätigkeit des Rechtsanwalts über jenen hinaus. Mit dem Begriff "Mitwirken" fordert das Gesetz eine aktive Beteiligung des Rechtsanwalts an der Beweisaufnahme. Die Beweisaufnahmegebühr fällt daher nicht an, wenn der bevollmächtigte Rechtsanwalt lediglich von dem Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis erhalten und dazu - nach Erörterung mit seinem Mandanten - Stellung genommen hat. Für die Annahme eines Mitwirkens bei der Beweisaufnahme ist vielmehr grundsätzlich die Anwesenheit des bevollmächtigten Rechtsanwalts bei den angeordneten Beweiserhebungen erforderlich (BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 a.a.O.; ebenso Hartmann/Albers, Kostengesetze, 30. Aufl. 2001, § 118 BRAGO Rn. 63; Schneider in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl. 2000, § 118 BRAGO Rn. 42).

Die gegen dieses Verständnis des § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO in einem Teil der jüngeren Kommentarliteratur (s. Braun in: Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl. 1997, Stichwort "Sonstige Angelegenheiten" Nr. 2.32; Madert in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 14. Aufl. 1999, § 118 Rn. 10) sowie - im Anschluss daran - von mehreren Oberlandesgerichten (s. OLG Bamberg, FamRZ 1999, 389 und 1361; KG, JurBüro 2000, 137) erhobenen Einwände geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Diese Einwände sind vornehmlich auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes gestützt; da die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO und die Beweisaufnahmegebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO in der amtlichen Begründung zu § 118 (damals § 116) BRAGO (BTDrucks 2/2545 S. 270) als inhaltlich entsprechende Gebühren bezeichnet seien, sei anzunehmen, dass diese Gebühren unter denselben Voraussetzungen entstünden. Die Gesetzesmaterialien aus dem Jahre 1956 rechtfertigen indes nicht den aus ihnen erstmals im Jahre 1997 gezogenen Schluss. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber die Gebühren, die dem Rechtsanwalt bei der Bearbeitung der "sonstigen Angelegenheiten" nach § 118 Abs. 1 BRAGO zustehen, in Anlehnung an die Gebühren für anwaltliche Tätigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten konzipiert hat; dabei hat er die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) zur Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), die Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) zur Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) und die Beweisaufnahmegebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) zur Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) in Beziehung gesetzt ("entspricht", s. BTDrucks 2/2545 a.a.O.). In der Gesetzesbegründung wird jedoch zugleich hervorgehoben, dass die Gebühren für die Anwaltstätigkeit in den "sonstigen Angelegenheiten" besonders umschrieben und besonders benannt seien, um sie der Eigenart dieser Angelegenheiten anzupassen. Aus diesem Grund dürfen die Gebührentatbestände nach § 118 Abs. 1 BRAGO und diejenigen nach § 31 Abs. 1 BRAGO nicht kurzerhand in ihren Entstehensvoraussetzungen gleichgesetzt werden, sondern müssen grundsätzlich - zumal bei erheblichen Unterschieden im Wortlaut - mit Blick auf den jeweils geregelten Sachbereich gesondert ausgelegt werden. Dabei lässt sich der Wortlautunterschied zwischen § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ("Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren") und § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO ("Mitwirken bei Beweisaufnahmen") nicht etwa damit erklären, dass § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO auf Verfahren Anwendung finde, in denen der maßgebliche Tatsachenstoff von den Parteien selbst beigebracht werden müsse, während § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO Verfahren betreffe, in denen der Sachverhalt vom Gericht oder von der Behörde von Amts wegen erforscht werde (so aber Braun in: Göttlich/Mümmler, a.a.O.; Madert in: Gerold/Schmidt, a.a.O.); dies trifft schon deswegen nicht zu, weil die Gebühren nach § 31 Abs. 1 BRAGO auch in solchen Verfahren entstehen, die vom Grundsatz der Amtsermittlung beherrscht werden (vgl. etwa § 31 Abs. 3, § 114 BRAGO). Vielmehr kommen in dem Wortlautunterschied verschiedene inhaltliche Anforderungen an die Tätigkeit des Rechtsanwalts zum Ausdruck, die ihrerseits auf die Verschiedenheit der geregelten Sachbereiche zurückgehen. § 31 Abs. 1 BRAGO regelt den Kernbereich der anwaltlichen Tätigkeit vor Gericht, nämlich seine Tätigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in ähnlichen oder gleichgestellten Verfahren. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Anwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt worden ist, d.h. eine Prozessvollmacht im Sinne von § 81 ZPO erhalten hat, die ihn zur grundsätzlich umfassenden Wahrnehmung aller den Auftraggeber betreffenden Rechte und Pflichten in dem jeweiligen Rechtsstreit ermächtigt. Für seine Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter erhält der Anwalt in erster Linie die Prozessgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und unter den Voraussetzungen der nachfolgenden Nrn. 2 - 4 weitere Gebühren. Ist der Rechtsstreit mit einer Beweisaufnahme verbunden, so ist das Beweisaufnahmeverfahren hinsichtlich der Anwaltstätigkeit gebührenrechtlich als ein besonderer Abschnitt des Rechtsstreits ausgestaltet (vgl. RGZ 44, 398). Dementsprechend macht das Gesetz das Entstehen der Beweisgebühr nach Nr. 3 von der Vertretung des Auftraggebers (auch) im Beweisaufnahmeverfahren abhängig und lässt hierfür grundsätzlich jede Tätigkeit des Anwalts in Bezug auf dieses Verfahren genügen. Die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO spiegelt somit die erhöhte Verantwortung des prozessbevollmächtigten Anwalts für die wirkungsvolle Wahrnehmung der Interessen des Auftraggebers und für die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrensablaufs in einem Rechtsstreit wider, der mit einer Beweisaufnahme verbunden ist, und gibt sich daher - ähnlich der Prozessgebühr - mit vergleichsweise leicht zu erfüllenden Entstehensvoraussetzungen zufrieden. Der Gesetzgeber war nicht gehindert, die Gebühr für den Aufwand des Anwalts anlässlich einer Beweisaufnahme in anderen anwaltlichen Tätigkeitsbereichen, die nicht mit der umfassenden Vertretungsaufgabe nach § 81 ZPO vergleichbar sind, an andere, strengere Entstehensvoraussetzungen zu binden. So erhält beispielsweise der in einem Rechtsstreit tätige Anwalt, dessen Tätigkeit sich auf die Vertretung in der Beweisaufnahme beschränkt (sog. Beweisanwalt), gemäß § 54 BRAGO im Gegensatz zum prozessbevollmächtigten Anwalt die (halbe) Beweisgebühr nur unter der Voraussetzung, dass er den Beweistermin tatsächlich wahrnimmt (Madert in: Gerold/Schmidt, a.a.O. § 54 Rn. 4). Nicht anders verhält es sich bei den "sonstigen Angelegenheiten" im Sinne von § 118 BRAGO, die ebenfalls nicht die Erteilung eines Gesamtauftrags an den Anwalt nach Art einer Prozessvollmacht voraussetzen (Madert in: Gerold/Schmidt, § 118 Rn. 4), sofern in einer solchen Angelegenheit von einem Gericht oder von einer Behörde eine Beweisaufnahme angeordnet wird; auch hier ist, wie dargelegt, zur Entstehung der Beweis(aufnahme-)gebühr grundsätzlich ein "Mitwirken bei der Beweisaufnahme" im Sinne der persönlichen Anwesenheit des Anwalts bei den angeordneten Beweiserhebungen erforderlich.

2. Dem Rechtsstreit kommt auch nicht im Hinblick auf die vom Kläger weiterhin beanspruchte Besprechungsgebühr grundsätzliche Bedeutung zu. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts betraf das Telefongespräch zwischen dem Sachbearbeiter der Beklagten und dem Rechtsanwalt des Klägers, auf das der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung der Besprechungsgebühr stützt, lediglich die Frage, auf welche Aktenbestandteile sich der von dem Rechtsanwalt des Klägers zuvor gestellte Antrag auf Akteneinsicht bezog. Die Äußerungen des Rechtsanwalts hierzu gehen in ihrer Bedeutung über eine bloße Nachfrage nach dem Stand des Verfahrens, für die nach der ausdrücklichen Anordnung in § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO keine Besprechungsgebühr entsteht, offenkundig nicht hinaus.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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