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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.06.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 11.00
Rechtsgebiete: BPersVG, Altersteilzeitgesetz


Vorschriften:

BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 1
Altersteilzeitgesetz (Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand) § 1
Altersteilzeitgesetz (Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand) § 3
Die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis nach dem Altersteilzeitgesetz ist keine mitbestimmungspflichtige Einstellung nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

BVerwG 6 P 11.00 OVG 7 Bf 19/99.PVB

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer, die Richterin Eckertz-Höfer und die Richter Dr. Gerhardt, Büge und Dr. Graulich

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, Fachsenat für Personalvertretungssachen nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, vom 29. September 2000 wird aufgehoben.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg, Fachkammer 2 nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, vom 23. November 1998 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Wirkung vom 1. März 1998 vereinbarte der Beteiligte mit dem - inzwischen ausgeschiedenen - Angestellten K. auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Mit Schreiben vom 9. April 1998 rügte der Antragsteller die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts mit der Begründung, die Umwandlung eines Vollzeitarbeitsverhältnisses in ein Teilzeitarbeitsverhältnis hätte als mitbestimmungspflichtige Einstellung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG seiner Zustimmung bedurft. Nachdem der Beteiligte dem widersprochen hatte, hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Den auf Verletzung seines Mitbestimmungsrechts gerichteten Feststellungsantrag hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.

Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss geändert und festgestellt, dass die Umwandlung eines Vollzeitbeschäftigungsverhältnisses in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis nach dem Altersteilzeitgesetz, wenn nicht der Beschäftigte darauf einen Rechtsanspruch habe, der Mitbestimmung des Antragstellers gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliege. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Zweck der Beteiligung der Personalvertretung bei der Einstellung bestehe darin, die allgemeinen, im Versagungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG zum Ausdruck kommenden Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten der Dienststelle zu wahren. Die Vereinbarung von Altersteilzeit führe als wesentliche Änderung des Beschäftigungsverhältnisses zu einer gegenüber der Ersteinstellung in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis neuen mitbestimmungsrechtlichen Situation, weil für die Personalvertretung neue Zustimmungsverweigerungsgründe in Betracht kämen. So sei denkbar, dass die Vereinbarung von Altersteilzeit i.S.v. § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG gegen ein Gesetz oder gegen einen Tarifvertrag verstoße. Es könnten aber auch Belange der Beschäftigten berührt sein, die im Hinblick auf § 77 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG von der Personalvertretung wahrzunehmen seien. Das gelte etwa im Hinblick auf das durch die Teilzeitbeschäftigung frei werdende Arbeitsvolumen. Darüber hinaus lasse die Gewährung von Altersteilzeit eine neue Auswahlsituation entstehen.

Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde vor: Die Zuerkennung eines Mitbestimmungsrechts sei im vorliegenden Fall durch den Wortlaut des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht mehr gedeckt. Die Argumentation des Oberverwaltungsgerichts laufe auf die Zuweisung einer Allzuständigkeit an die Personalvertretung hinaus, obschon das Bundespersonalvertretungsgesetz den Katalog der mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen festlege. Schon nach allgemeinem Sprachgebrauch könne bei einer Reduzierung der Arbeitszeit keinesfalls von einer Einstellung gesprochen werden. Allein die Möglichkeit eines Gesetzesverstoßes führe nicht bereits zur Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme.

Der Beteiligte beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Der Oberbundesanwalt schließt sich den Ausführungen des Beteiligten an.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 ArbGG). Die Umwandlung eines Vollzeitbeschäftigungsverhältnisses in ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis nach dem Altersteilzeitgesetz vom 23. Juli 1996, BGBl I S. 1078, in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 2000, BGBl I S. 1983, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Personalrats nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG.

1. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung eines Arbeitnehmers. Einstellung ist die Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle, die regelmäßig durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages und die tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Tätigkeit bewirkt wird (Beschluss vom 23. März 1999 - BVerwG 6 P 10.97 - BVerwGE 108, 347, 348 f. m.w.N.). Eine erstmalige oder erneute Eingliederung liegt nicht vor, wenn ein älterer Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis bei reduzierter Arbeitszeit fortsetzt. Namentlich erfasst der Einstellungsbegriff in § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht die einzelnen Modalitäten des Arbeitsverhältnisses, so dass deren spätere Änderung - unbeschadet des Eingreifens spezieller Mitbestimmungstatbestände (vgl. z.B. die Höher- oder Rückgruppierung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) - ebenfalls nicht mitbestimmungspflichtig ist (vgl. zur Befristung von Arbeitsverträgen und zur Teilzeitbeschäftigung: Beschluss vom 12. August 1983 - BVerwG 6 P 29.79 - Buchholz 238.35 § 60 HePersVG Nr. 4; Beschluss vom 17. August 1989 - BVerwG 6 P 11.87 - BVerwGE 82, 288, 292; Beschluss vom 14. November 1989 - BVerwG 6 P 4.87 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 73).

2. Freilich hat der Senat bestimmte personelle Maßnahmen trotz vorangegangener Erst-Eingliederung als mitbestimmungspflichtige Einstellung gewertet, so die Verlängerung eines Zeitarbeitsvertrages (Beschluss vom 13. Februar 1979 - BVerwG 6 P 48.78 - BVerwGE 57, 280), die Umwandlung eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Beschluss vom 1. Februar 1989 - BVerwG 6 P 2.89 - Buchholz 251.5 § 64 HePersVG Nr. 7), die Umwandlung eines Teilzeitbeschäftigungsverhältnisses in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis (Beschluss vom 2. Juni 1993 - BVerwG 6 P 3.92 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 61 S. 24 ff.) und die nicht nur vorübergehende und geringfügige Aufstockung einer Teilzeitbeschäftigung (Beschluss vom 23. März 1999 a.a.O. S. 350 ff.). Den genannten Vorgängen gemeinsam ist die - bezogen auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit - Verfestigung der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Dienststelle. Der Zusammenhang mit dem Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ist damit noch gewahrt. Dies ist jedoch bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Reduzierung der Arbeitszeit anders. Hier kann von einer Eingliederung - und sei es auch nur im Sinne ihrer Verstärkung - nicht mehr gesprochen werden.

3. Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG kann entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht allein unter Rückgriff auf diejenigen Überlegungen bejaht werden, die den Senat in den zitierten Entscheidungen zu einer weiten Auslegung des Einstellungsbegriffs veranlasst haben. Für den Senat war jeweils wesentlich, dass sich bei den genannten Änderungen des Arbeitsverhältnisses die Frage nach möglichen Zustimmungsverweigerungsgründen gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG neu und möglicherweise unter anderen Gesichtspunkten stellt (vgl. zuletzt Beschluss vom 23. März 1999 a.a.O. S. 349). Diese dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestandes namentlich mit Blick auf eine etwaige neue Auswahlsituation Rechnung tragende Erwägung vermag in Fällen, in denen sich der Zusammenhang mit dem Einstellungsbegriff auf die oben beschriebene Weise noch herstellen lässt, die extensive Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG zu rechtfertigen. Sie kann indes nicht dazu dienen, die Mitbestimmungspflichtigkeit in personellen Angelegenheiten vom Wortlaut des Mitbestimmungstatbestandes vollständig zu lösen und nach Art einer Generalklausel in allen Fällen zu bejahen, in denen Rechtsverstöße oder Missachtungen des Benachteiligungsverbots i.S.v. § 77 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BPersVG abstrakt zu besorgen sind. Dies ließe sich mit dem Wortlaut von § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht vereinbaren. Es widerspräche auch der Systematik der Mitbestimmungskataloge nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz und würde damit dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht.

Der Bundesgesetzgeber hat in den §§ 75, 76 BPersVG diejenigen Tatbestände, in denen dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, abschließend aufgeführt. Er hat sich daher weder für ein System entschieden, in welchem das Mitbestimmungsrecht aus einer abstrakt formulierten Generalklausel hergeleitet wird, noch für ein solches, in welchem konkreten Mitbestimmungstatbeständen lediglich die Funktion von Regelbeispielen zukommt. Das geschlossene System konkreter Mitbestimmungstatbestände, welches der Bundesgesetzgeber für die Personalvertretungen im Bundesdienst stattdessen vorgezogen hat, hindert nicht die restriktive oder extensive Auslegung eines Mitbestimmungstatbestandes je nach Sachzusammenhang und damit verfolgtem Sinn und Zweck. Es verbietet jedoch, aus dem Sinn und Zweck einzelner normierter Mitbestimmungsrechte neue Tatbestände zu entwickeln, die im Gesetzeswortlaut nicht mehr angelegt sind.

Das System abschließend aufgeführter Mitbestimmungstatbestände hat der Bundesgesetzgeber in § 75 Abs. 1 BPersVG insbesondere auch im Bereich der Personalangelegenheiten von Angestellten und Arbeitern verfolgt. Darauf beziehen sich die in § 77 Abs. 2 BPersVG - wiederum abschließend - aufgeführten Gründe, aus denen der Personalrat seine Zustimmung zur jeweiligen personellen Maßnahme verweigern kann.

Diese Vorschrift enthält mit ihren abschließend aufgezählten Zustimmungsverweigerungsgründen eine inhaltliche Beschränkung des Mitbestimmungsrechts im Bereich der personellen Mitbestimmung. Anders als in sonstigen Mitbestimmungsfällen, in denen der Personalrat sich auf alle sachlichen Gesichtspunkte berufen kann, die einen inhaltlichen Bezug zum Mitbestimmungstatbestand aufweisen, ist der Personalrat in den Fällen des § 75 Abs. 1 BPersVG auf die Geltendmachung der in § 77 Abs. 2 BPersVG aufgeführten Gründe beschränkt. Andererseits sind diese sehr weit gefasst. Rechtsverstöße, insbesondere Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sind bei keiner in Betracht zu ziehenden personellen Maßnahme undenkbar. Die Möglichkeit des Vorliegens dieses Zustimmungsverweigerungsgrundes erlaubt deshalb nicht den Rückschluss, dass eine der Ersteinstellung gleichzustellende Einstellungsmaßnahme vorliegt und damit eine neue, der Mitbestimmung bedürftige Konstellation eingetreten ist. Eine andere Auffassung ließe sich mit der Konzeption des Gesetzgebers, die Mitbestimmung auch im personellen Bereich an konkrete Tatbestände zu knüpfen, nicht vereinbaren.

4. Mit der hier vertretenen Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat im Beschluss vom 28. April 1998 - 1 ABR 63/97 - (AP Nr. 22 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung) eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S.v. § 99 BetrVG für Fälle angenommen, in denen Arbeitnehmer während ihres Erziehungsurlaubes aufgrund einer nachträglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vorübergehend mit verringerter Stundenzahl eine Aushilfstätigkeit auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz übernehmen. Hier kann wegen der vorzeitigen planwidrigen Rückkehr der Arbeitnehmerin von einer erneuten Eingliederung gesprochen werden. Insoweit bleibt der Zusammenhang zum Tatbestandsmerkmal "Einstellung" ebenso bestehen wie in den oben genannten vom Senat entschiedenen Fällen. Hingegen hat das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluss vom 28. April 1998 ausdrücklich offen gelassen, ob die zeitlich eingeschränkte Weiterbeschäftigung dann mitbestimmungsfrei ist, wenn sie unmittelbar mit dem Erziehungsurlaub beginnt. Es hat jedoch hinzugefügt, dieser Vorgang berühre die Interessen der Belegschaft nicht in gleicher Weise wie eine spätere Verteilung bereits frei gewordenen Arbeitsvolumens bzw. die Änderung einer bereits erfolgten Verteilung, so dass beide Fallgestaltungen betriebsverfassungsrechtlich nicht zwingend gleich bewertet werden müssten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der hier vorliegende Fall, in welchem ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis bei reduzierter Arbeitszeit nach dem Modell des Altersteilzeitgesetzes fortsetzt, vom Bundesarbeitsgericht bereits im entgegengesetzten Sinne entschieden wäre. Im Übrigen spielt entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung der Beschäftigten der Dienststelle mit dem frei gewordenen Arbeitsvolumen hier auch deshalb keine Rolle, weil die Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit nach § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 2 Nr. 2 des vom Beteiligten im Anlassfall zugrunde gelegten Altersteilzeitgesetzes voraussetzt, dass die Reduzierung der Arbeitszeit eines älteren Arbeitnehmers die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglicht. Dies ist die eigentliche durch die Altersteilzeit ausgelöste Veränderung in der Dienststelle, die ihrerseits zweifelsfrei der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliegt.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 BRAGO.

Ende der Entscheidung

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