Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.05.1999
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 2.98
Rechtsgebiete: BPersVG, Einigungsvertrag


Vorschriften:

BPersVG § 108 Abs. 1
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 (Absatz 5 Nr. 2 EV)
Leitsätze:

1. Zur Antragstellung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG berechtigt ist der Leiter derjenigen Dienststelle, die für das Aussprechen der außerordentlichen Kündigung zuständig ist.

2. Hat der Arbeitnehmer auf einem Personalfragebogen Angaben über eine frühere Mitarbeit für das MfS gemacht, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, so darf der Dienstherr damit in der Regel nicht bis zum Eingang eines angeforderten Berichts des Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen warten. Er darf allerdings auch nach Eingang des Berichts des Bundesbeauftragten eine außerordentliche Kündigung noch unter Berücksichtigung der früheren Angaben des Arbeitnehmers aussprechen, wenn sich aus dem Bericht neue Umstände ergeben, welche die persönliche Belastung des Arbeitnehmers insgesamt in einem anderen Licht erscheinen lassen.

3. Das Festhalten am Arbeitsverhältnis ist nicht deswegen zumutbar im Sinne von Abs. 5 Nr. 2 EV, weil der Dienstherr davon abgesehen hat, den Arbeitnehmer während der Dauer des gerichtlichen Verfahrens nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG vom Dienst zu suspendieren.

Beschluß des 6. Senats vom 3. Mai 1999 - BVerwG 6 P 2.98

I. VG Potsdam vom 13.12.1995 - Az.: VG 11 K 248/95.PVL - II. OVG Frankfurt/Oder vom 30.10.1997 - Az.: OVG 6 A 42/96.PVL -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 P 2.98 OVG 6 A 42/96.PVL

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 3. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Niehues und die Richter Albers, Dr. Henkel, die Richterin Eckertz-Höfer und den Richter Büge

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 1 wird der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen - vom 30. Oktober 1997 aufgehoben.

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Potsdam - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 13. Dezember 1995 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Verfahrensbeteiligten streiten um eine Ersetzung der vom Personalrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Personalratsmitgliedes.

Der am ... geborene Beteiligte zu 2 leistete vom 1. September 1980 bis 31. August 1983 Wehrdienst bei den Grenztruppen der DDR. Vom 1. September 1983 bis zu seinem Ausscheiden im Rang eines Oberleutnants am 28. Dezember 1989 war er als hauptamtlicher Mitarbeiter der Kreisdienststelle S. des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) tätig. Vom 1. September 1983 bis 28. Oktober 1987 absolvierte er an der Juristischen Fachschule P. ein Fernstudium zum Fachschuljuristen. Am 1. Januar 1990 nahm er eine Tätigkeit als Justizsekretär beim Kreisgericht S. auf, wo er nach der Vereinigung weiterbeschäftigt wurde. Zur Zeit ist er beim Amtsgericht S. Rechtspfleger im Angestelltenverhältnis. Er ist Mitglied des Beteiligten zu 1.

Am 12. Februar 1991 machte der Beteiligte zu 2 auf einem Personalfragebogen u.a. Angaben zu Dauer und Art seiner hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS. Mit Schreiben vom 30. November 1992 bat der Antragsteller zu 1 den Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (BStU) um Auskunft über den Beteiligten zu 2. Diesem teilte er zugleich mit, daß die Entscheidung über seine Weiterbeschäftigung nach Eingang der Auskunft erfolgen werde. Mit Einzelbericht vom 27. Juli 1994 teilte der BStU mit, daß der Beteiligte zu 2 in der Zeit vom 22. November 1979 bis zu seiner Übernahme als hauptamtlicher Mitarbeiter zum 1. September 1983 als inoffizieller Mitarbeiter für das MfS tätig gewesen sei. Der Bericht, dem insgesamt 23 Anlagen beigefügt waren, enthielt Einzelheiten über Art und Umfang der IM-Tätigkeit. Nachdem der Antragsteller zu 1 am 21. September 1994 den Beteiligten zu 2 angehört und dieser den Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 31. Dezember 1994 abgelehnt hatte, teilte der Antragsteller zu 1 unter dem 26. Oktober 1994 dem Hauptpersonalrat mit, er beabsichtige die außerordentliche fristlose Kündigung des Beteiligten zu 2 wegen dessen informeller und hauptamtlicher Mitarbeit für das MfS. Der Hauptpersonalrat widersprach am 10. November 1994 der beabsichtigten Kündigung und wies bei der Erörterung der Angelegenheit am 23. November 1994 darauf hin, daß der Beteiligte zu 2 Mitglied des Beteiligten zu 1 sei. Den daraufhin am 25. November 1994 gestellten Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung lehnte der Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 1. Dezember 1994 ab. Dem am 14. Dezember 1994 eingegangenen Antrag des Antragstellers zu 1, die Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 zu ersetzen, hat das Verwaltungsgericht entsprochen.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluß des Verwaltungsgerichts geändert, den Antrag des Antragstellers zu 1 abgelehnt und im übrigen die Beschwerde der Beteiligten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Ersetzung der Zustimmung auf den Antrag des Antragstellers zu 2 erfolgt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller zu 1 sei nicht zur Antragstellung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG befugt. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Personalrats sei vom Leiter derjenigen Dienststelle zu stellen, bei der die Personalvertretung gebildet sei, der der zu kündigende Beschäftigte angehöre. Der Antrag des Antragstellers zu 2 sei dagegen im Wege der Antragsänderung zulässig und begründet. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Antragsteller zu 1 erst die aus dem Bericht des BStU gewonnenen Kenntnisse über den wirklichen Umfang der Mitarbeit des Beteiligten zu 2 für das MfS zum Anlaß genommen habe, vom Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen. Die Angaben des Beteiligten zu 2 über die Art seiner hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS und der Bericht des BStU über Inhalt und Ausmaß der inoffiziellen Mitarbeit vermittelten zusammengenommen das Bild eines dem System der Staatssicherheit bedenkenlos ergebenen Mitarbeiters, der alles berichtet habe, was das MfS von ihm habe wissen wollen. Den Beteiligten zu 2 könne nicht entlasten, daß er bei Eingehung der Verpflichtung, für das MfS zu arbeiten, erst 18 Jahre alt gewesen sei. Denn er habe zu keinem Zeitpunkt den Versuch gemacht, seine Mitarbeit für das MfS aufzugeben, sondern sei vielmehr nahtlos in dessen hauptamtlichen Dienst gewechselt. Dem Kündigungsrecht stehe nicht entgegen, daß der Arbeitgeber den Beteiligten zu 2 nach Eingang des Berichts des BStU nicht mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert habe. Die Einleitung des Kündigungsverfahrens habe der Antragsteller zu 1 nicht unangemessen verzögert.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Sie ist sowohl vom Antragsteller zu 1 als auch von den Beteiligten eingelegt worden.

Der Antragsteller zu 1 trägt zur Begründung vor: Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei er zur Antragstellung berechtigt, da er Dienststellenleiter im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG sei. Die Antragstellung für die Zustimmungsersetzung wachse als Annexkompetenz der Sachkompetenz für die auszusprechende Kündigung zu. Für den Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses, nämlich willkürliche Entscheidungen des Arbeitgebers gegenüber mißliebigen Personalratsmitgliedern zu verhindern, komme es nicht auf eine besondere personalvertretungsrechtliche Beziehung zum Leiter gerade der Dienststelle an, bei der der Personalrat bestehe, dem der zu kündigende Beschäftigte angehöre.

Der Antragsteller zu 1 beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 1 zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2 auf seinen, des Antragstellers zu 1, Antrag auszusprechen.

Die Beteiligten beantragen sinngemäß,

1. die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 1 zurückzuweisen,

2. unter Aufhebung des zweitinstanzlichen und Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Ersetzungsantrag in vollem Umfang abzulehnen.

Zur Begründung führen sie aus: Zutreffend habe das Oberverwaltungsgericht entschieden, daß der Antragsteller zu 1 nicht zur Antragstellung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG berechtigt sei. Dagegen sei die im angefochtenen Beschluß erfolgte Antragsänderung unzulässig. Im übrigen sei die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 2 zumutbar. Denn er habe seit der Vereinigung die Tätigkeit für den öffentlichen Arbeitgeber beanstandungsfrei ausgeführt. Die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung werde ferner daraus ersichtlich, daß der Antragsteller zu 1 davon abgesehen habe, den Beteiligten zu 2 vom Dienst zu suspendieren. Das Oberverwaltungsgericht habe die persönlichen Umstände nicht berücksichtigt, die zur informellen Mitarbeit geführt hätten. Es hätte aufklären müssen, daß der Beteiligte zu 2 im Alter von 17 bzw. 18 Jahren unter Anwendung von Druckmitteln zur informellen Mitarbeit genötigt worden sei.

Der Antragsteller zu 2 beantragt,

die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zurückzuweisen.

Er verteidigt insoweit den angefochtenen Beschluß.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren und weist auf die Rechtsprechung des Senats zur Nichtanwendung des § 626 BGB im Rahmen des Sonderkündigungstatbestands nach dem Einigungsvertrag hin.

II. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu 1 hat Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hätte die Beschwerde der Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluß zurückweisen müssen. Hingegen bleibt die Rechtsbeschwerde der Beteiligten ohne Erfolg.

1. Das Verfahren ist nicht deswegen in der Hauptsache erledigt, weil der Beteiligte zu 2 im Mai 1998 - während der Dauer des Rechtsbeschwerdeverfahrens - zugleich mit seiner Wiederwahl in den örtlichen Personalrat - den Beteiligten zu 1 - zum Mitglied des Hauptpersonalrats gewählt worden ist. Damit steht zwar fest, daß die verwaltungsgerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 1 den Antragsteller zu 1 noch nicht zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung berechtigt, weil es nunmehr zusätzlich auch der Zustimmung des Hauptpersonalrats bedarf (Beschluß vom 8. Dezember 1986 - BVerwG 6 P 20.84 - Buchholz 238.35 § 58 b HePersVG Nr. 1 S. 2). Das Rechtsschutzbedürfnis für den im vorliegenden Verfahren verfolgten Ersetzungsantrag ist damit aber noch nicht entfallen. Denn die erstrebte Klärung der Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 2 gegeben sind, ist für den Antragsteller zu 1 auch mit Blick auf die - gegebenenfalls noch einzuholende - Zustimmung des Hauptpersonalrats weiterhin von Interesse. Werden jene Voraussetzungen vom Senat verneint, so erübrigt sich eine Befassung des Hauptpersonalrats mit der dann erledigten Angelegenheit. Bejaht der Senat dagegen die Voraussetzung für die außerordentliche Kündigung, so kann der Antragsteller zu 1 erwarten, daß der Hauptpersonalrat seine Entscheidung über die Zustimmung nicht ohne Rücksicht auf die vom Senat zugrunde gelegten Maßstäbe trifft.

2. Indem der angefochtene Beschluß die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 verneint, beruht er auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 95 Abs. 2 des PersVG für das Land Brandenburg - BraPersVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 1993, GVBl I S. 358 i.V.m. § 93 Abs. 1 ArbGG). Das Oberverwaltungsgericht hat den Begriff des Dienststellenleiters in § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG verkannt. Zur Antragstellung nach dieser Vorschrift berechtigt ist allein der Leiter derjenigen Dienststelle, der zum Aussprechen der außerordentlichen Kündigung nach Maßgabe des Organisationsrechts zuständig ist.

a) Dies folgt bereits aus Wortlaut und Sinnzusammenhang der Vorschrift. § 108 Abs. 1 BPersVG legt fest, wie zu verfahren ist, wenn einem Arbeitnehmer mit personalvertretungsrechtlichen Funktionen außerordentlich gekündigt werden soll. Das dort normierte Zustimmungs- und Ersetzungsverfahren wird dadurch eingeleitet, daß der Dienststellenleiter einen Kündigungsentschluß faßt (vgl. Lorenzen/Etzel, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 47 Rn. 32). Dies kann aber nur der Leiter derjenigen Dienststelle tun, welcher die Kompetenz dafür zukommt, die fragliche Kündigung auszusprechen. Leiter anderer Dienststellen - auch derjenigen, welcher der betroffene Arbeitnehmer angehört - können allenfalls Kündigungsempfehlungen aussprechen, und zwar an die Adresse des Leiters der für die Kündigung zuständigen Dienststelle. Allein die Maßnahme der außerordentlichen Kündigung bedarf der Zustimmung des Personalrates (§ 108 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) bzw. der diese ersetzenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Der Leiter der dafür zuständigen Dienststelle ist daher der richtige Adressat der durch den Personalrat erteilten bzw. durch das Verwaltungsgericht ersetzten Zustimmung. Nur dieses Auslegungsergebnis trägt der Systematik der Personalvertretungsgesetze Rechnung, daß sich nämlich eine Beteiligung in personellen Angelegenheiten stets auf die beabsichtigte Maßnahme bezieht (vgl. § 61 Abs. 1, § 62 Abs. 1 und die Überschrift zu § 63 Abs. 1, § 67 Abs. 1 BraPersVG bzw. § 69 Abs. 1, § 70 Abs. 1, § 72 Abs. 1 BPersVG).

b) Dagegen spricht nicht, daß die zuständige Personalvertretung im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 BPersVG diejenige ist, welcher der von der beabsichtigten Kündigung betroffene Arbeitnehmer angehört (Beschluß vom 9. Juli 1980 - BVerwG 6 P 43.79 - Buchholz 238.3 A § 108 BPersVG Nr. 1; Beschluß vom 30. April 1998 - BVerwG 6 P 5.97 - Buchholz 251.51 § 40 MVPersVG Nr. 1 S. 9). Diese spezielle Zuständigkeitsregelung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, wonach in den Fällen, in denen die den Arbeitnehmer beschäftigende Dienststelle nicht zur Entscheidung befugt ist, die bei der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen ist (§ 82 Abs. 1 BPersVG bzw. § 75 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BraPersVG). Ihre innere Berechtigung findet die Sonderregelung darin, daß § 108 Abs. 1 BPersVG nicht nur dem individuellen Interesse des betroffenen Arbeitnehmers dient, sondern auch die ungestörte Amtsausübung der Personalvertretung sicherstellen soll (Beschluß vom 30. April 1998 a.a.O.). Die Beteiligung derjenigen Personalvertretung, welcher der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer angehört, erscheint deswegen besonders zielgenau, weil gerade von dieser Personalvertretung erwartet werden kann, daß sie sich für die berechtigten Belange des Arbeitnehmers mit besonderem Nachdruck einsetzen wird. Dieser Gedanke gebietet es andererseits nicht, die Antragsbefugnis nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG von der Ebene der zuständigen auf diejenige der unzuständigen Dienststelle zu verlagern. Zwar mag die Kommunikation in den Fällen, in denen die für die außerordentliche Kündigung zuständige Dienststelle und der zuständige Personalrat nicht derselben Stufe angehören, etwa unter räumlichen Aspekten weniger leicht fallen als im normalen Mitbestimmungsfall, in welchem die Dienststelle und der bei ihr gebildete Personalrat zusammenwirken. Dieser Nachteil sollte indes im Zeitalter moderner Kommunikationstechniken nicht überbewertet werden. Er wird im übrigen durch den Vorteil, daß der zuständige Personalrat mit dem für die Kündigung zuständigen Dienststellenleiter direkt - und nicht erst auf dem Umweg über den Leiter der "eigenen" Dienststelle - verhandelt, ausgeglichen. Dabei versteht sich, daß der für die Kündigung zuständige Dienststellenleiter den nach § 108 Abs. 1 Satz 1 zuständigen Personalrat über alle kündigungserheblichen Gesichtspunkte umfassend unterrichtet (vgl. Lorenzen/Etzel a.a.O. Rn. 33 ff.).

c) Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, in den Fällen des § 108 Abs. 1 BPersVG gehe es um den Konflikt zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat seiner Dienststelle, vermag der Senat nicht zu teilen. Denn tatsächlich besteht der Konflikt zwischen dem Dienststellenleiter, der die Kündigung aussprechen will und dazu die Kompetenz hat, und dem Personalrat, dem der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer angehört. Zwischen diesen beiden besteht die durch § 108 Abs. 1 BPersVG begründete personalvertretungsrechtliche Beziehung. Bleibt das dort vorgesehene Zustimmungsverfahren erfolglos, weil der Personalrat die Zustimmung verweigert und der Dienststellenleiter an seiner Kündigungsabsicht festhält, so setzt sich jene personalvertretungsrechtliche Beziehung im anschließenden gerichtlichen Verfahren nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG fort.

3. Eine Rechtsverletzung im Sinne von § 93 Abs. 1 ArbGG liegt dagegen nicht vor, soweit das Oberverwaltungsgericht in der Sache selbst angenommen hat, daß in der Person des Beteiligten zu 2 die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Nr. 2 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl II S. 889 (im weiteren: Abs. 5 Nr. 2 EV), gegeben sind.

a) § 108 Abs. 1 BPersVG findet auch auf solche Kündigungen Anwendung, die der öffentliche Arbeitgeber gemäß Abs. 5 Nr. 2 EV auszusprechen beabsichtigt (Beschluß vom 30. April 1998 - BVerwG 6 P 5.97 - Buchholz 251.51 § 40 MVPersVG Nr. 1 S. 4).

b) Der Ersetzungsantrag des Antragstellers zu 1 nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ist nicht wegen mangelhafter Unterrichtung des Beteiligten zu 1 im Verfahren nach § 108 Abs. 1 Satz 1 BPersVG unzulässig. Wie den Feststellungen im angefochtenen Beschluß zu entnehmen ist und von den Beteiligten in Abschnitt III ihres Schriftsatzes vom 2. Juni 1998 bestätigt wird, hat der Antragsteller zu 1 den Beteiligten zu 1 über den hier in Rede stehenden Kündigungsfall unter inhaltlicher Wiedergabe des Einzelberichts des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen unterrichtet. Dies reicht jedenfalls für die Zulässigkeit des hier zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Ersetzungsantrages nach aus Sachgründen verweigerter Zustimmung aus (vgl. in diesem Zusammenhang BAG, Urteil vom 19. Februar 1998 - 8 AZR 515/96 -). Die vom Antragsteller zu 1 im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Beiakten mit dem Einzelbericht des Bundesbeauftragten konnten die Beteiligten über ihre Prozeßbevollmächtigten einsehen (§ 46 Abs. 2 Satz 1, § 80 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 299 Abs. 1 ZPO).

c) Abs. 5 EV regelt für die darin aufgeführten Kündigungsgründe die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung im öffentlichen Dienst gegenüber § 626 BGB eingeständig und abschließend (Beschluß vom 28. Januar 1998 - BVerwG 6 P 2.97 - BVerwGE 106, 153, 157 f.; Beschluß vom 30. April 1998 a.a.O. S. 5 ff.).

d) Für das außerordentliche Kündigungsrecht nach Abs. 5 Nr. 2 EV ist zunächst erforderlich, daß der Arbeitnehmer für das MfS tätig war. Die Vorschrift verlangt eine bewußte, finale Mitarbeit, was sowohl bei hauptamtlichen als auch bei inoffiziellen Mitarbeitern der Staatssicherheit gegeben sein kann (Beschluß vom 28. Januar 1998 a.a.O. S. 158 f.). Den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist zu entnehmen, daß der Beteiligte zu 2 bewußt und gewollt zunächst vom 22. November 1979 an als inoffizieller Mitarbeiter und sodann ab 1. September 1983 bis 28. Dezember 1989 als hauptamtlicher Mitarbeiter für das MfS tätig gewesen ist.

e) Nach Abs. 5 Nr. 2 EV führt die Tätigkeit für das MfS nicht automatisch zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr ist zusätzlich zu prüfen, ob wegen jener Tätigkeit ("deshalb") ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Die Vorschrift verlangt somit eine einzelfallbezogene Würdigung, bei der neben der konkreten Belastung für den Arbeitgeber auch das Maß der Verstrickung des Betroffenen zu berücksichtigen ist (Beschluß vom 28. Januar 1998 a.a.O. S. 159 m.w.N.).

aa) Der Grad der Belastung wird bei einem hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit durch seine Stellung sowie die Dauer seiner Tätigkeit bestimmt (BAG, Urteil vom 11. Juni 1992 - 8 AZR 474/91 - BAGE 70, 309, 319; Urteil vom 11. Juni 1992 - 8 AZR 537/91 - BAGE 70, 323, 329; Urteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 157/93 - BAGE 76, 334, 339). Der Beteiligte zu 2 ist nach über sechsjähriger hauptamtlicher Tätigkeit für das MfS Ende 1989 im Rang eines Oberleutnants ausgeschieden. Durch seinen Einsatz gegen "negative, kriminelle Jugendliche", bei der Erfassung von Ausreiseanträgen und Übersiedlungswilligen sowie bei der Überprüfung von Reisekadern, Nachwuchskadern für das MfS, Wehrpflichtigen für die Grenztruppen und zukünftigen Seeleuten hat er im Sinne des in der DDR herrschenden Regimes zur Überwachung der Bevölkerung beigetragen. Dabei ging es einerseits um den Kampf gegen aus der Sicht des Regimes politisch nicht angepaßte Bevölkerungsgruppen und andererseits um das Ausspionieren des persönlichen Umfeldes von dem Regime zu besonderer Loyalität verpflichteten Funktionsträgern. Überdies war der Beteiligte zu 2 fast während seiner gesamten hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS "IM-führender Mitarbeiter" und damit professionell an jenem informellen Spitzelsystem beteiligt, mit welchem das MfS im Auftrag der SED die DDR-Bevölkerung überzogen hatte. Es kann daher keinen Zweifeln unterliegen, daß der Beteiligte zu 2 wegen seiner hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS schwer belastet ist (vgl. zur Bewertung hauptamtlicher Tätigkeit für das MfS: BAG, Urteil vom 11. Juni 1992 - 8 AZR 474/91 - a.a.O. S. 321 f.).

bb) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zumutbar ist, ist auch die von ihm jetzt wahrgenommene Stellung oder Funktion in den Blick zu nehmen. Je höher deren Bedeutung ist, desto weniger kann dem Arbeitgeber die weitere Beschäftigung eines Mitarbeiters des MfS zugemutet werden. Die Beschäftigung eines belasteten Arbeitnehmers mit rein vollziehender Sachbearbeitertätigkeit oder handwerklicher Tätigkeit wird das Vertrauen in die Verwaltung bzw. die Gerichtsbarkeit weniger beeinträchtigen als die Ausübung von Entscheidungs- und Schlüsselfunktionen durch einen ebenso belasteten Arbeitnehmer (Beschluß vom 28. Januar 1998 a.a.O. S. 163 f.). Mit der Tätigkeit eines Rechtspflegers nimmt der Beteiligte zu 2 Entscheidungsfunktionen wahr. Dem Rechtspfleger sind vom Gesetz Aufgaben der Rechtspflege übertragen (§ 1 RPflG). Seine Qualifikation entspricht derjenigen für den gehobenen Dienst (§ 2 RPflG). Die ihm übertragenen Geschäfte sind in vielfacher Hinsicht solche, die sonst vom Richter wahrzunehmen wären (§ 3 Nrn. 1 und 2 RPflG). Auch im übrigen kommt der Tätigkeit des Rechtspflegers durchweg Entscheidungscharakter zu (vgl. § 3 Nrn. 3 und 4, §§ 20 ff., 29 ff. RPflG). Im Interesse der Recht suchenden Bevölkerung ist der Beteiligte zu 2 aufgrund seiner schweren Belastung aus seiner hauptamtlichen Tätigkeit für das MfS als Rechtspfleger untragbar.

cc) Der Frage, ob die frühere Tätigkeit ein Festhalten am jetzigen Arbeitsverhältnis unzumutbar macht, wohnt auch ein zeitliches Moment inne. Der Arbeitgeber kann die Kündigung nicht zeitlich unbegrenzt aussprechen. Mit Rücksicht auf den in § 626 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken, den Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens und Art. 12 Abs. 1 GG kann der wichtige Grund nach Abs. 5 Nr. 2 EV durch bloßen Zeitablauf entfallen, ohne daß die weitergehenden Voraussetzungen der allgemeinen Verwirkung erfüllt sein müßten (BAG, Urteil vom 28. April 1994 a.a.O. S. 340 f.). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht allein wegen der hauptberuflichen Tätigkeit des Beteiligten zu 2 für das MfS unzumutbar war. Denn darüber hatte dieser bereits im Februar 1991 im Personalfragebogen vollständig berichtet. Wäre allein die hauptamtliche Tätigkeit für das MfS als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung in Betracht gekommen, so hätte der Antragsteller zu 1 seinen Kündigungsentschluß nicht erst im Oktober 1994 fassen dürfen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Bericht des BStU habe erst Ende Juli 1994 vorgelegen. Der öffentliche Arbeitgeber darf nämlich nicht generell jeweils vor Ausspruch einer Kündigung die Auskunft des Bundesbeauftragten abwarten. Der Sinn und Zweck einer allgemeinen Befragung durch Fragebogen ging gerade dahin, bereits aufgrund der Angaben des Arbeitnehmers über eine frühere Tätigkeit für das MfS hinreichende Sicherheit über den Ausspruch einer Kündigung zu erlangen, um eine rasche Erneuerung des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Ergibt sich also schon aus den Angaben des Bediensteten auf dem Fragebogen ein außerordentlicher Kündigungsgrund, so darf der Arbeitgeber in der Regel nicht die Auskunft des BStU abwarten, bevor er die Kündigung ausspricht. Dem Fragebogen käme sonst nur die Funktion zu, gegebenenfalls einen zusätzlichen Kündigungsgrund wegen Unehrlichkeit zu erhalten (BAG, Urteil vom 26. Juni 1997 - 8 AZR 449/96 -).

dd) Allerdings ist der öffentliche Arbeitgeber nicht gehindert, auch zu einem späterem Zeitpunkt und gerade im Zusammenhang mit einer Auskunft des BStU außerordentlich zu kündigen, wenn die persönliche Belastung des Arbeitnehmers durch neu bekanntgewordene Umstände in einem anderen Licht erscheint (BAG, Urteil vom 11. September 1997 - 8 AZR 14/96 -). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Über die im Personalfragebogen am 12. Februar 1991 erteilte Selbstauskunft des Beteiligten zu 2 hinaus hat der Bericht des BStU vom 27. Juli 1994 ergeben, daß jener vor der hauptamtlichen Anstellung durch das MfS für dieses bereits als inoffizieller Mitarbeiter tätig gewesen ist. Art, Umfang, Intensität und Dauer dieser informellen Tätigkeit sind nicht derart belanglos, daß sie hinter der vom Beteiligten zu 2 von vornherein eingeräumten hauptamtlichen Tätigkeit vollständig zurücktrete.

(1) Die Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter erstreckte sich vom November 1979 bis September 1983. Dieser Zeitraum von fast vier Jahren macht einen erheblichen Anteil der insgesamt rund zehnjährigen "Stasi-Biographie" des Beteiligten zu 2 aus.

(2) Umfang und Intensität der Aktivitäten des Beteiligten zu 2 in jenem Zeitraum sind ausweislich der über ihn vorhandenen Stasiunterlagen beachtlich: 39 Treffberichte der Führungsoffiziere nach seinen Angaben, 6 Berichte der Führungsoffiziere nach seinen Informationen, 43 mit Decknamen unterzeichnete handschriftliche Berichte, 7 Tonbandabschriften.

(3) Thematisch behandeln die Berichte: Einstellung der Mitschüler an der erweiterten Oberschule S. zur politischen Lage in Afghanistan, Kontakte der Mitschüler zu kirchlichen Gruppen, private Zusammenkünfte christlicher Familien, Gespräche von Offiziersschülern mit abfälligen Bemerkungen über die Qualität der Ausbildung, Alkoholexzesse der Kameraden, kirchliche Veranstaltungen (davon eine Lesung von Stefan Heym), Verhalten von Teilnehmern einer Reisegruppe bei den olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau. Die Aufzählung belegt, daß der Berichtsgegenstand aus der Sicht des Regimes in erheblichem Maße politisch brisant war. Die Ausspionierung des christlichen Milieus, auch soweit es einem regimekritischen, mit Veröffentlichungsverbot belegten Schriftsteller ein Forum bot, diente der Überwachung der Opposition, die Bespitzelung der übrigen Gruppen (Schüler, Offiziersschüler, Reisegruppen) sollte Personen mit mißliebigen politischen Ansichten, z.B. zu dem von der SED gerechtfertigten Einmarsch der Sowjetarmee nach Afghanistan, namhaft machen. Durch die beschriebene Art der Tätigkeit hat der Beteiligte zu 2 Personen gefährdet; jedenfalls hat er dies in Kauf genommen (vgl. zu diesem Maßstab bei der Bewertung der Tätigkeit eines inoffiziellen Mitarbeiters des MfS: Beschluß vom 28. Januar 1998 - BVerwG 6 P 2.97 - a.a.O. S. 159). Anhaltspunkte dafür, daß der Beteiligte zu 2 bestrebt gewesen wäre, die Opfer seiner Spitzeltätigkeit zu schonen, bestehen nicht. Im Gegenteil entspricht es seiner eigenen Einschätzung anläßlich seiner Anhörung vom 21. September 1994, daß er objektiv alles an das MfS berichtet hat, was dies von ihm hat wissen wollen.

(4) Den Beteiligten zu 2 entlastet nicht entscheidend, daß er bei Abgabe der Verpflichtungserklärung gegenüber des MfS erst 18 Jahre alt war und die Aufnahme der informellen Mitarbeit der Wiedergutmachung seiner Schuld an einem Vorkommnis diente, welches er bei seiner Anhörung durch den Antragsteller zu 1 am 21. September 1994 im Detail beschrieben hat. Denn ihm hat, wie er sich selbst eingelassen hat, diese Mitarbeit "letztlich keine Probleme bereitet". Daß er seine Aufgaben als inoffizieller Mitarbeiter zur vollen Zufriedenheit seines Auftraggebers erfüllt haben muß, wird an seiner Übernahme als hauptamtlicher Mitarbeiter deutlich. Dies war die "Belohnung" für eine aus der Sicht des MfS effiziente und erfolgreiche Spitzeltätigkeit.

ee) Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht bei der Bewertung des Grades der Verstrickung sowohl die hauptamtliche wie die inoffizielle Mitarbeit des Beteiligten zu 2 für das MfS berücksichtigt. Namentlich mußte die hauptamtliche Tätigkeit nicht deswegen "ausgeblendet" werden, weil der Beteiligte zu 2 darüber vollständig auf dem Personalfragebogen berichtet hatte. Eine solche "Teillösung" verbietet sich jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die inoffizielle Tätigkeit als solche Gewicht hat und zugleich als "Vorlauf" der hauptamtlichen Tätigkeit Teilelement einer einheitlichen "Stasi-Biographie" ist. Gibt ein Arbeitnehmer mit einer derartigen Biographie nur die hauptamtliche Tätigkeit an, so verschweigt er einen wesentlichen Teil eines einheitlichen Lebenssachverhalts. Er kann dann nicht verlangen, daß der Arbeitgeber am Arbeitsverhältnis festhält, wenn er nach vollständiger Offenbarung der hauptamtlichen Tätigkeit nicht sofort gekündigt, sondern die Auskunft des BStU abgewartet hat.

Der Beteiligte zu 2 kann nicht erwarten, bezüglich der hauptamtlichen Tätigkeit so behandelt zu werden wie ein gleichfalls belasteter Arbeitnehmer, der auf dem Personalfragebogen vollständig und wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Beide Fälle sind wesensverschieden. Wer sich dem öffentlichen Arbeitgeber gegenüber vollständig offenbart, dessen Weiterbeschäftigung ist nicht nur wegen widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers gerechtfertigt, wenn dieser die Angaben nicht zum Anlaß alsbaldiger Kündigung nimmt. Der innere Grund für jene begünstigende Rechtsfolge kann auch daran erblickt werden, daß die Bereitschaft des betroffenen Arbeitnehmers, das volle Ausmaß seiner Belastung einzuräumen, einen deutlichen Bruch mit der MfS-Vergangenheit zu erkennen gibt (vgl. BAG, Urteil vom 11. September 1997 - 8 AZR 14/96 -). Ein Arbeitnehmer dagegen, der über seine MfS-Verstrickung falsch, unvollständig oder ungenau informiert, belastet auch sein neues Arbeitsverhältnis mit einer Pflichtwidrigkeit. Er ist nicht schutzwürdig.

ff) Das für die Auslegung des Abs. 5 Nr. 2 EV maßgebliche Erscheinungsbild der Verwaltung wird mitgeprägt von der Zeitdauer, in der der frühere MfS-Mitarbeiter nach der Wiedervereinigung unbeanstandet tätig war (Beschluß vom 28. Januar 1998 - BVerwG 6 P 2.97 - a.a.O. S. 166). Ein dienstlich einwandfreies Verhalten kann dem Beteiligten zu 2 frühestens ab Eingang des Berichts des BStU vom 27. Juli 1994 zugute kommen. Der von da an bis zur Beschwerdeentscheidung vom 30. Oktober 1997 zugunsten des Beteiligten zu 2 maximal in Betracht zu ziehende Zeitraum reicht aber nicht aus, um trotz der festzustellenden erheblichen Belastung aus der MfS-Tätigkeit das Festhalten am Arbeitsverhältnis zumutbar erscheinen zu lassen.

Die unvollständige Beantwortung der Frage nach einer Tätigkeit für das MfS kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB darstellen. Sie begründet regelmäßig erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst (BAG, Urteil vom 19. März 1998 - 8 AZR 560/96 - m.w.N.). Auch wenn wie im vorliegenden Fall eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB nicht in Rede steht, so hindert ein Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Beantwortung des Fragebogens im Rahmen der Gesamtbewertung nach Abs. 5 Nr. 2 EV doch die Feststellung, der Arbeitnehmer sei nach der Wiedervereinigung beanstandungsfrei tätig gewesen (Beschluß vom 28. Januar 1998 - BVerwG 6 P 2.97 - a.a.O. S. 166 f., 170).

Der Beteiligte zu 2 hat am 12. Februar 1991 auf dem Personalfragebogen die Frage nach der Tätigkeit für das MfS unvollständig beantwortet. Er hat nämlich lediglich seine hauptamtliche Tätigkeit angegeben, obschon generell nach MfS-Tätigkeit gefragt wurde. Daß von der allgemein formulierten textlichen Fassung der Frage 18 im Personalfragebogen die informelle Tätigkeit für das MfS miterfaßt wurde, kann angesichts des Ausmaßes der Spitzeltätigkeit durch "IM", welches die öffentliche Diskussion damals wie heute bewegte, als selbstverständlich gelten. Die Einlassung des Beteiligten zu 2 bei seiner Anhörung vom 21. September 1994, ihm sei bei Ausfüllung des Personalfragebogens die IM-Tätigkeit nicht als wesentlich bewußt gewesen, zumal jeder hauptamtliche Mitarbeiter schon im Vorfeld seiner Einstellung Kontakt zum MfS gehabt habe, kann nicht akzeptiert werden. Für den schon damals rechtlich vorgebildeten und mit Rechtsangelegenheiten betrauten Beteiligten zu 2 konnte aus den genannten Gründen nicht zweifelhaft sein, daß sich die Fragestellung auch auf inoffizielle Mitarbeit für das MfS erstreckte. Angesichts der oben beschriebenen Dauer und Intensität seiner informellen Mitarbeit schied eine Bewertung als nicht mitteilungsbedürftige Belanglosigkeit offensichtlich aus. Im übrigen mußte der Beteiligte zu 2 die Bewertung und Gewichtung der verschiedenen Aspekte seiner Tätigkeit für das MfS seinem Dienstherrn überlassen, durfte also nicht im Wege der Selbstbeurteilung Umstände weglassen, nach denen ersichtlich gefragt wurde.

Die Pflichtwidrigkeit des Beteiligten zu 2 erschöpfte sich nicht in der unzureichenden Beantwortung des Fragebogens am 12. Februar 1991. Sie dauerte vielmehr bis zum Eingang des Einzelberichts des BStU an, da der Beteiligte zu 2 bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet blieb, den Dienstherrn über das volle Ausmaß seiner Tätigkeit für das MfS ins Bild zu setzen. Dies hat er pflichtwidrig unterlassen, obschon die Mitteilung des Antragstellers zu 1 vom 30. November 1992 über die Einholung einer Auskunft beim BStU Anlaß zu korrigierender Darstellung geboten hätte.

gg) Das Festhalten am Arbeitsverhältnis ist nicht deswegen zumutbar, weil der Antragsteller zu 1 davon abgesehen hat, den Beteiligten zu 2 während der Dauer des vorliegenden personalvertretungsrechtlichen Verfahrens vom Dienst zu suspendieren. In den Fällen des § 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ist die Kündigung des Arbeitnehmers erst zulässig, wenn die Zustimmung der zuständigen Personalvertretung durch unanfechtbare gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Während dieser Zeit ist der Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Der Arbeitgeber ist nur ausnahmsweise berechtigt, das betroffene Personalratsmitglied von der Arbeit zu suspendieren (vgl. Lorenzen/Etzel a.a.O. § 47 Rn. 105; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 8. Aufl. 1995, § 47 Rn. 25; Fischer/Goeres in: Fürst GKÖD V, K § 47 Rn. 34). Die Weiterbeschäftigung ist daher der rechtsstaatlich und mit Blick auf die Grundrechte des Arbeitnehmers gebotene Normalfall. Der Arbeitnehmer wird dadurch in zweifacher Hinsicht begünstigt: Er behält das Recht, im Beruf seiner Wahl tätig zu sein und dort für den weiteren beruflichen Werdegang wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Überdies wirkt sich in den Fällen des Sonderkündigungstatbestandes nach Abs. 5 Nr. 2 EV die Dauer des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens zugunsten des Arbeitnehmers aus, sofern dieser beanstandungsfrei seinen Dienst versieht. Angesichts dessen kann der bloße Umstand der Weiterbeschäftigung während des gerichtlichen Verfahrens nicht zu einem Rechtsnachteil des Dienstherrn im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach Abs. 5 Nr. 2 EV führen.

4. Die Verfahrensrügen der Beteiligten greifen nicht durch.

a) Das Oberverwaltungsgericht mußte die Umstände, unter denen der Beteiligte zu 2 durch das MfS zur Aufnahme der informellen Tätigkeit veranlaßt wurde, nicht weiter aufklären. Der Beteiligte zu 2 hat im Rahmen seiner Anhörung durch den Antragsteller zu 1 am 21. September 1994 jene Umstände selbst im Detail dargelegt. Daß diese ihn im Ergebnis nicht entscheidend entlasten können, wurde oben dargelegt.

b) Die in Abschnitt II des Schriftsatzes vom 2. Juni 1998 erhobene Aufklärungsrüge ist verspätet und daher unzulässig. Nach § 72 Abs. 5, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO muß die Rechtsbeschwerdebegründung, soweit ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, die Bezeichnung der Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben (Fischer/Goeres a.a.O. Anhang 17 zu K § 83 Rn. 25; Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 1995, § 74 Rn. 9, § 94 Rn. 7; Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 1995, § 74 Rn. 38, § 94 Rn. 16). Eine auf die Beiziehung der vollständigen Stasiunterlagen gerichtete Aufklärungsrüge haben die Beteiligten in ihrer rechtzeitig eingegangenen Rechtsbeschwerdebegründung vom 11. März 1998 nicht erhoben. Die erst nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist am 16. März 1998 im Schriftsatz vom 2. Juni 1998 geltend gemachte Rüge ist verspätet.

Dagegen kann nicht eingewandt werden, die Verpflichtung zur Beiziehung der vollständigen Stasiunterlagen sei den Beteiligten erst aufgrund des mit Anschreiben vom 14. Mai 1998 übersandten Senatsbeschlusses vom 28. Januar 1998 - BVerwG 6 P 2.97 - bekanntgeworden. Denn eine entsprechende Rüge hätte sich den Beteiligten auch ohne Kenntnis des zitierten Senatsbeschlusses innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist aufdrängen müssen. Wie sich aus jenem Beschluß ergibt, ist die grundsätzlich gebotene Beiziehung der vollständigen Stasiunterlagen kein Selbstzweck, sondern dient mit Rücksicht auf die involvierten Rechtsgüter der möglichst lückenlosen Erfassung von Tatsachen, die den Arbeitnehmer belasten und entlasten (a.a.O. S. 167 f.). Wenn die Beteiligten der Auffassung waren, daß der Einzelbericht (nebst Anlagen) des BStU ein zuungunsten des Beteiligten zu 2 verzerrtes Bild zeichnete, so hätte es nahegelegen, spätestens bis zum Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist die unvollständig gebliebene Aktenbeiziehung zu rügen.

Aber auch unabhängig von der Verspätung genügt die in Abschnitt II des Schriftsatzes vom 2. Juni 1998 erhobene Verfahrensrüge den formellen Anforderungen nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO nicht. Dazu gehört nämlich auch die Darlegung, wie sich der geltend gemachte Verfahrensfehler auf die Entscheidung ausgewirkt hat (BAG, Urteil vom 16. August 1990 - 8 AZR 220/88 - BAGE 65, 347, 349 f.; Fischer/Goeres a.a.O. Anhang 17 zu K § 83 Rn. 25; Grunsky a.a.O. § 74 Rn. 9; Germelmann/Matthes/Prütting a.a.O. § 74 Rn. 38). Auch im Schriftsatz vom 2. Juni 1998 wird indes nicht dargelegt, daß der Einzelbericht des BStU nebst Anlagen ein unzutreffendes Bild über die informelle Mitarbeit des Beteiligten zu 2 vermittelt und die Beiziehung der vollständigen Unterlagen deswegen eine Korrektur hätte erbringen können.

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 8 Abs. 2 Satz 2, § 10 Abs. 1 BRAGO.

Ende der Entscheidung

Zurück