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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.09.2001
Aktenzeichen: BVerwG 6 PB 9.01
Rechtsgebiete: BPersVG


Vorschriften:

BPersVG § 9
Die Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung kann auch dann unzumutbar im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG sein, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses eine durch den Haushaltsgesetzgeber veranlasste Stellenbesetzungssperre besteht, von der das Finanzministerium nur im Falle eines "unabweisbar vordringlichen Personalbedarfs" Ausnahmen zulassen kann.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 6 PB 9.01

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgericht am 13. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bardenhewer und die Richter Dr. Gerhardt und Büge

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt - Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen - vom 25. April 2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die hier allein geltend gemachte und statthafte Abweichungsrüge greift nicht durch (§ 78 Abs. 2 SAPersVG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2, § 92 a Satz 1 ArbGG). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts steht nicht im Widerspruch zu der in der Beschwerdebegründung zitierten Senatsrechtsprechung zu § 9 BPersVG, der gemäß § 107 Satz 2 BPersVG in den Ländern unmittelbar gilt.

1. Der angefochtene Beschluss weicht nicht vom Senatsbeschluss vom 2. November 1994 - BVerwG 6 P 39.93 - (BVerwGE 97, 68) ab.

a) Laut Seite 3 ihrer Beschwerdebegründung entnimmt die Beteiligte zu 1 dem angefochtenen Beschluss folgenden Rechtssatz:

"Eine in Vollzug globaler Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers zur Personaleinstellung verfügte Einstellungssperre steht auch dann dem Weiterbeschäftigungsverlangen eines Jugend- und Lehrlingsvertreters entgegen, wenn die Bedingung für diese Einstellungssperre - die noch fehlende Erfüllung der zu erbringenden Einsparrate - weggefallen ist, weil die Einsparrate bereits erbracht ist. Jedenfalls kommt es für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht darauf an, ob die Bedingung für die Einstellungssperre noch fortbesteht oder nicht."

Als Anknüpfungspunkt für einen etwaigen Widerspruch zur Senatsrechtsprechung eignet sich dieser Rechtssatz jedoch bereits deswegen nicht, weil die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts einen derartigen Rechtssatz in Wahrheit nicht enthalten. Die entscheidungserhebliche Passage in den Gründen des angefochtenen Beschlusses dazu, ob dem Antragsteller wegen Fehlens eines geeigneten und besetzbaren Arbeitsplatzes die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 nicht zuzumuten ist, gliedert sich - in sachlicher Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung - in zwei Teile: Das Oberverwaltungsgericht prüft zunächst, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses überhaupt eine von Haushaltsgesetzgeber veranlasste Besetzungssperre vorlag. Sodann prüft es in einem zweiten Schritt, ob administrativ zugelassene Ausnahmen die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 ermöglichen. Diejenigen Ausführungen im angefochtenen Beschluss (S. 7 letzter Absatz/S. 8 erster Absatz), welche die Beteiligte zu 1 im ersten Abschnitt ihrer Beschwerdebegründung angreift, beziehen sich auf den ersten Prüfungsschritt. Die entsprechenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts erklären sich daraus, dass der Haushaltsgesetzgeber hier die Besetzungssperre nicht selbst verhängt hatte; diese war vielmehr erst aus den von ihm vorgegebenen Einsparverpflichtungen herzuleiten. Folgerichtig prüft das Oberverwaltungsgericht, ob die Besetzungssperre der Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1 bei Ausbildungsende noch entgegenstand. Dies wäre nach Abschnitt II Nr. 1 d des Erlasses des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Januar 2000 - 21-04031/1-2000 (MBl LSA S. 172) - dann zu verneinen gewesen, wenn bereits sichergestellt gewesen wäre, dass die vorgesehenen Einsparraten erbracht würden. In einem solchen Fall wäre das Auflösungsbegehren des Antragstellers abzuweisen gewesen, ohne dass es noch auf die Frage einer Ausnahme von der Besetzungssperre angekommen wäre. Da das Oberverwaltungsgericht diese Frage jedoch geprüft und dabei ersichtlich als entscheidungserheblich betrachtet hat, muss es die zuvor im Rahmen des ersten Prüfungsschrittes behandelte Frage - Sicherstellung der ressortbezogenen Einsparquoten bereits zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Ausbildungsendes - verneint haben. So muss - und kann - die genannte Passage im angefochtenen Beschluss sinngemäß verstanden werden, auch wenn es an einer entsprechenden ausdrücklichen Feststellung fehlt. Ein damit verbundener etwaiger Mangel des angefochtenen Beschlusses würde keine Abweichung begründen, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen könnte.

b) Die in Abschnitt 2 der Beschwerdebegründung behauptete Abweichung von dem genannten Senatsbeschluss vom 2. November 1994 - BVerwG 6 P 39.93 - ist ebenfalls nicht gegeben.

Diesem Beschluss zufolge berührt es die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn sich der Haushaltsgesetzgeber auf globale Vorgaben zur Personaleinsparung in bestimmten Ressortbereichen beschränkt und die Entwicklung organisatorisch angemessener und insbesondere auch sozialverträglicher Kriterien der Verwaltung überlässt. Wenn ein in Vollzug derartiger Anweisungen des Haushaltsgesetzgebers verfügter genereller Einstellungsstopp Ausnahmen zulässt, müssen diese so eindeutig und klar gefasst sein, dass sich auch nur der Verdacht einer Benachteiligungsabsicht von vornherein, d.h. anhand objektiver Kriterien, ausschließen lässt (a.a.O. S. 78). Diese Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugrunde gelegt. Allerdings hat der Senat im Anschluss an seine Feststellung, dass Ausnahmen vom Einstellungsstopp eindeutig und klar gefasst sein müssen, ergänzend noch Folgendes ausgeführt:

"Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn es sich um wirkliche Ausnahmefälle handelt, die sachlich mit übergeordneten Gesichtspunkten begründet und in ihrem Wirkungsbereich eindeutig definiert worden sind, etwa durch verbindliche Pläne für die mit dem Personalabbau zu schaffenden Strukturen oder aber durch Eingrenzungen nach regionalen Gesichtspunkten und/oder nach Berufssparten."

Diese Ausführungen konkretisieren das zuvor formulierte Gebot der präzisen Abfassung von Ausnahmen, ohne es vollständig auszufüllen. Dies gilt namentlich für den letzten Halbsatz, in welchem Beispiele für die Definition von Ausnahmefällen bezeichnet werden. Eine gerichtliche Entscheidung zu § 9 BPersVG, in welcher nicht maßgeblich auf die ministerielle Abfassung jener beispielhaft angeführten Ausnahmetatbestände abgestellt wird, muss daher nicht notwendig im Widerspruch zum vorgenannten Senatsbeschluss stehen.

Im vorliegenden Fall hat es das Oberverwaltungsgericht genügen lassen, dass das Ministerium der Finanzen bei unabweisbar vordringlichem Personalbedarf Ausnahmen zulassen kann (Abschnitt II Nr. 1 Buchst. e des erwähnten Erlasses vom 12. Januar 2000); eine Konkretisierung dessen, was unter "unabweisbar vordringlichem Personalbedarf" zu verstehen ist, durch ministeriellen Erlass hat es nicht verlangt. Immerhin hat es aber unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 30. Oktober 1987 - BVerwG 6 P 25.85 - (BVerwGE 78, 223, 229) eine aufgabenbezogene Bedarfsermittlung für notwendig gehalten. Seine weiteren Ausführungen deuten darauf hin, dass es sich insofern zu einer vollen gerichtlichen Überprüfung zu Gunsten der Jugendvertreterin für befugt angesehen hat. Ein effektiver Rechtsschutz für Mitglieder von Jugendvertretungen im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren wäre damit erreichbar.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass das Merkmal "unabweisbar vordringlicher Personalbedarf" noch offen für Wertungen ist. Bereits nach seinem natürlichen Wortsinn, erst recht aber mit Blick auf die rigorose Einsparvorgabe des Haushaltsgesetzgebers ist es aber auf eine streng restriktive Einstellungspraxis angelegt. Insofern lässt dieses Merkmal für Ausnahmen geringere Spielräume als etwa Eingrenzungen nach regionalen Gesichtspunkten oder Berufssparten, wie sie der Senat für zulässig angesehen hat. Eine Landesregierung, die in Übereinstimmung mit rigorosen Sparauflagen des Haushaltsgesetzgebers Ausnahmen vom Einstellungsstopp nach beruflichen, regionalen oder vergleichbaren sachlichen Aspekten nicht zulassen will, kommt dennoch nicht umhin, für Einzelfälle Ausnahmeregelungen vorzusehen, die für die Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung unvermeidlich sind. Dem dient das Merkmal "unabweisbar vordringlicher Personalbedarf", ohne dass erkennbar ist, dass definitorische Präzisierungen möglich wären, die keine unerwünschten Ausweitungen mit sich bringen. Dass solches gleichwohl durch den zitierten Senatsbeschluss gefordert wäre, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass hier das Finanzministerium über Ausnahmen entscheidet, womit eine landesweit einheitliche Verwaltungspraxis sichergestellt und zugleich einer etwaigen Benachteiligung der Jugendvertreterin vorgebeugt wird, die im Zusammenhang mit deren Aktivitäten bei der Ausbildungsdienststelle stehen. Insgesamt lässt sich dem zitierten Senatsbeschluss nicht entnehmen, dass der dort entwickelte Grundsatz, wonach Ausnahmen vom Einstellungsstopp eindeutig und klar gefasst sein müssen und nicht in erheblichem Maße noch für Wertungen offen sein dürfen, die Konkretisierung des Ausnahmemerkmals "unabweisbar vordringlicher Personalbedarf" im Erlass des Finanzministeriums zwingend gebietet.

2. Der angefochtene Beschluss weicht schließlich nicht vom weiteren Senatsbeschluss vom 2. November 1994 - BVerwG 6 P 48.93 - (Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 11 = PersR 1995, 174) ab. Dieser Beschluss ist hier nicht einschlägig. In ihm hat der Senat seine Rechtsprechung zu § 9 BPersVG mit Blick auf die strukturellen Besonderheiten des damaligen Sondervermögens Deutsche Bundespost Telekom weiterentwickelt und modifiziert. Für den generellen Anwendungsbereich des § 9 BPersVG enthält er keine Rechtssätze, die sich nicht bereits dem unter 1. behandelten Beschluss vom gleichen Tage entnehmen lassen.

Ende der Entscheidung

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