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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 2.00
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 8 Buchst. a
Leitsatz:

Die Enteignung von Vermögenswerten einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz im Inland im Zuge des SMAD-Befehls Nr. 01 vom 23. Juli 1945 konnte auch dann auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgen, wenn an der Versicherungsgesellschaft eine ausländische Mehrheitsbeteiligung bestand.

Beschluß des 7. Senats vom 20. April 2000 - BVerwG 7 B 2.00 -

I. VG Leipzig vom 08.10.1999 - Az.: VG 1 K 1175/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 2.00 VG 1 K 1175/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgericht am 20. April 2000 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel und Herbert

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 8. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerinnen beanspruchen nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung von Grundstücken, die nach Maßgabe der Fünften Verordnung zur Ergänzung und Ausführung der Verordnung vom 11. Oktober 1945 über die Gründung der Versicherungsanstalt des Landes Sachsen vom 30. Dezember 1946 (Landesverwaltung Sachsen 1947, S. 119) enteignet worden sind. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Restitution wegen Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage ausgeschlossen sei (§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG). Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die von der Beschwerde geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des Senats vom 27. Juni 1996 - BVerwG 7 C 3.96 - BVerwGE 101, 282 besteht nicht.

In der Divergenzentscheidung ist dargelegt, daß eine von deutschen Stellen vorgenommene Enteignung, die gegen ein von der sowjetischen Besatzungsmacht ausgesprochenes Verbot verstieß, nicht schon deshalb auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG beruht, weil die Besatzungsmacht keine Anstalten zur Durchsetzung ihres Verbots unternommen hat. Ein solches Verbot der entschädigungslosen Enteignung bestand, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, für Vermögenswerte, die im Eigentum ausländischer natürlicher oder juristischer Personen standen (Urteil vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 50.95 - BVerwGE 104, 84 <86> m.w.N.). Demgegenüber läßt sich den einschlägigen Verlautbarungen der Besatzungsmacht, wie der Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1995 - BVerwG 7 C 53.94 - BVerwGE 98, 1 <11> ausgeführt hat, für Fälle der Enteignung von Vermögenswerten deutscher juristischer Personen, an denen ausländische Personen beteiligt waren, kein klares Enteignungsverbot entnehmen. Die ausländischen Anteilseigner wurden durch die Enteignung solcher Vermögenswerte nicht in Form eines Rechtsverlusts, sondern ausschließlich in Form einer Minderung der wirtschaftlichen Substanz ihrer Anteile betroffen. Für mittelbares ausländisches Eigentum hatte die Besatzungsmacht nur ein allgemeines Schutzversprechen abgegeben, dieses aber nicht in ein Verbot der Enteignung von Vermögenswerten deutscher juristischer Personen mit ausländischer Beteiligung umgesetzt. Infolgedessen beruhten Enteignungen solcher Vermögenswerte grundsätzlich auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie von der Besatzungsmacht ausdrücklich bestätigt wurden, sonst ihrem generellen oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen oder von ihr jedenfalls stillschweigend geduldet wurden. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Besatzungsmacht ihr allgemeines Schutzversprechen für mittelbares ausländisches Eigentum im Einzelfall in eine konkrete Handlungsanweisung und damit in ein Enteignungsverbot umgesetzt hatte (vgl. BVerwGE 101, 282 <284 f.>; Beschluß vom 16. Oktober 1996 - BVerwG 7 B 232.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 90).

Von diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat ausgeführt, daß im Zuge der durch SMAD-Befehl Nr. 01 vom 23. Juli 1945 angeordneten Neuordnung des deutschen Finanz- und Bankwesens Versicherungsgesellschaften für Eigentums- und Personenversicherungen zu schaffen gewesen und demgemäß zur Durchführung der privaten Versicherung in Sachsen die Verordnung über die Gründung der Versicherungsanstalt des Bundeslandes Sachsen vom 11. Oktober 1945 (Amtliche Nachrichten der Landesverwaltung Sachsen, S. 51), zur Schließung, Abwicklung oder Überleitung der öffentlichen und privaten Versicherungsunternehmen die Zweite Verordnung vom 29. November 1945 (Landesverwaltung Sachsen, S. 136) sowie zum Übergang von Versicherungsvermögen auf die Versicherungsanstalt die Fünfte Verordnung vom 30. Dezember 1946 erlassen worden seien. Namentlich die in der Fünften Verordnung geregelte Enteignung des in Sachsen vorhandenen Vermögens der in der sowjetischen Besatzungszone nicht zugelassenen inländischen Versicherungsunternehmen sei der sowjetischen Besatzungsmacht auch ohne deren ausdrückliche Zustimmung zuzurechnen. Das ergebe sich vor allem aus der Bezugnahme im Vorspruch der Fünften Verordnung auf den SMAD-Befehl Nr. 247 vom 14. August 1946, in dessen Nr. 5 bestimmt ist, daß "zwecks teilweisen Ersatzes der Auslagen der Versicherungsgesellschaften der Provinzen und Länder zur Zahlung von Versicherungssummen aus Verpflichtungen alter Versicherungsgesellschaften ... alle Aktiva (mit Ausnahme von Wertpapieren), die sich in den Bilanzen der geschlossenen deutschen Versicherungsgesellschaften befinden, in die Bilanzen der neuen Gesellschaften zwecks Eintreibung aufzunehmen sind".

Damit hat das Verwaltungsgericht angenommen, daß es sich bei der Enteignung der in Rede stehenden Grundstücke um Maßnahmen handelte, die durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht wurden und maßgeblich auf deren Entscheidung beruhten, also auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG erfolgt sind. Da die Grundstückseigentümerin eine deutsche juristische Person mit Sitz in Leipzig war, bestand ein besatzungshoheitliches Enteignungsverbot nicht schon deswegen, weil ihre Anteile mehrheitlich im Eigentum ausländischer Gesellschaften standen. Eine besondere Fallgestaltung nach Art des Sachverhalts, der der Divergenzentscheidung zugrunde lag (BVerwGE 101, 282 <284 f.>), ist entgegen der Behauptung der Beschwerde nicht gegeben. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß aufgrund eines konkreten Handelns der Besatzungsmacht deren allgemeines Schutzversprechen für mittelbares ausländisches Eigentum zu einem Enteignungsverbot erstarkt war, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Seine Annahme, daß die Maßnahmen der Verantwortung der Besatzungsmacht zuzuordnen seien, weil diese ihnen nicht ausdrücklich oder durch konkludentes Handeln widersprochen habe, weicht daher nicht von der Divergenzentscheidung ab.

2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimißt.

Die Beschwerde möchte geklärt wissen, "ob das Schutzversprechen der sowjetischen Besatzungsmacht für mittelbares ausländisches Vermögen eine Anwendbarkeit des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nur dann ausschließt, wenn dieses durch ein konkretes Enteignungsverbot umgesetzt wurde, oder ob dieses Schutzversprechen auch Bedeutung bei der Interpretation sowjetischer Enteignungsermächtigungen hat". Diese Frage zielt darauf ab, daß sich die Enteignungsregelung in § 1 der Fünften Verordnung auf das Vermögen "inländischer" Versicherungsunternehmen bezieht. Sie ist anhand der bereits zitierten Rechtsprechung des Senats im erstgenannten Sinn zu beantworten, ohne daß es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Der Inlandsbezug der einschlägigen Enteignungsregelung, der entsprechend in § 4 Abs. 1 des sächsischen Gesetzes über das Versicherungswesen vom 30. Januar 1948 (GVBl S. 70) wiederkehrt, stimmt der Sache nach mit der Anordnung in Nr. 5 des SMAD-Befehls Nr. 247 überein, in der vom Aktivvermögen der "geschlossenen deutschen Versicherungen" die Rede ist. Dieser Anordnung läßt sich eine über das allgemeine Schutzversprechen für mittelbares ausländisches Eigentum hinausgehende Willensäußerung der Sowjetunion im Sinne eines Enteignungsverbots nicht entnehmen. Dies liegt schon deshalb auf der Hand, weil die Formulierung des Befehls auf Versicherungen mit ausländischer Mehrheitsbeteiligung nicht abstellt, obwohl die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen bereits in der Anlage 1 zur Zweiten Verordnung vom 29. November 1945 unter denjenigen Versicherungen aufgeführt war, die entsprechend den Vorgaben des SMAD-Befehls Nr. 247 zu schließen und abzuwickeln waren. Da die Anlage im amtlichen Veröffentlichungsblatt bekannt gemacht und damit ohne weiteres zur Kenntnis der sowjetischen Besatzungsmacht gelangt war, hätte diese, wenn die nachfolgende Enteignung ihrem Willen nicht entsprochen hätte, ihr Schutzversprechen für mittelbares ausländisches Eigentum durch eine entsprechende Fassung der Nr. 5 des SMAD-Befehls Nr. 247 in ein konkretes Enteignungsverbot umsetzen können. Das ist jedoch mit dem bloßen Hinweis auf das Aktivvermögen der "geschlossenen deutschen Versicherungen" nicht in der gebotenen Klarheit geschehen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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