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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.07.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 31.01
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 2

Entscheidung wurde am 12.09.2001 korrigiert: Titel durch Stichworte ersetzt
Bei der Prüfung einer Überschuldung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG sind dingliche Belastungen zugunsten des Restitutions-Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts noch valutierten.

Eine nachträglich auf einen Miteigentümer übergegangene Hypothek an dem Grundstück verringert dessen Zeitwert um den auf fremde Miteigentumsanteile entfallenden Anteil.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 31.01 VG 7 K 41/97

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 26. Juli 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und Herbert

beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 16. Januar 2001 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Leipzig zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerinnen beanspruchen nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung ihrer Eigentumsrechte an einem Mietwohngrundstück. Die Klägerin zu 2 einerseits sowie die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen zu 1 und 3 andererseits verzichteten im Jahre 1979 als Miteigentümerinnen je zur Hälfte auf das Eigentum (§ 310 ZGB). Das Grundstück war mit einer 1943 bestellten Buchhypothek belastet, die mit Abtretung der eingetragenen Forderung von 20 000 RM im Jahre 1949 auf die damalige Miteigentümerin und nach deren Tod auf die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen zu 1 und 3 übergegangen war. Diese bewilligte im Zusammenhang mit dem Eigentumsverzicht die Löschung der Hypothek.

Die Beklagte lehnte die Rückübertragung des Grundstückseigentums ab. Das Verwaltungsgericht hat der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage stattgegeben, weil die Voraussetzungen eines überschuldungsbedingten Eigentumsverlusts (§ 1 Abs. 2 VermG) erfüllt seien: Die Überschuldung des Grundstücks habe bei Verzicht auf das Eigentum unmittelbar bevorgestanden; die anstehenden Instandsetzungskosten von 18 800 M hätten den Beleihungswert von 23 100 M überschritten, weil dieser um den halben Nennbetrag der hypothekarisch gesicherten Forderung zu mindern gewesen sei.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beigeladenen hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass auf ihre Verfahrensrüge das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wird.

1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob "bei Grundstücken, die im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts im Eigentum mehrerer Miteigentümer stehen, die einem Miteigentümer zustehende und auf dem gesamten Grundstück lastende Hypothek in Abzug zu bringen ist oder - wie bei einer Eigentümer-Hypothek - nicht". Diese Frage rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil ihre Rechtsgrundsätzlichkeit nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt worden ist.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine einem Miteigentümer zustehende Hypothek bei der Prüfung, ob ein Grundstück im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG überschuldet war, in dem Umfang zu berücksichtigen ist, in dem der Hypothekar von den weiteren Miteigentümern im Innenverhältnis die Zahlung der gesicherten Forderung verlangen kann. Die Beschwerde hält demgegenüber offenbar eine vollständige Nichtberücksichtigung von Miteigentümergrundpfandrechten für möglich oder sogar für geboten. Sie führt aber nicht einmal ansatzweise aus, inwiefern eine derartige Rechtsauffassung mit der Vorschrift des § 1 Abs. 2 VermG zu vereinbaren, geschweige denn von ihr gefordert sein könnte. Diese läuft nämlich im Ergebnis darauf hinaus, dass einem Miteigentümer angesonnen wird, zur Aufnahme neuer Fremdkredite die ihm zustehende Hypothek unabhängig davon löschen zu lassen, ob und in welcher Höhe die gesicherte Forderung noch besteht.

2. Das angegriffene Urteil beruht jedoch auf dem von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler der mangelhaften Sachaufklärung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat über die Frage, in welcher Höhe die hypothekarisch gesicherte Forderung im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts bestand, keinen Beweis erhoben. Es ist davon ausgegangen, dass die Forderung unverändert mit dem im Jahre 1943 eingetragenen Nennbetrag valutierte. Da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Forderung ganz oder teilweise befriedigt worden oder aus anderen Gründen erloschen gewesen sei, sei der Fortbestand der Forderung in der eingetragenen Höhe anzunehmen; nach § 1138 BGB werde bei der Hypothekenklage der gegenwärtige Bestand der eingetragenen Forderung widerlegbar vermutet. Damit hat es die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung verletzt.

Das Verwaltungsgericht durfte sich nicht mit der Annahme begnügen, dass die Forderung von 1943 bis 1979 unverändert mit dem eingetragenen Betrag valutiert habe, was die Beigeladene den Entscheidungsgründen zufolge bestritten hatte. Es musste dieser Frage, von der nach seiner Rechtsauffassung der Erfolg der Verpflichtungsklage abhing, auch ohne einen entsprechenden Antrag der Beigeladenen nachgehen. Der Senat versteht den Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 1138 BGB nicht dahin, dass es nach dessen Rechtsauffassung keiner Klärung bedurfte, ob und in welcher Höhe die eingetragene Forderung im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts valutierte. Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Hinweis nicht in Abrede gestellt, dass der Bestand der eingetragenen Forderung nur in einem Verfahren über die Hypothek, nicht aber für die persönliche Klage aus der schuldrechtlichen Forderung vermutet wird (vgl. Eickmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 1138 Rn. 3 ff.). Es ist vielmehr der Sache nach zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Überschuldungs-Prüfung gemäß § 1 Abs. 2 VermG dingliche Belastungen zugunsten des Restitutionsgläubigers nur berücksichtigt werden dürfen, soweit sie noch valutieren.

Das Verwaltungsgericht war gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet aufzuklären, in welcher Höhe die Hypothek im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts valutierte. Da über den Bestand der Forderung nach Sachlage die Klägerinnen unterrichtet sein konnten, musste es ihnen die Beibringung entsprechender Nachweise aufgeben. Sofern keine urkundlichen Nachweise vorhanden gewesen sein sollten, kam eine Anhörung der Klägerinnen in Betracht. Diese haben sich zu der Frage, in welchem Umfang die Forderung bestanden hatte, weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess näher geäußert. Das Verwaltungsgericht hat laut Verhandlungsprotokoll selbst die in der mündlichen Verhandlung anwesende Klägerin zu 1 hierzu nicht befragt. Mit Blick auf deren Schreiben an die Beklagte vom 12. Oktober 1994 musste sich eine solche Befragung aufdrängen; die darin enthaltene Äußerung der Klägerin zu 1, dass ihre Großmutter den "Kredit in Höhe von ca. M 20 000" vor Eigentumsverzicht habe ablösen müssen, war erläuterungsbedürftig, weil aus ihr nicht hervorging, ob und in welcher Höhe noch eine Forderung gegen die Klägerin zu 2 bestand und durchgesetzt wurde. Solange nicht erwiesen war, dass die Hypothek mit dem eingetragenen Betrag valutierte, bot sich schließlich eine Parteivernehmung der Klägerinnen an (vgl. § 445 Abs. 2 ZPO). Namentlich bei der Klägerin zu 2 konnte nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass ihr entsprechende Tatsachen aus eigenem Wissen oder aus Angaben ihrer 1974 verstorbenen Rechtsvorgängerin, die seit 1936 Miteigentümerin des Grundstücks war, bekannt waren.

Der Senat nimmt den dem Verwaltungsgericht unterlaufenen Verfahrensfehler zum Anlass, gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss zu entscheiden. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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