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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 58.00
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 65 Abs. 2
VwGO § 108 Abs. 2
VwGO § 121
VwGO § 133
VwGO § 142 Abs. 1 Satz 2
Leitsatz:

Im Verfahren über die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision kommt eine notwendige Beiladung in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

Beschluss des 7. Senats vom 20. Oktober 2000 - BVerwG 7 B 58.00 -

I. VG Greifswald vom 08.12.1999 - Az.: VG 5 A 400/95 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 7 B 58.00 VG 5 A 400/95

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 20. Oktober 2000 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel und Kley

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers, Herrn ... Sch., M.straße 31, ... H., zum Verfahren beizuladen, wird abgelehnt.

2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 8. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.

Gründe:

1. Der Antrag, Herrn Sch., dem die umstrittenen Ansprüche abgetreten worden sind, zum Beschwerdeverfahren beizuladen, bleibt erfolglos. Es kann dahinstehen, ob eine solche Beiladung - weil im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO notwendig - in einem Revisionsverfahren erfolgen müsste. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, müsste die beantragte Beiladung im Beschwerdeverfahren unterbleiben. Die notwendige Beiladung soll sicherstellen, dass eine Sachentscheidung, die in die Rechte Dritter eingreift und aus diesem Grunde auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, nicht ohne Beteiligung dieser Dritten erlassen wird, um auf diese Weise zu gewährleisten, dass sie an die Rechtskraft des in der Sache ergehenden Urteils nach Maßgabe des § 121 VwGO gebunden sind. Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung ist demgemäß verfahrensfehlerhaft und führte nach früherem Recht, das dem Revisionsgericht die Nachholung einer notwendigen Beiladung nicht ermöglichte, regelmäßig zur Zurückverweisung der Sache an den Vorderrichter, um so die Nachholung der notwendigen Beiladung sicherzustellen. Die durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung neu gefasste Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO lässt nunmehr die notwendige Beiladung auch im Revisionsverfahren zu. Damit soll eine Zurückverweisung der Sache an den Vorderrichter im Interesse unnötiger Verfahrensverzögerungen vermieden werden, wenn der Beizuladende ein berechtigtes Interesse an der Zurückverweisung nicht haben kann, weil weitere Tatsachenfeststellungen nicht notwendig sind (vgl. dazu näher BTDrucks 11/7030 S. 35). Für eine entsprechende Anwendung des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO in dem als Zwischenverfahren ausgestalteten Beschwerdeverfahren nach § 133 VwGO, in dem regelmäßig nur über die Zulassung des Rechtsmittels entschieden wird, fehlt es an einer vergleichbaren Ausgangslage. Da sich das Verfahren auf die Prüfung der Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt, kann es den wesentlichen Zweck der notwendigen Beiladung, nämlich eine einheitliche Sachentscheidung gegenüber allen an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligten Personen zu ermöglichen, nicht erfüllen. Die mit der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht eintretende Rechtskraft des angegriffenen Urteils der Vorinstanz würde den erst im Beschwerdeverfahren beigeladenen Dritten nicht binden. Das hindert eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO im Verfahren nach § 133 VwGO. In diesem Verfahren kann allerdings ausnahmsweise auch ein Zugriff auf die Sache selbst, nämlich nach Maßgabe des § 133 Abs. 6 VwGO erfolgen. In derartigen Fällen ist grundsätzlich nur die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an die Vorinstanz möglich. Die Beteiligungsrechte Dritter können aber hier, wie auch bei einem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde, durch eine Beiladung in den dann fortzusetzenden Hauptverfahren gewahrt werden.

Mit der Ablehnung der Beiladung setzt sich der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise in Widerspruch zu dem (nicht veröffentlichen) Beschluss des 4. Senats vom 10. Juni 1992 - BVerwG 4 B 108.92 - (vgl. auch den Beschluss des 4. Senats vom 4. Juni 1992 in derselben Sache - Buchholz 310 § 142 VwGO Nr. 13). Zwar ist in dem Beschluss ausgeführt, dass § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für das Beschwerdeverfahren gemäß 133 VwGO entsprechend gilt. Entscheidungserheblich war für den 4. Senat aber, dass kein Fall notwendiger Beiladung gegeben war.

2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass der behauptete Gehörsverstoß (§ 108 Abs. 2 VwGO) vorliegt. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass das Verwaltungsgericht dem von den Prozessbevollmächtigten des Konkursverwalters am Tage vor der mündlichen Verhandlung gestellten Vertagungsantrag nachkommen musste. Dieser Antrag war mit dem Hinweis begründet worden, die Klageerwiderung sei erst am 19. November 1999 beim Konkursverwalter eingegangen, der sich daraufhin alsbald um eine anwaltliche Vertretung bemüht habe, die dafür erforderlichen Mittel aber erst durch Aufnahme eines "Darlehens" habe beschaffen müssen. Aus diesem Grunde habe der Konkursverwalter seine Prozessbevollmächtigten erst am 6. Dezember 1999, also zwei Tage vor der auf den 8. Dezember 1999 anberaumten mündlichen Verhandlung beauftragen können, ihn zu vertreten. Mit diesen Ausführungen war ein Vertagungsgrund noch nicht dargetan. Dem Konkursverwalter war durch das Schreiben des Berichterstatters vom 3. August 1999 bekannt, dass das Verwaltungsgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung noch im Jahre 1999 anstrebte. Er hatte daher hinreichende Veranlassung, sich im Blick auf die einzuschlagende Prozessstrategie darüber schlüssig zu werden, ob er sich fremder anwaltlicher Hilfe bedienen wollte oder nicht. Das im weiteren vom Konkursverwalter beobachtete Verhalten ließ jedoch nur darauf schließen, dass er an einer Fortsetzung des Prozesses zugunsten der Konkursmasse kaum ernsthaft interessiert war. Er hatte am 23. August 1999 den Restitutionsanspruch an den Kaufmann Sch. unter der aufschiebenden Bedingung abgetreten, dass der vom damaligen Gemeinschuldner angestrebte Zwangsvergleich "rechtskräftig bestätigt" werde. Für diesen Fall sollten 70 000 DM als Gegenwert gezahlt werden. Dementsprechend erklärte der Konkursverwalter gegenüber dem Verwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 25. Oktober 1999, der vom Gemeinschuldner inzwischen vorgelegte Vorschlag für einen Zwangsvergleich werde von ihm, dem Konkursverwalter, positiv beurteilt und vermutlich angenommen werden. Damit werde Herr Sch. Inhaber des streitbefangenen Rechts; man müsse ihm daher eine geräumige, mindestens ein halbes Jahr betragende Frist zur Erwiderung auf die möglicherweise demnächst kurzfristig vorliegende Klagebeantwortung einräumen. Angesichts dieser Darlegungen musste es als fern liegend erscheinen, dass der Konkursverwalter noch ernsthaft daran dachte, sich im vorliegenden Verfahren anwaltlicher Hilfe zu Lasten der Konkursmasse zu bedienen; dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VermG ein Anspruch auf Rückübertragung nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgen kann. Dementsprechend war der Hinweis im Vertagungsantrag, der Konkursverwalter habe sich erst ein "Darlehen" beschaffen müssen, schwerlich geeignet, die Bitte um einen Vertagungsantrag wegen einer sonst drohenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rechtfertigen. Dieser für sich gesehen kaum verständliche und nicht weiter erläuterte Hinweis, der überdies erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung erfolgte, ließ eher auf eine Verzögerungsabsicht schließen. Dem Beschwerdevorbringen lassen sich keine Umstände entnehmen, die darauf hindeuten könnten, dass das Verwaltungsgericht zu einer anderen Einschätzung hätte kommen müssen, weil der Konkursverwalter das getan hatte, was ihm nach Lage der Dinge zuzumuten war, um sich in der gegebenen Situation rechtliches Gehör zu verschaffen.

Entsprechendes gilt für den weiteren Hinweis im Vertagungsantrag, die Klageerwiderung des Beklagten sei beim Konkursverwalter erst am 19. November 1999 eingegangen und habe diesen veranlasst, sich alsbald um eine anwaltliche Vertretung zu bemühen. Der in Rede stehende Schriftsatz des Beklagten enthält, was die auf die Vorschrift des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG gestützte Ablehnung des geltend gemachten Rückübertragungsanspruchs angeht, keine zusätzlichen, über die Begründung im angefochtenen Bescheid hinausgehenden Ausführungen, die den Konkursverwalter hätten veranlassen müssen, die Frage einer anwaltlichen Vertretung in einem neuen Lichte zu sehen. Auch die Beschwerde trägt hierzu nichts Konkretes vor, sondern ergeht sich insoweit in allgemeinen Redewendungen. Der in der Klageerwiderung enthaltene Hinweis auf das ministerielle Schreiben vom 4. Juni 1950 und auf Auszüge aus den Veränderungsnachweisen war kein - wie die Beschwerde vorträgt - neuer Tatsachenvortrag, sondern eine Wiederholung des in dem Bescheid vom 14. Februar 1994 auf Seite 4/5 Ausgeführten, wobei - ohne weiteres erkennbar - lediglich das Datum des ministeriellen Schreibens fehlerhaft mit dem 4. Juni (statt 4. Juli) 1950 angegeben wurde.

Neuer tatsächlicher Vortrag war im Schriftsatz des Beklagten vom 17. November 1999 allerdings zu den die Rücknahme des Rückübertragungsbescheides rechtfertigenden Umständen enthalten. Dem jetzigen Kläger wurde erstmals vorgeworfen, er habe den Restitutionsbescheid vom 1. November 1991 durch arglistige Täuschung erschlichen. Dieser Umstand allein brauchte das Verwaltungsgericht jedoch noch nicht zu veranlassen, dem Vertagungsantrag des Klägers stattzugeben. Der Vorsitzende der Kammer hatte dem Prozessbevollmächtigten des Konkursverwalters am 7. Dezember 1999 mitgeteilt, die Kammer werde, wenn es auf diese neuen Tatsachenbehauptungen ankommen sollte, in der mündlichen Verhandlung über eine etwaige Vertagung zu entscheiden haben. Die Beschwerde trägt wiederum nichts vor, was darauf hindeuten könnte, dass auf Grund des in Rede stehenden neuen Vortrags eine Vertagung hätte geboten sein können. In der Sache selbst geht denn auch das angefochtene Urteil - wie schon zuvor der Bescheid vom 14. Februar 1994 - lediglich davon aus, dass der Kläger den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; zu der Behauptung des Beklagten, der Kläger habe arglistig getäuscht, hat das Verwaltungsgericht keine Fesstellungen getroffen.

Die Beschwerde macht schließlich geltend, der Konkursverwalter und seine Prozessbevollmächtigten hätten keine ausreichende Gelegenheit gehabt, Einsicht in die vom Beklagten mit Schreiben vom 29. Oktober 1999 übersandten Verwaltungsvorgänge zu nehmen. Das erwähnte Schreiben habe den Konkursverwalter nicht erreicht; demgemäß sei es ihm auch unmöglich gewesen, zu wesentlichen Fragen des Rechtsstreits in der gebotenen Weise Stellung zu nehmen. Auch dieses Vorbringen ergibt nicht, dass das Verwaltungsgericht dem von den Prozessbevollmächtigten des Konkursverwalters gestellten Vertagungsantrages hätte stattgeben müssen, um einen Gehörsverstoß zu vermeiden. Der Kammervorsitzende hatte mit seinem an die Prozessbevollmächtigten des Konkursverwalters gerichteten Telefax vom 7. Dezember 1999 unter anderem darauf hingewiesen, dass der Konkursverwalter seit Anfang November 1999 Gelegenheit gehabt habe, sich mit dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge vertraut zu machen. Unter diesen Umständen hatten seine Prozessbevollmächtigten allen Anlass, sich umgehend darüber zu vergewissern, ob diese Annahme zutreffend war. Die Beschwerde trägt nicht vor, dass dies geschehen ist; aus ihr ergibt sich vielmehr, dass eine entsprechende Anfrage an den Konkursverwalter erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gerichtet worden ist. Angesichts dessen ist von Seiten der klagenden Partei nicht alles getan worden, was nach Lage der Dinge erforderlich war, um sich das aus ihrer Sicht erforderliche rechtliche Gehör zu verschaffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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