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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 7 C 10.00
Rechtsgebiete: VermG, VZOG, VwGO


Vorschriften:

VermG § 1 Abs. 1 Buchst. a
VermG § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG § 2 Abs. 2 Satz 1
VermG § 3 Abs. 1 Satz 1
VermG § 3 Abs. 4 Satz 3
VermG § 34 Abs. 2
VZOG § 2 Abs. 1 Satz 6
VZOG § 2 Abs. 1 Satz 7
VwGO § 65 Abs. 2
VwGO § 66
VwGO § 110
Leitsätze:

Die für die Rechtsmittelbefugnis des Beigeladenen erforderliche Beschwer ist zu verneinen, wenn er im vorinstanzlichen Verfahren zu Unrecht beigeladen wurde.

Ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück ist ein restitutionsfähiger Vermögenswert (wie Urteil vom 15. November 2000 - BVerwG 8 C 26.99).

Das von einer Maßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffene Anwartschaftsrecht ist als Vollrecht zurückzuübertragen, wenn das Grundstückseigentum keiner Schädigungsmaßnahme unterlag.

Urteil des 7. Senats vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 10.00 -

I. VG Greifswald vom 08.12.99 - Az.: VG 5 A 1146/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 7 C 10.00 VG 5 A 1146/96

Verkündet am 11. Januar 2001

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2001 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franßen und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel, Kley, Herbert und Neumann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beigeladenen zu 2 gegen das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 8. Dezember 1999 wird verworfen.

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 gegen das genannte Urteil werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 tragen jeweils 23/50, die Beigeladene zu 2 trägt 4/50 der Kosten des Revisionsverfahrens. Der Beklagte und die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen beanspruchen die Rückübertragung dinglicher Anwartschaftsrechte an zwei Flurstücken. Sie sind Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Bootsbauer Richard B., der im November 1953 nach den Sondervorschriften für Verschollenheitsfälle zum 31. März 1947 für tot erklärt wurde.

Die Stadt G. verkaufte aus ihrem im Grundbuch Bd. 134 Blatt 2789 unter lfd. Nr. 13 des Bestandsverzeichnisses eingetragenen Grundvermögen dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen durch beurkundeten Kaufvertrag vom 4. Dezember 1943 die beiden Flurstücke. Nach dem Vertragsinhalt sollte die Übergabe der verkauften Flächen mit Wirkung vom 1. Januar 1944, die Auflassung "baldmöglichst nach Beschaffung der erforderlichen Unterlagen" erfolgen. Laut Veränderungsnachweis aus dem Jahre 1944 erhielten die trennvermessenen Flurstücke die Bezeichnung Flur 1 Flst. 473/2 und Flst. 222/6 der Gemarkung G. Die Auflassung wurde am 6. Juni 1947 durch den Abwesenheitspfleger für Richard B. und den Vermessungsrat H. als Vertreter der Stadt G. vor dem Amtsgerichtsrat K. als Richter erklärt; der Auflassungsempfänger beantragte zugleich die von der Stadt bewilligte Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch. Das gerichtlich beurkundete Auflassungsprotokoll befindet sich bei den Grundakten.

Die Eintragung des neuen Eigentümers ist nicht vollzogen worden. Laut Rechtsträgernachweisen des Rats des Kreises G. vom 4. Dezember 1953 wurde das für Richard B. eingetragene Grundeigentum auf der Grundlage der Verordnung vom 17. Juli 1952 in Volkseigentum überführt und als Rechtsträger der VEB (K) Boots- und Reparaturwerft G. bestimmt. Ebenso wurde mit dem Flst. 473/2 verfahren; in dem entsprechenden Rechtsträgernachweis ist als bisheriger Eigentümer "Stadt G., Käufer Richard B." und als Grund der Veränderung § 1 der Verordnung vom 17. Juli 1952 angegeben.

Im Juli 1990 beantragte die Klägerin zu 2 für die Erbengemeinschaft nach Richard B. die Rückübertragung der zu dem früheren Bootsbaubetrieb gehörenden Grundstücke. Der Beklagte gab dem Antrag durch bestandskräftig gewordene Bescheide vom 17. Februar und vom 7. September 1994 statt. Die in Rede stehenden Flst. 473/2 und 222/6 waren nicht in die Rückübertragung einbezogen, weil sie nicht dem Betriebsvermögen des Rechtsvorgängers der Klägerinnen zugerechnet wurden.

Das Flst. 473/2 (= Flur 5 Flst. 24 <neu>) wurde von der Volkswerft GmbH S., die im Zuge der Umwandlung aus dem VEB Volkswerft S. als dem Rechtsnachfolger des VEB Boots- und Reparaturwerft G. hervorgegangen ist, mit notariellem Kaufvertrag vom 26. Mai 1994 als nicht betriebsnotwendiges Flurstück an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2 veräußert; diese verpflichtete sich in dem Vertrag zur Duldung einer Rückübertragung an eventuelle Berechtigte nach dem Vermögensgesetz. Durch bestandskräftigen Vermögenszuordnungsbescheid des Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 30. November 1995 wurde festgestellt, dass das Flurstück in das Eigentum der TLG Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH übergegangen ist. Die Vermögenszuordnung beruhte nach der Begründung des Bescheids auf einer gütlichen Einigung in Verbindung mit einer zwischen TLG und Treuhandanstalt abgeschlossenen Übertragungsvereinbarung vom 29. Dezember 1994. Die TLG wurde am 17. September 1998 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.

Das Flst. 222/6 ist in den Flst. 25/2 und 26 der Flur 5 der Gemarkung G. aufgegangen, die die Hansestadt G. mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Dezember 1994 an die Beigeladene zu 1 veräußerte. Die Beigeladene zu 1 ist im September 1995 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen worden. Über die von den Klägerinnen gegen die Grundstücksverkehrsgenehmigung beim Verwaltungsgericht erhobene Klage ist, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden worden.

Durch den angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 1996 lehnte der Beklagte die Rückübertragung der Flst. 473/2 und 222/6 an die Klägerinnen ab, weil deren Rechtsvorgänger im Grundbuch nicht als Eigentümer eingetragen gewesen und ein Anwartschaftsrecht kein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG sei.

Darauf haben die Klägerinnen Klage erhoben und die Rückübertragung der Anwartschaftsrechte an den Flst. 473/2 und 222/6 beantragt. Durch das angegriffene Teilurteil verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, die Berechtigung der Erbengemeinschaft nach Richard B. in Bezug auf die genannten Anwartschaftsrechte festzustellen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt: Das dingliche Anwartschaftsrecht auf das Eigentum an einem Grundstück sei ein Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG. Dem Rechtsvorgänger der Klägerinnen habe an den umstrittenen Flurstücken ein solches Anwartschaftsrecht zugestanden, da die Voraussetzungen für die Eintragung der Eigentumsänderung vorgelegen hätten und das Eintragungsersuchen mit dem Auflassungsprotokoll an das zuständige Grundbuchamt gelangt sei. Das Anwartschaftsrecht sei zusammen mit dem Betrieb bei der Flucht des Sohnes Willi B. aus der DDR im Jahre 1953 entschädigungslos enteignet worden. Da Willi B. den Betrieb für seinen kriegsbedingt vermissten Vater Richard B. weitergeführt habe und das Betriebsvermögen tatsächlich in Anspruch genommen worden sei, sei zu vernachlässigen, dass Richard B. die Enteignungsvoraussetzungen nicht erfüllt habe. Dessen "faktische" Enteignung ergebe sich in Bezug auf das Flst. 473/2 aus dem Rechtsträgernachweis vom 4. Dezember 1953 sowie aus der Tatsache, dass sein übriges Grundvermögen in Volkseigentum überführt worden sei. Der tatsächliche Zugriff auf dieses Vermögen begründe die Vermutung, dass auch auf das Flst. 222/6 zugegriffen worden sei. Dieses Flurstück sei im Grundbuch nur deshalb nicht umgeschrieben worden, weil die Stadt G. Rechtsträger geblieben sei.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben gegen dieses Urteil Revision eingelegt, soweit es das Flst. 222/6 betrifft. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen übereinstimmend aus: Es sei davon auszugehen, dass ein dingliches Anwartschaftsrecht dem § 2 Abs. 2 VermG unterfalle und das Anwartschaftsrecht der Erbengemeinschaft nach Richard B. an dem Flst. 473/2 von der Schädigungsmaßnahme unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) betroffen sei. Demgegenüber sei das Anwartschaftsrecht an dem Flst. 222/6 nicht von einer Schädigungsmaßnahme betroffen. Dessen Inhaber sei nicht vollständig und endgültig aus seiner Rechtsposition verdrängt worden. Das Flst. 222/6 sei nicht in Volkseigentum überführt worden. Es sei nicht auf der Grundlage der Verordnung vom 17. Juli 1952 enteignet worden. Zu dem hiervon erfassten Personenkreis habe Richard B. nicht gehört. Er habe bei der Flucht seines Sohnes aus der DDR noch als vermisst gegolten. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Inhaber des Anwartschaftsrechts durch staatliche Stellen gehindert worden sei, die Entstehung des Vollrechts auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.

Die Beigeladene zu 2 hat gegen das Urteil Revision eingelegt, soweit es das Anwartschaftsrecht an dem Flst. 473/2 betrifft. Sie hält ihre Revision unbeschadet des Vermögenszuordnungsbescheids vom 30. November 1995 für zulässig. Das angegriffene Urteil betreffe sie zwar nicht mehr in ihren rechtlichen Interessen, seit das Eigentum an dem Flurstück der TLG zugeordnet sei. Sie sei jedoch zur Einlegung der Revision befugt, da die Vermögenszuordnung die TLG zu ihrer Rechtsnachfolgerin gemacht habe; dementsprechend sei sie berechtigt, den Prozess gemäß § 265 Abs. 2 ZPO fortzuführen.

Die Klägerinnen verteidigen das angegriffene Teilurteil. Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht an dem Verfahren.

II.

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

1. Die Revision der Beigeladenen zu 2 ist unzulässig. Die Beigeladene zu 2 ist durch das angegriffene Urteil materiell nicht beschwert, weil es sie nicht in einer ihr zustehenden Rechtsposition verletzen kann (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <19>). Als ein solches Recht kommt hier allein das Eigentum an dem Flurstück 473/2 in Betracht. Eigentümerin dieses Flurstücks war bereits vor Rechtshängigkeit der Klage die TLG Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH. Das ergibt sich aus dem Vermögenszuordnungsbescheid des Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 30. November 1995. Der aufgrund vorheriger Einigung ergangene Bescheid ist mit seinem Erlass bestandskräftig geworden (§ 2 Abs. 1 Sätze 6 und 7 VZOG). Seine Bindungswirkung hinsichtlich der Eigentumsfeststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass er auf einer Einigung zwischen der Beigeladenen zu 2 und der TLG beruhte (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1995 - BVerwG 7 C 63.94 - Buchholz 428 § 17 VermG Nr. 1). Mit der Bestandskraft des Vermögenszuordnungsbescheids ist das Anwartschaftsrecht an dem Flst. 473/2, das die Beigeladene zu 2 durch die Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Zuge ihres notariellen Kaufvertrags mit der Volkswerft GmbH S. vom 26. Mai 1994 erlangt hatte, der Sache nach untergegangen; die entsprechende Buchposition vermittelt kein Recht, das durch das angegriffene Urteil verletzt sein könnte. Eine Rechtsnachfolge lässt sich aus dem früheren Anwartschaftsrecht der Beigeladenen zu 2 schon deshalb nicht herleiten, weil der Eigentumserwerb der TLG auf dem Zuordnungsbescheid und damit auf einem von dem Anwartschaftsrecht unabhängigen Rechtsgrund beruhte. Die Rechtsmittelbefugnis der Beigeladenen zu 2 folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Unrecht beigeladen wurde und die notwendige Beiladung der TLG unterblieben ist; denn diese Verfahrensmängel berühren die Beigeladene zu 2 nicht in ihren Rechten (vgl. BVerwGE 31, 233 <234 f.>).

2. Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten ohne Verletzung von Bundesrecht verpflichtet festzustellen, dass die Erbengemeinschaft nach Richard B. (Rückübertragungs-) Berechtigte in Bezug auf das Anwartschaftsrecht an dem Flurstück 222/6 der Flur 1 der Gemarkung G. ist.

a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Feststellung der Rückübertragungsberechtigung der Erbengemeinschaft nach Maßgabe der in § 3 VermG getroffenen Regelungen. Das ergibt die Auslegung des angegriffenen "Teilurteils". Die Entscheidungsgründe sind zwar missverständlich, soweit darin von der Feststellung der Berechtigung "im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG" die Rede ist. Sie lassen jedoch hinreichend deutlich erkennen, dass das Verwaltungsgericht angesichts des auf Restitution der Anwartschaftsrechte gerichteten Klageantrags über die Restitutionsberechtigung der Klägerinnen entscheiden wollte und entschieden hat; es hat in diesem Zusammenhang nur deshalb ein "Teilurteil" erlassen, weil über die Anfechtungsklage der Klägerinnen gegen die das umstrittene Flurstück betreffende Grundstücksverkehrsgenehmigung noch nicht rechtskräftig entschieden worden und damit nicht absehbar war, ob der mit Eintragung der Beigeladenen zu 1 als Eigentümerin im Grundbuch erloschene Rückübertragungsanspruch wiederaufleben oder ob der Erlösauskehranspruch gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG an seine Stelle treten würde (vgl. Urteil vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 63.96 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20). Es sollte demgemäß in dem noch zu erlassenden Endurteil nur noch darüber zu befinden sein, ob sich der aus der Berechtigung der Klägerinnen grundsätzlich folgende Rückgabeanspruch durch Verfügung über den Vermögenswert in einen Anspruch auf den Erlös nach Maßgabe des § 3 Abs. 4 VermG gewandelt hatte.

b) Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Erbengemeinschaft nach Richard B. in Bezug auf das Anwartschaftsrecht an dem Flst. 222/6 rückübertragungsberechtigt ist, entspricht dem Bundesrecht. Deren Rechtsvorgänger hatte ein Anwartschaftsrecht an dem Flurstück erworben (aa), das grundsätzlich restitutionsfähig ist (bb) und im Streitfall einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG unterlag (cc).

aa) Ein Anwartschaftsrecht liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr durch eine einseitige Erklärung zu zerstören vermag (BGHZ 49, 197 <201> m.w.N.). Das ist beim Eigentumserwerb an einem Grundstück der Fall, wenn der Empfänger einer Auflassung im Sinne des § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB den Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt gestellt hat; denn der an die Einigung gebundene Veräußerer kann danach die Rechtsposition des Auflassungsempfängers grundsätzlich nicht mehr einseitig zerstören, weil dessen Eintragungsantrag gemäß § 17 GBO vor späteren Anträgen erledigt werden muss.

Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Die Auflassung wurde am 6. Juni 1947 durch die Vertreter der Parteien wirksam erklärt; das Amtsgericht war zur Entgegennahme der Auflassung zuständig (§ 1 der Zweiten Verordnung über Auflassungen vom 9. Januar 1940 <RGBl I S. 46>). Der Auflassungsempfänger hatte die von der Stadt bewilligte Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch beantragt. Nachdem die Erklärungen der Parteien beim Grundbuchamt eingereicht worden waren, waren diese bereits vor der Eintragung an die Einigung gebunden (§ 873 Abs. 2 BGB). Das gerichtlich beurkundete Auflassungsprotokoll befindet sich bei den Grundakten zu dem am 7. Dezember 1953 angelegten Grundbuch-Heft Bd. 134 Blatt 2789. In dem Auflassungsprotokoll ist vermerkt, dass sich der Kaufvertrag, die Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 6. Januar 1944, die Wohnsiedlungsgenehmigung vom 4. März 1944, die Bescheinigung des Rats der Stadt G. vom 5. Februar 1947 sowie der Haupt- und Teilauszug aus dem Veränderungsnachweis nebst Flurkarte bei den Grundakten befinden. Anhaltspunkte dafür, dass das so entstandene Anwartschaftsrecht an den beiden Flurstücken durch Rücknahme oder Zurückweisung des Antrags erloschen ist, sind nicht ersichtlich.

bb) Ein Anwartschaftsrecht an einem Grundstück ist ein dem Volleigentum wesensähnliches, als Vorstufe des Grundeigentums selbständig verkehrsfähiges Recht (vgl. BGHZ 114, 161 <164>). Als solches ist es ein restitutionsfähiger Vermögenswert im Sinne des § 2 Abs. 2 VermG, wenn nicht nur der Veräußerer den Rechtserwerb nicht mehr vereiteln konnte, sondern darüber hinaus auch eine Beeinträchtigung oder Vernichtung des Rechts nach dem normalen Verlauf der Dinge ausgeschlossen war. Das war in der Rechtswirklichkeit der DDR der Fall, wenn alle Eintragungsvoraussetzungen vorlagen, insbesondere die zur Übertragung des Eigentumsrechts an einem Grundstück oder Gebäude erforderliche Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung erteilt war (vgl. Urteil vom 20. März 1997 - BVerwG 7 C 62.96 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 30). Unter diesen Umständen war eine individuell zugeordnete und im Regelfall gesicherte Rechtsposition gegeben, deren Schädigung nach dem Gesetzeszweck wiedergutmachungsbedürftig ist (ebenso Urteil vom 15. November 2000 - BVerwG 8 C 26.99 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Einer Grundstücksverkehrsgenehmigung bedurfte es bei Beantragung der Eigentumsumschreibung noch nicht.

Der Restitutionsfähigkeit eines derart gesicherten Anwartschaftsrechts steht nicht entgegen, dass es im Vermögensgesetz nicht ausdrücklich erwähnt und im Grundbuch auch nicht eintragungsfähig ist. Aufgrund seiner dem Vollrecht nahezu gleichkommenden Rechtsqualität lässt es sich ohne Weiteres dem an das Zivilrecht anknüpfenden Begriff der "dingliche(n) Rechte an Grundstücken oder Gebäuden" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 VermG zuordnen; das wird durch die Erläuterung dieser Vorschrift durch die Bundesregierung, die nur beispielhaft einige dingliche Rechte anführt, nicht ausgeschlossen (vgl. BTDrucks 11/7831, S. 4). Das Fehlen von Regelungen über die Rückübertragung von Anwartschaftsrechten rechtfertigt nicht den Schluss, dass sie nicht restitutionsfähig seien. Derartige Folgeregelungen enthält das Vermögensgesetz in § 3 Abs. 1 a Satz 1 und in § 34 Abs. 2 nur für eintragungsfähige dingliche Rechte. Auch im Entschädigungsgesetz fehlt eine Bemessungsgrundlage, die speziell auf Anwartschaftsrechte zugeschnitten ist. Diese Gesetzeslücken erklären sich dadurch, dass dingliche Anwartschaftsrechte angesichts ihrer geringen praktischen Bedeutung nicht als regelungsbedürftig wahrgenommen wurden. Sie lassen sich ausfüllen, indem die bestehenden Vorschriften auf das Anwartschaftsrecht gegebenenfalls sinngemäß angewendet werden.

Die Restitutionsfähigkeit eines dinglichen Anwartschaftsrechts scheitert schließlich nicht daran, dass das Recht der DDR dieses Rechtsinstitut nicht kannte. Es kommt nicht darauf an, ob das im Schädigungszeitpunkt geltende Recht das Anwartschaftsrecht bereits als Vermögenswert anerkannt hatte. Entscheidend ist vielmehr, dass im Schädigungszeitpunkt eine derart gesicherte, eigentumsähnliche Rechtsposition des Auflassungsempfängers bestand, die nach den heute geltenden rechtlichen Maßstäben als Anwartschaftsrecht anzusehen ist. Allein in diesem Sinne nimmt § 2 Abs. 2 VermG bei der Beschreibung der restitutionsfähigen Vermögenswerte "auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Verlustes Bezug" (Beschluss vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 327.95 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 12).

cc) Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 war das Anwartschaftsrecht an dem umstrittenen Flurstück von einer Schädigungsmaßnahme betroffen.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben die staatlichen Stellen im Jahre 1953 eine Enteignung auf der Grundlage des § 1 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 (GBl DDR I S. 615) vorgenommen. Das findet seine Bestätigung darin, dass das im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von G. Band 58 Blatt 473 unter Nrn. 3 und 4 eingetragene Grundeigentum des Richard B. laut Rechtsträgernachweis des Rats des Kreises G. vom 4. Dezember 1953 auf der Grundlage der genannten Verordnung in Volkseigentum überführt und dem VEB (K) Boots- und Reparaturwerft G. als Rechtsträger zugeordnet wurde. Ebenso wurde mit dem im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von G. Band 134 Blatt 2789 unter Nr. 13 eingetragenen Flst. 473/2 verfahren. Der in Bezug auf dieses Flurstück gleichfalls am 4. Dezember 1953 ausgestellte Rechtsträgernachweis dokumentiert die Überführung in Volkseigentum, bestimmt als Rechtsträger den genannten VEB und gibt als Eigentümer die Stadt G. an, versehen mit dem Zusatz "Käufer Richard B.". Aus diesen Umständen wird deutlich, dass der Rat des Kreises zum Schädigungszeitpunkt das Auflassungsprotokoll vom 6. Juni 1947 kannte und im Zuge der Enteignung des Grundeigentums des Richard B. zielgerichtet auch auf dessen Anwartschaftsrecht an dem genannten Flurstück zugegriffen wurde. Dabei wurde der Anwartschaftsrechtsinhaber der Sache nach wie ein Eigentümer des Flurstücks behandelt. Auf die vorherige Eigentumsumschreibung wurde verzichtet, um für das Flst. 473/2 sogleich das Eigentum des Volkes und den VEB Boots- und Reparaturwerft G. als neuen Rechtsträger einzutragen.

Demgegenüber wurde das Flst. 222/6 nicht ausdrücklich in Volkseigentum überführt. Das Flurstück verblieb - unbeschadet dessen, dass es aufgrund des Gesetzes über die Reform des öffentlichen Haushaltswesens vom 15. Dezember 1950 (GBl DDR S. 1201) als Volkseigentum zu behandeln war, - im Eigentum der Stadt G. Der Verlust des Anwartschaftsrechts an diesem Flurstück beruhte darauf, dass das Grundbuchamt das Eigentum nicht auf den Anwartschaftsrechtsinhaber umgeschrieben hat. Das Verwaltungsgericht hat diesen Vorgang als Schädigungsmaßnahme bewertet, weil aus dem tatsächlichen Zugriff auf einzelne Vermögenswerte eine Vermutung des Zugriffs auf das gesamte Vermögen des Betroffenen abzuleiten sei. Diese Erwägung ist zwar in ihrer Verallgemeinerung, namentlich mit Blick auf die Praxis der Enteignung des Vermögens von "Republikflüchtlingen", nicht bedenkenfrei (vgl. Urteil vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 7 C 44.96 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 49; Beschluss vom 5. September 1997 - BVerwG 7 B 203.97 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 32). Die ihr zugrunde liegende Würdigung des vorliegenden Falles ist jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass das Grundeigentum des Richard B. sowie das eine seiner beiden auf demselben Rechtsgrund beruhenden, gleichzeitig entstandenen und in demselben Auflassungsprotokoll beurkundeten Anwartschaftsrechte auf der Grundlage der Verordnung vom 17. Juli 1952 enteignet wurde. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich nach den Regeln des Anscheinsbeweises als typischer Geschehensablauf, dass im Rahmen des einheitlichen Sachzusammenhangs zugleich das andere Anwartschaftsrecht enteignet wurde. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben nicht dargetan, dass die ernstliche Möglichkeit eines hiervon abweichenden Geschehensablaufs besteht. Die unterbliebene Dokumentation der Schädigung des Anwartschaftsrechts an dem Flst. 222/6 findet ihre plausible Erklärung darin, dass bei diesem Flurstück im Gegensatz zu dem Flst. 473/2 kein Rechtsträgerwechsel erfolgt ist.

Rechtlich unerheblich ist, dass die auf das Vermögen des Richard B. gerichtete Schädigungsmaßnahme eine Person betraf, die im Schädigungszeitpunkt als vermisst galt und die Voraussetzungen der Verordnung vom 17. Juli 1952 nicht erfüllte. Eine Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG liegt vor, wenn der betroffene Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hat eine derartige Verdrängung im vorliegenden Fall stattgefunden. Es kommt nicht darauf an, ob die enteignenden Stellen dabei im Irrtum über die Person des Eigentümers waren. Die Annahme des Beklagten, dass das Verwaltungsgericht von einer "Erstreckungswirkung" der Verordnung vom 17. Juli 1952 zu Lasten nicht republikflüchtiger Angehöriger des Flüchtlings ausgegangen sei, trifft nicht zu. Anlass für die Schädigungsmaßnahme war nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Flucht des Sohnes Willi B. aus der DDR, der den Bootsbau-Betrieb seines seit 1945 vermissten Vaters allein weitergeführt hatte. Der Tod von Richard B. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg vom 3. November 1953 festgestellt. Die im Dezember 1953 vorgenommene Enteignung hat die Rechtsstellung des Eigentümers der betroffenen Grundstücke und Anwartschaftsrechtsinhabers an dem hier umstrittenen Flurstück zerstört, gleichgültig, wer dies seinerzeit war. Für die Schädigung genügt, dass diese Maßnahme tatsächliche Wirkungen äußerte, indem das auf Richard B. eingetragene Grundeigentum in Volkseigentum überführt und sein Anwartschaftsrecht faktisch entzogen wurde (vgl. Urteil vom 28. Juli 1994 - BVerwG 7 C 14.94 - BVerwGE 96, 253 <257 f.>).

c) Aus der Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der Rückübertragungsberechtigung in Bezug auf das Anwartschaftsrecht an dem umstrittenen Flurstück folgt, dass der Erbengemeinschaft nach Richard B. das Eigentum an dem Flurstück zurückzuübertragen ist, sofern die bei dessen Veräußerung an die Beigeladene zu 1 erteilte Grundstücksverkehrsgenehmigung aufgehoben werden sollte; andernfalls steht der Erbengemeinschaft der entsprechende Veräußerungserlös zu.

Die Fragen, ob und in welcher Form dingliche Anwartschaftsrechte zurückübertragen werden können, bedürfen aus Anlass des vorliegenden Falles keiner abschließenden Entscheidung. Der Verlust eines solchen Anwartschaftsrechts kann auf verschiedenen Gründen beruhen, die sich nicht stets als Schädigungsmaßnahmen darstellen müssen; so kann beispielsweise das Anwartschaftsrecht im Zuge einer Enteignung des eingetragenen Grundstückseigentümers untergegangen, die Entstehung des Vollrechts durch Rücknahme einer erforderlichen Genehmigung verhindert oder neben dem Grundstückseigentümer zugleich der Inhaber des Anwartschaftsrechts enteignet worden sein. Die vorliegende Fallkonstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass zielgerichtet allein auf das Anwartschaftsrecht zugegriffen wurde und eine Restitution des Grundstücks an den Eigentümer mangels entsprechender Schädigungsmaßnahme nicht in Betracht kommt. In derartigen Fällen ist das dem Vollrecht gleichkommende Anwartschaftsrecht dadurch zu restitutieren, dass die Behörde das Grundbuchamt in entsprechender Anwendung des § 34 Abs. 2 VermG um Eintragung des Berechtigten als Eigentümer des betroffenen Grundstücks ersucht. Ob dem geschädigten Inhaber des Anwartschaftsrechts an einem Grundstück das Vollrecht auch dann zurückzuübertragen ist, wenn zugleich das Grundstückseigentum von einer Schädigungsmaßnahme betroffen war (verneinend Beschluss vom 24. Februar 1995 - BVerwG 7 B 23.95 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 9), kann offen bleiben, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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